Reichstagspräsidenten, sein Amt niederzulegen, haben die beiden Vicepräsidenten erst durch das Schreiben Ballestrems Kenntnis erhalten. Auch der Reichskanzler erfuhr davon erst eine halbe Stunde vor Beginn der gestrigen Sitzung.
Berlin, 24. Jan. Nach einer Wiener Depesche meldet der in Mentone weilende Redakteur des „Budapester Abendblattes" Folgendes: Donnerstag Mittag promenierte die Kronprinzessin von Sachsen mit Giron auf der Promenade Midi, als ihnen die Gräfin Lonyay mit ihrer Gesellschaftsdame entgegen kam. Die Gräfin blieb stehen, zog ihr Lorgnon hervor und beobachtete scharf das herankommende Paar. Die Kronprinzessin schien die Gräfin zu erkennen. Einen Moment standen die beiden Damen einander gegenüber. Plötzlich wandte die Gräfin der Kronprinzessin den Rücken und schlug den Weg nach Cap Martin ein.
Berlin, 24. Jan. Ueber den Verlauf und Ausgang des Kampfes bei Maracaibo kann der Lokalanzeigcr auf Grund von Erkundigungen an zuständiger Stelle folgende Einzelheiten Mitteilen: Der flach gehende Panther nahm gleich bei Beginn des Bombardements der Vineta möglichst nahe und seitlich des Forts Stellung, beobachtete die Wirkung der Schüsse der Vineta und signalisierte nach letzterer hinüber. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit waren 44 °/° Treffer im Fort zu verz-ichnen. In Summa dürften anstatt der von amerikanischer Seite behaupteten 1600 Granaten deutscherseits 90 bis 100 Granaten abgefeuert sein. Das Fort war mit einer größeren Anzahl veralteter Geschütze und nur mit vier modernen 8 cm-Hinterladern armiert, deren Schußweite aber auch nicht an 6700 w heranreichte. — Da in den hier eingelaufenen offiziellen Depeschen über die Bombardements am 17., 21. und 22. absolut nichts von Toten, Verwundeten oder einer Beschädigung der Schiffe gemeldet ist, so erscheint es ausgeschlossen, daß irgendwelche Verluste auf deutscher Seite zu beklagen gewesen find.
Berlin, 24. Jan. Aus London wird gemeldet: Aus Maracaibo wird vom 23. Jan. berichtet: Das Bombardement der deutschen Schiffe d auert fort. Das Fort hat noch nicht kapituliert. Der Austausch von Nachrichten ist erschwert und die Stadt ist in großer Aufregung.
Berlin, 24. Jan. Aus Newyork wird dem „Berliner Tageblatt" telegraphiert: Wenn auch die Grundstimmung der Presse sich in der Verurteilung deS Verfahrens der deutschen Schiffe vor Maracaibo äußert, so geben einsichtigere Beurteiler doch zu, daß die Beseitigung des Forts San Carlo behufs wirklicher Durchführung der Blockade von Maracaibo unerläßlich war.
Berlin, 24. Jan. Die Vossische Zeitung meldet aus Mailand: In ganz Oberitalien herrscht diesmal ein außergewöhnlich strenger Winter. Das Barometer ist in vielen Orten bis auf —14 Grad gesunken. Zahlreiche Flußläufe sind zugefroren und viele Industriebetriebe
längs derselben mußten wesentlich eingeschränkt werden.
Rom, 25. Jan. Ein Teil der italienischen Presse tritt für die Notwendigkeit ein, daß sich Italien wegen des Bombardements von San Carlo in der Verantwortlichkeit von Deutschland trennt, zwar nicht Venezuela, wohl aber den andern Mächten gegenüber.
Petersburg, 24. Jan. Heute in den ersten Morgenstunden verabschiedete sich der deutsche Kronprinz vom Kaiser und der Kaiserin Alexandra aufs herzlichste. Um 9 Uhr reiste der Kronprinz in Begleitung des Großfürsten Thronfolger, des russischen Ehrendienstes und seines Gefolges nach Nowgorod ab. Am Moskauer Bahnhof hatten sich zur Verabschiedung die hier anwesenden Großfürsten in der Uniform ihrer preußischen Regimenter eingefunden, sowie der Minister des Aeußern, Graf Lamsdorff, zahlreiche Hof-, Militär- und Zivilwürdenträger. Von der deutschen Botschaft waren alle Mitglieder erschienen. Dem Kaiser Nikolaus und dem Großfürsten Wladimir hatten die Aerzte das Ausgehen noch nicht gestattet. Von der Kaiserin- Mutter hatte sich der Kronprinz mit seinem Gefolge bereits bei seinem gestrigen Nachmittagsbesuch verabschiedet. Beim gestrigen Empfang des Grafen Lamsdorff durch den Kronprinzen, welcher nahezu Stunde dauerte, überreichte der Prinz dem Minister sein Bildnis mit eigenhändiger Widmung.
