zur rechtzeitigen Markenverwendung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt entsprechen zu können. Selbst in den noch häufig bei den unständigen Arbeitern (Wäscherinnen u. s. w.) vorkommenden Fällen, in denen sich die Versicherten der Beitragsentrichtung gegenüber vollständig ablehnend verhalten, muß der Arbeitgeber, damit ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden kann, den Thatbestand der Ortspolizeibehörde Mitteilen, sich die Quittungskarte ausstellen lassen und die fälligen Marken einkleben. Und nun die Kehrseite.
Zum Ersatz von Schäden kann der Arbeitgeber, wie schon oben gesagt, nur verpflichtet werden, wenn die Verletzung des Rechts des andern „widerrechtlich" geschah. Die „Widerrechtlichkeit" auf Seiten des Arbeitgebers kann aber durch die selbst in aller Freundschaft gegebene Einwilligung des Versicherten in eine, zudem nichtige und für den Arbeitgeber strafbare, Uebereinkunft dahin, daß die Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes (z. B. bezüglich der Pflicht zur Markenklebung durch den Arbeitgeber) zum Nachteil der Versicherten ausgeschlossen sei, ein „konkurrierendes Verschulden des Verletzten" (nämlich des Versicherten) zur Folge haben. Nach 8 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wirkt nämlich bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten (hier des Arbeitnehmers) u. a. mit, wenn der Beschädigte cs unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Ein allgemeiner Grundsatz, inwieweit den Versicherten ein Verschulden überhaupt zur Last fallen kann, läßt sich nicht aufstellen; ein Maßstab aber für Beurteilung des Verschuldens seitens des Arbeitnehmers liegt vor. Ihn giebt das Jnvalidenversicherungsgesetz selbst, indem eS dem Versicherten zwar nicht die Pflicht, aber die Befugnis zur Beitragsentrichtung zuspricht. Der Versicherte hat ferner das Recht, falls der Arbeitgeber die Beitragsentrichtung verweigert, die Entscheidung des Oberamts anzurufen. Dieses hat dafür zu sorgen, daß zu wenig erhobene Beiträge durch nachträgliche Verwendung von Marken beigebracht, ja sogar gleich Gemeindeabgaben beigetrieben werden.
Gesetzesunkenntnis schützt nicht vor Strafe und Nachteil. Das gilt aber nicht blos für den Arbeitgeber, sondern auch für den Versicherten. Auch der Versicherte muß die Gesetze kennen: er muß wissen, daß für ihn Beiträge verwendet sein müssen; er hat, wenn er je den Arbeitgeber für dessen Unterlassung verantwortlich machen will, die Pflicht, seinerseits alles zur Wahrung seiner Rechte zu thun, wozu er gesetzlich befugt ist. Er muß sich also um die Beitragsleistung bekümmern, den Arbeitgeber zum mindesten deshalb befragen, ihn an sie erinnern und, falls er damit nichts erreicht, von den ihm gegebenen Rechten, entweder die Marken selbst zu kleben, oder sich an das Oberamt zu wenden, Gebrauch machen. Diese Befugnis des Versicherten wird zur Pflicht, wenn der Versicherte den Arbeitgeber für den entstehenden Schaden verantwortlich machen will.
gefragt. „Ein Frauenzimmer ist bei ihm." Er öffnet die Thür, nur über den Hof durch jene Pforte, dann sind Sie im Garten."
Mister Grant that, wie ihm gesagt worden. Er ging über den sauber gehaltenen Hof und klingle die Pforte auf. Vor ihm lag ein Garten mit schönen alten Bäumen. Ganz am Ende unter einer Kastanie, deren Zweige fast auf die Erde hinab reichten, saß ein junger Mann, neben ihm ein Frauenzimmer in Schwarz. Mister Grant that einige Schritte vorwärts und hielt sich so, daß er, selbst ungesehen, den Beiden näher kommen konnte.
Nun stand er still und betrachtete das Paar aus der Ferne, durch allerhand Gebüsch verdeckt. War das Hugo Kramer, den er zuletzt im Gefängnishof gesehen? Der wirre Bart war gestutzt und geordnet, statt des Kittels trug er einen guten Rock. Die Dame in Schwarz hatte ihren Schleier zurückgeschlagen und ihre Hände in die Hugos geschlungen. Freundlich redete sie auf ihn ein und streichelte ihm das Antlitz; über seine Wangen rannen Thronen.
