RunSschau.

Der Sedantag ist auch in diesem Tage in zahlreichen Orten des Reiches in würdiger, wenn auch nur einfacher Weise, gefeiert worden. Einen bemerkenswerten Zug wies die Sedanfeier in Altona auf. Dort fand am Nachmittag des 1. September an den Gräbern deutscher und französischer Krieger aus dem Feldzuge 1870/71 eine Gedenkfeier statt: an dieser nahmen auch zwei Mitglieder des Altonaer französischen Konsulats und ein Vertreter der fran­zösischen Botschaft in Berlin teil, welche nach Schluß der Feier dem Vorsitzenden der Kampfgenossen- und Krieger-Vereinigung den Dank der französischen Regierung und des Generalkonsulats für das pietät­volle Gedenken an die französischen Krieger aussprach.

Zur Personentarifreform schreibt die Zeitung des Vereins der deutschen Eisenbahnverwaltungen: Der Unterausschuß der ständigen Tarifkommission, dein die Einfügung der zwischen den Regierungen vereinbarten Grundzüge der Tarifreform in den deutschen Personen- und Gepücktaris übertragen worden ist, hat sich dieser Aufgabe nun entledigt. In dem festgesetzten Entwurf sind alle Bestimm­ungen des jetzt geltenden Tarifs, die sich auf die Rückfahrkarten, die festen Rundreisekarten, die Ge­währung von Freigepäck, die Fahrpreisermäßigungen für Gelellschaftssahrten beziehen, beseitigt und an ihre Stelle neue Vorschriften, die den Reformgrund- sätzen entsprechen, gestellt worden. Ferner sind die Tarisvorschristen über Fahrpreisermäßigungen für milde Zwecke, und im Interesse der öffentlichen Krankenpflege vereinfacht worden, da sie durch viele Abänderungen und Zusätze im Lauf der letzten Jahre sehr übersichtlich geworden waren. Für die zusammenstellbaren Fahrscheinhefte soll die Gültig­keitsdauer verlängert werden. Sie betrügt jetzt bei Reisen von 600 bis 2000 Kilometer 45 Tage, bei Reisen bis 3000 Kilometer 60 Tage, darüber hinaus 90 Tage. Diese Fristen reichen nicht mehr aus, seit die Einbeziehung langer überseeischer Schiffs­verbindungen in den Vereins-Reiseverkehr das Gebiet der Fahrscheinhefte außerordentlich erweitert hat. Deshalb soll die Geltungsdauer der Fahrscheinhefte bei Reisen bis 3000 Kilometer auf 60 Tage, bis zu 5000 Kilometer auf 90 Tage und für weitere Entfernungen auf 120 Tage erhöht werden. Mit diesem Antrag wird sich der Verein deutscher Eisen­bahnverwaltungen in seiner am 4. September statt­findenden Versammlung beschäftigen.

Berlin, 29. August. Im November werden voraussichtlich 1500 Gäste aus Frankreich in Berlin eintreffen. Die deutsche Friedensgesellschast hat die Geretteten von Courrisres zu einem Besuche der deutschen Reichshauptstadt eingeladen. Der Vorstand der französischen Loeiöts tranig iss pour I'arbitrage sntrs nations hat nun eine Rundfrage an Pariser Vereine, Volksuniversitäten usw. gerichtet, ob französische Deutschenfreunde bereit wären, sich an dieser Fahrt zu beteiligen. Darauf sind bereits 1500 vorläufige Anmeldungen erfolgt. Der Aufent­halt der Franzosen in Berlin wird wahrscheinlich drei Tage dauern. Die deutsche Friedensgesellschaft wird in kurzem mit einem Aufruf zur Teilnahme der Berliner Vereine und der Berliner Bevölkerung hervortreten, um die Franzosen würdig zu empfangen. Es soll ein großes deutsch-französisches Bankett in der neuen Ausstellungshalle im Zoologischen Garten stattfinden, an dem etwa 5000 Personen teilnehmen sollen. Zu dieser deutsch-französischen Freundschafts­demonstration werden auch die 24 Bergleute aus Herne, die damals die Rettungsarbeiten in Courrisres ausgeführt haben, nach Berlin kommen, und der französische Friedenskämpfer Baron d' Estournelles de Konstant wird ihnen hier eine eigens für diesen Zweck geprägte Ehrenmedaille überreichen.

