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Der Lnztäler.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

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Fernsprecher Nr. 4.

Telegramm-Adreffe: Lnzräler, Neuenbürg".

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Neuenbürg, Samstag den 24. Dezember 1904.

62. Jahrgang.

RunSschau.

In Berlin sind am Mittwoch die im November zu Wien gescheiterten deutsch - öslerreich. Handels­vertrags-Verhandlungen wieder ausgenommen worden. Es steht zu hoffen, daß sie diesmal zu einem erfolgreichen Abschluß gelangen werden.

Die Verhandlungen betreffs des neuen Handels­vertrages zwischen Deutschland und Oesterreich- Ungarn sind jetzt tatsächlich eröffnet worden. Die österreichisch-ungarischen Fachreferenten sind in Berlin angekommen. Es sind die Herren Sektionschefs Graf von Auersperg, Dr. Ritter v. Rößler, Dr. Frhr. v. Beck und Hofrat v. Mihalovich. Was die In­kraftsetzung des neuen Zolltarifs betrifft, so liegt es in der Absicht des Reichskanzlers, der kaufmännischen Welt etwa ein Jahr Zeit zu lassen, sich auf die neuen Verhältnisse eiuzurichten. Wie verlautet, wird der neue Tarif vor dem 1. Januar 1906 nicht in Kraft gesetzt werden. Die Staaten sind mit diesem Plane einverstanden, sodaß die nähere Vereinbarung über den Termin der Inkraftsetzung der neuen Han­delsverträge keine weiteren Schwierigkeiten haben dürfte.

Einen neuen Erfolg der deutschen Waffen in dem Jnsurrektionskriege in Deutsch- Südwestafrika meldet General v. Trotha wie folgt: Lengerke brach am 12. ds. Mts. mit der 8. Kompagnie und der 8. Batterie von Keetmanshoop nach Koes auf. Die 3. Ersatzkompagnie und ein Zug Gebirgsbatterie wurde zur Sicherung von Keetmanshoop und Ber- saba zurückgelassen. Am 15. d. M. schlug Lengerke die Beldschoeddrager bei Koes, die nach allen Richt­ungen entflohen. Vom Feinde wurden 22 Tote ge­funden. 300 Stück Großvieh und die entsprechende Anzahl Kleinvieh wurde erbeutet. Gegen den bis­herigen Gouverneur von Deutsch - Südwestafrika, Obersten Leutwein, soll eine Untersuchung einge­leitet werden, weil behauptet wird, er habe öffentlich dem gefallenen Leutnant Jobst die Schuld an dem Ausbruche der Feindseligkeiten mit den Hereros bei­gemessen.

Leipzig, 23. Dez. Ueber den projektierten Zentralbahnhof in hiesiger Stadt, der bekanntlich alle bisher bestehenden Bahnhöfe an Größe übertreffen wird, und mit dessen Anlage in ihren äußeren Teilen bereits im Jahre 1901 begonnen worden ist, teilt dieSächs. Zentralkorresp." aus Grund der Dar­legungen des königlichen Baurats Toller-Leipzig folgendes mit: Der neue Zentralbahnhof soll alle Züge in einer gewaltigen Kopfstation vereinigen. Auf 26 Gleisen werden alle thüringischen, preußischen und sächsischen Linien einmünden, sodaß selbst der Durchgangsverkehr nach Hof usw. rasch mittels Ein- und Ausfahrt möglich wird. Je 13 Gleise der sächsischen und Preußischen Hälfte werden getrennt gehalten, dennoch wird das rollende Material von allen Gleisen nach allen geleitet werden können. Die Riesenfassade wird 300 Meter Breite haben. Die Tiefe entlang den Bahnsteigen soll 320 Meter be­tragen, sieben mächtige Hallen (5 mit 45, 2 mit 42 Meter Spannweite) werden sich darüber wölben. Die Bahnsteigebene wird 4 Meter über die Straßen - höhe erhoben. Dieser Personenbahnhof wird ein Areal von 96 000 Quadratmetern einnehmen, doppelt so viel als der Leipziger Augustusplatz. In diesem Hauptgebäude werden Betriebsräume, Post- und Polizeibureaus, Bäder und unterirdische Gepäckab­lieferung untergebracht. Große Schwierigkeiten wird das allmähliche Einziehen und Verlegen der Linien, welche jetzt im Magdeburger, Berliner, Thüringer und Dresdener Bahnhof münden, verursachen. Die gesamte Anlage soll 1914 im Betriebe sein. Die Kosten beziffern sich auf 130 Millionen Mark. 17 Millionen trägt die Stadt Leipzig, mehrere Millionen auch die Reichspost.

