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Reuenbürg, Freitag den 7. April 1905.

63. Jahrgang.

RunSschau.

Neapel, 5. April. Bei gutem, doch etwas unsicherem Wetter fuhr der Kaiser auf derHam- bürg" mik dem KreuzerFriedrich Karl" um 10 Uhr in den Golf von Neapel ein. Das italienische Ge­schwader lag in Parade und gab den Salut ab. Die Mannschaften brachten ein Hurra aus. An Bord der Hamburg meldeten sich beim Kaiser der deutsche Botschafter in Rom, Graf Monts, der Militärattache Major v. Chelius mit anderen Herren der Botschaft, ferner die Spitzen der italienischen Be- Hörden. Bald darauf kam Prinz Adalbert von der Hertha an Bord der Hamburg und meldete sich zunächst dienstlich beim Kaiser, der sodann seinen Sohn herzlich willkommen hieß. Nachmittags 3/« 4 Uhr begab sich der Kaiser in Begleitung des Prinzen Adalbert, des Botschafters Graf Monts und anderer Persönlichkeiten zu Wagen nach der Wohnung des Generalkonsuls. DaS Publikum bereitete dem Kaiser lebhafte Ovationen.

Petersburg, 4. April. Prinz Heinrich von Preußen und Gemahlin find heure vormittag in Zarskoje Selo eingetroffen und vom Kaiserpaar und dem deutschen Botschafter empfangen worden. Um den Charakter des Familienbesuchs zu wahren, fand kein offizieller Empfang statt. Ende dieser Woche fährt Prinz Heinrich nach Kiel zurück; die Prinzessin Heinrich begleitet ihre Schwester, die Großfürstin Sergius, nach Moskau. ,

Berlin, 6. April DasBerl. Tagebl." meldet aus New-Jork: Eine Konferenz der Vertreter aller deutscher Vereine New -- Jorks beschloß ein­stimmig, ein Schillerdenkmal zu errichten.

Lahr, 3. April. Die Lahrer Handelskammer sprach nach dem Heidelb. Tagbl in ihrer letzten Plenarsitzung die Erwartung aus, daß die angestrebte Betriebsmittelgemeinschaft nicht nur zustande komme», sondern auch Ausgangspunkt und Grundlage für die endlich einheitliche Eisenbahutarif-Resorm bezw. -Ge­meinschaft werden möchte, und daß eine für das ganze deutsche Verkehrs- und' Wirtschaftsleben so wichtige und wertvolle Reform auch nicht an der etwaigen Einführung der 4. Wagenklasse und selbst nicht an dem Verzicht auf das Kilometerheft scheitern sollte und dürfte. So hart und schmerzlich auch die Preisgabe des in weitesten Verkehrskreisen mit Recht so beliebten Kilometerheftes empfunden werden würde, für den größeren wirtschaftlichen Vorzug einer ein­heitlichen Betriebs- und Tarifgestaltung müßte schließ­lich auch dieses Opfer gebracht werden! Die allent­halben unaufhaltsam vordrängende Verschärfung des internationalen Wettbewerbs, als dessen wichtigstes Hilfsmittel die Vervollkommnung der Verkehrsmittel und -Einrichtungen anzusehen sei und, wie ein Blick auf andere Staaten lehre, auf jede Weise gepflegt und gefördert werde, bedinge mit gebieterischer Not­wendigkeit im Interesse zunächst unserer nationalen Arbeit eine rationelle Ausgestaltung unseres Verkehrs­wesens, die aber nur durch Vereinheitlichung erreicht und nutzbar gemacht werden könne.

Köln, 5. April. Wie dieKöln. Ztg." von gutunterrichteter Seite aus Basel erfährt, hat sich die schweizerische und die badische Regierung dahin ge­einigt, die Konzession zur Errichtung eines Wasser- Werks bei Laufenburg a. Rh. an die geeigneten Firmen Felten u. Guillaume, Karlswerk zu Mühl- Helm a. Rh, und Schweizerische Druckluft-Elektrizitäts- Gesellschaft zu Bern zu erteilen. Das auf 50000 Pferdekräfte berechnete Riesenwerk soll begonnen werden, sobald die von badischer Seite noch aus­stehenden Förmlichkeiten erledigt sind.

