umkehren. Man ist in Angst um die Eingeschneiten. Wohl find noch Konserven und Schinken oben; Brot dagegen dürften sie schon seit manchen Tagen ent- behren, von Milch nicht zu reden. Aber auch die Konservenvorräte dürften nicht auf die Länge reichen. Wenn das Wetter nicht bald eine gründliche Aender- ung erfährt, muß man Angst für die Leute hoch oben auf dem Gipfel hegen. Am 8. Oktober gingen die letzten Bewohner der Meglisalp zu Tal.
Triest, 25. Okt. Seit heute früh herrscht hier heftiger Schnee fall bei starker Vora. Auch aus dem Karst wird starker Schneefall gemeldet.
Württemberg.
Stuttgart, 23. Oki. In dem neuesten Jahresbericht der Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins wird darauf hingewiesen, daß die Zentralleitung in Zukunft Personen, die ihre nicht oder zu gering versicherte Fahrnis durch Brandunglück verloren haben, nicht mehr unterstützen wird, sondern höchstens in solchen Fällen eine Beihilfe gewähren wird, in welchen die Gebäudebrandversicherungsentschädigung zum Wieder, aufbau eines abgebrannten Hauses nicht ausreicht und die weiter erforderlichen Mittel nicht aufgebracht werden können und infolgedessen eine Familie in ihrer Existenz bedroht ist. Da die Verstcherungs- gebühreu äußerst gering (durchschnittlich etwa 40 bis 60 ^ für 1000 <//L Versicherungswert) und für keinen, auch den Aermsten, nicht unerschwänglich sind, so müßte es in der Tat eine Begünstigung der Unterlassung der Versicherung bedeuten, und wie eine Belohnung der Gleichgültigkeit wirken, wenn den Nichtversicherten eintretendenfalls aus Mitteln der Pcivatwohltätigkeit zuteil würde, was sie auf dem Wege der Versicherung mit geringe» Opfern sich hätten sichern können.
Stuttgart, 23. Okt. Die Finanzierung des Liederhalleumbaus unter ungeschmälerter Erhalt- ung des Liederhallegartens darf nunmehr, wie bei dem gestrigen Stiftungsfest des Liederkranzes nutze- teilt wurde, als gesichert betrachtet werden. Zur Aufbringung der Mittel find dem Liederkranz auch seitens der Regierung zwei Lotterieserien bewilligt worden; die Stadt dürste voraussichtlich dem Verein ein Darlehen zur Verfügung stellen, da in der Er> Haltung des Liederhallegartens zweifellos ein städtisches Interesse vorliegt.
Stuttgart, 23. Okt. Der erste Schnee in Stuttgart am 22 Okt. ist uns ungewohnt, weil seit 15 Jahre» kein Schnee so früh eingetreten ist, wie in diesem Jahrgang. Es haben nämlich die letzten 12 Jahrgänge mit einer einzigen Ausnahme (1895) den ersten Schnee erst 4 bis 6, ja 8 Wochen später als Heuer, in einem Fall (1900/1901) sogar erst im Januar des neuen Jahres gebracht. Ganz ungewöhnlich ist jedoch ein so früher Schneefall nicht. Im Jahrgang 1888 ist sogar schon am 9. Oktober, 1889 am 14. Okt., 1879 am 16. Oktober der erste Schnee erfolgt. Die ganze Reihe der Jahrgänge von 1887—1892 mit Ausnahme des Jahrgangs 1889 zeichnete sich überhaupt durch frühe Schnee- fälle aus, wie etwas früher die Reihe von 1876 bis 1881. Im Durchschnitt der Jahre 1871 bis
Eine Geistererscheinung.
Criminalnovelle von Geheimrat Dr. L. Lange.
