müsse vor der Schmutzliteratur bewahrt werden. Die Bekämpfung des Alkohols begrüße er. Die Frage des Zwangs zum Besuche der gewerblichen Fort­bildungsschule, der er in erster Linie seine Aufmerk­samkeit widmen werde, müsse im Wege der Gesetz­gebung geregelt werden. Weiterhin werde er der allgemeinen Fortbildungsschule seine Aufmerksamkeit schenken. Mit einigen kurzen Bemerkungen der Mi­nister Dr. v. Pischek und Dr. v Zeyer, die sich in der Hauptsache auf einige Richtigstellungen be­schränkten. fand die Generaldebatte ihren Abschluß.

Die württ. Kammer der Standesherrn hat in ihrer einzigen Sitzung den Gesetzentwurf betr. Forterhebung der Steuern über den I. April hinaus genehmigt und ebenso auch die Zweite Kammer; in letzterer aber kam bei dieser Gelegenheit eine ganze Reihe von Klagen zum Ausdruck, nämlich darüber, daß das neue Steuergesetz von den aller­meisten Leuten nicht einmal verstanden werde und sicher massenhaft Unzufriedenheit errege; dazu werde noch der Umstand treten, meinte sogar der volks­parteiliche Redner, daß das neue Steuergesetz wenigstens im ersten Jahre nicht die von ihm er­warteten Erträgnisse bringen werde. In bäuerlichen Kreisen wird man sich nicht sehr rasch in den Gedanken gewöhnen, daß jeder Landwirt auch die Mich, das Mehl und das Fleisch, das er aus seiner eigenen Produktion konsumiert, auch noch zur Steuer anmelden müsse. In gewerblichen Kreisen aber zeigt sich jetzt eine große Verstimmung darüber, daß man womöglich auf Heller und Pfennig sein Einkommen zur Steuer anmelden muß und daneben noch eine Extraergänzungsfteuer als gewerbliche Steuer zu zahlen habe, wenn auch diese um annähernd die Hälfte gegenüber dem bisherigen Zustand verringert wird. Für den ehrlichen Gewerbetreibenden, der seine Bücher in Ordnung hat, wird diese Steuer­reform eine Steuererhöhung bringen', obgleich man den mittleren Leuten versprochen hat, sie brauchen künftig nicht weiter Gesamtsteuer zu zahlen, als bisher. Der Hase wird namentlich bei den Gemeinde­steuern im Pfeffer liegen und dazu hat man in Stuttgart noch die bisherige Schlachtsteuer aufgehoben , diese ertrug ca. 600000 jährlich und hatte den Vorzug, daß all die zahlreichen Fremden, welche nach Stuttgart kommen und Fleijch genießen, an dieser Schlachtsteuer mitzahlen helfen, was künftig unterbleiben wird. Die Schlachtsteuer hatte den weiteren Vorzug, daß man nur möglichst wohl­genährte Tiere rnS Stuttgarter Schlachthaus brachte, weil diese nicht weiter an Oktroi zu zahlen hatten als mindergenährte; das wird jetzt bald anders kommen; man hat zwar den Steuerzahlern ver­sprochen, es werde das Fleisch jetzt billiger und hat elne Kommission zur Feststellung der Fleischpreise bestimmt, aber tatsächlich sind die Fleischpreise in Stuttgart nicht billiger geworden, das Kalbfleisch hat sogar um 3 aufgeschlagen. Die besser situierten Einwohner von Stuttgart müssen also die 600000 tn der Hauptsache aufbringen und die weniger bemittelten Einwohner haben keinen Vorteil davon, auch die Metzger nicht; der Vorteil wird in die Taschen der von auswärts hierher kommenden Händler fließen.

Stuttgart, 3. April. Die Staats finanz- verwaltung hat das Niü sche Anwesen am Herdweg (Tiergarten) und das angrenzende Besitztum des Handelsgärtners Haußmann um 1085000 an­gekauft. Es soll beabsichtigt sein, hier Neubauten für das Ministerium des Innern und die ihm unter­stellten Behörden zu errichten. Wohin Hr. Nill im Fall der Genehmigung der Kaufverträge durch den Landtag seinen Zoologischen Garten zu verlegen beabsichtigt, ist noch unentschieden.

