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^ 135.

Neuenbürg, Mittwoch den 29. August 1906.

64. Jahrgang

NimSschau»

Berlin, 24. Aug. Die deutsche Regierung hat der Einladung der Vereinigten Staaten zu der internationalen Flottenschau in Jamestown im Frühjahr 1907 nicht entsprechen können, da zu dieser Zeit keine Auslandskreuzer oder andere Kriegs­schiffe für derartige Veranstaltungen frei sein werden. Deutschland dürste damit die einzige in Jamestown unvertretene europäische Großmacht sein.

In Kiel fand am Dienstag der Stapellauf des kleinen KreuzersNürnberg" statt; die Taus- rcde hielt der erste Bürgermeister von Nürnberg, Geh. Hofrat Dr. v. Schuh.

Berlin, 27. August. Eine Abordnung des badischen Volksvereins in New-Iork, die sich anläßlich des bevorstehenden 80. Geburtstags des Großherzogs von Baden nach der alten Heimat begeben wird, um dem Großherzog die Glückwünsche der in der Hndsonmetropole lebenden Badener zu überbringen, weilt gegenwärtig in Berlin.

Berlin, 27. Aug. Nachdem Hauptmann Bech am 18. August eine starke Abteilung Hottentotten bei Noibis geschlagen hatte, verfolgte er den Gegner und warf ihn am 22. ds. Mts. an dem östlichen Ansläufer der großen Karrasberge aus starker Stellung. Die Verluste des Feindes sind noch nicht zu übersehen. Unsererseits ist ein Reiter schwer, einer leicht verwundet. Im Südwesten des Schutz­gebiets griff Hauptmann v. Bentivegni am 20. bei Goabis eine Bande von etwa 60 Hottentotten an. Der Feind floh nach kurzem Gefecht in die Oranje­berge und ließ Kleider, Proviant und Munition zurück. Deutscherseits sind zwei Reiter schwer und zwei leicht verwundet. Bei weiterer Verfolgung wurde festgestellt, daß der Feind über den Oranje aus englisches Gebiet geflüchtet war. Der Kap- Polizei wurde hievon Mitteilung gemacht. Oberst v. Deimling traf am 22. d. M. in Romanstrift ein.

Oberst Ohnesorg vom Kolonialamt hat nach einer Meldung derFreist Ztg." sein Abschieds­gesuch eingereicht; Oberst Ohnesorg war der direkte Vorgesetzte des Majors Fischer, es wurde ihm vor­geworfen, das Tun und Treiben seines Untergebenen nicht genügend kontrolliert zu haben, und auf diese Kompromittierung des Obersten ist zweifellos seine Demission zurückzuführen. Oberst Ohnesorg wird indessen durch seinen jetzt erfolgten Schritt schwer­lich um das ihm drohende Disziplinarverfahren herumkommen.

Herr von Tippelskirch hat sich, nach der Voss. Ztg.", in der Schweiz, und zwar in Thurgau, ansässig gemacht, indem er ein dort gelegenes Schloß Salenstein, eines der feudalsten dieser Gegend, für 190 000 Fr. angekauft hat.

Am Freitag hat der russische Ministerrat verkünden lassen, er habe beschlossen, die bisherige Politik fortzusühren, und schon am Samstag hatte Herr Stolypin Gelegenheit, die Erfolge dieser Po­litik am eigenen Leibe zu erproben. Die russische Revolution hat aus den selbstgefälligen Beschluß des Ministeriums mit einem Bombenattentat ge­antwortet, das ans die Villa des Ministerpräsidenten ausgesührt wurde und bei dem 30 Personen getötet, mehrere, darunter zwei Kinder Stolypins, verwundet wurden. Daß der Ministerpräsident selbst unverletzt blieb, ist augenscheinlich nur einem glücklichen Zu­fall zu danken. . . . Auch die Revolutionäre sind augenscheinlich entschlossen, die bisherige Politik fort­zusetzen, und wenn man die furchtbare Reihe von Mordtaten überblickt, der in den letzten zwei Wochen russische Funktionäre aller Grade, vom Gouverneur bis zum Schutzmann herab, zum Opfer gefallen sind und die nunmehr bei dem geistigen Träger des Regierungssystems angelangt ist und schwerlich mit diesem Attentat abschließt, kann man ungefähr er­messen. wie weit es der Ministerrat mit der Aus­führung seines Beschlusses noch bringen kann.