Petersburg, 25. Jan. Nach Meldungen aus Charkow wurde auf dem dortigen Güterbahnhofe ein Koffer gefunden, der die Leiche eines durch einen Dolchstich getöteten Mäd ch ens enthielt. Nach Aussage der Aerzte ist der Tod des Mädchens erst wenige Stunden vor Auffindung des Koffers erfolgt.
Paris, 25. Jan. Nach amtlichen hier aus Maracaibo eingelaufenen Depeschen haben die Deutschen die Beschießung des Forts San Carlo eingestellt. Der „Panther" ist in die See eingefahren, während die „Vineta" und die „Gazelle" nach Curacao abdampften. Das Fort ist noch immer von den Venezolanern besetzt.
P aris, 25. Jan. Gegen den Expreßzug Paris-Cherburg wurde gestern in der Nähe von Bolinies ein Attentat verübt. Ein Anzahl Steinblöcke wurden von einer Brücke auf den Zug geworfen, durch welchen die Dächer von 2 Wagen zerdrückt wurden. Verletzt wurde Niemand.
London, 24. Jan. „Daily Mail" meldet gerüchtweise, daß eine dritte Beschießun g des Forts San Carlo erfolgt sei. — Tie hiesigen Blätter commentieren die letzten Zwischenfälle, legen aber große Reserve an den Tag. Nur „Morning Post" billigt das Vorgehen Deutschlands.
Vermischtes.
— Winterlawinen wüten gegenwärtig nach den „M. N. N." in den Bergen der Schweiz und fordern ihre Opfer. Das unbeständige, alle Augenblicke vom Föhn zur Brise umschlagende
Wetter begünstigt ihren Niedergang in ungewöhnlichem Maße. Bei Pohlern am Berner Oberländer Stockhorn riß eine solche Rutschlawine einige Holzhacker mit sich, von denen einer lebendig begraben wurde, während die anderen mit dem Schrecken davon kamen. An der Berninastraße wurden drei Po st Pferde samt Schlitten und Postillon von einer Lawine in den Abgrund geworfen, erlitten aber glücklicherweise keinen Schaden. Uebler noch hätte es einem Major der Gotthardbefestigung, v. Vivis, ergehen können, der mit seiner Frau im Schlitten von Göschenen nach And ermatt fuhr. Kurz vor der Teufelsbrücke riß eine Sturzlawine Pferd und Schlitten in die tiefe Reußschlucht; der Major und seine Frau konnten noch mit knapper Not abspringen, verloren aber die Kopfbedeckung. Das Pferd wurde am andern Tage noch lebend aus dem Schnee hervorgezogen, mußte aber abge- than werden.
— 20,000 Finderlohn Aus Wien berichtet die „N. Fr. Pr.": In Folge einer dieser Tage ergangenen Entscheidung des obersten Gerichtshofs mußte das Postärar einem Infanteristen des Infanterieregiments Nr. 24 den stattlichen Finderlohn von 20,000 Kr. ausbezahlen. Dieser Soldat fand eines Tages, als er mit dem Wachrapport in die Kaserne ging, auf der Straße einen mit Bindfaden umwundenen und versiegelten Sack. Der Soldat hob den Sack auf, um ihn auf der Stationswache abzugcben. Unterwegs kam atemlos ein Postbediensteter daher, der mit dem Ausrufe: „Gott sei Dank, da ist ja der Postbeutel!" dem Soldaten den Sack abnchmen wollte. Allein der Soldat gab denselben nicht aus der Hand, indem er erklärte, er müsse den vorgeschriebenen Dienstweg einhalten. Auf der Stationswache, wo der Soldat die Meldung erstattete, wurde der Postbeutel amtlich eröffnet, und es fand sich in demselben die stattliche Summe von 200 000 Kronen. Der Postbeutel war unterwegs aus dem Postwagen herausgefallen. Der Infanterist reklamirte den gesetzlichen lOprozentigen Finderlohn, der ihm aber vom Postärar mit der Begründung verweigert wurde, daß cs sich hier nicht um einen Fund handle, da der Postbedienstete noch auf dem Wege den Postbeutel bei dem Soldaten entdeckte. In dem Prozesse, den der Soldat gegen das Postärar anstrengte, vertrat der klägerische Anwalt den Rechtsstandpunkt, daß nicht der Postbedienstete, sondern der Soldat als Finder anzusehen sei. Wenn der Postbedienstete den Postbeutel „fand", so habe er ihn eben bei dem Finder gefunden. Alle Instanzen entschieden zu Gunsten des Soldaten und durch das Urteil des obersten Gerichtshofes wurde das Postärar nicht nur zur Zahlung des Finderlohnes von 20,000 Kr. sondern auch zur Tragung der Prozeßkosten von 2400 Kr. verurteilt.