Stuttgart, 31. März. Friedrich Naumann hielt gestern abend in Divkelackers Saalbau einen Vortrag über die Zukunft der Schule. Der Durst nach Verallgemeinerung der Schulen, so führte der Redner zunächst aus, habe seinen letzten Grund im Uebcrgang der alten Wirtschaftsweise zu der modernen kapitalistischen Wirtschaftsform. Indem der Kapi- talismus den Geist des Rechnens in das Volk ge­tragen und jeden zum Kaufmann gemacht habe, sei der Einzelne spezialisiert worden in seiner Arbeit. Im Hinblick auf unsere Volkswirtschaft im ganzen müsse unter den neue» Existenzbedingungen die Er­ziehung zur Arbeit als das Zentralproblem der Schule überhaupt betrachtet werden. In der Form­vollendung und Technik unserer Jndustrieerzeugnisse beruht die Möglichkeit eines besseren Lebens, eines Aufstcigens des Volkes. Alles dieses führe die Schule zurück zur Arbeitsschule, zur Durchsetzung der Elementarfächer mit gewerblichen Interessen. Die religiöse Unterweisung sollte von der kirchlichen Gemeinschaft, aber nicht von der Schule gegeben

werden. Der Gedankengang, eine Weltanschauung den Kindern von 6 bis 14 Jahren einzupräge», habe an sich eine Schwäche. Die WeltanschauungS- jahre haben ihren Anfang ungefähr da, wo die Volksschule aufhört Man dürfe Schulfragen niemals bloß als Lehrersragen auffassen. Das lebendige Interesse an der Schule soll darüber hinaus in das ganze Volk getragen werden. An den mit stürmischem Beifall aufgenommenen Vortrag schloß sich eine längere Diskussion.

Stuttgart, 5 April. Die Bereinigung von Cannstatt, Untertürkheim und Wangen hat für diese Orte auch die sozialpolitisch wichtige Folge, daß sämtliche Hausgewerbetreibende und Hausarbeiter, ebenso wie in Stuttgart selbst der Krankenversicher­ungspflicht unterstehen.

Stuttgart, 3. April. Zwischen dem Stutt­garter .Neuen Tagblatt" und der .Cannstatter Zeitung" ist in den letzten Tagen eine Interessen­gemeinschaft hergestellt worden, indem die .Cannstatter Zeitung" unter wesentlicher Beteiligung desNeuen Tagblatts" in eine G. m. b. H. umgewandelt worden ist. DieCannstatter Zeitung" wird in gleicher Weise wie seither weitergeführt werden, enthält aber als tägliche Beilage das Amts- und Anzeigeblatt der Stadt Stuttgart.

Stuttgart. 5. April Heute vormittag 10 Uhr wurde im 3. Stock des Gebäudes der kgl. Forst- und Domänendirektion der 46 jährige ledige Werk­meister Karl Rapp tot auf dem Abort aufgefunden. Rapp hatte sich einen tätlichen Stich in die linke Brustseite beigebracht und zwar offenbar schon gestern, da heute früh der verschlossene Abort aufgebrochen werden mußte. Ueber daS Motiv des Selbstmordes ist nichts bekannt.

Stuttgart, 6 April Das alte bekannte Gasthaus zurGlocke" Marktstraße 19 ging um 125000 in den Besitz der Firma Joh. Konrad Reiblen über.

Tübingen, 3. April. (Schwurgericht) Wegen eines Vergehens des Betrugs in Höhe von 34 -/L gegenüber der Gemeinde Althengstett, O.A. Calw, wurde der Waldmeister Jakob Söll daselbst zu der Geldstrafe von 150 -/E und Kostentragung verurteilt. Söll war der Fälschung einer öffentlichen Urkunde beschuldigt, indem er in die Abrechnung des Holz- Hauerakkordanten Benerle auf dessen Zutun 20 Arbeits­tage L 1,20 -//t- mehr aufnahm, als dieser zu bean­spruchen hatte. Söll war geständig, machte aber geltend, er habe nicht gewußt, daß er hierdurch eine öffentliche Urkunde fälsche. Die Geschworenen ver­neinten dann auch die hierauf gestellte Schuldfrage und bejahten nur die Frage nach einfachem Betrug unter Zulassung mildernder Umstände.

