Wieder naht das schönste der Feste, der Weih­nachtstag; schon überlegen wir uns, womit wir unsere Lieben erfreuen können. Keine Hütte ist so klein, kein Raum so eng. des Weihnachtsbaumes Strahlen finden auch in ihn ihren Weg. Schmerzlich empfindet es jeder, der den heiligen Abend fern von der Heimat in der Fremde verbringen muß; doppelt schwer em­pfinden es unsere Brüder, die hinausgezogen sind, um in Südwestafrika zu kämpfen für Deutschlands Ehre, daß sie nun schon zum zweiten Mal die Weih­nachtsfeier am heimischen Herd entbehren müssen. Man mag über die Notwendigkeit und Nützlichkeit von Kolonien denken, wie man will, dem Gefühl wird sich kein Deutscher verschließen können:AIS Helden zeigen sich unsere Soldaten in Südwestafrika " Wohl möchte einem das Herz bluten, wenn man liest, wie unglaubliche Anstrengungen und Entbehrungen von ihnen verlangt werden müssen, wie sie fallen von der heimtückischen Kugel aus feigem Hinterhalt ge­troffen, wie sie begraben werden auf ferner, fremder Au. Und doch, wenn wir lesen, wie sie fallen, wie sie kämpfen, wie ein Band der Kameradschaft sie alle umschlingt, wie der im Dienst ergraute General sein weniges teilt mit dem jungen Reiter, wie der treue Bursche auch im Tod seinen wunden Herrn nicht läßt, da können wir nicht anders, als feuchten Auges warme Anerkennung diesen Helden zollen. Und diese Anerkennung, die könnte jetzt greifbare Gestalt annehmen, wenn wir unseren Dank abstatten dadurch, daß wir helfen, ihnen eine Weihnachtsfeier bereiten. Wie aus dem Inseratenteil unseres Blattes ersichtlich, wird in unserem Bezirke auch Heuer wieder eine Sammlung veranstaltet werden, die wir an dieser Stelle der besonderen Beachtung empfehlen. Wir sind gerne bereit, Geldspenden zn Weihnachts­gaben für unsere Südwestafrikaner entgegenzunehmen.

Die Red.

Neuenbürg, 23. Okt. (Eingesandt) Auf das Eingesandt vom 21. Okt. möchte ich dem Einsender erwidern, daß er, wie es scheint, ein Gefühl und auch ei» Ohr hat für die hies. Kapelle und als ein solcher Mustkkenner auch die gewisse Kritik nicht fehlen läßt. Das ersehe ich, daß Einsender in vor. Nr. auf der einen Seite schreibt, daß es vielen Stadtbewohnern aufgefallen sei, daß die schöne Sitte des Turm- spielens Knall und Fall aufgehört habe und auf der andern Seite den hies. Sonntagsschläfern, welche durch die disharmonischen Klänge der Kapelle geweckt wurden, zu gute spricht, und trotz letzterer Kritik hätte Einsender es noch für angemessen gehalten, von der Kapelle eine Kündigung zu erwarten. Ist dem Ein­sender in vor. Nr. nicht bekannt, daß das Turm­spielen von der Kapelle ein ganzes Jahr freiwillig ohne jede Veranlassung betrieben wurde, und sodann, daß die Kapelle die Sache weiterführte, ein Geschenk von Stadt und Kirche von zusammen 150 -/A be­willigt wurde? und so sehe ich die Sache immer noch für eine freiwillige an und hätte es dieser und jener disharmonischer Maßregelungen nicht bedurft, deshalb war jedenfalls von der Kapelle auch keine Kündigung vorgesehen. Ich glaube, die Kapelle wird sich jetzt sagen, warum hat der Einsender in vor. Nr. nicht schon längst Wort genommen bei der städtischen Behörde betreffs eines tüchtigen Dirigenten, was ja von der Kapelle nicht nur einmal in Anregung ge­bracht wurde, aber scheints ohne Erfolg, und so mußte sich die Kapelle ihren Dirigenten von Pforz­heim, Liebenzell u. s. w. wöchentlich mindestens zwei- mal kommen lassen, was eine sehr kostspielige Sache war. Vielleicht ist es dem Einsender in vor. Nr. bekannt, daß die Sache ausschließlich durch Arbeiter nach Feierabend betrieben wurde, welche jetzt nach 12jähriger Tätigkeit vom Einsender in vor. Nr. zu einem Nichts gemacht werden sollen. Die betreffenden Musiker werden es jedenfalls vorziehen, es mit den hies. Sonntagsschläfern zu halten und statt des Turm- spielens auch zu schnarchen bis die alte Kapelle durch die harmonischen Klänge einer vom Einsender ange- strebteu neuen Kapelle geweckt wird.

