Württemberg.
Stuttgart, 23. August. Im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen dürfte eine soeben erschienene Broschüre von Redakteur Hanser (Deutsch. Volksblatt) über den Proporz bei den Landtagsund Gemeindewahlen in Württemberg in politischen Kreisen, sowohl bei Wahlleitern als auch bei Wählern Beachtung finden. In gemeinverständlicher Weste werden hier die wichtigsten Neuerungen des württ. Landtagswahlgesetzes behandelt und durch zahlreiche Beispiele aus dem politischen Leben erläutert, so namentlich die Systeme der freien und gebundenen Listen, das Kumulieren, Panachieren, Decapitieren und besonders eingehend und anschaulich auch die Feststellung der Wahlergebnisse aus Grund der jetzt beschlossenen Verhältniswahlen, mit welchen sich die württemb. Bevölkerung erst noch vertraut machen muß. Ein besonderer Abschnitt ist auch den Aussichten der Parteien bei der Proporzwahl gewidmet. Auf Grund der Wahlergebnisse von 1900 würden nach den Berechnungen der Broschüre beim Landesproporz, wie er jetzt beschlossen ist, nämlich in zwei der Quere nach geteilten Landeswahlkreisen, von den 17 zu vergebenden Mandaten erhalten die Volkspartei 5, Zentrum und Deutsche Partei je 4, Sozialdemokratie 3 und Bauernbund 1 Sitz. Der Verfasser geht aber selbst davon aus, das; die Wahlergebnisse -es Jahres 1900 für den Ausfall der kommenden Landtagswahlen einen sicheren Anhaltspunkt nicht mehr geben können. Vor allem ist, ganz abgesehen von der gegenwärtigen politischen Lage und den Aussichten, die sich für die einzelnen Parteien seit 1900 geändert haben, mit dem schwierigen Umstand zu rechnen, ob die Parteien ihre Wühler, die bisher höchstens zweimal zur Wahlurne gehen mußten, auch noch ein drittes mal zum Wahlgeschäst bewegen können; sodann ist auch in Betracht zu ziehen, daß das jetzt gestattete Verbinden von Wahlvorschlägen das Endresultat ganz bedeutend beeinflussen kann. Der Hauptfaktor für die künftigen Wahlen ist und bleibt — darin kann man dem Verfasser ohne jede Einschränkung zustimmen — die möglichst starke und einmütige Abstimmung der Angehörigen einer Partei.
Stuttgart, 24. August. Die Landwehr- Uebungen im Herbst d. I. finden vom 15.—28. September auf dem Truppenübungsplatz Münsingen statt. Es werden rund 1500 Mann (einschließlich Unteroffiziere) eingezogen und zu 10 Kompagnien zusammengestellt. Das Ausbildungspersonal besteht aus aktiven Offizieren und Unteroffizieren, außerdem treten noch zu jeder Kompagnie etwa 2 Offiziere der Landwehr.
Stuttgart, 23. August. Mit de« Sommertagen sind wir in diesem Jahrgang sehr zurück. Heute wurde in Stuttgart der 27. erreicht; im Mittel stellt sich der 27. Sommertag hier aber schon etwa am 26. Juli ein und es sollte am 23. August der 38. gezählt werden. Man muß bis 1896, 1894 und 1891 zurückgehen, um auf ähnliche ungünstige Sommer zu stoßen.
Der Mord m drr KaruthttKrsße.
M Von Geheimrat Dr. L. Lange.
(Nachdruck verboten).
— Schluß. —
„Sie begreifen nun," fuhr Weien in ernstem Tone fort, „daß meine Fragen und Ihre Antworten auf dieselben eine weittragende Bedeutung haben. Woher hatten Sie die vierzigtausend Mark?"
„Ich .... ich hatte sie geerbt!"
„Von wem? Sie werden das Nachweisen müssen!"
Wolsrath schwieg einen Moment. „Ich will Ihnen die Wahrheit gestehen!" sagte er dann leise.
„Das ist jedenfalls sehr in Ihrem Interesse!"
„Ich habe meinem Vetter nur viertausend Mark gegeben, meine Ersparnisse, aber er hat mir den Schuldschein über vierzigtausend Mark ausgestellt!"
„Warum?"
„Er sagte, er habe in seinem Geschäft bedeu- dente Verluste gehabt und wolle nicht, daß, wenn seine Frau sterhe, seine Gläubiger Beschlag auf die Lebensversicherung legten."
„Glaubten Sie ihm das?"
„Warum sollte ich es nicht!"
Etwas sonderbar ist es doch, daß Merten, der doch nur Agenturgeschäfte betrieb, so bedeutende Verluste gehabt haben sollte!"
„Allerdings! Aber da er es bestimmt ver-
Heilbronn, 24. Aug. Zum Feuerwehrkom- mandanten von Heilbronn wurde von den Chargierten des gesamten Korps, die die Wahl Vornahmen, Gemeinderat Flaschnermeister Binder mit 27 Stimmen gewählt. Auf den seitherigen langjährigen Kommandanten Renner fielen 22 Stimmen.
