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8. Die Prüfungsgebühr beträgt 3 ^ und ist vom Prüfling vor der Prüfung an den Vorsitzenden zu zahlen.
9. Es steht den Prüflingen frei, sich an der nächsten gewerblichen Fortbildungsschule auch in deutscher Sprache, Rechnen und Zeichnen, sowie in anderen Schulfächern prüfen zu lassen, wenn dieser Schule ein Gewcrbeschulrat vorsteht.
Reutlingen, 13. Februar 1903.
Für die Handwerkskammer:
Ter 1. Vorsitzende: Der Sekretär:
Ehr. Fr. Fischle. Rud. Dietrich.
Die Herren Ortsvorsteher
werden beauftragt. Vorstehendes in ortsüblicher Weise bekannt zu machen.
Calw, 14. Februar 1903.
K. Oberamt.
I. V.: Amtm. Ripp mann.
Tagesrremgkeiten.
K Calw, 16. Febr. Die Bürgergesellschaft veranstaltete gestern nachmittags einen Fastnachtsumzug durch die Hauptstraßen der Stadt, wobei einige interessante Tagesfragen und Vorkommnisse zur Darstellung kamen. Die Ausstattung der Wagen und die von den Teilnehmern des Umzugs getragenen Kostüme entsprachen den zur Darstellung gekommenen Gegenständen. Der stattliche Zug wurde eröffnet durch 3 Vorreiter, welchen eine Musikkapelle folgte. Der erste Wagen stellte das bekannte Fischsterben in der Nagold dar. Das Publikum bekam ein getreues Bild davon, wie vr. Michel die schönen Fische vom Leben zum Tode beförderte und mit welchem Trauergesicht die Fischpächter nach der Katastrophe statt der erwarteten Leckerbissen alle möglichen Sachen nur keine Fische aus dem Flußwasscr herauszogen. Die Verpestung des Fischwassers wurde von einem Sachverständigen und alten Praktiker in vorzüglicher Weise gelöst. Eine fein humoristische Darstellung fand die im Vordergrund der hiesigen Erörterungen stehende Frage, betr. der Hebung des Fremdenverkehrs. Auf einem von bunter Gesellschaft begleiteten Wagen waren die bisherigen Fremden von Calw zu sehen. Zerlumpte Gestalten mit echter Straßenbummlerphysiognomie würfelten ihr letztes Geld um Schnaps aus und versteigerten dabei ihre erbettelten Kleidungsstücke. Ein schneidiger Landjäger hielt die Bande in Ordnung. Das elegante Volkskaffee hatte ebenfalls auf demselben Wagen, aber in anderer Abteilung, seine Räume aufgetan. Die Insassen schlürften mit großem Behagen den ausgezeichnet zubereiteten Kaffee. Auf dem nächsten Wagen gaben sich 2 Herren die größte Mühe, den Fremdenverkehr in die Höhe zu heben und siehe da, mit vereinten Anstrengungen gelang ihnen auch ihr heißes Bemühen. Wenn es auch manchmal schien, als ob die Sache wieder rückwärts ginge, wurden doch schließlich alle Schwierigkeiten und alle großen Steine gehoben und der Sieg blieb den ausdauernden Bürgern. Der Erfolg zeigte sich auf dem letzten Wagen, dem Hotel zum Windhof. Eine sehr stattliche Zahl von Kurgästen hatte dieses Hotel aufznweisen. Allem nach gefiel es den Gästen sehr gut, es waren lauter wohlgenährte Leute, denen man auf den ersten Blick das leibliche Wohlbehagen ansah und denen die treffliche Schwarzwaldluft samt der ausgezeichneten Verpflegung sehr wohl bekam.
Von einem der Gäste galt das Wort: 3 Männer umspannen den Schmerbauch ihm nicht. Aus aller Herren Länder waren die Kurgäste herbeigeströmt und fanden bei dem freundlichen runden Wirte, der durch seine höflichen Manieren und seinem von gutem Befinden zeugenden Leibesumfang die Herzen der Gäste im Sturm eroberte und eine gute Wirkung der Kur in Aussicht stellte, die beste, hochbefriedigendste Aufnahme. Die Gäste gaben ihrer Zufriedenheit in den begeistertsten Worten Ausdruck. Selbstverständlich war bei einem derartigen Umzug auch das schöne Geschlecht vertreten und verschiedene junge Damen hatten das Vergnügen, sich durch die Straßen führen und bewundern zu lassen und zwar letzteres mir Recht, denn die Kostüme waren sehr geschmackvoll gewählt und ausgeführt. — Außer den genannten Darstellungen war noch eine Gruppe im Umzug vertreten, bei der aber das Erlaubte hart an die Grenzen der harmlosen humoristischen Darstellung streifte und bei der der persönliche Moment lieber weggeblieben wäre; immerhin zeugte die ganze Veranstaltung, die leider vom Wetter nicht besonders begünstigt war, von gutem Geschmack und gesundem Humor. Die zur Darstellung gebrachten Vorgänge waren glücklich aufgefaßt und durch trefflichen Witz und ungetrübten Humor bestens wiedergegeben. Die Ausarbeitung des Plans, sowohl wie seine Ausführung müssen als durchaus gelungen bezeichnet werden und die Leiter der Bürgergesellschaft können mit großer Genugtuung auf eine sehr befriedigende Veranstaltung zurückblicken.