Mister Grant konnte sich von dem Anblick nicht trennen. Warm strömte es ihm über den Rücken. Sein Herz wurde weich, und aus seinem Auge löste sich ein Tropfen wie glühendes Eisen. Mit zauberischer Gewalt drängte es ihn zu den Zweien, die in seligem Verein unter der Kastanie saßen, was um sie herging, vergessen zu haben schienen und den Mann nicht sahen, den tausend unsichtbare Fäden zu ihnen zogen. Aber nun bog er die Zweige hinter sich sorgsam auseinander, fuhr mit der Hand über die Augen und schlich sich aus dem Garten hinaus.
„Ich komme wieder." sagte er auf dem Hausflur zum Diener, ohne ihn anzusehen, und verließ schnell das Haus.
Schon dämmerte es, als er wieder erschien. Drinnen im Zimmer war
Eheleute, zu welchem sich diese in der Schreckensnacht geflüchtet hatten und dem auch die Axt entwendet worden war, mit der die Frau Brax niedergeschlagen worden war. Eine Hausdurchsuchung bei Kiefer lieferte das Schwein, das Schmalz und die Aepfel zu Tage.
Dill-Weißen st ein bei Pforzheim, 4. Jan. Ein rätselhafter Vorfall versetzt die Bürger der hiesigen Gemeinde in Aufregung. Der Metzgermeister und Adlcrwirt Burger wurde Donnerstag nacht im Hofe seiner Wirtschaft in bewußtlosem Zustande aufgefunden und starb nachmittags 3 Uhr, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben. Ueber das Vorkommnis kursieren verschiedene Gerüchte, doch ist noch nicht aufgeklärt, ob der Verstorbene selbst Hand an sich gelegt hat, oder sein Tod durch Einwirkung Anderer herbeigeführt wurde. Die Staatsanwaltschaft war gestern am Thatorte, um die Erhebungen einzuleiten.
T Pforzheim, 6. Jan. Im Bezirksorte Eutingen, wo es bekanntermaßen fast jedes Jahr einigemale brennt, und immer Brandstiftung vermutet wird, sind in vergangener Nacht wieder 4 Scheuern und 1 Wohnhaus ein Raub der Flammen geworden. Der Ort besteht nun zum größeren Teil aus Neubauten. Dieser letzte Brand brach gerade in einem Teil, der noch aus alten Gebäuden besteht, aus.
Heidelberg, 5. Jan. Die Handelskammer hat auf Ansuchen des bad. Ministeriums ein Gutachten über den geplanten Großschifffahrtsweg nach Mannheim über Heidelberg, Heilbronn nach Cannstatt abgegeben, worin es zum Schluffe heißt: „Nach den verschiedenen dargelegten Gründen spricht sich die Kammer zu Gunst en des Projekts aus, wünscht aber, daß es bezüglich der Fahrwassertiefe, der Länge der Schleusen und der Schiffstypen, überhaupt hinsichtlich aller in Betracht kommenden Anlagen, derart zur Ausführung gelange, daß die geplante Wasserstraße später einmal als Großschiffahrtsweg bis zur Donau und in Verbindung mit dieser erweitert werden könnte, sofern dies möglich ist. Bezüglich der Verteilung der Kosten ist die Kammer der Ansicht, daß Württemberg, dessen Handel und Industrie unter allen Umständen den weitüberwiegenden Vorteil von dem zu schaffenden Großschiffahrtswege haben würde, auch in weit höherem Maße als vorgesehen, zu diesen beitragen müßte.
Nürnberg, 5. Jan. Während der gestrigen Kindervorstellung im hiesigen Stadttheater entstand eine große Panik. Als die Feuerwehr vorüberfuhr, um einen kleinen Brand zu löschen, rief jemand aus der Gallerte: „Es brennt". Ein ungeheurer Tumult entstand im ganzen Hause und auch unter den aus Kindern bestehenden Darstellern. Erst nach geraumer Zeit gelang es die Ruhe wieder herzustellen, doch konnte die Vorstellung nicht fortgesetzt werden, weil die Hauptdarsteller die Flucht ergriffen hatten.
Lärm und Geschrei, allerlei Stimmen schwirrten durcheinander, es klang recht wüst. „Kramer sitzt im Garten und verzehrt sein Abendbrot," sagte der Hausdiener, „eine trockene Semmel und ein Glas Bier."
„Warum nicht in der Stube?" fragte Mister Grant. „Da ist doch lustige Gesellschaft!"
„Er will allein essen, hat er mir gesagt," antwortete der Hausdiener.
Nun war Mister Grant wieder im Garten und ging gradeswegs auf die Kastanie zu, unter welcher Hugo Kramer noch immer saß. Er war allein.