Geislingen, 24. August. Heute früh wurde in Altenstadt die 84jährige Frau Lämmle in ihrem Schlafzimmer neben dem Bett liegend tot aufgesunden. In den: Zimmer der alten Frau war aus nicht bekannter Ursache ein kleiner Brand entstanden. Der Tod scheint durch Ersticken ein- getreten zu sein.
Rottweil, 23. August. Bei dem Brande der hiesigen Kunstmühle konnte der Anbau des Elektrizitätswerkes, ebenso das Wohnhaus mit Stallung gerettet werden. Die Entstehungsursache scheint aus Entzündung von Holzwolle re., die im Dachraum lagerte, durch einen Funken aus einem Kamin zurückzuführen sein.
Jlsfeld, OA. Besigheim, 24. Aug. Aus dem hiesigen Holzmarkt, dem größten des Württemberg. Unterlandes, waren wieder Holzwaren in allen Gattungen vertreten. Die Zufuhr erstreckte sich auf Bauholz, Bretter, Latten, Rahmenschenkel, Weinbergpfähle, Kübler- und Küferwaren u. s. w. Der Absatz war indessen wegen der ungünstigen Weinaussichten nicht so lebhaft als in den Vorjahren. Die Preise für Küferwaren, Weinbergpfähle re. waren verhältnismäßig nieder. Gespaltene Pfähle kosteten pro Hundert 2,60—3,30 Mk., gesägte 1,80—2,30 Mk.
Kus StaSt. Bezirk uns Umgebung-
G Herrenalb, 24. Aug. Ein Kirchenkonzert, dessen Ertrag zum Besten der evang. Kirchenbauschuld verwendet wurde, hat vorgestern abend einen ansehnlichen Teil der Kurgäste und sonstige Zuhörer aus der Einwohnerschaft vereinigt. Hr. .Pfarrer A. Beutler aus Rotenberg spielte als Einleitung das U-inoll-Präludium von I. S. Bach, übernahm auch mit großer Meisterschaft die schwierige Begleitung sämtlicher Solovorträge. Frau Adeline Bizer- Hasenmaier (Pforzheim) sang die herrliche Sopranarie aus „Elias" v. Mendelssohn: „Höre, Israel!" Gesänge von Klara Faißt, Schubert, Rheinberger und Blumner bot Hr. Kammersänger M. Büttner- Karlsruhe, der gegenwärtig als Kurgast hier weilt. Ein Thema mit Veränderungen in Mmol! von Rheinberger und ein Largo von Händel für Violine spielte Hr. Kurkapellmeister M. Post. Den Beschluß machte eine große Fantasie über die Arie: „O Sanktissima!" Unsere evang. Kirchengemeinde wird mit warmem Dankgesühl diese Darbietung aus dem reichen Schatze edler Kirchenmusik zu würdigen wissen.
Calw, 23. Aug. An diesem Sonntag, tz^3 Uhr, findet in Calw eine Ausschußsitzung des Nagoldgausänger-Bundes statt. Die Tagesordnung wird erst im Versammlungslokal bekannt gegeben. Es handelt sich neben anderen Bundesangelegenheiten, um die Stellungnahme zu dem Beschluß des Enzgau-Sängerbundes (Vorort Neuenbürg), wegen Vereinigung des Enzgaubundes mit dem Nagoldgau-Sängerbund, welche Frage anläß-
sicherte, glaubte ich es ihm. Er hat wahrscheinlich an der Börse spekuliert!"
„Möglich! Das wird sich ja feststellen lassen."
Aber mir erwachsen doch keine Unannehmlichkeiten daraus, daß ich ... . Ihnen nicht gleich die volle Wahrheit gesagt habe?"
„Für diesmal will ich darüber hinweggehen, aber in Zukunft seien Sie vorsichtiger!"
Weien fuhr jetzt nach dem Bureau Mertens, dessen Tür er sich durch einen rasch requirierten Schlosser öffnen ließ. Er sah zunächst die Geschäftsbücher durch.
Da war allerdings vor etwas mehr als drei Monaten im Kassabuch ein Eingang von vierzigtausend Mark vermerkt. Aber die Ausgaben entsprachen dem bei weitem nicht. Es hätte noch eine Summe von vierunddreißigtausend Mark in der Kasse sein müssen.
Nachdem Weien dies festgestellt, machte er sich an eine genaue Durchsuchung des Comptoirs. Er hoffte, etwas von den Pretiosen zu finden, fand aber nichts als einen Ring, der zwischen das Regal und die Wand geklemmt war, jedoch gar keine Aehnlich- keit mit dem von Merten beschriebenen hatte. Alle weiteren Nachforschungen blieben erfolglos.
Der Kriminalkommissär wußte jedoch genug. Er ging wieder zu Merten, der ihm mit mühsam beherrschter Unruhe entgegensah.
„Von dem wertvollsten Ring, den Ihre Frau Gemahlin befaß, haben Sie mir gar nichts gesagt, z
lich des am 27. Mai d. I. stattgefundenen Gauausflug nach Calmbach seitens der Vereine des Nagoldgaues und des Enzgaubundes erörtert wurde.