Petersburg, 26. August. Zu dem Attentat auf den Ministerpräsidenten Stolypin liegen folgende Einzelheiten vor. Beim Minister, der öffentlichen Empfang abhielt, weilten ungefähr 50 Personen, darunter zivei hohe Staatsbeamte, Mili­tärs, Bittsteller aus dem Volke u. s. w. Stolypin sprach gerade mit dem Gouverneur von Pensa, Schwostow, als ein eleganter Landauer vor der zweistöckigen Villa hielt, in der zwei Gendarmerie- Offiziere und Zivilpersonen saßen. Einer davon sprang leicht ab und betrat, von den andern gefolgt, das Vestibül. Im selben Moment erfolgte eine furchtbare Detonation, welche die ganze Villa zum Einsturz brachte. Furchtbare Angst- und Hilferufe durchzitterten die Lust. Eine Bombe war geworfen worden, durch die nicht allein die Villa zerstört, sondern auch alle vor ihr postierten Schutzleute und Bediensteten getötet wurden, ebenso auch der Kutscher des Landauers der Attentäter. Aus der oberen Etage der Villa schrien die beiden Kinder des Ministers, ein Knabe und ein Mädchen, laut um Hilfe. Da erschien Stolypin totenbleich zwischen den Trümmern des Hauses:Schnell eine Leiter, rettet meine Kinder!" rief er laut. Einige Be­dienstete eilten herbei, denen es gelang, beide Kinder schwer verletzt zu retten. Der Minister selbst blieb unversehrt, ebenso seine Gattin. Von den fremden Anwesenden wurden 28 Personen tot und 22 schwer oder leicht verwundet unter den Trümmern hervorgezogen. Unter den Toten be­finden sich General Samjatin von der Schutzwache, sowie der Gouverneur von Pensa, Schwostow. Die Attentäter sind junge Leute, deren Persönlichkeit noch nicht sestgestellt ist. Die Detonation war so laut, daß sie am jenseitigen Newa-User, wo die Kaserne des Moskauer Garde-Regiments gelegen ist, gehört wurde und das Militär auf die Straße stürzte, da man ein Erdbeben vermutete.

Die Zahl der Opfer des Mord ans chlags gegen Stolypin beläuft sich auf nahezu 60 Per­sonen, von denen 28 getötet wurden. Unter den Toten befindet sich das Mitglied des Ministerrates Chwostow. Von den Tätern sind drei (nicht alle vier, wie es anfänglich hieß) durch die Explosion getötet worden, der vierte wurde verhaftet. Getötet sind außer dem General Samiatin, dem Zeremonien­meister Woronin und Chwostow noch Fürst Naka- schidze, der Hauptmann der Gendarmerie, Fedorow, der Polizeibeamte Kasantzew, sowie Wachen, Diener und Boten. Unter den Verwundeten befinden sich zwei Ministerialbeamte und ein General der Artillerie. Der Zar richtete an Stolypin folgendes Telegramm: Ich finde keine Worte, um meine Entrüstung aus­zudrücken. Danken Sie Gott, daß er sie behütet. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß Ihr Sohn und Ihre Tochter bald wieder hergestellt werden, ebenso auch die übrigen Verwundeten. Nikolaus." 'Stolypin erhielt ferner Telegramme der Großfürsten Wladimir, Konstantin und Alexander, sowie der Großfürstinnen Elisabeth Eugenie und des Grafen Witte.

Petersburg, 27. August. Die Polizei nahm nachts zahlreiche Verhaftungen und Haussuchungen vor. Sie erfuhr, daß die letzten Attentate aus den Ministerpräsidenten Stolypin und den General Minn von der Moskauer Zentral - Kampfes­organisation ausgingen, welche fliegende Attentats­kolonnen in die meisten russischen Städte entsandte.

Petersburg, 24. August. Die Erkrankung des Palastkommandanten General Trepow war die Folge eines Vergiftungsversuches, dessen Opfer er wurde. Sein Koch und drei andere in seinem Haus­halt angestellte Personen sind in Verbindung damit verhaftet worden.

Petersburg, 27. Aug. Die hohen militärischen und Verwaltnngsbeamten Odessas reichten plötzlich ihren Abschied ein, darunter der Höchstkomman­dierende General Kaulbars, der Generalgouver­neur und der Stadthauptmann.

