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Neuenbürg, Mittwoch den 25. April 1906.

64. Jahrgang.

Su nHsch au.

Die Grundzöge der geplanten Reform der deutschen Personen- und Gepäcktarife, wie sie ans der jüngst in Berlin abgehaltenen Konferenz der deutschen Staatsbahnverwaltungen zur Annahme ge­langten, sind nunmehr veröffentlicht worden. Von ihren Kernpunkten sei folgendes hervorgehoben: Der Einheitssatz für 1 Personenkilometer beträgt künftig in erster Klasse 7, in II. Kl. 4,5, in III. Kl. 3, in Illd (IV.) Kl. 2 Die Schnellzngszuschläge für 1 bis 75 Kilometer sind in erster und zweiter Klasse ans 50 ^f, in dritter Klaffe auf 25 ^s, für 76 bis 150 Kilometer auf 1 ^ resp. 50 ^s, über 150 Kilometer hinaus auf 2 resp. 1 ^ normiert. Der Gepäcktarif basiert auf Kilometerzonen. Die Ermäßigung für Rückfahrkarten, die Gepäckfreiheit und die besonderen Zuschläge für V-Züge fallen fort.

Der italienische Botschafter am Berliner Hofe, Graf La »za, wird demnächst vermutlich von feinem Posten scheiden. Wenigstens bestätigt man in gut- unterrichteten römischen Kreisen das Gerücht, Graf Lanza werde seinen Urlaub verlängern, und dieser Urlaub könne mit seiner Abberufung vom Berliner Hofe enden.

In einer offiziellen Sitzung des Ministerrates in Rußland wurde die Frage der Demission des Kabinetts lebhaft erörtert. Die Mehrzahl der Kabinettsmitglieder sprach sich für den unverzüglichen Rücktritt aus. Durnowo wies jedoch darauf hi», daß auch nach Zusammentritt der Neichsduma ei« scharfes Regiment von Nöten sei. Uebrigens meinte er, hätten ihn dieKadetten" weder zum Minister ernannt, noch könnten sie ihn abfetzen. Witte hüllte sich in Schweigen.

Petersburg, 23. April. Der bekannte ausge­zeichnete Kenner des fernen Ostens, Bashenow, überreichte dem Generalstabschef eine Denkschrift, worin er einen zweiten Krieg mit Japan als unvermeidlich bezeichnet.

In Athen fand am Sonntag die feierliche Er­öffnung der olympischen Spiele vor dem griechischen Königspaare, dem Kronprinzen und der Kronprinzessin von Griechenland und vor dem Könige von England statt. Den deutschen Turnern wurde viel Beifall gespendet. König Eduard wurde von König Georg zum Admiral der griechischen Flotte ersannt.

In Berlin ist der frühere badische Kammer­sänger Alfred Oberländer am Sonntag im Alter von 49 Jahren an einem Schlaganfall gestorben. Oberländer hat in den Jahre» 18821894 als Heldentenor an der Karlsruher Hofbühne gewirkt. Das Karlsruher Theaterpublikum dankt diesem Sänger eine Reihe der schönsten künstlerischen Er- innerungen.

Mannheim, 22. April. Hier soll eine Ber­einigung der Holzhändler und Holzindu­striellen von Mannheim und Ludwigshafea gegründet werden, zu der bereits über 70°/» der in Betracht kommenden Fabriken ihren Beitritt erklärt haben.

Baden-Baden, 22. April. Das neu ge­schaffene städtische Verkehrsbureau wird nächsten Dienstag eröffnet; man verspricht sich von der anderwärts gute Früchte zeitigenden Institution eine nicht zu unterschätzende Förderung der Verkehrs- angelegenheiten.

Wiesbaden, 23. April. Der Schnellzug Wiesbaden.Mainz fuhr gestern abend kurz nach 10 Uhr aus der Station Kurve dem Schnellzug Köln - Frankfurt in die Flanke. Der Postwagen des Köln - Frankfurter Zuges, sowie die Lokomotive des anderen Schnellzuges entgleisten, ein Postbe­amter erlitt Verletzungen. Der Sachschaden ist be­deutend. Der Unfall wurde dadurch verursacht, daß der Führer des Wiesbadener Schnellzuges über das auf Halt stehende Signal hinausgefahren ist.