Tübingen, 5 April. Von der kgl Straf- kammer wurde gestern der Weinhändler Christian Stoll von Calmbach, O.A. Neuenbürg, welcher seit Jahren Weinzuchthefe, Weinsteinsäure, Essenz, Gly­zerin, Potasche usw. mit Zuckerwasser, Rosinen oder Corinthen und Apfelschnitten ansetzte und das Gebräu als Wein verkaufte, auch auS Zuckerwasser, Weinhefe, Rosinen und Goldorange Apfelmost herstellte und als Naturmost verkaufte, zu 6 Wochen Gefängnis ver­urteilt. Die beiden Reisenden der Firma Ferd. Müller Nachfolger in Stuttgart, Eugen Schlör von Beutels - bach und Eugen Ehrmann von Ulm wurden wegen Beihilfe mit je 20 angesehen. Nach dem Sach­verständigengutachten ist der Rotwein ein elendes zusammengcbrautes Gesüff und infolge seines hohen Essigsäuregehalts als gesundheitsschädlich zu betrachten.

Freuden st adt, 5. April. Gestern wurde die Anklagesache des Gemeinderats Adolf Nestlen gegen Stadtschultheiß Hartranft vor dem hies. Schöffen­gericht unter dem Vorsitz des Oberamtsrichters Rentschler verhandelt. Der Rechtsbeistand des Klägers war Rechtsanwalt Fr. Haußmann, der des Stadt­schultheißen Rechtsanwalt Dr. Milcezwsky. Die Verhandlung, die unter gespanntester Aufmerksamkeit der zahlreichen Zuhörerschaft von morgens 9 Uhr bis abends 5 Uhr mit einer einstündigen Mittags­pause dauerte, brachte eine Fülle von interessanten Aussagen. Das Urteil wurde erst nach 2stündiger Beratung des Schöffengerichts gegen 7 Uhr dahin verkündigt, daß der Angeklagte Hartranft wegen for­meller Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 verurteilt werde, daß aber die (sehr erheblichen) Kosten der Beweisaufnahme dem Privatkläger zur Last fallen, weil in der Sache selbst dem Angeklagten die Führung des Wahrheitsbeweises gelungen sei. Außerdem soll das Urteil imGrenzer" und durch Anschlag am Amtsgerichtsgebäude bekannt gegeben werden. Vom Angeklagten wird Berufung eingelegt werden, um die Rechtsfrage, ob er tatsächlich die Grenzen der Wahrung berechtigter Interessen strafbar

überschritte» habe, wenn nötig höchstrichterlich ent- scheiden zu lassen in einem Fall, wo er in der Sacke selbst durchaus Recht behalten hat. ^

Heilbronn, 5. April. In letzter Zeit wurde in hiesigen Läden mehrfach von einem Mann Be- trügereien dadurch verübt, daß derselbe kleine Ein­käufe machte und dabei ein 20 Markstück wechseln ließ. Er verstand es, das gewechselte Geld und das 20 Markstück gleichzeitig einzustecken und bis man den Betrug entdeckte, war der Täter verschwunden Dieses Manöver versuchte er dieser Tage wieder in einem hiesigen Metzgerladen. Hier sollte es ihm aber nicht gelingen, denn die Ladnerin bemerkte daß der Kunde das gewechselte Geld mit dem rum Wechseln bestimmten 20 Markstück zurücknehmen wollte. Auf ihr Drängen gab er das Geld heraus. Am gleichen Tag gelang es auch noch den Betrüger in der Person eines angeblichen Artisten ans Ungarn festzunehmen. Auch in Stuttgart kamen in letzter Zeit solche Betrügereien vor.