Die Reichsarzneitaxe wird erst am 1. Januar 1906 in Kraft treten. Dies wurde, wie diePhar­mazeutische Zeitung" mitteilt, bei einer mit Einführung

der neuen Arzneitaxe begründeten Kündigung eines j Lieferungsvertrages, den ein Apothekenbefitzer mit einer Fabrik eingegangen war, im Auftrag des Ministers bekannt gegeben, und hinzugefügt, daß mit deren Einführung eine Verminderung der Arznei­mittel nicht beabsichtigt sei. Nach den .Verl. N. N." ist in dem Entwurf eine Nachttaxgebühr vorgesehen.

Dresden, 23. Dez. Der Schritt der Gräfin Montignoso wird hier natürlich überall erörtert. Allgemein fühlt man tiefes Bedauern mit der unglücklichen Frau, auch dort, wo man ihr die Schuld, die sie auf sich lud, voll anrechnet. Im königlichen Schlosse ist ihr Versuch, Einlaß zu gewinnen, fast unbemerkt geblieben, doch wurde sie schon seit gestern von der Polizei erwartet, da man hierher von ihrem bisherigen Aufenthaltsort die plötzliche Abreise der Gräfin gemeldet hatte. Die Gräfin wurde vom Polizeipräsidenten Köttig und dem königlichen Käm­merer Griegern veranlaßt, mit dem Zuge 2.36 Uhr nach Leipzig zurückzufahren und zwar in Be­gleitung ihres Rechtsanwalts Dr. Zehme. Sie hat weder den König, der auf der Jagd abwesend war, gesprochen, noch ihre Kinder gesehen. Vor dem Hotel Bellevue, wo die Gräfin sich einige Stunden aufhielt, fanden Menschenansammlungen statt, die sie mit Aeußerungen der Sympathie begrüßten. Die Polizei hatte einige Mühe, namentlich die Frauen zurückzuhalten. Man fragt sich jetzt hier, ob die Gräfin nicht doch längst schwer gemütskrank ist. Sie hatte sich bei der Auseinandersetzung mit dem säch­sischen Hof verpflichtet, deutschen Boden nicht zu be­treten, und nur unter dieser Voraussetzung wird ihr vom sächsischen Hof eine Rente von 30000 ^ jährlich gewährt.

In Petersburg haben am Dienstag und die nächsten Tage über Private Ministerkonferenzen unter Vorsitz des Zaren stattgefunden. An denselben nahmen auch noch andere Persönlichkeiten teil, wie die Großfürsten Michael und Alexandrowitsch, Ober­prokurator Pobjedonoszew u. s. w. Wie verlautet, galten die Beratungen der allgemeinen inneren Lage Rußlands. Die fortwährenden revolutionären Zuck­ungen im Zarenreiche haben also doch an den maß­gebenden Petersburger Stellen die nötige Beachtung gefunden.

Der Präsident des Semstwos der Gouvernements, Tschetnigow, der zugleich Adelsmarschall ist, unter­breitete am 19. Dezember dem Kaiser telegraphisch ein Bittgesuch des Semstwos betreffend eine Reihe allgemeiner staatlicher Fragen. Der Kaiser setzte, wie der Regierungsbote meldet, auf das Tele­gramm folgenden Vermerk:Ich finde die Hand- lungsweise des Präsidenten verwegen und taktlos. Die Fragen der Staatsverwaltung sind nicht Sache des Semstwos, dessen Wirkungskreis und Rechte durch das Gesetz genau bestimmt sind." Da ist aber Herr Tschetnigow schön angekommen!

St. Petersburg, 22. Dez. Die Kundgebung des Zaren, die für den 19. ds. M. erwartet wurde, deren Veröffentlichung sich aber verzögerte, beginnt mit der Erklärung, der Zar sei unerschütterlich ent­schlossen, seine volle Macht seinem Sohne un­erschütterlich zu hinterlassen. Er müsse die Quelle aller Gesetze bleiben. Der Krieg habe Schäden innerhalb der Verwaltung aufgedeckt; er werde suchen, diese abzustellen. Weitere Stellen der Kundgebung beziehen sich auf die innere Verwaltung Rußlands, die so wird gesagt nur das Glück des Volkes im Auge habe. Der Zar hofft, außergewöhnliche Verwaltungsmaßnahmen würden unnötig sein. Man glaubt, daß das Ende der Laufbahn des liberalen Ministers Fürsten Swiatopolk-Mirsky und die Rück­kehr des ebenfalls liberalen Ministers Wittes in ein Regierungsamt bevorsteht.