In der Provinz Posen nimmt die Verweiger­ung der Abgaben deutscher Antworten im Religions­unterricht und des Betens des Vaterunsers in deut­scher Sprache seitens der polnischen Schulkinder einen immer größeren Umfang an. Alle ange­drohten und verhängten Strafen fruchten nicht. Im Aufträge des Kultusministers wird ein Ministerial­rat nach Posen kommen, um mit den Schulbehörden zu beraten, was in der Angelegenheit zu tun sei. Jedenfalls ist es unbedingt notwendig, daß die Staatsgewalt diesem seltsamen Streik der Polen auf irgend eine Weise beikommt.

Einer Meldung aus London zufolge haben die russischen Polizeiagenten in London die Ver­zweigungen eines Komplotts ausgespürt, das daraus abzielt, den Zaren zur Abdankung zu zwingen und einen Großfürsten mit eiserner Hand, Wladimir oder Nikolails Nikolajewitsch, alsdann an seine Stelle zu setzen. Es soll sich da um eine Palast­

verschwörung handeln, an der mehrere der vor­nehmsten russischen Familien beteiligt wären.

Petersburg, 4. September. Auf Befehl des Kaisers werden die Generale Stössel und Fock, sowie Oberst Reiß wegen der Uebergabe Port Ar­thurs dem neugeschaffenen obersten Militärgericht übergeben werden, falls nicht die mit der Vorunter­suchung betraute Behörde nach Abschluß derselben einstimmig beschließt, den Prozeß einzustellen oder die Schuldigen im Disziplinarweg zu bestrafen.!

Der Zustand des Generals Trepow gibt zu ernsten Bedenken Anlaß. Der General leidet an nervöser Erschöpfung und hat seine Arbeits­tätigkeit bedeutend einschränken müssen. Die Aerzte haben angeordnet, daß sich Trepow streng zu Hause halte und seinen Palast nicht verläßt. Besonders empfindlich leidet der General durch die Schlafsucht, die ihn mitten am Tage überfällt und ihn zu jeder ernsteil Beschäftigung unfähig macht.

In Grodnow (Russisch-Polen) und Libau ereigneten sich Straßenunruhen. Hierbei kam es speziell in Libau zu einem förmlichen Feuergesecht zwischen dem Militär und den in mehreren Häusern der Gospodskajastraße steckenden Rebellen; es gab 6 Tote. In Lennewarden bei Riga wurden der lutherische Pastor und seine Frau von einer Bande ermordet. In Tula wurde der Bezirksgerichts- Präsident Remezoff von unbekannten Individuen erschossen.

Präsident Roosevelt, der zu so mancher Re­form in Amerika den Anstoß gegeben, hat nunmehr eine Aenderung der Rechtschreibung der eng­lischen Sprache, deren Lautsystem ein ziemlich kompliziertes genannt werden muß, angeregt. Nach den Vorschlägen, die Brander Matthew, Professor des englischen an der Columbia-Universität, und andere Sprachforscher. aufgestellt haben, soll diese Reform, deren Endziel eine unabhängige amerikanische Sprache sein würde, durchgeführt werden. Das Ganze läuft auf eine bedeutende Vereinfachung der Schreibweise hinaus, die vielen nicht gesprochenen, aber geschriebenen Lautzeichen sollen fallen. Diese neue Rechtschreibung soll offiziell, wenn auch zunächst nur in der beschränkten Anwendung von 300 ge­änderten Wörtern,versuchsweise" in Schrift und Druck gebraucht werden.

