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8H.

Neuenbürg, Samstag den 2. Juni 1906.

64. Jahrgang

Uun-schau. l

In der Pfingstwoche find zwei größere Streik, bewegungen zu Ende gegangen, im mittel­deutschen Braunkohlengebiete und in der deut- scheu Metallindustrie.

In Deutsch.Südwestafrika haben in der zweiten Maihälfte eine ganze Reihe neuer Gefechte der deutschen Truppen mit rebellischen Hottentotten­banden stattgefunden; die Gesamtverluste der Deutschen in diesen Kämpfen betragen etwa 50 Tote und Ver- wundete, unter ihnen vier Offiziere.

Madrid, 1. Juni. Der Bombenanschlag gegen den königlichen Hochzeitszug geschah, als der Wagen, in dem König Alfons und Königin Viktoria saßen, einen Moment vor dem Haus Nr. 88 in der Calle Mayor anhielt. Zn diesem Augenblick schleuderte jemand aus einem der oberen Stockwerke dieses Hauses eine Bombe, die an der rechten Seite des Wagens zwischen dem Hinteren Paar Pferde und , den vorderen Rädern des Wagens niederfiel und explodierte. Ein Reitknecht wurde getötet, ebenso 2 Pferde. Der Herzog von Sotomayor, der rechts neben dem Wagen ritt, wurde leicht verletzt. 4 Sol­daten vom Truppenspalier wurden auf der Stelle getötet, ein Leutnant, der eben den Degen Präsentierte, wurde tödlich verletzt. Einem Polizeihornisten wurde der Hals aufgerissea. Auch 2 Frauen, die in der Nähe standen, kamen ums Leben. Zahlreich sind die Verletzten, darunter einige, die sich auf dem Balkon des zweiten Stockwerks des Hauses befanden, von dem aus die Bombe geworfen wurde. Sofort nach der Explosion sprang der Herzog von Cornachuelos an den Wagenschlag, öffnete ihn und war dem König und der Königin beim Aussteigen behilflich. Beide waren aufs tiefste bewegt. Als die Majestäten die Treppe des Schlosses emporgestiegen waren, brachten die fremden Fürstlichkeiten, die sich um sie drängten, ihnen die wärmsten Glückwünsche zu ihrer Errettung dar und gaben ihrem tiefsten Bedauern über den Anschlag Ausdruck. Die Bombe war aus Poliertem Stahl und hatte ffs ew Wandstärke; sie wurde vom 3. oder 4. Stock herabgeschleudert. Das Haus, aus dem sie geworfen wurde, gehört der Königin-Mutter. Es ist das einzige, das sie in Madrid besitzt und ist ihr durch Vermächtnis einer Patriotin zugefallen. Das Haus ist sechsstöckig und hat unten eine Wein- Wirtschaft und einen Kramladen. Darüber ist eine Schneiderwerkstätte, im 5 Stock eine Pension. Sonst wohnen nur Privatparteien im Haus. Die Menge umringte den Tatort, aufs tiefste entrüstet. Rache­schreie ertönten bei jeder Fortschaffung von Leichen un Verwundeten. Mehrere französische Geheimpoli­zisten wurden fast gelyncht, weil die Menge in ihnen Beteiligte am Attentat vermutete. Alle ausländischen Fürstlichkeiten, Diplomaten und Spitzen der Behörden begaben sich nach dem Palast und trugen ihre Namen in das ausgelegte Buch für Besucher ein. Der König und die Königin befanden sich in höchster Erregung. Im ganzen wurden 5 Personen verhaftet unter dem Verdacht, Anteil am Attentat zu haben. Das Königspaar ließ sich gegen Abend nach dem Befinden der Verwundeten erkundigen. Einer der Verwundeten, ein Bursche von 14 Jahren, verweigerte bisher die Antwort auf die Frage, wo er die letzten 24 Stunden zugebracht habe. Die Mutter der Königin erhielt, während sie sich zum Kirchgang ankleidete, einen anonymen Brief, in dem das Bombenattentat, angekündigt wurde. Auf dem Balkon des Hauses, welches der Verbrecher bewohnte, find 7 Personen gelötet worden. Die Festlichkeiten werden ihren Fort­gang nehmen. Die gesamte Presse spricht sich miß- billigend über das Attentat aus. Die Arbeiterkreise stellen in Abrede, daß das Attentat ein Werk der Anhänger der Anarchistenpartei sei, denn der König sei beim Volke beliebt, auch habe seine Heirat, die eher eine Liebesheirat als eine politische Heirat sei, einen günstigen Eindruck bei dem Volk hervorgerufeu.