Hugo erkannte den Ankommenden aus der Ferne und eilte ihm entgegen. „Ich freue mich, daß ich Sie noch einmal sehe, Herr Grant," sprach er, und seine Stimme klang merkwürdig weich. „Von Herzen bin ich Ihnen dankbar, daß Sie mich durch Ihr Zeugnis freigemacht haben."
„Ich hatte Sie durch mein Geld in den Verdacht des Diebstahls gebracht," erwiderte Mister Grant und reichte ihm die Hand. „Da war es doch gewiß meine Pflicht, zu Ihren Gunsten Zeugnis abzulegen, denn ich trug ja die Schuld an Ihrer Verhaftung."
„Nicht Sie!" wehrte Hugo Kramer ab. „Ich allein. Und darum nochmals herzlichen Dank für Ihr Zeugnis. Aber es ist das letzte Mal gewesen, Herr Grant. Ich habe einen Strich gemacht. Ich will's versuchen zu thun, was Sie mir damals im Walde gesagt — ich will mich bemühen, ein anderer Mensch zu werden. Mir steckt es freilich im Blut, aber ich will mit mir kämpfen, ob ich den bösen Tropfen in meinem Blute nicht überwinden kann, ob meine Natur nicht noch die Kraft hat, das Gift aus dem Blute herauszustoßen."
(Fortsetzung folgt.)
Unterläßt der Versicherte diese Schritte, so hat er nach 8 254 des B. G.-B. es unterlassen, „den Schaden abzuwenden oder zu mindern", was in seiner Macht gestanden wäre. Sein „Verschulden" muß daher dem des Arbeitgebers gleichgeachtet werden.
Wir ersehen aus all dem, daß weder für den Arbeitgeber, noch für den Arbeitnehmer Gefahr und Besorgnis vor Schaden bestehen braucht, wenn jeder Teil seiner gesetzlichen Pflicht nachkommt.
Tagesneuigkeiten.
In Dettingen, OA. Tübingen, ist am 31. Dezember abends zwischen 7 und 8 Uhr ein scharfer Schuß durch das Fenster der erleuchteten Wohnung des Forstwarts abgefeuert worden, welcher über dem Kopf des am Tisch sitzenden Forstwarts zur Seite seiner neben ihm stehenden Frau in die Wand schlug und ein handgroßes Mauerstück Herabriß. Der Verdacht eines Racheaktes gegen den Forstwart, der verschiedene Personen wegen strafbarer Handlungen zur Anzeige bringen mußte, liegt nahe. Untersuchung ist eingeleitet.
Ulm, 3. Jan. Der seit Mittwoch vermißte Pfarrer Volz von Gögglingen, OA. Laupheim, ist gestern als Leiche aus der Donau gezogen worden. Volz, welcher seit 1894 in Gögglingen amtierte und ein Alter von 62 Jahren erreicht hat, war bereits seit längerer Zeit kopfleidend und hatte deshalb die Gewohnheit, bei Spaziergängen seinen Kopf in der Donau mit Wasser zu kühlen. Hiebei scheint er an Sylvester das Uebergewicht bekommen zu haben und in den z. Zt. angeschwollenen Fluß gestürzt zu sein. Der Leichnam wurde etwa 2 Meter von der Unglücksstätte aufgefunden.
Waldsee, 3. Jan. Am Samstag, 27. Dezember, wurde nachts gegen 11 Uhr im Haus des Söldners Joh. Georg Brax in Eberhardszell eingebrochen. Die Brax'schen Eheleute wachten an dem Geräusch auf, standen auf und gingen in die unteren Räumlichkeiten dem Stalle zu, von wo das Geräusch auszugehen schien. Als die Frau mit der Laterne in der Hand den Stall betreten wollte, wurde sie durch einen Axthieb zu Boden geschlagen, wobei das Licht erlosch; durch den Hieb auf den Kopf erlitt sie eine stark blutende, jedoch, wie sich nachher herausstellte, nicht gefährliche Stirnwunde. Sie konnte sich auch gleich wieder aufraffen und beide Eheleute flüchteten sich in das Nachbarhaus. Der Thäter stach sodann im Stall ein junges Schwein ab, weidete es aus und nahm das Fleisch, sowie weiterhin Schmolz, Butter und Aepfel mit fort; auch stach er ein Mostfaß an und that sich bei seiner langwierigen Arbeit gütlich. Stationskommandant Schwerdt von hier kam dem Thäter auf die Spur und entdeckte ihn in der Person des 29 Jahre alten, verheirateten, meist beschäftigungslosen Bierbrauers Moritz Kiefer, wohnhaft in Waldsee uud gebürtig von Eberhardszell; er ist der Sohn des Nachbarn der Brax'schen
Gehen Sie