Berlin, 2. Sept. DerNordd. Allg. Ztg." wird aus New-Hork geschrieben: Der Entwurf eines neuen Einwanderungsgesetzes lag am 25. Juni dem Repräsentantenhause zur Beratung vor. Hierbei wurden die wesentlichsten der vorgeschlagenen Ver­schärfungen für die Zulassung der Einwanderer aus dein Entwurf gestrichen. Namentlich soll es bei dem Kopfgeld von 2 Dollars verbleiben, während der Entwurf des Senates ein Kopfgeld von 5 Dollars vorsah, ebenso lehnte das Haus eine soge­nannte Bildungs-Test ab, nach welcher die Ein­wanderer über 16 Jahre ausgeschlossen werden sollen, wenn sie nicht englisch oder irgend eine andere Sprache lesen können. Die Beschlüsse des Hauses, von denen die des Senates abwichen, gingen im Entwurf an das gemeinsame Komitee beider Körper­schaften und sind damit für diese Session abgetan.

Eine bezeichnende Geschäftsverbindung besteht zwischen den National-Sozialen und den Sozialdemokraten. Der Verlag der national-sozialen WochenschriftDie Hilfe", die bekanntlich von Pfarrer a. D. I). Naumann herausgegeben wird, macht bekannt, daß er die Anzeigen-Annahme für die sozialdemokratische Wochenschrift:Die neue Ge­sellschaft" übernommen habe. Die sozialdemokratische Leipziger Volkszeitung" ist so unhöflich, an diese Mitteilung die Bemerkung zu fügen:Es ist immer ein rührender Anblick, für Menschen wie für Götter, wenn Blinde und Lahme sich gegenseitig auf diesem holperigen Erdenwege fortzubewegen suchen." So ganz unzutreffend ist die Kennzeichnung nicht.

Karlsruhe, 3. September. Gestern hat die Durlacher Feuerwehr, die älteste in Deutschland, das Fest ihres 60 jährigen Bestehens unter außer­ordentlich starker Teilnahme gefeiert. Vom Groß­herzog und dem Erbgroßherzog sind Glückwunsch- und Danktelegramme auf die Begrüßungen eingegangen.

Baden-Baden, 3. Sept. Die Jubiläums- Schwarzwald - Industrie - Ausstellung wurde heute vormittag im Palais Hamilton in Anwesenheit sämtlicher Mitwirkenden, des Komitees und einer Anzahl geladener Gäste feierlich eröffnet. Die Er­öffnungsrede hielt Bürgermeister Fieser. Besonders ist hervorzuheben, daß sich die Mitwirkenden in den Trachten des Großherzogtums reizend ausnehmen. Die Frau Großherzogin hat mittags der Aus­stellung einen Besuch abgestattet. Mit Abschluß der glänzend verlaufenen Rennwoche hat die Be­sucherzahl die hohe Zahl 60000 erreicht. Wenn

das herrliche Wetter im September einem der schönsten Monate in Baden-Baden anhält, dürste der Besuch des Weltbades alle früheren Jahre weit übertreffen. Erfreulich ist die mit jedem Jahr sich steigernde Zahl französischer Gäste.

Baden-Baden, 2. Sept. Der große Preis nebst dem Gold pokal pflegt alljährlich eine ganz besondere Anziehungskraft auf das Publikum aus­zuüben. Dies war in dem Jahre um so mehr der Fall, als der große Preistag von herrlichem Wetter begünstigt war, und so hatte sich denn auf allen Plätzen eine gewaltige Menschenmenge eingefunden. Das Interesse konzentrierte sich natürlich auf dieses große sportliche Ereignis, namentlich da die heimische Zucht in WeinbergsFestino" undHammurabi" aus dem königl. Hauptgestüt Gradiz zwei Pferde zur Verfügung hatte, denen die Aussicht auf einen Erfolg nach ihren bisherigen Leistungen von vorn­herein nicht abgesprochen werden konnte. Die Mög­lichkeit auf einen Sieg der deutschen Farben schien um so größer, als der Klassenunterschied der deutschen und französischen Pferde zu Gunsten der letzteren nicht so bedeutend war, wie bisher. Leider sollte der Ausgang des Rennens zeigen, daß man sich doch getäuscht hatte. Nachdem zuerst H. StrubesDerby Cup" und Compte Le MaroisQuinconce" die Führung Libernommen und bis aus etwa fünf Sechstel der Entfernung behalten hatten, zog des Franzosen Ai. CaillaultsHautbois" überlegen an die Spitze, während WeinbergsFestino" und der Graditzer Hummurabi" im toten Rennen auf dem zweiten Platze endeten.Derby Cup" undQuinconce", die durch Vorlegen einer äußerst heftigen Pace sich zu früh erschöpften, fielen zum Schlüsse vollständig ab.

