seinen Helden sagen läßt: „O über mich Narren, der ich wähnte, die Welt durch Greuel zu verschönern und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu halten. ... Ich erfahre mit Zähneklappern und Heulen, daß zwei Menschen wie ich, den ganzen Bau der sittlichen Welt zu Grunde richten würden." — Freiheit ist das Leben und Weben der Gottesschöpfung: Auf Freiheit ist sie gegründet, und wie reich ist sie durch Freiheit." Freiheit ist das höchste Gut des Einzelnen. Sie entscheidet über den Wert des Menschen: „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, Und wär er in Ketten geboren." Freiheit ist das höchste Gut des Volks und Staats. Aber es gibt auch einen Miß- brauch der Freiheit; Freiheit ist nicht so viel wie Zügellosigkeit:
„Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
Da kann sich kein Gebild gestalten:
Wenn sich die Völker selbst befrei'n.
Da kann die Wohlsahrt nicht gedeih'n."
Mit Entsetzen hat sich Schiller von der französischen Revolution abgewandt.
„Freiheit und Gleichheit! hört man schallen:
Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr,
Die Straßen füllen sich, die Hallen,
Und Würgerbanden zieh'n umher . . .
Nichts Heiliges ist mehr : es lösen Sich alle Bande frommer Scheu;
Der Gute räumt den Platz dem Bösen Und alle Laster walten frei."
Aber trotz dieses Mißbrauchs bleibt die Freiheit doch „des Lichtes Himmelsfackel."
„Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Toren."
Freiheit, Tugend, Glaube, das find die drei Worte, von denen es heißt:
„Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde:
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist aller Wert geraubt.
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt."
Der wahrhaft freie und gute Mensch ist vor allem auch ein treuer Freund des Vaterlands. Die glühende Vaterlandsliebe, die aus den großartigen Dichtungen: „Wilhelm Tell" und „Die Jungfrau von Orleans" hervorleuchtet, hat einen tiefen Einfluß auf unser deutsches Volk ausgeübt; sie hat begeistert zu den heldenhaften Freiheitskriegen, sie hat die Sehnsucht nach einem einigen großen deutschen Vaterland unauslöschlich in die Herzen geprägt.
„Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern:
In keiner Not uns trennen und Gefahr!
Und:
„Ans Vaterland, ans teure schließ dich an.
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen!
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft!"
Und gälte es auch blutgen Kampf und Krieg:
„Was ist unschuldig, heilig, menschlich gut,
Wenn es der Kamps nicht ist für's Vaterland?" „Nichtswnrdig ist die Nation, die nicht ihr alles freudig
setzt an ihre Ehre!"
Fürwahr Großes und Ernstes hat Schiller mit alledem seinem deutschen Volk gesagt und — heute noch zu sagen. Und es ist heilige Pflicht der Nation, diesen Propheten des Edlen und Guten zu ehren, nicht bloß mit Festfeiern, sondern mit der Tat! — Aber auch auf die Grundlage des Gesamtwohls, den Gottcsglauben, hat Schiller ebenso freimütig, als ernst hingewiesen. Der christlichen Religion, wie sie sich in den verschiedenen Bekenntnissen ausgeprägt, ^ stand Schiller fern:
„Welche Religion ich bekenne? Keine von allen,
. Die du mir nennst. Und warum keine? Aus Religion."
^ Die äußeren Formen der Religion hielt er für gleich- ' gültig. Aber die Religion selber, als Gottesglaube und Nächstenliebe, war rhm das Heiligste und Höchste. Er hatte ein tiefes Gefühl für die Größe und Erhabenheit Gottes. Den Gottesleugner Franz v. Moor läßt er sagen: „Dieser allwissende Gort, den du Tor und Bösewicht mitten aus seiner Schöpfung zernichtest, braucht sich nicht durch den Mund des Staubes zu rechtfertigen. Er ist ebenso groß in deinen Tyran- neien, als irgend in einem Lächeln der siegenden Tugend." Und die Naturgesetze, die der oberflächlichen Betrachtung Gott entbehrlich erscheinen lassen, sind ihm, dem Denker, viel eher ein Beweis für das Walten der göttlichen Weisheit:
„Ihn, den Künstler wird man nicht gewahr. Bescheiden Verhüllt er sich in ewige Gesetze;
Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn. Wozu Ein Gott? sagt er! Die Welt ist sich genug.
Und keines Christen Andacht hat ihn mehr,
Als dieses Freigeists Lästerung, gepriesen."
Und darum ist der Glaube an Gott eines jener drei wertvollsten Worte:
„Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist.
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist."
Unsere Christenhoffnung, kann man sie schöner Preisen, als es Schiller tut in den Worten:
„Dem dunklen Schoß der heil'gen Erde Vertrauen wir der Hände Tat,
Vertraut der Sämann seine Saat.
Und hofft, daß sie entkeimen werde Zum Segen nach des Himmels Rat.
Noch köstlicheren Samen bergen Wir trauernd in der Erde Schoß Und hoffen, daß er aus den Särgen Erblühen soll zu schön'rem Los."