- (Nachdruck verboten.;
Sie nannte mir eine Straße in einem Vorort und die Zeit zwischen zehn umd elf Uhr als diejenige, in der der Geist meist zu erscheinen Pflege. Ich ließ mir denselben noch beschreiben, notierte mir ihre Adresse und begab mich, als die Dunkelheit hereinbrach, dorthin. Die Straße war nur auf der einen Seite mit Billen besetzt, an der andere» zog sich eine Hecke hin, hinter der ich Posto faßte. Schon drei Stunden mochte ich dort gestanden haben und begann bereits zu bereuen, daß ich nicht wenig- stens erst noch die Köchin befragt hatte, wobei sich vielleicht herausgestellt hätte, daß die ganze Erzählung nur auf Selbsttäuschung beruhte, als die Haustür sich öffnete und meine Besucherin vom Vormittag erschien. Sie trat, wie ich sie, ehe ich sie entließ, gebeten hatte, in den Garten und schritt in demselben langsam auf und ab. Der Mond schien zwar nicht, aber im Sternenschimmer konnte ich ihre Gestalt deutlich sehen. Die Uhr hatte längst zehn geschlagen; der erwartete Geist erschien noch immer nicht Plötzlich hörte ich einen gellenden Schrei aus dem Garten, und gleich darauf sah ich eine hohe Mannesgestalt aus dem Gartenpförtchen heraustreten, es sorgfältig wieder schließen und dann lautlos davon- huschen. Ich folgte. War es mir schon verdächtig, daß der „Geist', statt durch die Gitterstäbe zu schlüpfen, sorgfältig aus- und zuschloß, so verstärkte
1905 stellt sich der Eintrittstag des ersten Schnees in Stuttgart auf 14. Nov., so daß in diesem Jahr immerhin eine Verfrühung von 3 Wochen sich ergibt. Angesichts einer Temperatur, die dem letzten Novemberdrittel entspricht, sind Schneefälle keineswegs verwunderlich. Sehr auffällig dagegen ist, wie hartnäckig sich die Temperatur so viel kühler, als der jetzigen Jahreszeit zusteht, erhält Wenn nicht zum Schluß noch erhebliche Erwärmung erfolgt, so wird dieser Oktober einer der kältesten Oktobermonate werden seit Beginn der genauen Statistik, nämlich seit 80 Jahren
Ulm, 24 Okt. Das 100jährige Jubiläum, das daS hiesige Fußartilleriebataillon in drei Wochen feiern wird, wird eine Menge alter Kanoniere hier zusammenführen. Wenn auch das Bataillon, seitdem eS preußisch ist, seine Mannschaften aus allen Teilen Norddentschlauds erhält, so werden es doch in der Hauptsache Württemberger sein, die zum Fest hier eintreffen werden. Für die preußischen ehemaligen Fußartilleristen, die hier ihre Zeit gedient, verbietet sich der Besuch schon wegen der weiten Entfernung. Dagegen hat eine ganze Reihe von früheren Offizieren des Bataillons ihr Erscheinen zuzesagt. Als Hauptfesttag ist der 14. Novbr. in Aussicht genommen. An demselben wird vormittags Parade auf dem Fort Unterer Kuhberg stattfinden, nachher Festessen für die Mannschaften und Gäste des Bataillons, abends Feier im Saalbau.
Reutlingen, 26. Oktbr. Der „Generalanz." schreibt: In den Zug von Gönningen nach Reut- lingen wurde gestern früh in Gomaringen ein Schwein eingeladen, das halbwegs Mähringen heraus- sprang In Mähringen wurde dann das Fehlen des Schweines bemerkt und man fuhr, wie uns berichtet wird, die Strecke wieder zurück, bis mau das Schwein auf einer Weide wieder einfing. Der Heizer hielt nun die Türe, damit das Schwein nicht mehr entspringen könne und langsam aber sicher ging es nach Reutlingen, wo man mit entsprechender Verspätung und dem gut behüteten Schwein glücklich ankam.
Tübingen, 26. Okt. Durch einen wenig angebrachten Ulk oder einen Racheakt kam ein Wein- gärtner um den Haustrunk für den Winter. In der Nacht wurde nämlich an der Butte der Zapfen gezogen und das süße Naß ergoß sich in den Wasserkandel.
