Schaffner erhielt wegen seiner Scharfsichtigkeit die wärmsten Glückwünsche von Seiten der Staatsanwaltschaft, daß er aber auch von dem so glücklich in den Besitz seines Geldes zurückgelangten Eigentümer der Papiere einen greifbaren Beweis der Anerkennung erhalten hätte, davon weiß die Geschichte nichts zu melden.
WÜNttLMSLfg.
Stutttgart, 5. Mai. Zum Schillertag hat die Königin der Zentralleituog des Wohltätigkeitsvereins zu Beiträgen für die Bibliotheken auf dem Lande 1000 übergeben.
Stuttgart, 7. Mai. Die Ausschmückung der Residenzstadt zur Schillerfeier hat bereits begonnen und ist an einzelnen Stellen bereits vollendet. Private und öffentliche Gebäude tragen hübsche Guirlanden, Kränze, Draperien in den städtischen und württ. Farben. Besonders zeichnen sich schon die Plätze aus, wo sich ein Teil der Festlichkeiten abspielen wird. Auch die Vorbereitungen zur Illumination sind zum großen Teil getroffen.
Marbach. 6 Mai. Die Festlichkeiten anläßlich der lOOsten Wiederkehr des Todestages Friedrich Schillers nahmen heute ihren Anfang. Mit Stolz feiert die ganze deutsche Nation das Gedächtnis ihres größten Dichters, den wir Marbacher mehr als alle übrigen Deutschen berechtigt sind, den unserigen zu neune», da hier seine Wiege stand und er hier als Sohn unserer Stadt seine erste Kindheit verlebt'. Die Stadtvertreter und die Bürgerschaften haben daher in edlem Wetteifer mit dem Schwäbischen Schillervereio alles aufgeboten, um das Andenken des großen Toten, mit dessen unsterblichem Dichterruhm der Name unseres bescheidenen Stäbchens immerdar verknüpft sein wird, würdig zu ehren. Den Glanzpunkt des heutigen Tages und unserer Schillerfeier überhaupt bildet der Besuch Ihrer Majestäten des Königs und der Königin, die in Begleitung der Herzöge Albrecht, Ulrich und Robert, letzterer mit Gemahlin, der Herzogin Wera und des Fürsten Karl von Urach mit Extrazug um 11.58 Uhr hier eintrafen, um den Dichterfürsten zu ehren. Außen den Genannten hatten sich noch eingefunde» sämtliche Minister, die Präsidenten beider Kammern, zahlreiche Abgeordnete u. a. m. Vom Bahnhof aus, wo großer Empfang stattfand, fuhren die hohen und höchsten Herrschaften zu Wagen am Cottaplatz, am Stamm- Haus (z. Goldenen Löwen) und am Geburtshaus Schillers vorüber zum Schillermuseum. Der Vorsitzende des Schwäb. Schillervereins, Kabinettschef Frhr. v Gemmingen, hielt eine Ansprache, in welcher er den allerhöchsten Herrschaften für ihr Erscheinen dankte. Müßte» wir nicht, so führte Redner u. a. aus, eine Totenfeier begehen? Nein, wir dürfen den Lebenden grüßen, wie er von uns geschieden ist. Wir können nicht nur sagen, er war unser, sondern auch er ist unser und wird unser bleiben. Damit er unser bleibe, dafür will der Schwäb. Schillerverein sorgen und dieser Aufgabe ist auch dieses Haus geweiht. Diesem Zweck soll auch dienen die Ausstellung von Handschriften, Bildnissen und anderen Erinnerungszeichen Schillers. Hierauf erfolgte die Besichtigung der Ausstellung. Nach derselben begaben sich die Majestäten zum Schillerdenkmal, wo uach einem Gesangsvortrag des Liederkranzes der Urenkel Schillers, Frhr. v. Gleichen Rußwurm die Festrede hielt, die in meisterhafter Weise den Gedanken zum Ausdruck brachte: „Schiller lebt und muß leben!" Auch ge- dachte der Redner seiner Beziehungen zur schwäbischen Heimat und