Wir haben Schiller einen Propheten genannt. Die größten und heiligsten Güter der Menschheit hat er uns mit heiliger Begeisterung in der wunderbaren Sprache seiner Dichtung gepriesen. Und darum haben wir allen Grund, ihn als der Größten einen zu ehren; wir wollen zum Schillerfest der Mahnung Göthes gedenken :
„Zum höchsten hat er sich emporgeschwungen,
Mit allem, was wir schätzen, eng verwandt.
So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben."
Rüstungen zur Schillerfeier.
Eine großartige Ausdehnung nehmen die Gedenkfeiern zum 100. Todestage Schillers an. Wählt man aus der fast unübersehbaren Fülle der vorliegenden Berichte und Ankündigungen nur einige wesentliche Veranstaltungen, so ergibt sich schon ein überwältigendes Bild von der Huldigung, die in diesem Jahre den Manen des deutschen Dichterfürsten bereitet wird. Beginnen wir mit den Bereinigten Staaten, so find dort im ganzen Lande Schillerfeiern teils schon gehalten, teils vorbereitet worden. Das Deutschtum ist hierbei natürlich in erster Linie durch seine Vereine und die deutschen Theater vertreten, das Amerikanertum durch die Schulleitungen, namentlich durch die germanistischen Abteilungen der Universitäten. Selbst in kleinern und Mittlern Städten werden umfangreiche Festlich- keilen abgehalten werden.
Holland wird in keinem Falle andern nicht- deutschen Länder» nachstehen. Für die deutschen Vereine in Amsterdam und Rotterdam ist der Urenkel Schillers, Frhr. v. Gleichen-Rußwurm, als Festredner gewonnen worden. Eine in ihrer Art originelle Feier hat bereits am Ostersonntag in Amsterdam stattgefunden, wo man Schillers Wilhelm Tell in holländischer Uebersetzung mittels eines Puppentheaters über die Bühne gehen ließ.
Auch in Frankreich ist für den Monat Mai eine Schillerfeier beabsichtigt.
Die Schweiz hat ein Schiller-Jubiläumsjahr schon hinter sich. Es war das Telljahr 1904, das in der ganzen Schweiz durch Tellaufführungen, Tellfeiern und Tellausstellung in Zürich festlich begangen wurde, Weil das Verhältnis der Schweiz zu Schiller vor allem auf die Formel Wilhelm Tell zu bringen ist, könnte man denken, daß die Schweiz im Jahre 1905, nachdem sie schon vorher des Guten genug getan, zurücktreten würde. Dem ist aber nicht so. Mit Schillerverehrungen und Schillerfeften hat das Jahr 1905 begonnnen, und der 9. Mai soll auch in der Schweiz nicht spurlos vorübergehen. Der Schweizer Schuljugend wird auf Buudeskosten der Wilhelm Tell zum Geschenk gemacht.
Die Schillerfeiern in den einzelnen deutschen Städten und Gemeinden find nach Art und Iahl schier unermeßlich, die Schillerbücher und -Bilder, die verteilt werden, zählen nach vielen Hundert- ' tausenden, und alle Parteien und Konfessionen wett- eifern. Unter den deutschen Städten ist zuerst Weimar zu nennen, wo Schiller seinen Geist aushauchte und zu Grabe getragen wurde Die Summe der von den deutschen Frauen aufgebrachten Mittel beträgt rund 200000 In Berlin ist nach monatelauge» Vorbereitungen und Beratungen ein großzügiger Plan der Schillerfeier festgelegt worden. In Köln ist der Glanzpunkt der Gedenkfeiern ein in großem Stil vorbereiteter Festakt im Gürzenich; Frhr. v. Gleichen-Rußwurm hält die Festrede.
Württemberg.
Stuttgart, 5. Mai. Die Kammer der Abgeordneten beschäftigte sich bei der heute fortgesetzten Beratung des Kult et als zunächst mit den niederen evang. Seminaren, wobei von verschiedenen Seiten wieder eine anderweitige Organisation dieser Institute oder eine Angliederung derselben an die Gymnasien in Anregung gebracht wurde. Da vom Kultminister jedoch eine Denkschrift über diese Angelegenheit in Aussicht gestellt ist und die ganze Frage z. Zt. auch noch nicht genügend geklärt erscheint, so wurde von einer Entscheidung Abstand genommen. Bei den Besoldungen der katholischen Kirchendiener brachte der Abg. Hauß mann-Balingen
die bekannten Vorgänge bei der Ravensburger Stadtschultheißenwahl, sowie die in jüngster Zeit noch in der Presse erwähnte Fahnenweihe beS Kriegervereins zu Friedrichshafen und die Frage der konfessionellen Kindererziehung zur Sprache, letztere im Anschluß an eine Entscheidung des Ver- waltungsgerichtshofs in einem von Sontheim bei Heilbronn aus anhängig gewordenen Falle. An die Ausführungen Haußmanns schloß sich eine mehr- stündige, vielfach ziemlich erregte Debatte an, die den Rest der 5stündigen Sitzung ausfüllte.
