Kaiser Wilhelm verfügt bekanntlich über einen sehr bedeutenden Automobilpark, der in letzter Zeit noch durch den lOOpferdigen Mercedeswagen deS verstorbene« Mr. Gray Dinsmore vermehrt wurde, zwei weitere 70pferdige und ein 45pferdiger Mer- cedes find bei Daimler in Untertürkheim in Auf­trag gegeben. Die Verhandlungen des kaiserlichen Hofmarschallamts mit dem bekannten Rennfahrer und Mercedes-Lenker Werner find jetzt zum Abschluß gelangt. Werner ist bereits vom 1. Januar IS06 ab als Leib-Chauffeur in den persönlichen Dienst des Kaisers getreten.

Der preußische Lehrertag war am Freitag in Berlin versammelt, um Stellung zu dem neuen Bolksschulunterhaltungsgesetz zu nehmen. Nach längerer Debatte nahm der Lehrertag einen Antrag Otto-Charlottenburg an, durch den die Versammlung gegen die Verquickung der Schulunterhaltung mit den Fragen der Konfesstonalität protestiert. Die meisten Redner stellten sich ohne Vorbehalt auf deu Boden der Simultanschule. Ferner wurde ein Antrag Kopsch Berlin angenommen, der den Gemeinden mit mehr als 25 Lehrstellen das Recht der Lehrerberuf, ung, den Gemeinden mit weniger Stellen das Recht, für jede Stelle einen Lehrer vorzuschlagen, einräumt. Die Berufung bedarf der Bestätigung der Schul- auffichtsbehörde. Einstimmig wurde auch eine Reso­lution Tews-Berlin angenommen, daß die preußische Volksschule baldigst auf eine andere materielle Grund­lage gestellt und vor allem den dringenden Not- ständen in der Lehrerbesoldung so bald als möglich abgeholfen werde.

Der Rentner Theodor Kutzner in Berlin, früher Mitarbeiter der Pfesferbergbrauerei, vermachte der Stadt Berlin ein Legat von 2881000 wo- von älteren weiblichen Dienstboten laufende Renten von 250 gezahlt werden sollen. Der Erblasser bedachte außerdem Verwandte und den deutschen Tierschutzverein, letzteren mit 200000 «/-L

Die Witwe des unlängst verstorbenen Kom- merzienrats Reiß in Aachen ließ zum Gedächtnis ihres Gatten an Weihnachten 30000 ^ an die Arbeiter der Weberei Scheins u. Reiß in Aachen verteilen.

Frankeutal Der Reichstagsabgeordnete Sar­torius wurde nach mehrtägigen Verhandlungen wegen Weinpantscherei zu einer Höchstgeldstraft von 3000 ^ und den Kosten verurteilt, eventuell Um­wandlung in sechs Monate Gefängnis und Einziehung der beschlagnahmte» Weine. Von einer Freiheits­strafe wurde Abstand genommen, lediglich, weil der Beweis des 8. II -ZuckerwasserS nicht gelungen sei. Der Proz»ß erregte in seinem Verlauf sowohl durch die politisch prominente Persönlichkeit des Angeklagten, also durch den Umfang der Beweisaufnahme und Sachverständigen-Guiachten das allgemeine Interesse. Namentlich für Fachkreise dürfte er Grund neuer Erfahrungen gewesen sei«, weil die ganze Weingesetz, gebung und ihre verschiedene Auffassung Gegenstand eingehender Erörterung wurde. Der Staatsanwalt

Aus schwerer Zeit.

Rach einer wahren Begebenheit erzählt von Franz Hirsch.