seiner Jugendtage. Wir schämen uns nicht mit Schiller idealistisch zu denken. Als »ach dieser Rede Ihre Majestäten vor dem Denkmal Prächtige Lorbeerkränze niederlegten, brach die begeisterte Menge in lebhafte Hochrufe aus. Nach einem Vortrag des Kirchenchors fuhren Ihre Majestäten zum Bahnhof zurück und verließen unsere Schillerstadt um 1.45 Uhr wieder mit Extrazug. Außer dem bereits erwähnten Urenkel Schillers, Frhr. v. Gleichen-Rußwurm, war auch eine Urenkelin des Dichters, Frau Kißling-Krieger, anwesend. Aus Anlaß der heutigen Schillerseier und der Eröffnung der Schillerausftellung hat der König dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied des Schwäbischen Schillervereins und Vorstand des Schillermuseums, Geh. Hofrat Prof. Otto Günttrr in Stuttgart, unter gleichzeitiger Erhebung auf die 5. Stufe der Rangordnung, die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft am Band des Ordens der Württ. Krone, dem Oberamtsarzt Dr. Föhr in Marbach den Titel und Rang eines Medizinalrats: ferner das Ritterkreuz des Ordens der Württ. Krone dem Schatzmeister des Schwäb. Schillervereins, Gustav Müller in Stuttgart, und das Ritterkreuz 1. Klasse des Friedrichsordens dem Regierungsbaumeister A. Stapf in Berlin verliehen.
Stuttgart. 4. Mai. Das Gesamtkollegium der Zentralstelle für Gewerbe und Handel hat in einer vorgestern abgehaltenen Sitzung der Werkgenossenschaft der Holzgewerbetreibenden in Großbottwar und der Schreinergenosfenschaft in Markgröningen 25°/o Beitrag zu den Kosten ihrer maschinellen Einrichtung im Betrage von 4150 bezw. 2430 -/E bewilligt Auch für das in Heilbronn zu errichtende städtische Auskunftsamt will die Zentral- stelle einen Beitrag leisten, obwohl das grundsätzliche Bedenken erhoben wurde, ob cs zu rechtfertigen sei, wenn der Staat dazu beitrage, den für ihren Beruf besonders vorgebildeten Rechtsanwälten Konkurrenz zu machen. — Man nahm sodann Stellung zu dem Entwurf eines Gebäudebrandverstcherungsgesetzes und sprach sich bezüglich des Wiederausbauzwangs dahin aus, daß die Entschädigungssumme ganz zur Wiederherstellung eines Gebäudes derselben Bestimmung zu verwenden sei, daß dagegen nicht derselbe Umfang des Ersatzbaus verlangt werden solle. Der Wiederaufbau soll nicht auf demselben Grundstück, sondern blos auf demselben Grundstückskomplex gefordert werden. Ausnahmen hiervon seien dem freien Er- messen des Verwaltungsrats zu überlassen. Schließlich sprach sich das Gesamtkollegium noch mit 24 gegen 3 Stimmen zu Gunsten der Beiziehung von Lohnarbeitern zum Beirat der Verkehrsanstalten aus.
Stuttgart, 3. Mai. Unter Vorsitz von Amt- mann Knapp fanden heute vormittag im Rathaussaal Unterhandlungen zwischen den Unternehmern im Baugewerbe und den Kommissionen der Maurer, Steinhauer und Zimmerer statt. Die Verhandlungen, die am Freitag vormittag fortgesetzt werden, beschränkten sich heute auf eine allgemeine Aussprache. Inzwischen werden die Unternehmer in einer außerordentlichen Versammlung endgültige Stellung zu den Forderungen der Arbeiter nehmen. In den Kreisen der Arbeiter hofft man auf eine friedliche Beilegung der Lohnbewegung.
Backnang. 7. Mai. Gestern abend wurde auf dem hiesigen Postamt ein Geldbeutel mit 4000 Inhalt vermißt; ob derselbe verloren ging oder Diebstahl vorliegt, wird die eingeleitete Untersuchung ergeben.
