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Der Enztäler.
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
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Fernsprecher Nr. 4.
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Neuenbürg, Samstag den 17. Dezember 1904.
62. Jahrgang.
RimSscha».
Am Dienstag verhandelte der Reichstag über die Resolution des Abg. Dr. Becker-Hessen (natl) über Erhebungen zur obligatorischen Einführung einer Alters- und Invalidenversicherung der Hand- Werker. Die Abgg. Eyberger (Zentr.), Dr. Mugdan (fteis. Vp) u. a. sprachen sich gegen die Einführung der Zwangsversicherung der Handwerker aus. Bon großem Interesse waren die Ausführungen des Staatssekretärs Grafen v. Posadowsky über den allgemeinen Segen, den die sozialpolitische Gesetzgebung unserem Volke gebracht habe. Er warnte aber vor einer Ueberspammng der staatlichen Versicherung, obwohl er die Hülssbedürftigkeit des Mittelstandes anerkannte. Der Abg. Stadthsgen (Soz.) konnte nicht umhin, unsere sozialpolitische Gesetzgebung herabzusetzen, doch wurde der Antrag nach befürwortenden Erklärungen der Abgg. Patzig (natl.) und Fröhlich (d. Refp) angenommen. — Am Mittwoch stand die erste Beratung der Militärpenfionsvorkagen auf der Tagesordnung. Sie wurde eingeleitet durch eine Rede des Ministers v. Einem, der besonders die in der Presse angegriffenen Stellen des Entwurfes besprach und bei Notständen außerordentliche Entschädigungen in Aussicht stellte. Sehr warm -für eine Verbesserung der Vorlage, besonders bezüglich der Kriegsteilnehmer, sprach der Abg. Graf v. Oriola, der zu diesem Zweck die Einführung einer Wehrsteuer empfahl, während der Abg. Speck (Zentr.) vor allen Dingen eine gesicherte Deckung forderte. Auf verschiedene Bemängelungen betreffs des Offizierskorps entgegnete Minister v. Einem und wies geschickt und glücklich die Einwendungen Specks zurück, ebenso fertigte er den Abg. Gradnauer (Soz.) ab. Abg. v. Massow (kons.) sprach sich sehr wohlwollend über die Vor- lagen auS, aus denen die Kommission ohne Zweifel noch einige Mängel beseitigen werde. Am Donnerstag beendigte der Reichstag diese Debatte und verwies dann die Militärpenstsnsgesetze an eine Kommission, worauf er in die Weihnachtsfericn ging.
Der Kaiser erschien am Mittwoch abend in der Berliner Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen und wohnte daselbst einem Vortrage des Architekten Bodo Ebhardt über die Burgen der Hohenzollern >öei. Auch Herzog Ernst Günther von Schleswig- Holstein, der Erbprinz von Hohenzollern, sowie die Minister Studt und Hammerstein waren anwesend.
Andre Giron, der vor 2 Jahren mit der damaligen Kronprinzessin Luise von Sachsen, der jetzigen Gräfin Montignoso sich flüchtete, ist jetzt Angestellter in einem Kaufmannshause in Brüssel.
Mannheim, 13. Dez. Der Mrgerausschuß bewilligte 648000 als Restrate für den Kaufhaus-Umbau zu Zwecken des Rathauses und 527600 Mark für einen Reformschul. Neubau Ferner wurde beschlossen, der Pächterin des Elektrizitätswerkes, der Firma Brown Boveri u. Co., auf Ende 1905 zu ftmdigen. In der Sitzung teilte Oberbürgermeister Beck mlt, daß, wie ihm von maßgebender Seite versichert worden sei, unsere Stadt doch noch Aussicht habe, ein Dragonerregimcnt zu erhalten.
Weißenfels, 16. Dez. Bei dem Versuche, ein junges Mädchen, das seinem Leben in der Saale em Ende machen wollte, zu retten, ertrank der zur hiesigen Unteroffiziersschule abkommandierte Leutnant Simon vom Inf.-Regt. Nr. 118. Das Mädchen fand ebenfalls den Tod.