Aus dem badischen Oberland, 2. April. Im Forstbezirk Säckingen haben sich infolge der großen Wmdfall-Beschädigungen des Jahres 1902 und in­folge der langaudauernden Trockenheit des Sommers 1904 Tannen- und Fichtenborkenkäfer in einer gefahr-

drohenden Menge in verschiedenen Nadelholzwaldungen eingestellt, sodaß sich das Forstamt Säckingen zu außerordentlichen Maßnahmen in Beobachtung des tz 69 des Forstgesetzes veranlaßt gesehen hat. Diese Maßnahmen bestehen der Hauptsache nach darin, daß sämtliches zur Fällung kommende Nadelholz alsbald nach dem Hieb entrindet und die Rinde nebst dem Abfallholz und dem Reisig verbrannt werden muß. Ebenso müssen sämtliche Dürrhölzer, Insekten- und Windfallhölzer verbrannt werden.

Mannheim, 4. April. Der bei der Firma Benz u. Co ausgebrochene Streik ist gestern abend nach dreiwöchiger" Dauer endlich beigelegt worden. Dies ist in erster Linie den energischen Bemühungen des Vorstandes der Fabrikinspektion, Oberregierungs­rat Dr. Bittmann aus Karlsruhe, zu danken, welcher von gestern mittag bis in den Abendstunden mit dem Streikausschuß und der Fabrikleitung eine Sitzung auf dem Bezirksamts abhielt, wobei es Dr. Bittmann gelang, die Firma zum Nachgeben zu bewegen. Die Forderungen der Arbeiter wurden in allen wesent­lichen Punkten genehmigt. Maßregelungen infolge des Streiks sollen nicht stattfinden und sämtliche Arbeiter treten wieder an ihre Plätze. Die Einstellung erfolgt von heute ab. In der Versammlung der Ausständigen wurden vpn allen Rednern unter ein­mütigem Beifall der Anwesenden die Verdienste des Dr. Bittmann um die Einigung anerkannt.

Mannheim, 5. April. Zn dem Mord an dem Dienstmädchen Sanges wird berichtet, daß der mutmaßliche Mörder, Becker, immer noch leugnet. Die an der Mordstelle an den Türleisteu gefundenen blutigen Fingerabdrücke find jedoch abgenommen und mit Fingerabdrücken des Becker dem Gerichtschemiker Jeserich in Berlin gesandt worden. Jeserich hat erklärt, daß die Fingerabdrücke von Becker stammen. Becker ist also überführt.

Aachen, 4. April. Der flüchtige Direktor der Lederwarenfabrik Peltzler wurde in Ostende ver­haftet. Von 185000 Frs. hatte er nur noch einige Tausende im Besitz.

London, 5. April. Laut Blättermeldungen aus Lahore ist das Erdbebenunglück das schreck­lichste Indiens seit Menschengedenken. Die Städte Amritsar, Jullundur, Ferozepore, Multai und Rawalpindi find schwer betroffen. Große Ver­luste an Menschenleben und andere Schäden werden aus Kaschmir und Pakala gemeldet. Auch aus anderen Orten treffen noch Unglücksbotschaften ein. Der Umfang des Unglücks läßt sich wegen Störung der Telegraphen noch nicht übersehen.

Kalkutta, 5. April. (Reuter.) Das Erd­beben wurde auch hier und in Bombay, aber nur schwach verspürt, ohne daß Schaden angerichtet wurde. Der Ort Dharmsala ist nach hier vorliegen­den Nachrichten durch das Erdbeben voll­ständig zerstört. Alle Häuser sind dem Erdboden gleich gemacht. Einige Europäer und viele Einge­borene sind ums Leben gekommen. Es herrscht große Not.

Deutscher Handel mit Marokko. Deutsch- land steht mit Marokko in einem Meistbegünstigungs­verhältnis. Der Warenhandel zwischen Deutschland und Marokko weist für die letzten Jahre folgende Zahlen auf, die der deutschen Handelsstatistik ent-

nommen sind:

Ausfuhr

aus Marokko in das deutsche Zollgebiet

Einfuhr

aus dem deutschen Zollgebiet nach Marokko

1899

4,99 Mill. ^

1,46 Mill. ^

1900

5,18 . -

1,15 . .

1.46 .

1901

3,58

1902

3,66 ,

1.38 . .

1903

4,44 ,

1.60 .