Neuenbürg, 23. August. Die Augustnummer der Württ. Schwarzwaldvereinsblätter bringt an vorderster Stelle ein Gedicht „Waldheil" von Anton von Kocher, dann eine Beschreibung von dem „Jahresfest des Württemb. Schwarzwaldvereins in Rottweil am 14.—16. Juli" nach den Festberichten der Rottweiler Tageszeitungen; dann folgt die Fortsetzung des Artikels: „Land und Leute von Göttel- fingen im Schwarzwald", aus dem hervorgeht, daß die Schwarzwälder fest an dem Ueberlieferten halten und daß die Sitten und Gebräuche heute noch Al der Hauptsache so sind, wie sie zu der Väter Zeiten waren; es reiht sich an der Schluß der geschichtlichen Studien über „Brandeck, Schloß und Mühle in der Vergangenheit" von Schullehrer Huber in Dornstetten. In dem Aufsatz „Milbenhäuschen" wird eine Probe aus R. France, das Leben der Pflanze geboten; dieses hervorragende Werk ist nun bis zur 10. Lieferung fortgeschritten. „Im Tannenwald" plaudert G. A. Volz-Heilbronn über seine Beobachtungen, die er als Freund des Waldes gemacht hat. Verschiedene hübsche Bilder, u. a. die gelungenen Aufnahmen von Apotheker Bozenhardt anläßlich der Ausflüge auf den Hengstberg (Höfener und Calmbacher Hütte daselbst), auf den Riesenstein (Kleinenzhof, bei der Riesensteinhütte, Kurplatz in Wildbad), sowie ein Bildchen der Eyachmühle nach Aufnahme von H. Dolfinger ec., weiter sind der Nummer anmutige Lieder beigefügt, so die „Wanderblicke" von A. v. Kocher und „Tannen", von Kon- sistorialrat F. Blau in Wernigerode. Sehr zahlreich sind die Berichte aus den Bezirksvereinen, wir zählen wohl ein Dutzend und erwähnen darunter für unseren Leserkreis die lebhafte Schilderung des Spazierganges am 18. Juni nach dem Kleinenztal über den Riesenstein nach Wildbad, wie sie sr. Zt. im „Enztäler" (Nr. 95 v. 20. Juni ds. Js.) geschehen ist. All die Berichte und die Neuanmeldungen zeugen von kräftigein Leben und Wachstum des Vereins auch in diesem Jahre.
Neuenbürg, 25. Aug. lieber den gestrigen Bartholomäustag sagt die Wetter- und Bauernregel: „Wie St. Barthel wittert, so wittert auch der Herbst. Wie auch Bartholomäustag sich hält/ so ist der ganze Herbst bestellt. Wenn der St. Bartholomäustag schön ist, so hat man einen guten Herbst zu hoffen, und wie es an diesem Tage wittert, so soll es den ganzen Herbst bleiben." Der Landmann glaubt affo, daß sich diese Zeit der Witterungscharakter für den Herbst entwickle oder festsetze. Nicht gern sieht es der Landmann, wenn um diese Zeit noch Gewitter ausbrechen; denn: „Gewitter um Bartholomä bringen Hagel oder Schnee.
Neuenbürg, 23. August. (Vom Sternenhimmel.) Einen prächtigen Anblick bietet gegenwärtig der Planet Venus in den Abendstunden. Er wird als erster Stern am westlichen Himmel bei Eintritt der Dämmerung (etwa halb acht Uhr) in ziemlicher Höhe sichtbar und nimmt dann an Glanz fortschreitend zu bis zu dem etwa um 9 Uhr
Herr Merten!" begann er, sein Auge fest auf sein Gegenüber richtend. „Warum nicht?"
„Ich weiß nicht, was Sie meinen!"
„Den Brillantenring meine ich!"
„Ach so!" Merten lachte gezwungen. „Das ist ja kein Brillant, das ist eine Imitation!"
Weien verstand sich gut genug auf Steine, um zu wissen, daß der Brillantring echt war und einen Wert von mehreren hundert Mark hatte.
„Das glaube ich nicht," sagte er kalt. „Wo ist der Ring?"
„Wie soll ich es wissen! Wahrscheinlich auch mitgeraubt!"
„Das ist er nicht! Sie haben ihn versteckt!"
„Unsinn! Wie käme ich dazu!"
Ihr Gespräch wurde unterbrochen. Doktor von Seredinsky, der am Bett eines Schwerkranken lange Zeit aufgehalten worden war, trat ein.
„Ich habe Sie bitten lassen, Herr Doktor," empfing ihn Weien, „um von Ihnen zu erfahren, wann der Tod der unglücklichen Frau Merten eingetreten ist."
„Einige Stunden, ehe ich zu ihr kam!"
„Das können Sie bestimmt behaupten?"
„Ganz bestimmt! Sonst hätten die Arterien mehr Blut enthalten müssen! Die Leichenstarre war bereits in vollem Umfange eingetreten."
„Und Sie gaben an, daß die Leiche noch warm gewesen sei, als Sie mittags nach Hause kamen!" wandte sich der Kriminalkommissär an Alerten.
„Ich kann mich auch getäuscht haben!"