In Italien wird die Gefahr eines allgemeinen Eisenbahn st reikes immer größer. Die Regierung steht im Begriff, einen Gesetzentwurf einzubringen, der den Streik der im Staatsbetrieb und in den Verkehrsgesellschaften angestellten Arbeiter vom allgemeinen Streikrecht ausnimmt und unter besondere Bedingungen stellt. Da dieses Gesetz nach seiner > Annahme jede» Streik unmöglich machen würde, so wollen die Eisenbahner schon bei seinem Einbringen die Arbeit niederlegen. Die Regierung, ermutigt
durch das Fiasko des Generalstreiks vom September, läßt sich aber dadurch nicht eiuschüchtern, sondern es werden bereits die Vorkehrungen getroffen, um einerseits die der Heersspflicht unterstehenden Eisenbahnarbeiter sofort zu den Waffen rufen zu können, wie 1898 und 1902, so daß 37000 Angestellte dem Eisenbahndienst auf alle Fälle erhalten bleiben, andererseits für sofortigen Ersatz der Streikenden zu sorgen. Auch wenn das aber in vollem Umfange gelingen sollte, so würde ein solcher Streik und seine Begleiterscheinungen eine unabsehbare Reihe von Konflikten herbeiführen, und noch dazu in der Reisezeit.
In England greift die Erkenntnis von der Mangelhaftigkeit des englischen Heeres immer weiter um sich. So spricht sich die bekannte Wochenschrift „Spittator" in einem bemerkenswerten Artikel ziemlich abfällig über Japans Leistungsfähigkeit aus und schreibt dann: „Rußland haben wir uns doch schon zum Feinde gemacht, besser den Kampf mit ihm aufnehmen, so lange noch Japan neben uns kämpft, als warten, bis dieses niedergerungen, und Rußland von diesem Feinde befreit sich in Indien auf uns stürzt, wo es seit lange seine Vorbereitungen getroffen hat." England würde sich dann angesichts seiner schwersten Krisis seiner ganzen Geschichte finden. Frankreich könnte Rußland selbst beim besten Willen nicht im Stiche lassen, und man dürfte fast mit Sicherheit daraus rechnen, Deutschland als dritten im Bunde zu finden." Sind wir aber auch nur auf einen Krieg mit Rußland allein vorbereitet, ganz von Frankreich uud Deutschland zu schweigen?! und die Antwort lautet- „wir Lenken nicht daran; habe» wir doch nicht einmal eine Artillerie, die sich mit der auch halbveralteten Rußlands messen könnte! Wir besitzen die elendeste Artillerie der Welt. Die Nachlässigkeit unseres Kriegsamtes und die gefahrenvolle Politik unseres Bündnisses mit Japan sind geradezu verbrecherisch in ihrer Vereinigung!
Die Ermordung deS russischen Ministers Plehwe hat nunmehr ihre Sühne gefunden. Am Dienstag sprach der Petersburger Gerichtshof das Urteil über die beiden Mörder Plehwes; von ihnen wurde Sassonow zu lebenslänglicher, Sikorski zu zwanzigjähriger Zwangsarbeit verurteilt. Etwas seltsam berührt es, daß die beiden Verbrecher nicht zum Tode verurteilt worden sind. Aber vielleicht will man die russischen Revolutionäre gerade durch die Verurteilung zur Zwangsarbeit in den sibirischen Bergwerken abschrecken. Und wahrscheinlich wirkt eine lebenslängliche Leidenszeit bei weitem abschreckender als der rasche Tod durch Henkershand.
Budapest, 16. Dsz. Gestern nachmittag fand Ministerrat und nachher vertrauliche Konferenz der liberalen Partei statt. In dieser erklärte Graf Tisza, da die Opposition jetzt die Konstituierung des Hauses verhindere, bleibe nunmehr nur noch die Auflösung des Hauses übrig.
Der rufsifch.japanische Krieg.
Petersburg, 16. Dez. Nach einer Meldung der Russischen Tel.-Agentur aus Mulden von gestern versehen, Gerüchten zufolge, die Japaner chinesische Truppen an der mandschurischen Grenze mit Geschützen. In der letzten Zeit wurden 65 Geschütze, an der Station Landschu 25 und die übrigen in der Nähe von Hsinmintin ausgeladen.
Tokio, 16. Dez. Auf Aufforderung der japanischen Regierung hat Korea nunmehr seine sämtlichen auswärtigen Gesandten cbzuberufen beschlossen.
Tschifu, 16. Dez. Sieben Russen in Zivil- kleidung, die aber, wie ihre Kleidung und Wortkargheit schließen lassen, Militärpersonen sind und offenbar Nachrichten überbriugen, kamen gestern aus Port Arthur in einem offenen Segelboot hier an und begaben sich sofort in daS russische Konsulat. Starker Wind hatte ihnen eine rasche Üeberfahrt ermöglicht.