Der Urheber des Anschlages ist noch nicht verhaftet. Ein Mann von englischer Nationalität namens Robert ist als Mitschuldiger an dem Bombenanschlag verhaftet worden.

Madrid, 1. Juni. Die Zahl der bei dem Bombenanschlag Verwundeten beträgt 50. Davon find 5 lebensgefährlich verwundet. Unter letzteren befindet sich ein Sohn des Generals Weyler. Die Königin fühlt sich angegriffen.

Zwischen Frankreich und Marokko ist ein neuer Konflikt wegen der Ermordung des französt- scheu Bankbeamten Charbonnier bei Tanger ent- standen. Es heißt, daß ein französisches Kriegs­schiff aus diesem Anlaß vor Tanger erscheinen werde.

DemMatin' zufolge beläuft sich das Defizit des französischen Budgets für 1905 auf 230 Millionen Francs. Dieses Defizit hat verschiedene Ursachen, u. a. 70 Millionen für neue Ausgaben für Krieg und Marine. 70 Millionen sind zum Inkrafttreten der neuen Gesetze, darunter das Alter- pensionsgesetz, erforderlich und 90 Millionen zur Deckung des Defizits für 1900.

Zwischen den Staaten Guatemala und San Salvador ist ein Krieg ausgebrochen, mit welchem innere Wirren in elfterem Staate in Zusammen­hänge zu stehen scheinen.

Bei dem Empfang der zur Königshochzeit ent- sandten auswärtigen Missionen im Pardo-Palast erlitt Prinz Albrecht von Preußen infolge der drückenden Schwüle einen leichten Ohnmachts- anfall. Or. inecl. Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern leistete ihm ärztliche Hilfe. Der Vorfall ging ohne weitere Folgen vorüber.

Die große Kampfflotte. Die Seemacht, die bei den großen Schlußübungen der heimischen Kampf- flotte in die Erscheinung treten wird, ist die größte, die je in Deutschland formiert wurde. Die Zahl der Kriegsschiffe und Kriegsfahrzeuge erhöht sich gegen das Vorjahr um 20, die Gesamtbesatzung steigt um volle 3000 Mann. Es werden an den Uebungen 90 Kriegsschiffe und Kriegsfahrzeuge und rund 17 000 Mann teilnehme». Die eigentliche Kampsflotte besteht aus modernen oder modernisierten Schiffen. In den Torpedoformationen wird die Reserveflvttille sich noch aus veralteten Booten zusammensetzen. Die Minen- Übungen werden bei de» Herbstmanöveru besonders zur Geltung kommen. Es tritt die aus zehn Fahr­zeugen bestehende Minensuchdivifion sowie der Minen- dampfer .Pelikan" unter Befehl des Flottenchefs. Das Führerschiff wird mit funkentelegraphische« Apparaten ausgerüstet.

Berlin, 1. Juni. Aus dem hiesigen Zeughaus wurde heute nacht ein türkischer Orden im Werte von 24000 -/A gestohlen. Der Dieb hatte sich in das Haus einschließen lassen und ist nach begangener Tat durch Herablasfen an einem Seil entwichen. Der Orden ist ein achtstrahliger goldener Stern mit 16 großen blühenden Brillanten, in der Mitte den Namenszug des Sultans tragend. Ein gleichfalls gestohlener Orden ist ein kleiner Stern mit 18 kleinen Brillanten, der an einem rotgrünen Bande hängt. Für Mitteilungen aus dem Publikum, welche zur Ermittlung des Diebes oder zur Wiedererlangung des gestohlenen Gutes beitragen, sind 1000 ^ Be­lohnung ausgesetzt.

Berlin, 30. Mai. Die Strafkammer ver- handelte gegen die Krimmalschutzleute Petschak und Wolk, die beschuldigt find, durch Fahrlässigkeit am 6. Februar die Entweichung eines ihnen anvertrauteu Gefangenen, nämlich des Raubmörders Hennig, erleichtert zu haben. Petschak wurde zu 300 -/E, Wolk zu 100 </E Geldstrafe verurteilt. Hennig wurde als Zeuge vernommen und vereidigt.

Eisenach, 1. Juni. In dem Massenprozeß gegen 21 Angeklagte wegen Beteiligung au den Un­ruhen bei der Reichstagsstichwahl wurden 13 Teilnehmer zu 32 Wochen Gefängnis, 3 Angeklagte

zu insgesamt 130 ^ Geldstrafe und einer Woche Haft verurteilt. Vier wurden freigesprochen.