Königshof, 23. April. Wegen Lohnforder, ungen find von fast allen Webereien etwa 4000

Arbeiter in den Ausstand getreten. Die Unter­nehmer stehen den Forderungen der Arbeiter ab- lehnend gegenüber. Die Behörden versuchen ver­mittelnd einzugreifen. Bisher sind die Bemühungen erfolglos gewesen.

München, 23. April. Vor dem Schwur­gericht sollte heute gegen den Bauern Pöltl aus einem Dorfe in Oberbayern verhandelt werden, der angeklagt war, 4 seiner 18 Kinder, wenn nicht alle 18, nach der Geburt durch Eindrücken einer Rippe umgebracht zu haben. Die Verhandlung wurde je­doch überflüssig, da der Angeklagte sich in der ver­gangenen Nacht im Untersuchungsgefängnis er­hängt hatte.

Paris, 24. April. Etwa 6000 Juweliere und Goldarbeiter beschlossen gestern abend, in den allge- meinen Ausstand zu treten. Sie verlangen den Acht-Stundentag mit demselben Lohn wie dem zehn­stündigen.

Lens, 22. April. Das Feuer in den Gruben von Courrieres ist im Josephinen-Schacht und im Schacht 2 vollständig gelöscht, doch ist die Kohle noch sehr warm. Die Bergung der Leichen wird fortgesetzt. Bis jetzt find 424 Leichen geborgen. Die Ingenieure beklagen sich über den Mangel an Hilfsmannschaften.

In San Franzis ko ist am Montag abend 10 Uhr 39 Min. ein weiteres 3 Sekunden währen­des heftiges Erdbeben in der Richtung von Osten nach Westen verspürt worden; Schaden wurde jedoch nicht angerichtet. Der neu ausgebrochene Brand ist durch Regen teilweise gelöscht worden. Durch das Erdbeben und die Feuersbrunst ist leider auch eine Menge von Kunstschätzen zugrunde gegangen. Un­ersetzlich ist der Verlust, der durch die Zerstörung der Huntington-Galerie entstanden ist, die der ver­storbene Eisenbahnmagnat Collie P. Huntington, der Schwiegervater des Grafen Hatzfeldt, angelegt hatte. Ebenso ist die berühmte Sutro - Bibliothek völlig vernichtet.

San Franzisko, 23. April. Das Feuer ist um Mitternacht nördlich des Fährhauses von neuem ausgebrochen und hat heute morgen in der Richtung der Werftanlagen eine gefährliche Aus­dehnung angenommen. Die Kohlenbunker nördlich des Fährhauses brennen heftig und bilden eine ernste Gefahr. Das Feuer droht sich einen Weg durch die Docks nördlich des Fährhauses zu bahnen und das große Fährhaus zu ergreifen. Die Ge­samtzahl der bis Sonntag abend geborgenen Leichen beträgt etwa 500; ein genauer Ueberblick über die Verluste an Menschenleben ist noch immer nicht möglich. Der Sachschaden wird jetzt von Verficher- ungsfachleuten auf 300 Millionen Dollar ( rund 1200 Millionen Mark) angegeben, wovon die Ver- stcherungsgesellschaften etwa 175 Millionen Dollar zu tragen haben dürften. Die Hälfte der Bevölke­rung der Stadt ist mit den Zügen, die wieder regel­mäßig verkehren, fortgeschafft worden. Die obdach­losen Flüchtlinge werden auf alle Städte um die Bucht herum verteilt, die sich gegenseitig in dem großen Werke der Hilfe überbieten. Die Behörden haben eine systematische Verteilung der Vorräte an- geordnet. Erfahrene Aerzte sind in großer Zahl anwesend, so daß keine Gefahr für den Ausbruch von Seuchen besteht. Das Feuer ist gelöscht; nur die heiße Asche raucht noch. 25 Quadratmeileu sollen in Trümmern liegen.

Das Erdbeben von San Franzisko läßt sich in der Schwere seiner Folgen nur mit den größten Erdbeben der Vergangenheit vergleichen, nämlich mit jenem Erdbeben, das am 1. November 1755 Lissa­bon zerstörte.