BaIingen, 2 Mai. Konrad Haußmann, welcher am Sonntag hier vor seinen Wählern sprach, hat sich, wie zu erwarten stand, auch mit der Kriegs- erklärung, welche die Sozialdemokratie an Ostern gegen die Volkspartei richtete, beschäftigt Er erklärte unter dem Beifall der Versammlung, daß die Volks- Partei den ihr von der Sozialdemokratie hingeworfenen Handschuh aufnehmen werde. Die Volkspartei sei zu gemeinsamer Arbeit mit der Sozialdemokratie bereit gewesen, aber bei dem von Größenwahn geschwellten ausschlaggebenden Teil der Sozialdemo, kratie sei keine vernünftige Politik möglich. Der Beschluß der Sozialdemokratie komme lediglich dem Zentrum und dem Bauernbund zu gute und auch die erste Kammer habe allen Grund, mit der Sozial- demokratie zufrieden zu sein. Die Sozialdemokratie werde fühlen müssen, daß die Bolkspartei dem Kampf nicht ausweicht. Für den Balinger Bezirk sei der sozialdemokratische Beschluß parteipolitisch ganz günstig sie werde dadurch weiter an Boden verlieren.
Stuttgart, 3. Mai. Zu der Rede des Abg. K. Haußmann bemerkt das ultram. „Deutsche Volksblatt": „Ob wohl die Kriegserklärung Haußmanns wirklich ernst genommen werden kann? Das wird sich in wenigen Wochen bei der Landtags- ersatzwahl in Eßlingen zeigen. Findet der Kriegsruf Haußmanns in den Reihen seiner Partei Ver- ständnis und Aufnahme, dann wird sie die Deutsche Partei unterstützen. Geschieht dies, dann ist die entgültige Scheidung zwischen Volkspartei und Sozialdemokratie vollzogen. Wir sind sehr gespannt, wie sich die Volkspartei aus der „unheimlichen Klemme" in Eßlingen ziehen wird. Hier muß sie Farbe bekennen, wen« ihr die Entscheidung auch noch so schwer wird. Selbst wenn sie die Parole: Wahlenthaltung ausgibt und keinen eigenen Kandidaten aufstellt, hat sie genügend gesagt, um die Situation zu kennzeichen. Die Landtagswahl in Eßlingen wird die Stellung zwischen Volkspartei und Sozial- demokratie schon für die im nächsten Jahr kommenden allgemeinen Landtagswahlen deutlich beleuchten."
Eßlingen, 5. Mai. Die Vertreter des Jung- liberalen Vereins, der Volkspartei, der Deutschen Partei und der Deutschkonservativen Partei haben sich grundsätzlich damit einverstanden erklärt, für die bevorstehende Landtagsersatzwahl einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen und gemeinsam in den Wahlkampf einzutreten. Eine eingesetzte Kommission soll der Kandidatenfrage nähertreten.
Stuttgart. Peinliches Aufsehen erregte ein öffentlicher Aufruf des Ausschusses des Stuttgarter Liederkranzes um mildtätige Gaben oder zinsfreie Darlehen. An der Stuttgarter Liederhalle muß nämlich notwendig gebaut werden und die Baukosten sind auf 140000 veranschlagt, eigene Mittel hiezu fehlen aber der Stuttgarter Liederkranzgesellschaft, wenn sie nicht einen Teil ihres prächtigen Gartens zu Bauplätzen verkaufen soll. In dem Aufruf selbst ist gesagt, daß, wenn die Liederhalle nicht existieren würde, seitens der Stadt für große Musikaufführungen usw. ein besonderer Saalbau erstellt werden müßte, was ja zahlreiche andere Städte Deutschlands schon längst getan haben. Man frägt sich nun erstaunt, warum der Ausschuß des Stuttgarter Liederkranzes nicht einen formellen Antrag an die städtischen Behörden gestellt hat, ihm die in Frage stehenden 140000 wenigstens als zinsloses Darlehen zu übergeben. Erst wenn eine solche Bitte abgeschlagen worden wäre, wäre dann ein öffentlicher Aufruf an die Mildtätigkeit angezeigt. So aber sieht die Sache aus wie ein Bettel und muß vielfach Mißbilligung erwecken. Daß der Stuttgarter Liederkranz nicht nur für das Kunstleben an sich, sondern auch zur Verherrlichung zahlreicher Feiern hervorragendes leistet, ist vollauf anzuerkennen, wenn auch vielleicht in letzterer Beziehung etwas zu viel geschieht.
Tübingen, 4. Mai. (Strafkammer.) Die Berufung des Taglöhners Karl Maier von Wildberg gegen ein Urteil des Schöffengerichts Nagold, das ihm wegen Körperverletzung mittels Messers zwei Monate Gefängnis auferlegte, wurde verworfen. — Das Schöffengericht Neuenbürg verurteilte den Sägemühlearbeiter Karl Holzäpfel von Calmbach Wege» Körperverletzung zu 10 ^ Geldstrafe, weil