Die ersten erfolgreichen Fahrten eines deutschen lenkbaren Luftballons waren Samstag, 26. Mai über dem Tegeler Schießplätze, dem Uebungsgelände der preußischen Luftschifferabteilung, zu sehen. Das Luftscbiff des bayerischen Majors v. Parse val, des Miterfinders des Drachen Fesselballons, fuhr zweimal von der Ballonhalle im Kasernement über den Schießplatz und kehrte jedesmal zu seinem Aufstiegort zurück. Es herrschte mäßiger Wind. Die Versuche werden fortgesetzt.

Freiburg i. Br., 31. Mai. Bei der heutigen Wahl des Oberbürgermeisters wurde Oberbürger, meister Dr. Winterer einstimmig auf weitere 9 Jahre wieder gewählt. In Anerkennung seiner außerordentlichen Tätigkeit wurde das Gehalt des­selben auf 21000 ^ einschließlich Wohnungsgeld erhöht. Außerdem soll eine neu angelegte Straße den NamenWintererstraße" erhalten.

Rothenburg o. d. T., 28. Mai. Die Auf­führung des berühmte« historischen Festspiels findet am 4. Juni (Pfingstmontag) mit darauf fol­gendem Festzug und Feldlager statt.

Gegen eine» Milchpantscher hat die Duis- burger Strafkammer eine warnende Strafe ver­hängt. Wie gemeldet wird, verurteilte sie den Besitzer einer Milchkuranstalt in Beekerwerth zu 8 Tagen Gefängnis und 300 Geldbuße, weil er ver Milch über 35 v. H. Wasser zugefügt hatte. Der Staats- anwalt hatte zwei Monate Gefängnis beantragt.

Die beide» Großindustriellen Josef und August Thyssen schenkten der Stadt Mülheim (Ruhr) 250000 ^ Aktien des Rheinisch-Westfälischen Elek- trizitätswerks und 100000 ^ Aktien des Mül- heimer Bergwerksvereins. Die Aktien stellen einen Betrag von 570000 ^ dar, der zur Errichtung einer Badeanstalt und zu Schulzwecken Verwendung finden soll.

Nordhausen, 1. Juni. Ein furchtbares Ge­witter entlud sich gestern abend und heute nacht über das Helmetal. In Uthleben wurden zahlreiche massive Gebäude durch eine Windhose zerstört. Der Kirch­turm wurde in der Mitte abgebrochen. Fast alle Dächer sind abgedeckt. Die Obsternte ist völlig vernichtet.

Herbestal, Regbz. Aachen, 31. Mai. Eine furchtbare Explosion setzte heute vormittag die Bewohner in große Aufregung. In dem Güter­schuppen deS nur 150 in von der Grenze entfernten belgischen Ortes Welkenrad war eine mit 100 Dynamitpatronen gefüllte Kiste explodiert. Das ganze 100 Quadratmeter umfassende Gebäude stand im Nu in Hellen Flammen. In der Nähe des Schuppens lag eine große Anzahl Fässer mit Schieß- Pulver, die in Sicherheit gebracht werden konnten. In kurzer Zeit war das ganze Gebäude eingeäschert. Bisher wurden drei Tote gräßlich verstümmelt aus den Trümmern hervorgezogen.

Frankfurts. M., 29. Mai. Der Generalanz." teilt mit, daß in juristischen Kreisen die Auffassung Raum gewinnt, daß bei der vielbesprochenenLeiche im Koffer" kein Mord vorliege. Es scheine, als ob die Frau Vogel eines natürlichen Todes gestorben sei und daß der Möbelhändler Meyer ihre Leiche in dem Koffer verborgen habe, um sich das Vermögen zu sichern, das sonst den Verwandten anheimgefallen wäre. Da auch die New Parker Behörden mit dieser Möglichkeit rechnen, so sei bisher »och keine Ausweis, ungsverfüguug erlassen. Wenn sich bestätigen sollte, daß die Frau Vogel eines natürlichen Todes gestorben ist, so wird Meyer nicht ausgeliefert und kann nur wegen Unterschlagung bestraft werden.

Heidelberg, 30. Mai. Eine große Anzahl Personen, die in einem hiesige» Hotel das Mittag- essen eivuahmeu, find unter Vergiftungserscheiu- ungen erkrankt und mußten in das Krankenhaus gebracht werden. Unter den Erkrankten befinden