Slus StaSt, Bezirk uns Umgebung.
Neuenbürg, 24. Oktober. Ein ungeheurer Sonnenfleck ist gegenwärtig gerade auf der Mitte der Sonnenscheibe zu sehen. Er ist mit freiem Auge leicht sichtbar, wenn man dieses durch ein schwarzes Glas oder ein Loch in einem Karrenblatte schützt. Nimmt er doch genau den zehnten Teil der Sonnen- scheibe ein. Im Fernrohr sieht man diese Stelle der Sonne in gewaltiger Aufregung. Ueber vierzig Einzelflecke, deren größte die Erde im Durchmesser ; übertrcffen, liegen, so wird der „Fkf. Ztg." ge- schrieben, in derselben Penumbra eingebettet, die vielfach durch Lichtbrücken durchzogen ist. Die Gesamtausdehnung des Gebildes ist gleich dem sechs
fachen des Erddurchmessers rund 80000 Kilometer. Der Fleck rückt infolge der Sonnenrotation am 27. Oktober an den rechten Soonenrand, wird aber zweifellos nach 13 Tagen wieder am linken erscheinen. (Erklärt sich aus diesem Sonnenzustaude vielleicht der grauenhafte Herbst, der uns dieses Jahr beschieden ist?)
Calmbach, 26. Okt. Der Arbeiterzug, der 7 Uhr 14 abends hier von Höfen her eimrifft, ist gestern in der Nähe der hiesigen Station ent- gleist. Die Lokomotive sprang auf bis jetzt un- aufgeklärte Weise aus dem Geleise und bohrte sich nach einiger Entfernung tief in den Boden ein, so daß die zwei nächsten Personenwagen gleichfalls aus dem Geleise geworfen wurden. Glücklicherweise ist außer der Maschine und zwei Wagen niemand beschädigt worden. Erhebliche Betnebsstörungen find dadurch nicht verursacht worden. Aus der Reparatur- werkstäite Stuttgart trafen noch in der Nacht Mann- schäften ein. welche die Wagen wieder auf das Geleise stellten.
Wildbad, 24. Okt. Viel wurde in letzter Zeit über das Unwesen der spanischen Schwindler berichtet, es war auch zu lesen, daß man die Hauptbande er- wischt und unschädlich gemacht habe. Es scheint aber mit den Spitzbuben doch nicht ganz aufgeräumt worden zu sein. Hr. Franz Bopp, Besitzer des Hotels Bellevue hier, erhielt dieser Tage wieder einen Brief aus Madrid, in welchem der alte Schwindel von dem versteckten Schatz lang und breit erzählt wird.
Pforzheim, 25. Okt. Gestern vormittag wurde Hr. Kettcnfabrikant Oskar Schmidt, der langem Leiden erlegen ist, beerdigt. Hr. Schmidt, ein ge- borener Berliner, seit lange aber hiesiger Fabrikant, befand sich sr. Zt. in dem Eisenbahuzug, der verun- glückte, als er über die Mönchensteiner Brücke bei Bafil fuhr, und erlitt dadurch einen schweren Nerven- schieck, der ihn wochenlang in Basel in Pflege hielt. Selbstredend hat ihn die Erinnerung an diese furchtbare Katastrophe nie wieder verlassen.
Bayer. Brauhaus Pforzheim (A.-G.) In der gestrigen Sitzung des Ausstchtsrats wurde die Bilanz für das Geschäftsjahr 1904/05 vorgelegt. Bei 166842 Bruttogewinn (ohne Bortrag) soll nach 52042 Abschreibungen der am 22. Novbr. stattfindenden Generalversammlung wiederum die Verteilung einer Dividende von 6'/s Prozent vorgeschlage» werden.
Pforzheim, 25. Okt. Der 20jährige Goldschmied I. Oechver, welcher sich, wie schon berichtet, in der Naäu von Montag auf Dienstag in selbstmörderischer Absicht mit einem Revolver 2 Schüsse in die rechte Schläfe beibrachte, ist gestern nachmittag im städtischen Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.