Die baltische Flotte ist am Sonntag vor Angra Pequena eingetroffen und hat dort von
Kohlenschiffen Kohlen eingenommen. Das andere Geschwader unter Völkersahm ist am 14. von Dschibuti abgedampst.
Paris, 14. Dez. Der Petersburger französische Botschafter, der in Paris eingetroffen ist, Bompart, erklärt einem Redakteur des „Temps" bezüglich des ostastatischen Krieges, daß ganz Rußland mehr denn je entschlossen sei, alles aufzubieten, um ein entscheidendes uud vollständiges Resultat im Osten zu erzielen. Generalleutnant Kuropatkin, welcher zu Beginn des Krieges unzureichende Streitkräfte so wunderbar zu verwenden verstand, besitzt nunmehr ein Kriegsinstrument ersten Ranges. In finanzieller Hinsicht sei die Lage Rußlands ausgezeichnet.
Berlin, 15. Dez. Die „Nordd. Allg. Ztg." enthält folgende Mitteilung: Die Johanniter, die sich der Pflege der Verwundeten in der russischen Armee während des russisch-japanischen Krieges ge- widmet hatten, haben nach einem in Mukden aufgegebenen Telegramm: „Wir kehren alle heim. Hahn" ihre Tätigkeit auf dem Kriegsschauplatz eingestellt. Es war dies schon in einem Briefe von Mitte Oktober angedemet, in dem es hieß: „Endet der nun schon 12 Tage dauernde Kampf mit unserem Erfolge, so gehen wir mal wieder vor; endet er aber mit einem Erfolge der Japaner, so dürste wohl eine lange Pause im Kampf eintreten und dann entschließen wir uns, wenn sich das Gerücht von Winterquartieren bestätigt, während der Winterruhe nach Hause zu reisen."
Württemberg.
Stuttgart, 15. Dez. (Abgeordnetenkammmer.) Auch die heutigen Debatten drehten sich um die selbständigen Polizeibeamten, also um den „Polizeirat" oder den „Polizeiamtmann", und die Regierung hat dabei insofern einen bemerkenswerten Erfolg errungen, als ihr das im Entwurf geforderte, aber in der Kommission gestrichene Betätigungsrecht nach »ständiger Debatte zugestanden worden ist. Es wurde auch im Laufe der gestrigen Debatte wieder eine ganze Reihe von Anträgen gestellt, die aber alle, mit Ausnahme desjenigen auf Wiederherstellung des Bestätigungsrechts, abgelehnt wurden. Zunächst hatte der Abgeordnete und Mitberichterstatter Kloß zwei Anträge eingebracht, durch welche der Ortsvorsteher ermächtigt werden sollte, in besonderen Fällen Persönlich einzugreifen und die Befugnisse, die in normalen Zeitläufen dem Polizeivorstand übertragen sind, selbst auszuüben. Ein weiterer Antrag Kloß wandte sich gegen die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit einer lebenslänglichen Anstellung dieser Polizeibeamten. Ein Antrag des Vizepräsidenten v. Kiene ging dahin, die Regierungsvorlage wieder herzustellen, also das im Rcgierungsentwurf vorgesehene Bestäti- gungsrecht der Kreisregierung, das von der Kommission gestrichen worden war, wieder hereinzunehmen. Dieser Antrag gelangte in namentlicher Abstimmung mit unerwartet großer Mehrheit, nämlich mit 47 gegen 25 Stimmen zur Annahme und damit entfiel auch die Abstimmung über einen weiteren Eoentualantrag v. Kienes, der das Bestätigungsrecht wenigstens für die großen Städte eingeführt wissen wollte. Die Frage des Bestätigungtzrechts gab auch Anlaß zu einer bemerkenswerten „Sozialistendebatte", indem der Antragsteller v. Kiene an der Hand der jüngsten Bürgerausschußvahlen in Stuttgart darauf hinwies, daß die Sozialdemokraten, wenigstens in Stuttgart, über kurz oder lang die Herrschaft auf dem Rathaus an sich reißen könnten und somit in der Lage wären, die Polizeibeamten aus ihren Reihen zu wählen, womit die „Todfeinde der bürgerlichen Gesellschaft" zu Hütern der heutigen Rechtsordnung bestellt würden. Der Abg. Kloß suchte unter Hinweis auf das Proportionalwahlsystem, das die Sozialdemokraten von jeher gefordert hätten und heute noch fordern, den Nachweis zu führen, daß die Sozialdemokratie die anderen Parteien nicht gänzlich aus den Gemeinde-