Der Bürgermeister von San Franzisko, Schmitz, ist ein Deutscher aus Thüringen. Er hatte sich als Kapellmeister in San Franzisko niederge- lassen und in derColumbia Hall" ein kleines, nur

12 Mann starkes Orchester dirigiert, das den Kali» fornier» die schönen alten deutschen Weisen vor­spielte. Zu diesen alten deutschen Weisen trieb Schmitz radikale Politik, die ihm den Anhang der Arbeiterparteien brachte. Und eines Tages ward er Bürgermeister der Stadt wider die Stimmen der Republikaner und Demokraten und blieb es auch nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Zeit, nachdem sein gerechtes und fürsorgliches Wirken ihm auch die Achtung der politischen Gegner erworben hatte.Wir können ihn nicht leiden," sagten die Amerikaner, aber er ist ein Mann". Schmitz steht gegenwärtig in den fünfziger Jahren.

San Franzisko hat seinen Namen von Franziskanermöochen, die im Jahr 1776 am Goldene» Tor, das ist die schmale Straße, welche den Stillen Ozean mit der San Fravziskobai verbindet, am Fuße der Ausläufer der Sierra Morena, eine Mission gründeten, um welche sich eine Niederlassung bildete. Seit der Entdeckung der Goldfelder in Kalifornien im Jahre 1848 nahm die Niederlassung einen großen Aufschwung und heute zählt San Franzisko, welches die Amerikaner abgekürzt Frisko nennen, mehr als 400000 Einwohner, darunter etwa 50000 Deutsche. San Franzisko ist die größte und reichste Stadt des amerikanischen Westens. Es liegt auf einer etwa 50 Kilometer langen, 10 Kilometer breiten Landzunge und wird im Norden von dem Goldenen Tor und im Osten von der San Franziskobai be­grenzt. Wie die meisten amerikanischen Städte hat San Franzisko breite gerade Straßen, die sich genau rechtwinkelig schneiden. Die Hauptstraße ist Market- street, welche das ganze Stadtgebiet diagonal in zwei Hälften teilt. Das Geschäftsviertel, welches von der Katastrophe besonders stark Heimgesuch r wurde, befindet sich im Nordosten der Stadt. Dort liegt auch der chinesische Stadtteil, die bedeutendste An­siedelung von Söhnen des Himmlischen Reiches in Nordamerika. Unter den zahlreichen prachtvollen Gebäuden ist in erster Reihe das neue Stadthaus zu nennen, dann die Münze, das Post- und das Zollamt, die Börse, mehrere Klubgebäude, die neue Kirche, das College St. Ignatius, die St. Patrik- Kathreale. In ganz Amerika bekannt sind die großen komfortablen Hotels von San Franzisko. Die meisten Wohnhäuser sind wegen der häufigen Erdbeben ans Holz errichtet. San Franzisko hat sechs größere, auch einige chinesische Theater, etwa 40 Spitäler, 30 Bibliotheken, einige 60 Klubs darunter auch deutsche Vereine. Die Deutschen haben eine angesehene Stellung in Sau Franzisko inue. Ein reges Vereinsleben verbindet sie. Sie nehmen eifrigen Anteil an der Verwaltung der Stadt, und im Golden Gate Park erhebt sich in der Nähe des Ozeans das im Jahr 1901 von ihnen errichtete Goethe-Schiller-Denkmal, eine Nachahmung des Denkmals in Weimar. Der Handel und die Industrie San Franziskos sind sehr bedeutend. An 50000 Arbeiter sind dort beschäftigt. Der Produktionswert wurde im Jahre 1890 auf etwa 700 Millionen Mark angegeben. Die Gesamtausfuhr San Fran- ziskos wurde im Jahre 1897 mit etwa 480 Mill. Mark bewertet. Die Gesamteinfuhr mit 430 Mill. Mark. Der Schiffsverkehr hatte im Jahre 1897 einlaufend 1260000 Tonnen, auslaufend 1190000 Tonnen. Die Ausfuhr (Weizen, Mehl, Lachs Früchte, Wein, Quecksilber) geht zumeist nach Europa.' Von San Franzisko gehen Dampferlinien nach Yokohama, Honolulu, Sidney, Panama und Alaska.

Pittsburg, 23. April. Hiesige Stahlfachleute sind der Ansicht, San Franzisko werde sich wegen der Beschaffung von Baustahl nach England und Deutschland wenden müssen, da die Pittsburger Stahlwerke mit Aufträgen ohnehin überhäuft seien Sie setzen hinzu, infolge der hohen Frachtsätze von Pittsburg zur Paciffc-Küste werde es den ausländ- ischen Werken möglich sein, die zu Wasser gesandten Waren billiger zu liefern als die Pittsburger Werke.