Der Winter des Jahres 1806 auf 1807 war so hart und unfreundlich, wie das Geschick, welches das unglückliche Preußen betroffen hatte Das König- reich des großen Friedrich lag bei Jena zerschmettert am Boden. Was sich mühsam aufgerafft hatte, das warf sich zu uns nach Ostpreußen. Dort sammelte der König sein geschlagenes Heer, und der übermütige Korse eilte ihm nach, wie der Wolf dem Pferde in der Winternacht. Der russische Kaiser kam unserem König zu Hülfe, und so marschierte denn alles, was die Flinte halten konnte, auf den schlechten Winter- Wegen der ostpreußischen Landstraßen. Ich studierte damals in Königsberg das .lus. Aber von Studieren war in dem Wintersemester von 6 auf 7 nicht viel die Rede. Meine wohlwetseu Professoren lasen zwar Pflichtvoll weiter, aber die Pandekten der Herren Reidenitz und Heidemann, die Staatswirtschaft des Herrn Kraus, hatten wenig Anziehungskraft für uns, denen der Baukerot der preußischen Staatswirtschaft so zu Herzen ging, daß wir die weisen Theorien ebenso grau fanden, wie das Recht der alten Römer. Da kam mir ein Brief eines Oheims in der Provinz sehr gelegen. Er war Pfarrer in Prrußisch-Eylau, einige Meilen südlich von Königsberg, und da er mehr Gelehrter als Theologe war, so lag ihm eine Geschichte der Stadt und des Kirchspiels Eylau sehr am Herzen. Er hatte die Gicht in deu Fingern, und nun brauchte er eine gewandte Feder, der er diktieren konnte. Diese Feder sollte ich sein. Kurz I entschlossen nahm ich an. Ich wand mich durch s

hatte gegen SartoriuS eine Freiheitsstrafe beantragt, doch wurde dieS durch daS große Geschick verhindert, mit dem Angeklagten für die in seinen Notiz und Geschäftsbüchern Vorgefundenen Berechnungen und Siegel harmlose Erklärungen glaubhaft zu machen wußte. Die Anklage hatte unter den Abkürzungen Chemikalien und Farbstoffe verstanden, die S. von seinem Hauschemiker Dr. Mößinger. der ebenfalls unter der Anklage steht, geliefert worden seien: doch war der Beweis nicht durchweg schlüssig. Ob das Urteil auf die politische Stellung des Abgeordneten Sartorius irgend welchen Einfluß habe» wird, ist zurzeit noch nicht bekannt.

Lahr, 25. Dezbr. Die Bank für Handel und Industrie in Darmstadt (Darmstätter Bank) kaufte auS der Konkursmasse des Lahrer Bankvereins dessen Geschäftshaus für 90000 ^

Der kürzlich in Schlageten bei Säckingen ver­haftete Pfarrkurat Decker wurde auf freien Fuß gesetzt. Dagegen wurde nach demSäck. Tagbl." die Pfarrköchiu verhaftet. Es handelt sich um das Verschwinden einer 6000 enthaltenden Bereinskasse.

** Pforzheim, 2 Januar. Heute nachmittag fiel etwa 10 Meter unterhalb der Auerbrücke das noch nicht 7 jährige Söhnchen des Goldarbeiters Jakob Weisenbacher in die mit Eis treibende Enz Obgleich Leute in der Nähe waren, konnte das Bübchen, das bald im trüben Wasser verschwand, nicht mehr gerettet werden. Die Leiche wurde dis zum Abend noch nicht gefunden.

Württemberg.

Die im Regierungsblatt veröffentlichte K. Ver­ordnung, betr. die Prüfungen für den Berkehrs- anstaltendienst schreibt für dieEisenbahn, nnd Postreftrendare II. Klasse" künftig den Titel Referendar", für dieEisenbahn- und Post­referendare I. Klasse" den TitelEisenbahn- oder Postassessoren" vor. Die im selben Regierungs­blatt enthaltene K. Verordnung betr. die Forstdienst­prüfungen, verlängert das akademische Studium für die Forstleute von mindestens 3 auf mindestens 3L's Jahre. DieForstreferendäre II Klasse" erhalten künftig deu TitelForstreferendäre", dieForst- referendäre I. Kl." den TitelForstassessoren".