Dobel, 21. Okt. (Korr.) Der bei Schreiner Walter wohnende Berwaltungskandidat Geister hier war gestern abend gerade zu Bette gegangen, als er, auf den Glockenschlag (10 Uhr) der nahen Kirchenuhr horchend, zugleich ein Geprassel vernahm, dessen Ursache ihm gar bald durch Hellen Flammen- schein klar werden sollte. Es war im Hause auf bis jetzt nicht aufgeklärte Weise Feuer ausgebrochen. Durch Weck und Feuriorufe brachte Hr. Geisler seine Hausleute und die Nachbarschaft zur Bergung des Allernotwendigsten flink zur Stelle. Rasch griffen die Flammen um sich. Die herbeigeeilte Feuerwehr glaubte das Feuer auf den Herd beschränken und die beiden nächsten Häuser retten zu könne». Doch ge- lang dies nur von dem zur linken Hand; dagegen wurde das rechts gar zu nahe dem Feuerherd stehende

Haus deS Flaschners Walter auch noch ein Raub der Flammen. 2 fette Schweine, sowie 12 bis 15 Hühner konnten nicht mehr gerettet werden. Die Leute sind versichert, doch nicht genügend, da sie versäumt haben, Neuangeschafftes nachzuverfichern. Die Wasserleitung funktionierte ausgezeichnet, nach mehrstündigem Verbrauch befanden sich noch ca. 100 cbm Wasser, über 300 Eimer, im Reservoir.

Calw, 21. Okt. Heute früh um sts7 Uhr wurde bei der Kratzenfabrik die Ehefrau des Bahnwärters Schneckenburger auf Posten 43 tot aus der Nagold gezogen. Die Ertrunkene muß in der Dunkelheit von der Straße abgekommen und in die Nagold ge­raten sein. (C. W)

Württ. Baugewerkschule in Wildberg (Schwarzwald), 18 Okt. Wie uns aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt wird, kann auch Heuer wieder von jedem Oberamt ein strebsamer, unbemittelter junger Mann bei einem Nachlaß von mehr als ^» des ge­wöhnlichen Unterrichtsgeldes in die bestbewährte mit einem Baumuseum verbundene .Württ. Baugewerk- schule" ausgenommen und daselbst zum tüchtigen Techniker ausgebildet werden. Da das Winter­semester bereits am 6 November beginnt, so sind bezügliche, mit einem amtlichen Vermögens, Schul- unü Leumundszeugnis belegten Gesuche bis spätestens 2 November an die Direktion in Wildberg (bei Calw) einzusenden.

Gernsbach, 19. Okt. In nnserem Rathause, einer Perle deutscher Rennaissance aus dem Jahre 1616, ist der große Sitzungssaal restauriert, mit einer neuen Balkendecke und Täfelung versehen worden. Wie man hört, wurde die gesamte künstlerische Aus- schmückunq des Saales durch Wandbilder und orna­mentale Freskomalerei dem Karlsruher Kunstmaler Hermann Baumeister übertragen.

