Gemeindekollegien, die Beamten und Unter- beamren der Gemeinden handelt, fortgefahren. Der Regierungsentwurf hat sich in dieser Frage im wesentlichen an das seitherige Recht angelehnt, und die Kommission ist dem Entwurf, wenigstens in den grundsätzlichen Fragen, beigetreten; so hat sie der Verhängung von Haftstrafen gegen Gemeindediener oder, wie man künftig sagen will, gegen Unterbeamte der Gemeinden, zugestimmr, während in der gestrigen Plenarsitzung einem Antrag des Zentrums gemäß mit 72 gegen 5 Stimmen, welch letztere ausschließlich von der Ritterbavk abgegeben wurden, die Ab- schaffung der Haftstrafe für die Gemeinde­diener beschlossen worden ist. Dieser Umschwung läßt sich aus verschiedenen Momenten, die in der gestrigen Plenarberatung zu Tage traten, erklären: einmal aus dem Umstand, daß die hier in Betracht kommenden Gemeindeangeftellten die Abschaffung der Haftstrafe als eine Frage der persönlichen Ehre betrachten und besonders nachdrücklicher Weise um dieselbe petitionierten; dann aber auch, weil die Haftstrafen für die Unterbeamten deS Reiches nie eingeführt waren und deren Abschaffung kürzlich in Preußen beschlossen wurde, ferner weil im württ. Staats- und Gemeindedirnst von dem Disziplinär- mittel der Haftstrafe seither schon ein außerordentlich seltener Gebrauch gemacht wurde. Der Minister des Innern Dr. v. Pischek machte gegen die Ab­schaffung der Haftstrafe gegen Unterbeamte der Gemeinden zwar keine grundsätzlichen Einwendungen, er hob jedoch hervor, daß eine in schonender Weise vollzogene Haftstrafe in vielen Fällen als humaner zu bezeichnen wäre, und von den betroffenen Be- dunsteten und deren Familien auch weniger schwer empfunden würde, als eine hohe Geldstrafe oder gar Dienstentlassung An dem erwähnten Abstimmungs- refultat vermochte auch eine von dem inzwischen er- schienenen Ministerpräsidenten v. Breitling ab- gegebene Erklärung nichts zu ändern, daß die Regierung in der Haltung der Kammer in der vor­liegenden Frage kein Präjudiz erblicke und daß sie sich bezüglich der Abschaffung der Haftstrafe gegen staatliche Unterbeamte völlig freie Hand Vorbehalten müsse. Eine kurze, aber scharf zugespltzte Auseinander­setzung gab es sodann noch bei Art. 205, welcher die Zuständigkeit der verschiedenen Beamten bezw. Behörden zur Verhängung von Diszi­plinarstrafen regelt. Der volksparteiliche Abg. Lietching kritisierte hier in scharfen Ausfällen die im Entwurf und auch im Kommisfionsantrag vor- gesehene Verhängung von Geldstrafen durch Orts- Vorsteher und Oberamtmänner über Mitglieder der Gemeindekollegien wegen Ungebühr im amtlichen Verkehr; er beantragte die Streichung dieser Bestimm­ung, so daß also als einziges Disziplinarmittel gegen Kollegialmitglieder nur der Verweis bestehen geblieben wäre. Der Minister des Innern Dr. v. Pische bezeichnete diesen Antrag als unannehmbar. Ein großer Teil des Hauses, nämlich die gesamte Linke, zu der sich auch noch die Adgg. v. Geh und von Wöllwarth gesellten, war in dieser Hinsicht jedoch anderer Anschauung, und so wurde der Antrag Liesching nur mit recht knapper Mehrheit abgelehnt.

Stuttgart, 23. Dezbr. Der kommandierende General, General der Infanterie v. Hugo und Oberst v. Rampacher, der Kommandeur des Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm 120, werden sich zum 1. Januar nach Berlin begeben, um dem Kaiser die Glückwünsche zum Jahreswechsel dar­zubringen.