Die deutsche Einfuhr aus Marokko besteht haupt­sächlich aus getrockneten Mandeln, Leinsaat, Schaf­wolle, Schaf- und Ziegenfellen, Wachs; die Ausfuhr Deutschlands nach Marokko vornehmlich aus Tuch-

und Zeugwaren, Zucker, Waffen und Eisenwaren. Da indessen die deutschen Schiffe einen Teil der marokkanischen Erzeugnisse dem Hamburger Frei- Hafen zuführen, von wo er wieder nach anderen Ländern verschifft wird, und dieser Teil in den obigen Zahlen nicht berücksichtigt ist, so ist unser Interesse an Marokko erheblich höher zu veranschlagen. Der deutsche Schiffahrtsverkehr mit den marokkanischen Häfen der vornehmlich durch die oldenburgisch- portugiestsche Dampfschiffs-Reederei und durch die Sloman sche Mittelmeer > Linie vermittelt wird ist bedeutender als der Warenaustausch. Im Jahre 1902 liefen in den sieben marokkanischen Häfen: Tanger, Rabat, Larasch, Casablanca, Masagan, Mogador und Sasfi im ganzen 285 deutsche Schiffe an gegen 650 englische und 405 französische.

Württemberg.

Stuttgart, 5. April. Die Kammer der Abgeordneten hat heule nach viertägiger Dauer die Generaldebatte zum Etat erledigt, nachdem sie zuvor an Stelle des erkrankten Abgeordneten v. Geß den Abg. Kleemann in die Legitimationskommisston durch Akklamation gewählt hatte. Die Reihe der Redner eröffnete heute der Abg. Rembold-Aalen, der die Politik des Zentrums im Reichstag in Schutz nahm und der Behauptung entgegentrat, daß das Zentrum die Vormacht besitze und seinen Einfluß zum Schaden des Reichs geltend mache. Prälat von Sandberger trat wie Hr. Rembold der Schmutz­literatur entgegen und meinte, wenn die Kunst ge­deihen und auf das Volk veredelnd wirken soll, so müsse sie sich unter die Norm des Sittlichen stellen. Er begrüßte ferner die Gehaltsaufbesserung für Lehrer und Geistliche, forderte für den AusdruckZwangs- erziehungsgesctz" den NamenFürsorgeerziehunas- gesetz", weitere Besserung des Volksschulwesens, Auf­hebung des Abendunterrichts in den Fortbildungs­schulen und Uebergehen von der Betriebsmittelgemein­schaft zur Betriebsgemeinschaft, sowie eine weitergehende Unabhängigkeit der Einzelstaaten von den Reichs­finanzen. Der Minister der Auswärtigen Angelegen- heilen, Frhr. v. Soden, machte beachtenswerte Mit­teilungen über die Betriebsmittelgemeinschaft und andere Verkehrsfragen. Er betonte dabei, daß diese Gemeinschaft insofern den Hoffnungen und Erwart­ungen des Landtags entsprechen dürfte, als die Selbständigkeit des Landes dadurch nicht beeinträchtigt werde; andererseits werde eine bloße Betriebsmittel- gemeinschaft aber auch verschiedene, zur Zeit bestehende Mißstände nicht aus der Welt schaffen können, vor allem nicht die Württemberg in hohem Grade schä­digenden Umleitungen. Eine weitergehende Gemein- schüft, eine Betriebs- oder Finanzgemeinschaft, wäre ihm, dem Minister, daher lieber gewesen; da eine solche aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht zu erreichen sei. könne für jetzt lediglich der Abschluß einer Betriebsmittelgemeinschaft in Betracht kommen. Wenn letztere sich nicht bewähre, so werde die Macht der Verhältnisse von selbst zu einer Be­triebs- und Finanzgemeinschaft drängen. Der Mi- nister sprach sich auch noch über die Tarifreform aus und versicherte, daß dieselbe eine Verbilligung auf der Grundlage des 2 ^f-Tarifs bringen werde; ob mit oder ohne 4. Klaffe, sei zur Zeit noch eine offene Frage. Eine Bedingung nach dieser Richtung hin sei von Preußen bis jetzt nicht gestellt worden. Ein neues württembergisches Eisenbahnbaukreditgesetz wird, wie der Minister noch erwähnte, den Ständen schon in nächster Zeit unterbreitet werden; dasselbe soll die dringenden Eisenbahnwünsche erfüllen und die Ver- wirklichung anderer berechtigter Wünsche in nahe Aussicht stellen. Betz (BP.) sah in der Betriebs­mittelgemeinschaft das Fundament für die bald kom- mende Reichseisenbahngemeinschaft. Kultusminister v. Weizsäcker teilte mit, daß der Finanzminifter sich bereit erklärt habe, weitere 125 000 für die Lehrergehaltsaufbesferung zu bewilligen. Unsere Jugend