Biber ach, 6. Mai. In der Geueralversamm- lang des hiesigen Gewerbevercins wurde die Errichtung eines Elektrizitätswerks für die hiesige Stadt beschlossen. Die Anlage wird ein Kapital von 200000 erfordern, für deren Aufbringung eine Aktiengesellschaft gegründet werden soll.
Ulm, 5. Mai. Gestern haben sich 10 der hiesigen Buchdruckereien zu einer Vereinigung zusammengeschlossen, zwecks nachdrücklicher Wahrung der gemeinsamen Interessen. Eine Druckerei lehnte es ab sich dem Vereine anzuschließen und eine andere nimmt zu dem Vorgehen eine gegnerische Haltung ein.
Ulm, 1. Mai. Ein seltenes Jubiläum beging heute die Ratsschreiberswitwe Römer. Es sind heute 50 Jahre, daß das damalige junge Ehepaar Römer bei der nunmehrigen Witwe Stadtler am Marktplatz einmietete; 50 Jahre lang hat das Mietsverhältnis in vollster Harmonie gedauert.
Kus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg, 7. Mai 1905.
Zum 100. Todestage Friedlich Schillers.
An diesem Dienstag, den 9. Mai. begeht das deutsche Volk die Feier des ernsten Gedenkens an einen seiner größten und edelsten Söhne, den 100. Todestag Friedrich Schillers. Nicht nur innerhalb der Reichsgrenzen, sondern auch außerhalb derselben, bis zu den fernsten Zonen, wo nur immer Deutsche zusammen wohnen, hat man sich gerüstet, die hundertjährige Wiederkehr des Tages, an welchem der populärste und neben Göthe geistesgewaltigste deutsche Dichter von hinnen schied, würdig zu feiern. Es ist müßig, an einem solchen Erinnerungstage die alte Streitfrage aufzuwerfen, wer eigentlich der Geistesgrößcre gewesen ist, Schiller oder Göthe; letzterer selber hat sie dahin beantwortet, daß wir Deutsche überhaupt froh sein sollten, zwei solche „Kerle" zu haben, wie ihn und Schiller. Jedenfalls ist Friedrich Schiller der einzige große Dichter der klassischen Literarepoche Deutschlands, dessen Poesie zugleich alle Kreise der Nation ergriffen und durchdrungen hat und dessen Gestalt bis zum heutigen Tage die bei weitem volkstümlichste geblieben ist. Seine großen allgemeinen Ideen, wie er sie in seinen herrlichen Dramen niedergelegt hat, wuchsen in ihm zu einer Stärke und Wärme, daß sie sich in Gefühl und Leidenschaft und damit wiederum in Poesie verwandelten.
Schiller hat, wie kein anderer, sein Volk geachtet und geliebt, darum liebt es auch ihn wie keinen andern; weil er sür sein Volk gedichtet und gelebt,
darum ist auch er vor allen der Dichter seines Volkes.
In ihm hat sich der deutsche Genius am reinsten geoffenbart; seine hohe Dichterseele spiegelt wie der Silberquell das goldne Licht der Sonne, das Höchste und das Beste wieder, was dem Deutschen teuer und eigen ist: die Begeisterung für die Freiheit, die Acht- ung für Menschenwürde, die Liebe zum Vaterlande das glühende Streben nach Wahrheit und Erkennt-' nis, verbunden mit der erhabensten Sittlichkeit. Darum wird Schiller von seiner Nation wie kein anderer Dichter heut gefeiert; darum sind seine Werke in jeder Hand. Jung und alt, vornehm und gering, der König auf seinem Thron wie der Handwerker bei der Arbeit, der Hochgebildete wie der Bildungsbedürftige kennen seine Lieder und schöpfen aus ihnen Hoffnung und Trost, Mut und Begeisterung. Von den Bergen, wo die Freiheit wohnt, schallen sie herab zum stillen Tal und wecken das Echo in der Menschenbrust. Beim fröhlichen Mahl und Hellem Gläserklang tönt daS Lied der Freude:
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder — überm Sternenzelt Muß ein lieber Vater wohnen.