Die Landesversammlung der Volkspartei findet, wie bisher üblich, am 6. Januar kommenden Jahres in der Liederhalle in Stuttgart statt. Vor» träge werden gehalten über die Reichspolitik, die Landtagsverhandlungen, die neue Gemeindeordnung nach den seitherigen Beschlüssen der Abgeordneten­kammer und die jungdemokratische Bewegung.

Stuttgart, 22. Dezbr. Der Ratskeller hatte gestern ständischen Besuch: Die Fraktion der deut- schen Partei hatte sich bei einem Mahl um ihren Senior, Hrn. v. Geß versammelt, der heute bekannt- lich sein 76. Lebensjahr vollendet. Das Hoch auf Hr. v. Geß brachte der Abg. Bantleon als zweit­ältestes Mitglied der Fraktion aus. Auch die Volks- Partei hielt heute im Ratskeller ein Fraktionsessen ab, bei welchem auch Hr. v. Geß gefeiert wurde. Das Hoch auf ihn brachte hier der Abg. K Hauß- mann aus.

Stuttgart. In der kürzlich stattgehabten Jahresversammlung des Ausschusses der Versicher- ungsanstalt Württemberg berichtete Regierungsdirektor v. Maginot u. a. über den erfolgten Ankauf von Nachbargrundstücken des Krankenheims Wildbad, zu dem die letzte Ausschußsitzung dem Vorstand zum voraus die Zustimmung erteilt hatte. Es sei nun

für 31000 das stadteinwärts angrenzende An- wesen nebst der folgenden Reihe angekauft worden. Das Gebäude soll zurückversetzt, im Erdgeschoß ein Reinigungsbad, im ersten Stock und im Dachstock eine Wohnung für den Verwalter eingebaut werden, was etwa 14000 ^ Kosten verursachen wird. Hand­schuhmacher Wasner-Stuttgart regt an, eine Kegel­bahn einzubauen, damit die Leute nicht zu viel ins Wirtshaus gehen. Medizinalrat Dr. Scheurlen spricht sich gegen eine Kegelbahn aus. Reg.-Dir. v. Maginot sagt die Vorlegung dieser Frage an das Vorstandskollegium zu.

Stuttgart, 22. Dez. Der Stuttgarter Bürger' ausschuß erklärte in der gestrigen Sitzung der bürger­lichen Kollegien seine Zustimmung zur Weilererhebung der Bier., Gas-, Hunde- und Grundstücksumsatzsteuer für die Gemeinde. Von der Erhebung einer Bau­platzsteuer möge vorläufig abgesehen werden.

Cannstatt, 23. Dez. Die bürgerlichen Kollegien beschlossen in ihrer gestrigen Sitzung die Erhebung der Fleischsteuer fallen zu lassen, sobald Stuttgart mit diesem Beispiel vorangeht. Die Sozial­demokraten werden bei der am 30. Dez. stattfindenden Bürgerausschußwahl mit einem reinen Zettel Vorgehen.

Bus StaSl» Bezirk uns Umgebung.

Weihnachten 1904.

Von Alwin Römer.

Was weht und duftet durch die Stadt Waldwürzig doch in diesen Tagen?

Du weiht es schon: Knecht Ruprecht hat Chrislbäumchen Haus bei Haus getragen!

Auch unsrer stand im Tannengrund,

Von Schnee bestockt und halb erfroren:

Nun tut er sel'gen Herzen kund,

Daß der Messias neu geboren!

AuS seinem Grün flammt Licht um Licht,

Die Weihe dieser Nacht zu preisen:

Und funkelnd aus der Krone bricht Der Wunderglanz des Sterns der Weisen.

Der hält die Seelen still gebannt,

Und führt sie fort aus Engelswegen Gen Bethlehem ins Morgenland,

Wo in der Krippe Ehrist gelegen.

Der Heiland, der die Welt besreit Einst aus der Sünde Sklavenketten,

Um aus der Finsternis der Zeit Zum ew'gen Lichte uns zu retten!

So tröstlich dringt sein Wort ins Herz,

Der Gnade Bronnen läht er rauschen:

Er schmilzt der Sehnsucht hartes Herz,

Und läßt uns fernen Chören lauschen!