Ravensburg, 13. Febr. Mehrere Kinder, die heute Mittag von der Kleinkinderschule nach Haus gingen, machten sich bei der Mühlbruck am Schussen- ufer zu schaffen, wobei ein 4jähriger Knabe der Rebmannswitwe Kenzler hier ins Wasser fiel und von den Wellen fortgerissen wurde. Obwohl alsbald erwachsene Personen herbeieilten, war eine Rettung nicht möglich, weil das Kind nicht mehr sichtbar war. Die Leiche wurde hernach am Rechen des Fabrikkanals in Wcissenau angeschwemmt. Die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche waren erfolglos.
Wiesbaden, 14. Febr. Dem „Rheinischen Kurier" wird aus München telegraphiert: Nach hierher gelangten Nachrichten ist die Mission der Großherzogin von Toskana in Wien im Interesse ihrer Tochter, der Prinzessin Luise nicht geglückt. Kaiser Franz Joseph lehnte eine Einwirkung bezüglich der Kinder ab und gestattete nur, unter bestimmten Bedingungen die Rückkehr nach Oesterreich zwecks der Entbindung.
Berlin, 14. Febr. Nach einer Wiener Drahtung teilt der Genfer Korrespondent des „Neuen Wiener Tagblatt", der gestern in Nyon den Direktor Martin von der La Metairie sprach, mit, es sei festgestellt, daß der Aufenthalt der Prinzessin Louise daselbst von kurzer Tauer sein werde Die Prinzessin werde ihre Niederkunft in der Nähe Salzburgs erwarten. Die Prinzessin hat den Namen Louise von Toskana angenommen und erklärt, Niemand sei berechtigt, sie an der Führung ihres Elternnamens zu verhindern.
Berlin, 14. Febr. Der Kaiser bringt der für den 7. März geplanten Huldigungsfeier der deutschen Automobilisten, die er auf der Schloßterrasse stehend abnehmen wird, großes Interesse entgegen. Der Herzog von Ratibor wird
dem Kaiser ein Album mit Photographieen sämmt- licher Teilnehmer überreichen. Bis jetzt sind über 200 Wagen aus allen Teilen Deutschlands angemeldet. Der Protektor der Automobil-Ausstellung wird dem Eröffnungsdiner im Kaiserhof beiwohnen.
Wien, 15. Febr. Dem „Neuen Wiener Tageblatt" zufolge ist gegen die im Verlag von Cäsar Schmid in Zürich erschienene Broschüre „Ein Wort zur Verteidigung der Kronprinzessin Luise" das Verbot der Weiterverbreitung erlassen worden.
Genf, 14. Febr. Wie es heißt wurde der Prinzessin Luise ein jährliche Rente von 40,000 Francs zugebilligt. Der Aufenthalt der Prinzessin in La Metairie und auf dem Gebiete der Gemeinde Nyon wurde ihr zugestanden ohne daß sie irgendwelche Papiere zu hinterlegen brauche.
Paris, 15. Febr. In der vergangenen Nacht wurde bet Epinal ein Attentat auf einen Eisenbahnzug verübt. Unbekannte Täter hatten die Schienen losgeschraubt, wodurch der Expreßzug von Nancy nach Epinal entgleiste. Glücklicherweise befanden sich nur wenige Passagiere im Zuge. Vom Zugpersonal wurde ein Maschinenmeister getötet und ein Heizer schwer verletzt.
Washington, 13. Febr. Auf Anraten des deutschen Gesandten Freiherrn Speck v. Sternburg hat Deutschland auf die Forderung der Erlegung von 340000 Dollars in Bar verzichtet und den Vorschlag Sternburgs angenommen, daß Deutschland diese Summe von Venezuela in fünf Monatsraten erhalten soll, von denen die erste vierzehn Tage nach der Unterzeichnung des Protokolls bezahlt werden soll.
— Der „Matin" meldet aus Caracas: Die venezolanische Regierung hat eine Bekanntmachung veröffentlicht, in der die bevorstehende Aufhebung der Blockade der venezolanischen Küsten angekündigt wird. In den Magazinen von La Guayra befinden sich große Vorräte von Kaffee, Cacao und Leder, die sofort expediert werden sollen, sobald das Meer wieder frei ist.