Straßburg, 4. Septbr. Der Unteroffizier Stahl von der 4. Kompagnie des Fußartillerie- Regiments Nr. 14 wurde unter dem Verdacht des Landesverrats verhaftet. Er soll Beziehungen zu einem Offizier in Epinal gehabt haben, dem er an­geblich zahlreiche Zeichnungen und Pläne der Feste Kaise, Wilhelm" in Mutzig ausgehändigt hat.

Düsseldorf, 1. Sept. Heute früh wurden im Hof des hiesigen Zellengefüngnisses die Brüder Adolf und Leonhard Blömers hingerichtet, die am 22. Mürz d. I. wegen Ermordung des Oberstleutnants Roos in München-Gladbach vom hiesigen Schwur­gericht zum Tode verurteilt worden waren. Ueber das Schicksal der gleichfalls zum Tod verurteilten Ehefrau des Adolf Blömers ist noch nichts bekannt.

Frankfurt a. M., 1 . September. Ingenieur Karl A. Kulm, Leiter des literarischen Bureaus der Adler-Fahrradwerke hat in einem interessanten Werke Das Amomobil und die moderne Taktik" neben einer Geschichte des Automobils auch seine große Verwendbarkeit in künftigen Kriegen nachgewiesen und namentlich betont, wie segensreich Automobilzüge zum raschen Wegbringen Verwundeter vom Schlacht­felde, zur Herbeischaffung von Verpflegung und zu direkt militärischen Zwecken sei. Das Buch dessen Widmung der König von Spanien angenommen hat, dürfte in militärischen Kreisen großem Interesse begegnen und auch jedem Laien ein anschauliches Bild über unsere modernste Industrie geben.

Gelsenkirchen, 31. August. Der Verband zur Bekämpfung des Alkoholismus und zur Hebung des Volkswohls im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier hat sich an alle Arbeitgeber mit der Bitte gewandt, die Mäßigkeits- und Enthaltsamkeits­vereine dadurch zu unterstützen und zu heben, daß den Mitgliedern der Vereine, die sich des Genusses von Branntwein oder von geistigen Getränken überall enthalten, eine' monatliche Prämie zum Lohn gezahlt werde, eine Einrichtung, die von Amerika aus empfohlen wird.

Konstanz, 31. August. Am 7. Sept. findet eine Serenade vor der Mainau statt, verbunden mit der Huldigung der umliegenden Gemeinden. Die Höhen werden beleuchtet. Am 13. September nimmt das Großherzogspaar am Festakte im Kauf­hause teil, der anläßlich des Zusammentreffens des Jubiläums der großherzoglichen Herrschaften mit der 100 jährigen Zugehörigkeit der Stadt Konstanz zu Baden stattfindet.

Wiesbaden, 3. Septbr. Heute nachmittag stürzte in einem Neubau der Rheingauerstraße eine Betondecke im 3. Stockwerk ein, durchschlug die Betondecken des 2. und 1. Stockes und verschüttete 2 Arbeiter. Die Feuerwehr zog einen der Arbeiter schwer verletzt, den andern tot unter den Trümmern hervor. Das Unglück soll durch zu zeitiges Ent­fernen der Verschalung entstanden sein. Gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet.

Mannheim, 2. Sept. Wilde Szenen spielten sich gestem früh gegen 3 Uhr im Haus Schwetzinger- straße 26 ah. In dem von einer Schreinerei ge-