Neuenbürg, 19. Okt. Es ist wohl verschieden aufgefallen, daß in diesem Jahre die letzte Brut der Schwalben außerordentlich lange in ihrem Geburts­lande geblieben ist. Als dann die Nachrichten von frühzeitigem Schneefall in den Alpen, im deutschen Reiche, ja selbst in Italien eintrafen, hat vielleicht mancher befürchtet, daß die Reise nach dem Süden für die kleinen Nachzügler nicht ganz gefahrlos ver­laufen werde. Es ist ihnen denn auch sehr schlecht ergangen, obwohl sic keineswegs unerwartete Hilfe gefunden haben. Aus der Schweiz schreibt man darüber der .Franks. Ztg.": .Die Schwalbenscharen, die jetzt nach dem Süden ziehen, sind in der Schweiz von dem frühzeitig eingetretenen Schneewetter grau­sam überrascht worden. Kälte und Hunger zwangen sie, in den Ortschaften Zuflucht zu suchen, wo sie zu Hunderten viederfielen. In Luzern nahm sich die Ornithologische Gesellschaft der armen Reisenden an, sammelte die noch lebensfähigen, fütterte sie und sandte sie wohlverpackt am letzten Donnerstag abend mit dem Gotthardschnellzuge nach dem sonnigen Süden, wo der Zugführer und die Stationsbeamten von Chiasso 200 Stück aufflattern ließen. Nur drei Tierchen waren auf dem Transport eingegangen. Wenn es not tut, will die Luzerner Ornithologische Gesellschaft dieses Experiment, mit dem sie sich den Dank aller Vogelfreunde erworben hat, wiederholen.

Bericht der Handelskammer Calm

für das Zahr 1904.

II.

Erfreulich ist, daß in verschiedenen Bezirken die Verwendung von Gas- und elektrischen Motoren im Kleinhandwcrk mehr und mehr zunimmt. In der Stadt Freudenstadt werden die elektrischen Leit­ungen immer mehr ausgedehnt, im Bezirk Freuden­stadt wurden die Gemeinden Böffingen, Glatten, Schopfloch mit elektrischem Licht und Kraft versehen. In der Stadt Herrenberg wurde ein Gaswerk erbaut und haben einzelne Gewerbetreibende außer dem fast allgemein eingeführten Glühlicht auch Gasmotoren­betrieb eingerichtet; im Hcrrenberger Bezirk wird demnächst in fast allen Ortschaften die Elektrizität zum Nutzen des Kleingewerbes, ja auch der Land­wirtschaft, eingeführt; das Nagolder Elektrizitäts­werk versorgt drei weitere Gemeinden mit seiner Kraft: und auch das neu erstellte Elektrizitäts­werk Neuenbürg hat mehrere Abnehmer unter den Kleingewerbetreibenden gefunden. Es haben dadurch auch die Installateure von elektrischen, Gas- und Wasserleitungen lohnenden Verdienst gefunden. Von ungünstiger Wirkung ist nach wie vor der Ein­fluß der Warenhäuser, des Detailreisens, des Hausier­handels und der Gefängnisarbcit. Die Waren­häuser machen sich allmählich selbst auf den abge­legensten Landorten bemerklich. Sie werden besonders dadurch gefährlich, das; sie anfangen auch manche Artikel der sogenannten besseren Ware zn ihren