Rascher pocht das Herz des Knaben, wenn er die Balladen Schillers liest, die „Bürgschaft", welche so herrlich das Gefühl der Freundschaft preist, den „Gang nach dem Eisenhammer" voll wahrer Fröm- migkeit und Herzenseinfalt, den „Taucher", der die Wunder der Tiefe mit allem Zauber, deren Vers und Sprache fähig ist, enthüllt. Röter färben sich der Jungfrau Wangen, wenn der Dichter ihr das süße Geheimnis ihres Herzens deutet; sie flüstert j tief bew.'gt ihm nach: .
O, daß sie ewig grünen bliebe Die schöne Zeit der jungen Liebe!
Gibt es einen Jüngling, den des Sängers Lieder nicht mit Begeisterung erfüllen, zu edeln Enschlüssen und großen Taten spornen? Seine Gedichte sind das Evangelium der Jugend geworden und verdienen es zu sein wegen der Reinheit ihres Inhalts, wegen des sittlichen Adels, der aus ihnen spricht. Nie hat Schiller dem Geschmack der Mode gehuldigt, nie auch ! nur eine Zeile geschrieben, über die er zu erröten brauchte; nie erniedrigte sich seine Muße, weder zum Schmeicheln, noch zum frivolen Spiel. Wohl durfte ' mit Recht sein geistiger Zwillingsbruder Göthe von ihm rühmen:
Und hinter ihm im wesenlosen Scheine Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
Aber auch dem gereiften Manne hat der Dichter in seinen Gesängen einen Schatz von Weisheit und Lebenserfahrung zugetragen; reich an Gedanken kehrt er von dem „Spaziergang" an Schillers Hand in sein Haus zurück, wo er die sinnige Frau mit leuchtenden Blicken findet, entzückt von dem Lobe, das kein Sänger ihr schöner sang als er.
Schillers Muse ist sein „Mädchen aus der Fremde":
Und teilte jedem eine Gabe,
Dem Früchte, jenem Blumen aus:
Der Jüngling und der Greis am Stabe,
Ein jeder ging beschenkt nach Haus.
Doch am größten und bedeutendsten erscheint sei« Genius, wenn er von den Brettern herab, die für ihn „die Welt bedeuten", zu dem versammelten Volke spricht. Mit "atemloser Stille und gespannter Erwartung hängt das dichtgedrängte Haus an den wunderbaren Gestalten, an den großen und erhabenen Schöpfungen seiner wunderbaren Poesie. Wie weiß er das Herz seiner Zuschauer zu erschüttern und M rühmen, bald mit Bewunderung für die Tugend, bald mit Abscheu vor dem Laster zu erfüllen.
Hat Schiller mit jugendlichem Ungestüm in de» „Räubern" den Kampf gegen die erdrückenden Fesseln der Tyrannei geschildert und mit diesem Stücke sofort sich die Bühne erobert und auch in seinem „Fiesko" den gleichen Ton, wenn auch vom größeren Publikum weniger verstanden, angeschlagen, so hat er mit , der zunehmenden Reife des Alters mehr und mehr sich der Anschauungsweise des deutschen Volkes genähert. Schon in seinem Stücke „Kabale und Liebe", in dem er gegen Standesvorurteile kämpft und auf die hohe Bedeutung des Bürgertums hinweist, hat er ein bürgerliches Familiengemälde von wahrhaft geschichtlicher und politischer Bedeutung in Form einer Tragödie mit einer bewundernswerten Sachkenntnis und mit heiligem Ernste entworfen. Alle Wünsche aber, alle Hoffnungen und Träume seiner nach Freiheit dürstenden Seele strömte der Dichter in seinem „Don Carlos" aus. Noch heute, wo leider der Geldbeutel und die Genußsucht allzu sehr in hjem Vordergrund des menschlichen Interesses stehen, wirkt der ideale Gehalt dieses Trauerspieles stets begeistert auf die Menge und vor allem auf das Herz der Jugend, deren Lieblingsheld der edle, hochherzige Marqms Posa geworden ist; noch heute wecken die Verse des