Warschau, 27. Aug. General Wonliar- liarski wurde von vier Kugeln tödlich ge­troffen. Der Täter, ein unbekannter junger Mann, gab die Schüsse ab, als an der Ecke des Alexander­platzes und der Wiejsk-Straße der Kutscher wegen der auf dem Platze liegenden Steinhaufen ^ ge­zwungen war, langsam zu fahren. Der Kutscher brachte den Schwerverwundeten in das naheliegende Hospital, wo derselbe alsbald verstarb.

Petersburg, 28. Aug. Dem Semenowskischen Regiment gingen anonyme Briefe zu. worin neue Attentate bei der Beerdigung des erschossenen Generals Minn angekündigt werden.

Petersburg, 25. August. Ans dem Peters­burger Postamt wurde ein großer Diebstahl ent­deckt. Die Filiale der Staatsbank in Eriwan hatte an die Staatsbank in Petersburg 148 000 Rubel gesandt, die in einem Lederkoffer verpackt waren. Die Art der Verpackung erregte den Verdacht der Petersburger Postbeamten und der Koffer wurde in Gegenwart eines höheren Beamten geöffnet, wobei sich herausstellte, daß der Inhalt lediglich aus Blei und Sand bestand. Die Wertpapiere und Kreditbillette waren sämtlich gestohlen. Man nimmt an, daß der Diebstahl bereits in Eriwan aus­geführt worden ist, da die an dem Koffer befind­lichen Plomben unversehrt waren.

Odessa, 27. Aug. In der vergangenen Nacht wurde in der Tiraspoler Vorstadt die aus 5 Köpfen bestehende Familie eines Getreidehändlers er­mordet und 10 000 Rubel, sowie mehrere Wert­sachen geraubt. Der Mörder, ein entlaufener Sträf­ling, wurde verhaftet.

Helsingfors, 20. Aug. Die Hinrichtung der zum Tode verurteilten Offiziere und Artilleristen in der Festung Sveaborg soll unter entsetzlichen Um­ständen erfolgt sein. Die zur Exekution komman­dierten Soldaten waren Artilleristen aus dem Regi­ment, das gemeutert hatte; sie wurden von dem jungen Hauptmann Smirnow zum Richtplatz geführt; hinter den Artilleristen wurden Infanteristen mit geladenen Gewehren aufgestellt. Hauptmann Smir­now war so erregt, daß er in Ohnmacht fiel, als erFeuer!" kommandieren sollte. Ein anderer Of­fizier nahm seinen Platz ein. Die 50 Mann des Erekutionskommandos zitterten so vor Erregung, daß sie ihre Gewehre kaum halten konnten. AlsFeuer!" kommandiert wurde, verfehlten sie das Ziel, und die zum Tode Verurteilten wurden nur an den Beinen getroffen. Eine zweite Salve machte ihrem Leiden ein Ende.

Durch starke Überschwemmungen sind fast alle Häuser in Kay es (Senegambien) zerstört. Eine große Anzahl Eingeborener ist ertrunken. Die Strömung fegt ganze Ortschaften fort und zerstörte die Speicher. Der Schaden beläuft sich auf 20 Millionen, tausenden von Eingeborenen fehlt es an Eristenzmitteln.

Zur Erdbebenkatastrophe in Valparaiso berichtet eine Reuter-Depesche aus Santiago de Chile: Es werden noch immer Menschen aus den Trümmern in Valparaiso, unter denen sie 5 Tage lagen, lebend hervorgezogen. Ein Teil des Kirch­hofs rutschte mit den Särgen den Hügel hinab, wobei die Särge geöffnet wurden. Die Leichname verbreiteten einen nnerträglichen Geruch. Die Be­hörden wollten sie mit ungelöschtem Kalk bedecken, doch widersetzten sich dem die Priester. Es fällt in Valparaiso reichlicher Regen, der' die Ausbesserungs­arbeiten an den Eisenbahnen erschwert und die Leiden der in Valparaiso auf den Straßen kam­pierenden Menschen erhöht.

Santiago, 27. August. Seit den letzten 48 Stunden hat sich kein neuer Erdstoß ereignet. Nach den letzten Feststellungen überschreitet die Zahl der Toten in Valparaiso keineswegs 5000.