O heil'ge Nacht, wie weckst Du sacht Aus der Erinn'rung dunklen Tiefen Die Wonnen, die uns einst gelacht.

Eh' uns der Unrast Stimmen riefen;

Eh' uns des Lebens wirrer Zwist Aus jenem Paradies vertrieben:

Du holder Traum vom heil'gen Christ,

Wo ist Dein gold'ner Glanz geblieben? . . .

Getrost! . . . Wenn an dem schlanken Baum Zur Dämmerzeit die Lichter flimmern.

Siehst Du der eig'nen Kindheit Traum In Deiner Kinder Augen schimmern

Die ferne Jugend grüßt Dich still In ihrem Stammeln und Entzücken:

Wenn sich Dein Herz nur öffnen will,

Muß das Dich tiefer noch beglücken! . . .

Weihnachten.

Vergeßt das beste nicht! Das ist eine Mahnung, die zu Weihnachten besonders nötig ist; denn den meisten Menschen ist Weihnachten ja ein Fest geworden, bei dem religiöse Klarheit und Weihe sehr in den Hintergrund getreten ist. Auch wer heute nicht mehr glaubt, feiert doch sein Weihnachten mit strahlendem Baum und vollem Gabentisch.

Vergeßt das beste nicht in all dem Weih­nachtsjubel! Die grüne Tanne mit den glänzenden Lichtern und all der Gold- und Silberpracht ihrer Zweige, die fröhlichen Kinder und die jubelnden Weihnachtsmelodien machen Weihnachten nicht aus. Nur der feiert Weihnachten recht, wer in all diesen Dingen nicht die Hauptsache sieht, sondern sich von ihnen als Sinnbilder des Festes weiterführen läßt in dessen tiefes Wesen und köstlichen Inhalt: Ewige Treue, ewiges Licht und ewige Freude.

Vergeht das beste nicht! Wir wolle» nicht am äußern Tand und Flitter hängen bleiben, auch den Segen der Weihnacht nicht nach der Stärke der Gefühle messen, die sie in uns erregt. Sehen wollen wir auf das Kind von Bethlehem, es im Glauben anschauen und die Liebe des himmlischen Vaters Preisen. In ihm beschert er uns unser» Heiland. Dies Kind, zum Mann erstarkt, hat auf Golgatha sein Leben für uns dahingegeben und uns Frieden verschafft.

Vergeht das beste nicht! Wir wollen es aus der Weihnachtsstube mit hinaus in die All­

täglichkeit unseres Berufslebens nehmen. Die Tanne verdorrt, die Lichter erlöschen, die Weihnachtsmelodien verklingen Weihnachten mit seiner Festfeier rauscht bald vorüber, aber eins soll uns bleiben als das beste im Wechsel der Zeiten: Jesus, unsere Freude, unsere Kraft und unser Trost, unser Heiland, unser Herr und unser Gott.

* Neuenbürg, 23. Dezbr. Weihnachten und Neujahr rücken immer näher heran, zwei Zeit- abschnitte, die an das Geben mehr erinnern, als viele andere. Vergessen wir bei dieser Gelegenheit nicht unsere Landpostboten und Briefträger, die bei jeder Witterung ihrem Dienst nachgehen müssen. Sie bringen uns das ganze Jahr, was wir mit Spann­ung erwarten, und sind deshalb überall gern gesehene Personen. Aber mit diesem Wohlwollen ist ihnen nicht allein gedient; es ist nicht unbescheiden, wenn sie zu Weihnachten oder Neujahr eine klingende An­erkennung ihrer treuen Dienste erhalten.

Feldrennach, 22. Dez. Die heute im Nach­wahlverfahren zustande gekommene Bürgeraus­schußwahl, zu der von 214 nur 91 Wähler ab- stimmte», hatte das Ergebnis, daß für die nächste 4 Jahre in den Bürgerausschuß gewählt wurden: Philipp Broddeck, Bauer, Christian Ochs, Bauer, beide von hier und Sonnenwirt Ber weck von Pfinzweiler.