Jubiläumsfreimarken. Mit Genehmigung des Ministe,iums der auswärtigen Angelegenheiten, Ver- kehrsabteilung, werden zu Beginn des Jahres 1906 Jubiläumsfreimarken sowohl für den amtlichen Ver­kehr der Staatsbehörden als für den amtlichen Be- zirksverkehr ausgegeben. Bestellungen auf diese Frei- marken find bis zum 10 Januar 1906 auf dem sonst üblichen Formular bei den Postanstalten am Sitz der zur Benützung der Marken berechtigten Be- Hörden einzureicheu. Da die Marken nur in be- schräuktcr Anzahl hergestellt werden, so sind die Be­stellungen auf den Bedarf von etwa einem Monat zu beschränken. An das Publikum werden die Marken, so lange der Vorrat reicht, in der gleichen Weise käufl ch abgegeben, wie die gewöhnlichen amtlichen

Russen und Preußen glücklich hindurch, und zu Weih nachten saß ich behaglich beim Oheim in dessen Museo", wie er sagte, und während er, im Wandel» diktierend, dicke Wolken aus seinem Ulmer hervor­blies, flog meine Gänsefeder ruhig über das Papier.

Da tat sich die Tür auf, und in den Tabaks- Wolken erschien eine reizende Nymphe. Ich hatte vergessen, zu erwähnen, daß der Onkel Juug- gesell war, und daß ihm die Tochter des Schul­meisters und Küsters die Wirtschaft besorgte, das heißt neben einer alten, tauben Magd zum Rechten sah Die Nymphe lächelte, als sie mir in die er­staunten Augen sah. Ich hatte mich umgedreht und die Feder hinters Ohr gesteckt, als auf dasHerein" des Onkels die Rose ins Zimmer trat. Rose nennen wir Ostpreußen ja die Mädchen, die Rosa getauft wurden, und wenn sie wie die gleichnamige Blume aussehen, dann ist s ein hübscher Name. Und es war diesmal auch ein sehr hübscher Name. So frisch, so lieb, so rosig war sie! So schelmisch mit ihren Grübchen, dem Lachen ihrer Weißen Zähne, ihrer blonden Unschuld von 16 Jahren. Der Onkel schien das Interesse zu bemerken, das ich an der Kleinen nahm, und er begann für seineEylaunische Historie" zu fürchten.Es ist gut, Rose, Du kannst gehen. Den Kaffee mache ich mir selbst," sagte er. Die blonde Schöne machte einen graziösen Knix, und dann ward es wieder dunkel im Zimmer.

Ich sah sie so bald nicht wieder. Den Tag über schrieb ich für den Onkel, und wenn ich des Mittags oder des Abends freie Zeit hatte, war sie beschäftigt. Sie hatte keine Mutter mehr, und so mußte sie dem ! Vater die Wirtschaft führen, die jüngeren Geschwister

Postwertzeichen. Die Jubiläumsmarken werde» sich von deu gewöhnliche» Postwertzeichen dadurch unter- scheiden, daß sie zu beiden Seiten die Jahreszahlen 1806 und 1906 und eine Krone tragen. Im übrigen wird weder das eigentliche Ma-kenbild noch die Farbe der Wertzeichen geändert.

Stuttgart, 2. Januar (Expreßgutverkehr in Stuttgart, Haupibahohof) Ja der Zeit vom 16. bis 24. Dezember find in Stuttgart. Hauptbahnhof, Expreßgutsendungeu abgegangen 35507 Stück, ange- kommen 19 758, zusammen 55265 Stück, d. i. gegen- über dem Vorjahr mehr 1573 Sendungen.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft erläßt hinter dem Mörder des TaglöhnerS Gottlieb Aber!« einen Steckbrief. Darnach ist der Täter ein Mann anfangs der 30 er Jahre, ca. 1,65 Meter groß, postiert, mit rötlich-blondem oder rötlich- braunem Haar, rötlichem Schnurrbart, dunklem, blau- nnd weißgespritztem Jüppenanzqg, schwarzem, weichem Filzhnt. Ec soll zum Vornamen HauS (Johannes) heißen, aus dem Oberamt Blaubeureu gebürtig sein und einige Jahre in der Zement-Fabrik von Schwenk, Ulm-Blaubeuren, gearbeitet haben. Es erfolgten schon verschiedene Verhaftungen.