Ein merkwürdiges Brautpaar. Daß die Liebe international ist, wie die Kunst, steht längst fest. Hier dazu ein neuer Beleg, den wir der New-Iorker Staatszeitung entnehmen. Das Blatt schreibt: Zwei geistliche Herren waren gestern auf Ellis Island notwendig, um ein Brautpaar,
Am nächsten Tage trug sie ein ungewöhnlich kostbares Nubinkollier, was spöttisches Lächeln und spitzige Bemerkungen bei ihren Kollegen hervorrief.
Rygge glaubte es einmal am Fenster eines Juweliers gesehen zu haben, konnte sich aber nickt mehr erinnern, wo. „Das sind wenigstens fünfhundert Kronen aus der Kaffe der Bank," sagte er zu sich selber, während er ihr Komplimente über ihren reizenden Schmuck machte.
„Der ist wohl von einem Anbeter?" fragte der Kapellmeister, der daneben stand, mit einem zynischen Lächeln.
„Nein, keineswegs," antwortete sie, „es ist ein altes Erbstück, das mir gestern aus England von einer alten, verstorbenen Tante übersandt wurde, die es mir nebst mehreren anderen Schmucksachen vermacht hat.
Der Kapellmeister verließ sie mit einem höhnischen Grinsen und läutete. Die nächste Nummer sollte beginnen.-
„Du bist fein, Mädchen," sagte Rygge zu sich selber, als er in der Nacht nach Hause tappte, die Handgelenke ermüdet von seiner ungewohnten Thätigkeit. „Du bist fein, aber ich glaube, daß Du mit Deinem Kavalier sehr bald in die Klemme kommen wirst. ES ist am besten, wenn ich morgen den alten Jversen wieder gesund werden lasse. Ich muß nun freie Hände haben."
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Am nächsten Abend saß Jversen wieder auf seinem alten Platz und der Detektiv hatte Aufschluß über verschiedene Dinge erhalten. Auf dem Postamt hatte er vernommen, daß für Miß Florina kein Packet angekommen war. Als er sich bei mehreren Juwelieren erkundigte, erfuhr er, daß der Rubinschmuck vor ein paar Tagen durch einen Dienstmann gekauft worden war, dessen Nummer
sich der Ladendiener leider nicht gemerkt hatte. Ferner erhielt er die Gewißheit, daß die Finanzen Bührings in den 14 letzten Tagen durchaus nicht glänzende gewesen waren, denn eine Anzahl seiner Habseligkeiten hatte den Weg zum Pfandleiher gefunden, unter anderem auch seine Uhr, die aber wieder eingelöst worden.
„Du hättest vielleicht mehr einlösen können, mein guter Mann, aber Du bist schlau. Du willst die Indizien für Dich haben, falls Du erwischt wirst," dachte der Detektiv. „Wollen nur sehen, ob es Dir etwas hilft."
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„Ich mache Ihnen mein bestes Kompliment für Ihre Arbeit in dieser Sache. Sie haben auch diesmal wie schon so oft Ihren Auftrag prächtig ausgeführt. Ihr Einfall als stellvertretender Trommelschläger war ein glänzender Geniestreich." Der Inspektor strich sich zufrieden mit der Hand über den Bart und lächelte gnädig.
Der Bankdirektor, der Inspektor und der Detektiv waren zu einer Besprechung versammelt acht Tage nach Verübung des Diebstahls.
„Ich glaube, wir haben nun Beweismaterial genug, um eine Verhaftung wagen zu dürfen. Der Dieb ist zwar vorsichtig, aber doch nicht vorsichtig genug gewesen. Bei seinen Geldausgaben hat er sich der Vermittler bedient, aber dank Herrn Rygge's Findigkeit kennen wir die meisten derselben. Welche Rolle hat denn jener Annoncensammler gespielt, Rygge, den Sie unter den Zeugen notiert haben?"
„Ja, der hat als einladender und bezahlender Wirt bei den meisten Bacchanalien des Paares während der vergangenen Woche fungirt, natürlich der Sicherheit wegen, damit Bühring sich den Rücken frei halten konnte. Aber ich kenne