Calw, 19. Dez. Auf Einladung des Stadt- schultheißen Conz waren heute wieder die Orts­vorsteher und am Fremdenverkehr beteiligte Private aus den Gemeinden Calw, Hirsau, Liebenzell, Neu- bulach, Teinach, Unterreichenbach und Zavelstein hier versammelt, um. ermuntert durch ihren im Sommer 1904 erreichten Erfolg, über ihre gemeinsamen Wünsche für den Sommerfahrplan 1905 zu beraten. Besonders lebhaft wurde wieder die Einführung eines Motor- Wagens auf der Strecke Pforzheim-Teinach gewünscht. Es wurde wieder eine gemeinsame Eingabe an dir Generaldirektion beschlossen. Wie man dieser Behörde für die im Sommer 1904 gewährten Verbesserungen im ganzen Tal dankbar war, so würde sie auch jetzt wieder durch wohlwollende Berücksichtigung der aus einer lange vernachlässigten Gegend kommenden Wünsche sich aller Dank erwerben. Die Fahrplan- besprechungen wurden auch der Anlaß zu einem Zu- sammengehen bei sonstigen Unternehmungen zur Hebung des Fremdenverkehrs. Die vertretenen Ge- meinden ließen erklären, daß sie bereit feie«, das Plakatwesen, die Ankündigungen in den Zeitungen, die Herausgabe eines neuen Führers durchs Nagold- tal, eines Kur- und Fremdenblatts, gemeinsam zu betreiben Auch wurde die Veranstaltung einer Aus- stelluug landschaftlicher Bilder aus Nagoldtal und Umgebung im Stuttgarter Landesgewerbemuseum ins Auge gefaßt. Der Hauptversammlung war eine Be- ratung des Ausschusses des Fremdenverkehrsvereins in Calw vorausgegangen, in der Stadtschultheiß Conz zunächst über den Erfolg des Sommers 1904 berichtete. Nach bescheidener Zählung waren in Calw 924 Kurgäste, davon 38 von außerhalb Deutschlands. Der Vorsitzende brachte die Gründung eines Kur- Hauses in Anregung. Als Platz für dasselbe be­zeichnete er den auf ebener Höhe gelegenen und von prächtigsten Wäldern umgebene» Calwer Hof, wo auch die Vorbedingungen für die gleichzeitige Ein- richtung einer Milchkuranstalt gegeben wären. Von anderer Seite wurde ein mehr in der Nähe der Stadt gelegener Platz, etwa beim Wurstbrunnenreservoir vorgeschlagen.

Deckenpfronn, 19. Dez. Das Elektrizitätswerk Nagold, Inhaber C. Klinglers Erben, sucht für seinen über zweihundert Pferdekräfte betragenden unausgenützten Kraftvorrat Abnehmer an den drei Gemeinden Deckenpfronn, Gültlingen und Sulz. Zu diesem Zwecke hielt einer ihrer Teilhaber, Herr Wohlbold, gestern nachmittag in der .Krone' vor einer überaus zahlreichen Zuhörerschaft von hier, Gültlingen und Oberjesingen einen Vortrag, worin er die Änschaffungs- und Betriebskosten der Motor- und Beleuchtungsanlagen im einzelnen und ganzen darlegte und sehr warmen Beifall fand. In dieser Woche wird der Vortragende auch in Sulz und später in Gültlingen sprechen. Die Stimmung unter den Landwirten hier, in Sulz. Gültlingen und auch in Oberjesingen ist eine für die Verwirklichung des Projekts sehr günstige.

** Pforzheim, 23. Dez. Der Stadtrat beschloß, das städtische Gaswerk mit einem Kostenaufwand von 1630000 ^ zu erweitern, um die Produktion des Werkes, dessen Leistungsfähigkeit bereits an seiner Grenze angelangt ist, erheblich steigern zu können.

** Pforzheim, 23. Dez. Hier hat sich eine Schutzvereiniguug von Bijouteriesabrikauten zur besseren Wahrung der Urheberrechte an den Muster«