Stuttgart, 31. Dez. Der sog. Kleine Bazar in der Königstraße ist von den derzeitige» Besitzern an Herrn Louis Landauer, Mitinhaber der Firma Gebr. Landauer, um die Summe von 90000 ^ verkauft worden. Da in dem Anwesen «och Miet­verträge bis zum Jahr 1913 laufen, wird an eine anderweitige Verwendung des Anwesens vorerst nicht zu dmken sei».

Heilbronn, 1 Jan. Nachdem in dem Be­finde« des bei Gochsen verunglückten Bauinspektors Gugler schon eine erhebliche B sserung eingetreteu war, hat sich dasselbe vorigen Donnerstag wieder verschlimmert und gestern ist er im hiesigen Kranken­haus seinen Verletzungen erlegen.

Heilbronn, 1. Jan. Prälat v. Hermann verabchiedete sich in seiner heutigen Predigt mit herzlihen bewegten Worten von der überaus zahl­reich in der Kilianskirche versammelten Gemeinde. Seiner Wohnsitz wird er zunächst noch hier haben und reben seinen Geschäften als Prälat von Tübingen auch noch die des hiesigen Dekanats weiterbesorgeu. Das Pcedigtamt dagegen hat er hiemit niedergelegt.

Aalen, 30 Dez. Der Milchkrieg, der von hiesig« Produzenten durch den Aufschlag von 16 auf 8 L veranlaßt worden war, war nur von kurze, Dau r, da die Konsumenten ihren Bedarf au Milch mit Leichtigkeit von auswärts deckten.

Vermischtes.

Fei bürg i. Br., 29. Dezbr. Der 3. Haupt- gewini der Freiburger Münsterbaulotterie im Betrage von 2» 000 kam ins Elsaß an einen Bergmann und dssen Freund, einen Briefträger.

Machen, 1. Jan. Ein tapferer Bayer hat das Jhrhundertfest auf eine ganz besondere Weise begangn. Nach denM. N Nachr." hat nämlich

beausfihtlgen, die Schulhefte der Kinder mit dem Vater durchgehen, ja sogar oft die Glocken läute» . und di Orgel spielen. Das erfuhr ich erst später und aich, daß sie in Königsberg in einer Privat- schule <ut erzogen war, denn die Frau von Schliebeu auf Pilwangen hatte an dem hübschen Kinde Ge­fallen gefunden und für seine Erziehung gesorgt. Also min Wunsch, die Kleine wiederzusehen, ging nicht j, Erfüllung. Ich schlich tagS und abends um das Schulhaus, aber ich bekam sie nicht zu sehe». Da halsn mir endlich die guten Helfer der Liebenden, der keck, Mut und die schnellfüßige Gelegenheit.

Des Oheims Knecht war eines Abends schwer erkrankt. Ein Arzt war damals in Eylau ebenso wenig z> finden wie eine Apotheke. Aber in Barten- stein, etta drei Meilen von uns, gab's beides.Da hilft nicits, Reinhold," sagte der Onkel,Du mußt mit demSchlitten nach Bartenstein, den Doktor holen, und die Nedizin mitbringen. Aber noch heute nacht mußt Di zurück sein. Der Johann liegt in hohem Fieber." Der Gedanke an eine nächtliche Schlitten- fahrt wa mir nicht- sehr angenehm. Die französischen Marodeus sollten schon bei Bartenstein gesehen worde« sein, die Aölfe machten diesen Winter nachts die Gegend unsicher, kurz, ich mußte als braver Mensch und Ostpreußk mein ganzes Kantisches Pflichtgefühl auf­rütteln. lad da gings denn. Flugs spannte ich den Brauen vor den Schlitten, warf die Decke über, steckte mit für die Kälte ein Fläschchen von des Onkels Auavit ein, und fort klingelte es durch das durch einije Oellaternen spärlich erleuchtete Städtchen.

(Fortsetzung folgt.)