Schleuderpreisen loszuschlagen. Speziell im Neuen­bürger Bezirk wird über den Einfluß der Pforz- heimer Warenhäuser geklagt. Das Detailreisen und der Hausierhandel nimmt zum Teil über das Maß überhand. In den an Baden angrenzenden Bezirken wird dabei als besonders mißlich empfunden, daß württembergische Geschäfte, welche in Baden detailreisen lassen, dort einer unverhältnismäßig höheren Besteuerung unterliegen als umgekehrt badische Geschäfte in Württemberg. lieber die Gefängnis­arbcit wird im Calwer Bezirk geklagt, ohne daß bestimmte Geschäftszweige genannt werden, in welchen sie sich besonders fühlbar mache. Unter diesen Ver- hälnissen leiden hauptsächlich die Detail- und Kurz­warengeschäfte, die Schuhmacher, Tuchmacher, Seiler und Seifensiedereien. Von denjenigen Hantier­ungen, welche unter die vorstehend entwickelten Ge­sichtspunkte nicht gebracht werden können, verdienen noch Erwähnung die Buchdruckereien und Photo­graphen, welche sich eines befriedigenden Geschäfts­gangs erfreuten; die Schneider, Schmiede, Wagner, Feilenhauer, Nagelschmiede, Messer­schmiede, welche in einem Bezirk bei mäßigem Ver­dienst einen genügenden Absatz, in anderen dagegen zusammen mit Wagnern, Drehern, Färbern und Gerbern einen schlechten Geschäftsgang hatten. All^ diese Erwerbszweige standen gemeinsam im Jahr 1904 unter den Einwirkungen höherer Arbeits­löhne nnd eines unbefriedigenden Geldein­gangs. Bezüglich des Geldeingangs wird haupt­sächlich über den immer mehr nm sich greifenden Mißbrauch des Wechsels auf kleine und kleinste Beträge, namentlich in Handwerkerkreisen, geklagt, so daß die Festsetzung eines Mindestbetrags von etwa 50 als wünschenswert erscheinen möchte, da ein Ausschluß aller Nichtkauflcutc von der Wechselfähig­keit sich nicht durchführen läßt. Die Diskontierung der Wechsel führt zwar den Banken etliche Einnahmen zu, erhöht aber die Unkosten der Geschäftswelt. Wo der Wechsel nicht auftritt, zeigt sich eine immer lästiger werdende Kreditgewährung auf lange Zeit. Es sind Fälle vorgekommen, daß Kunden die Hälfte oder des Rechnungsbetrags sandten mit dem Be­merken, wenn der Lieferant damit nicht zufrieden sei, müsse Konkurs angcmeldet werden und dann erhalte der Lieferant noch weniger! Nach all dem Ge­schilderten darf gesagt werden, daß die Lage des Kleinhandels und des Kleingewerbes im ganzen eine befriedigende war. Einzelne Zweige, welche weniger sorgenfrei in die Zukunft schauen, stehen unter der Gewalt der modernen Entwicklung, der Uebermacht des Großkapitals und dem Einfluß der immer mehr ausgebilderen Berkehrserleichterungen, welche den kleinen Mann auf dem platten Lande der Konkurrenz des großstädtischen Kaufmanns aussetzen. Um so anerkennenswerter ist cs, wenn, wie wir sehen, diese Geschäfte zäh um ihre Existenz ringen, wie sie sich durch Nutzbarmachung der öffentlichen Verkehrs- einrichtungen an dem großen Geschäftsleben des Landes in die Höhe ziehen wollen. Nicht zum ge­ringsten auf den kräftigen Antrieb der Geschäftswelt bin fehlt fast in keinem Landort des Bezirks mehr die öffentliche, zum Teil mit weiteren Anschlüssen ausgestattetc Telephonstclle; da nnd dort zeigen sich Versuche zur Einführung des Motorwagen­verkehrs für Personen- und Güterbeförderung und werden neue Eisenbahn-Verbindungen angestrebt. (HerrenbergNagoldtal; HerrenbergEhningen WeilderstadtPforzheim). Wo sich so deutliche Aeußerungen des keimenden Lebens zeigen, kann der Organismus kein ungesunder und absterbender sein. Die Eisenbahntarifreform, die gegenwärtig durch die deutschen Bahnverwaltungen beraten und tief einschneidende Anordnungen mit sich bringen wird, wurde auch von der Handelskammer Calw einer Besprechung unterzogen. Mit Interesse und Befriedigung hat die Kammer die in die Oeffentlich- keit gedrungenen Mitteilungen über die Fortschritte der Verhandlungen zwischen den Bundesregierungen über die Vereinfachung unseres Eisenbahn­wesens verfolgt. Sic hofft, daß die Volksvertret­ungen in den Bundesstaaten mit den Bundesregier­ungen sich vereinigen auf die Einführung der vor­läufig allein erreichbaren Betriebsmittelgemein­schaft. Sic begrüßt dabei die Einführung der 4. Wagenklasse ebenso als eine Entlastung der 3. Klasse von dem mit vielen lästigen Waren und Gepäck reisenden und Kleinhandel treibenden Pub­likum wie auch als eine billigere Fahrgelegenheit der kleinen Leute. Dabei ist sie der Ueberzeugung, daß bei zweckmäßiger Einrichtung der Wagen die bei uns vielfach herrschende Meinung, als enthalte die Ein­führung der 4. Wagenklasse eine Entwürdigung der sie benützenden Bevölkerung, sich rasch verlieren werde, zumal niemand gezwungen ist, die 4. Wagenklasse zu