Vermischtes.
— Zur Kinderausbeutung in den Vereinigten Staaten. Die vom Präsidenten Roosevelt eingesetzte Kommission zur Erforschung der Arbeitsverhältnisse im Anthrazit-Kohlengebtet hat ihre Untersuchungen auch auf die in den Kohlengruben beschäftigten Kinder ausgedehnt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liefern einen neuen Beitrag zu der hier schon mehrfach gekennzeichneten Grausamkeit, mit der die Kinder von amerikanischen Unternehmern ausgebeutet werden können, ohne daß gesetzlich gegen sie eingeschritten werden kann. Die neuen Erhebungen stellten fest, daß in den Kohlengruben Kinder unter 14 Jahren zur Nachtzeit oft 12 Stunden arbeiten müssen; der Lohn hiefür variiert von 3 bis 5'/- Cents (12 bis 22 A) pro Stunde. Ein Kind erhielt beispielsweise 9 Dollars 34 Cents in 8'/- Monaten, ein anderes 11 Dollars 21 Cents in 12 Monaten, da der Betrieb durchschnittlich nur während 170 bis 180 Tagen im Jahr stattfindet, während in der übrigen Zeit derselbe eingestellt wird.
— Der Schauspieler ging auf den Vorschlag ein und fand bald, daß es eine der angenehmsten Rollen war, die er jemals übernommen hatte.
„Aber Perrücke und Bart —"
„Um die Perrücke bekümmen wir uns nicht, sie belästigt meist nur. Ihr dunkles Haar werde ich in einer halben Stunde fmben, so daß es dem meinigen gleicht."
„Mit was, wenn ich fragen darf?"
„Mit Wafserstoffhyperoxid, — aber für chemische Zwecke interessiren Sie
sich wohl kaum. Den Bart behandelt der Friseur des.Theaters. Es
ist ein ungewöhnlich geschickter Mann in seinem Fach. Mein jetziger Anzug paßt Ihnen wahrscheinlich und damit ist der Russe fertig. Sie erhalten 25 M. Diäten pro Tag für Ihre Person und ein Honorar von 200 M. für acht Tage. Einverstanden ?"
„Einverstanden!"
Nachdem Hell ihm noch einige Instruktionen erteilt hatte, verließen Beide das Lokal und gingen nach Hells Wohnung, wo der alte Unteroffizier sich noch mehr verwunderte als früher, als er nach einiger Zeit den Russen leibhaftig zur Tür hinausgehen sah, während sein ursprünglicher Mieter ihm mit seinem früheren Aussehen freundlich entgegenlächelte.
„Sie sind ein verteufelter Hexenmeister, Herr Norweger. Da werde ein anderer klug aus Ihren Künsten!"
„Morgen muß ich reisen, Herr Schultze, aber wir sehen uns wohl später wieder!"
„Wünsche Ihnen Glück! Fassen Sie den Attentäter nur recht bald!"
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* 4 -
Am folgenden Morgen sagte ein nichtrasierter, nachlässig gekleideter Arbeiter dem alten Unteroffizier Lebewohl und rasselte mit einem Bummelzug nach Berlin. Hell hatte diese Verkleidung gewählt, da er nicht sicher war, ob nicht Bühring mit dem gleichen Zuge reiste.
In Berlin angekommen, bezog er ein kleines, einfaches Privathotel in der Nähe des Potsdamer Bahnhofs.
In der letzten Zeit hatte sich ihm stets häufiger eine Frage aufgedrängt. Weshalb reiste er eigentlich auf diese Weise dem Verbrecher nach? Ihm das Geld stehlen oder rauben konnte er nicht; das würde jener wohl zu verteidigen wissen. Was dann? Nach und nach begann in seinem Gehirn ein Plan aufzutauchen und nahm immer bestimmtere Form an.
Vorläufig hatte er wenigstens erreicht, Bühring in nächster Nähe beobachten zu können, ohne daß dieser seine Anwesenheit in Berlin ahnte. Hell zweifelte nicht daran, daß Miß Florina ihn davon unterrichten würde, wie sein „Doppelgänger" sich in ihre Kollegin verliebt und infolge dessen seine Jagd aufgegeben hatte. Sein Stellvertreter war gehörig instruirt uud schien ein Mann zu sein, der sich danach zu richten verstand. Ec hatte darum allen Grund, mit der jetzigen Lage der Dinge zufrieden zu sein und mit dem Gefühl einer gewissen Befriedigung schlummerte er am Abend nach mehrjähriger Abwesenheit zum ersten Mal wieder in der lärmenden großen Stadt an der Spree ein.
(Fortsetzung folgt.)