Pforzheim, 26. Okt. Gestern abend in der 8. Stunde erfolgte in der Emilienstraße ein frecher Ueberfall. Eine 32jährigc Frau ging der Straße entlang, als Plötzlich ein Mensch auS einem Hause heraus kam und sie unsittlich belästigte. Die Frau rief um Hilfe, da schlug der Kerl mit Fäusten auf sie ein. Augen und Nase wurden schwer getroffen. Als Leute herbeikamen, sprang der Kerl davon. Der Ueberfall ist um so dreister, als in der 8. Abend
sich dieser Verdacht noch, als ich bei dem Schein der nächsten Laterne sah, daß die Lautlosigkeit seines Schrittes eine sehr natürliche Ursache hatte: er trug über seinen Stiefeln dicke, weiche Filzschuhe. Sie mochten ihm Wohl im Gehen hinderlich sein, denn bald darauf zog er sie aus und steckte sie in die weiten Taschen seines Mantels. Ich war ihm so nahe gekommen, daß ich ihn leicht hätte arretieren können, allein ich hielt es für geratener, ihm zu folgen. War es, wie ich trotz der Aussagen der Frau Doktor, daß sie nicht bestohlen worden sei, vermuten mußte, ein Dieb, so lag die Vermutung nahe, daß er sich jetzt nach seinem Schlupfwinkel zurückziehen werde und mir blieb das oft große Schwierigkeiten bietende Suchen nach demselben erspart.
Der Mann ging nun in mäßigem Tempo vor- wärts, ohne sich umzuschaueo, ob man ihm folge; ein sicheres Zeichen, daß ich es nicht mit einem Profesfionsdiebe zu tun halte. An der Straße nach der Hauptstadt angekommen, bog er jedoch nicht nach dieser, sondern rechts ab. An einem einzeln stehenden Hause angekommen, schloß er die Tür desselben auf. Ehe er sie wieder zumachen konnte, hatte ich den schon Fuß zwischen Tür und Schwelle geschoben.
„Was soll das heißen?" frug er überrascht, während ich für alle Fälle meinen Revolver Parat machte.
„Ich habe mit Ihnen zu sprechen; ich bin der Criminalkommissär Dr. Lange!"
„Ich wüßte zwar nicht, was ich mit der Criminal-
polizei zu tun hätte, noch dazu in solcher Stunde," entgegnete er kaltblütig, „indessen meinetwegen kommen Sie mit hinauf." Ein Wachszündhölzche» anstrcichend, leuchtete er mir mit demselben die Treppe hinauf in ein Zimmer mit Separateingang vom Korridor. Ich stellte mich im Zimmer vor die Tür; er zündete jedoch ruhig eine auf dem Tisch des hübsch möblierten Zimmers stehende Studierlampe an, ließ sich auf einen Sessel nieder und forderte mich auf, das gleiche zut un Daß ich keinen Verbrecher vor mir hatte, war mir klar geworden. Aber warum spielte er denn die Rolle des Geistes? Daß er dies getan, daran war kein Zweifel. Ich hielt es für das Beste, ihn direkt zu fragen.
Er lachte. „Muß ich diese Frage beantworte« ?'
„Ich muß dringend darum bitten."
„Und wenn nicht?"
„So ziehen Sie sich eine Anklage, zum mindestens wegen groben Unfugs zu."
„Da will ich Ihnen doch lieber reinen Wein ein- schenken. Aber ich bitte um Verschwiegenheit, so weit dies irgend möglich ist."
Ich nickte bejahend.
„Sie waren so freundlich," fuhr er fort, „sich mir vorzustellen — ich muß dies Wohl auch tun. Mein Name ist Dr. Meißner."
„Dr. Meißner? Ein Bruder desjenigen, der vor einem Jahre durch Selbstmord endete?"
„Nein, er selbst!"
„Wie ist das möglich?"
„Meines Wissens bin ich eben noch nicht tot",