Waldenbuch, 5 April. Bei der gestrigen AM- schultheißenwahl haben von 365 Wahlberechtigten 337 abgestimmt. Die meisten Stimmen erhielt Ober- amtsasfistenl Fischer-Böblingen mit 242 Stimmen Landarmenbehördesekretär Singer 52 Stimmen. '

Urach, 6. April. I» Dornstetten ließen die Schreinerseheleute Loser ihr einjähriges Töchterchen in Obhut älterer Kinder und gingen in den Wald. Als sie nun abends zurückkamen war das Kind tot. Dasselbe ist vermutlich aus seinem Wagen gestürzt und auf dem Zimmerbodeu erstickt.

Vom Württ. Laudesverein vom Roten Kreuz erhalten wir die nachstehende Feldpostkarte mit der Bitte um Veröffentlichung: Stampriet- fontein, 7 Februar. Im Namen meiner Leute von der 7. Batterie (Halbbatterie Bech) erlaube ich mir, dem Württ. Landesverein vom Roten Kreuz meinen herzlichsten Dank zu sagen für die uns kürz­lich zuteil gewordenen Liebesgaben (datiert, Stutt­gart, 25. Nov. 1904). Wir alle, die wir beim Auspacken der Kiste zugegen waren, waren geröhrt, als wir sahen, mit welcher Liebe und Sorgfalt alles verpackt und mit welchem Geschick die Sachen aus­gesucht waren. Ganz besonders wertvoll waren für uns die Nähzeuge, die es in Windhuk gar nicht mehr gab, die Mundharmonikas ersetzten uns die hier ganz fehlende Musik, Tabak, Tabaksbeutel, Strümpfe und alles war uns herzlich willkommen. Da wir hier mitten in Süd-Orlog sind, so kann ich leider nicht ausführlicher sein: die Feldpostkarte muß Her- Halten. Die Batterie ist wohlgemut und guter Dinge, sie marschiert demnächst nach Gochas und dann hoffentlich gegen Morenga. Zur Zeit regnet es viel, und mehr als je zeigt sich jetzt, daß nur kerngesunde Leute auf die Dauer aushalten. Nochmals herzlichen Dank! Mit vorzüglicher Hochachtung

Bech, Hauptmann und Batterieführer."

Slus Stadt, Bezirk unv Umgebung.

Neuenbürg, 6. April. Dieser Tage fand die amtliche Revision des Elektrizitätswerks statt. Der betreffende Beamte (Ingenieur) äußerte sich dahin, daß er das Werk in vorschriftsmäßigem Zu­stande erfunden habe.

Eingesendet. Freitag, den 31. März, fand die nach den Satzungen des Schwarzwald-Bezirks- Vereins Neuenbürg vorgeschriebene Hauptver­sammlung in Höfen, dem Mittelpunkt des Vereins, statt, vorher Vorstaudssitzung, welch letzterer durch 8, die Hauptversammlung durch zwei Mitglieder. Nach Begrüßung der Erschienenen durch den Vorsitzenden, Baron v. Moltke, wurde vom Rechner der Kasseu- bericht vorgetragen. Die Hauplausgabe ist die für jährliche Rückzahlung ausgelosten Anteilscheine zum Bau des Langenbrander Aussichtsturms, ferner Aus­gaben für Instandhaltung von Waldwegen, Ruhe­bänken, Wegtafeln, Ausbesserung der Schutzhütten u. s. w. Die Mitgliederzahl, mithin auch die Ein­nahme, hat sich im vorigen Jahre bedeutend gehoben, hauptsächlich nach Vorführen der Blumenthal'schen Lichtbilder. Demnächst findet, wie in jedem Frühjahr, die Zusammenkunft der Bezirksoorsitzenden statt, (diesesmal in Dornhan) zur Vorberatung für die Hauptversammlung (Juli in Altensteig). Bei der Vorberatung wird auch der Ort hiefür für das Jahr 1906 bestimmt. Der Vorsitzende in Höfen hat für 1906 Wildbad in Vorschlag gebracht, was von der Versammlung genehmigt wurde. Hr. Fabrikant Lemppenau (Höfen) stellte den Antrag, man möchte an den württ. Schwarzwaldverein die Bitte stellen, die Feier des 25jährigen Bestehens des Vereins (>« Jahr 1909) in Höfen abzuhalten und begründete seine Bitte: Bei Gründung des Vereins 1884 durch