Petersburg, 22. Dez. DemRush" zufolge wurde am 20. ds. Mts. ein Gesuch von 3000 aU- katholischen Familien aus Böhmen um Aufnahme in ie orthodoxe Kirche bewilligt.

In Paris ist man noch immer unter dem Ein­drucke des gewaltsamen Todes des nationalistischen Abgeordneten Syveton. Obwohl es kaum mehr einem Zweifel unterliegen kann, daß Syveton Selbst­mord begangen hat, verbreiten seine politischen Freunde doch das Märchen, die Regierung habe ihn ermorden lassen. In der Tat reichte am Mittwoch der Pariser Rechtsanwalt Menard bei Gericht wegen Ermordung des Deputierten Gabriel Syveton Strafantrag wider Unbekannt" namens des Vaters Syvetons ein.

Die Polizei in Paris hat einen Arzt und einen Versicherungs-Agenten verhaftet, die durch schwinde!- hafte Versicherungen mehrere Gesellschaften um 5 bis 6 Millionen Franks betrogen haben.

London, 22. Dez. Der dichte schwarze Nebel, der London schon 3 Tage in Dunkelheit hüllt, dauert fort. Der Straßenverkehr ist erschwert. Die Züge treffen mit großen Verspätungen ein. Die Dampf­schiffe nach Calais und Ostende, die um l l Uhr von Dover abgehen sollten, fuhren erst um 2 Uhr morgens ab. Wegen der Zugoerspälungen wird der Dampf­schiffverkehr auch heute verzögert.

Berlin, 23. Dez. In dem Prozeß wegen der Ermordung der kleinen Lucie Berlin wurde heute abend das Urteil gesprochen. Das Schwurgericht verurteilte den Angeklagten Berger wegen Totschlags und Sittlichkeitsverbrechen zu 15 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polzeiaufstcht.

Heidelberg, 22. Dez. Eine Anzahl hiesiger Uhren- und Goldwarenhändler sind das Opfer eines Schwindlers geworden. Derselbe stellte sich in den betreffenden Geschäften alsArchitekt Schmitt" vor und brachte es durch seine Überredungskunst fertig. Bijouterien und Uhren von erheblichem Werte auf Kredit zu erhalten, worauf er aus Nimmerwieder­sehen verschwand. Hoffentlich gelingt es den Be­mühungen der Polizei, des Gauners habhaft zu werden.

Die Uhrenfabrik Billingen A.-G. erreichte im abgelaufenen Geschäftsjahre einen Umsatz von 1 161 372 gegen das Vorjahr 65000 ^ mehr. Der Reingewinn beträgt 22110,08 ^ Zur Ver­teilung kommt eine Dividende von 3 Prozent.

Der rnssischojapanische Krieg.

DerMatin" meldet von Petersburg: Es bestätigt sich, daß ein Mobilmachungs-Befehl für 300000 Mann erlassen wird. Der größte Teil dieser Mannschaften bleibt jedoch in Rußland.

DerDaily Telegraph" berichtet aus Schang­hai vom 21. Dezember: Die Reise des japanischen Gesandten in Peking nach Tokio wird als Anzeichen dafür betrachtet, daß neue Vereinbarungen getroffen worden sind, um die Interessen Japans und Chinas enger zu knüpfen. Die Japaner befestigen Dalny gegen Angriffe von der Seeseite her.

Die japanische Regierung hat bei den schweizerischen Chokolade-Fabriken bedeutende Bestell­ungen auf Milch-Chokolade mit schleunigster Liefer­frist gemacht. Mehrere Fabriken haben die Aufträge abgelehnt mit der Begründung, schon seit längerer Zeit mit gleichen Bestellungen für Rußland über­häuft zu sein.

Württemberg.

Stuttgart, 22. Dez. Die Abgeordneten­kammer ist am heutigen Donnerstag in die Weih­nachtsferien gegangen. Wegen der bekannten Geschäftslage des Hauses werden die Ferien Heuer von ausnahmsweise kurzer Dauer sein, denn schon am 3. Jan. wird die gestern abgebrochene Beratung der Gemeindeordnung fortgesetzt werden. Zunächst wurde in der gestrigen Sitzung bei Bekanntgabe des Einlaufs dem Hause die Mitteilung gemacht, daß der neue Hauptfinanzetat nunmehr den Ständen zugegangen und in Druck gegeben worden sei. Daraus wurde in der Beratung der Gemeinde» ordnung bei Abschnitt IX, welcher von der Hand- habung der Disziplin gegen Mitglieder der