Vertretungen verdrängen oder gar terrorisieren wolle. Uebrigens sei das Zentrum bei den Wahlen in Schramberg und Ravensburg und auch bei den Bürgerausschußwahlen in Gmünd selbst mit einem reinen Parteizettel vorgegangen, es habe also kein Recht, den Stuttgarter Sozialdemokraten daraus einen Vorwurf zu machen. Darauf erwiderte v. Kiene, daß in Gmünd und Schramberg das Zentrum erst dann mit einem selbständigen Wahlvorfchlag auf den Plan getreten sei, nachdem von gegnerischer Seite ein Kandidat bereits nominiert oder, wie in Gmünd, die vom Zentrum vorgeschlagenen Kandidaten nicht akzeptiert worden waren. Einem wiederholter Versuch des Abg. Rembold-Aalen, sich gleichfalls über die Gmünder und Ravensburger Wahlen zu äußern, schnitt Präsident Payer ab mit dem Hinweis, daß sich bei der Etatsdebatte dazu hinreichend Gelegenheit bieten werde. Bei der Abstimmung über den Art. 186 wurde übrigens noch der Vorbehalt gemacht, daß die Anstellungsverhältnisse der selbständigen Polizei- beamten, insbesondere auch die Ansteüuvgsdauer, worüber noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestanden, im Zusammenhang mit Art. 194 ihre Regelung finden sollen.
Stuttgart, 16. Dez. Die Abgeordnetenkammer führte heute ohne erhebliche Erörterungen die Beratung der noch unerledigten Bestimmungen über die Verwaltung der Ortspolizei zu Ende und ging sodann zu Abschnitt 8 des Entwurfs über, welcher die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der bürgerlichen Kollegien, sowie der Beamten und Unterbeamten der Gemeinden regelt. Dieser Abschnitt wird voraussichtlich eine mehrtägige Debatte veranlassen, da sich hierüber auch in der Kommission weitgehende Meinungsverschiedenheiten gezeigt haben. I» der gestrigen Sitzung wurde zunächst die ziemlich verwickelte Frage, ob und in wie weit den Gemeinde- beämten Nebenbeschäftigungen gestattet sein sollen, entschieden, und zwar im wesentlichen im Anschluß an die Anträge der Kommission. Mit den allgemeinen Richtlinien des Entwurfs und der Kommissionsauträge. wonach Gemeindebeamte, die einen festen Gehalt beziehen, nur insoweit ein Nebengeschäft sollen übernehmen dürfen, als dadurch dem amtlichen Beruf kein Abbruch geschieht, war alles ein- verstanden; ebenso mit einer von der Kommission vorgenommenen Einschaltung, daß jedem Gemeindebeamten durch Dienstvertrag die Annahme einer entgeltlichen Nebenbeschäftigung oder die Er- Öffnung eines Gewerbebetriebs soll ganz untersagt oder in jedem einzelnen Fall von der Zustimmung des Gemeinderats abhängig gemacht werden können. Dagegen gingen die Ansichten über die Ausübung von gewerblichen Betrieben, wie Gastwirtschaften, Warengeschäften u. s. w., noch ziemlich weit auseinander. Während der Entwurf den Ortsvorstehern, Anwälten und Gemeindepflegern nur den Betrieb eines Wirtschaftsgewerbes untersagen wollte, beantragte die Kommission, daß unter das Verbot auch der Betrieb eines gemischten Warengeschäftes fallen soll, wenigstens für Ortsvorsteher und Anwälte, während den Gemeindepflegern der Betrieb eines Warengeschäfts gestattet sein soll. In der gestrigen Sitzung nun wurde auf Antrag der Abgg. Reihling und Schön der Kommissionsbeschluß noch dahin er- weitert, daß den Gemeindepflegern auch der Handel mit Flaschenbier verboten wird, wogegen ein weiterer Antrag der beiden genannten Abgeordneten, den Gemeindepflegern den Betrieb eines Warengeschäfts überhaupt zu verbieten, abgelehnt wurde. Im übrigen wurden die Kommissionsanträge angenommen.
Stuttgart, 16. Dez. Wie der „Beob." hört, hat der Gemeinderat gestern in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, vom 1. April 1905 ab die Fleischsteuer nicht mehr zu erheben.
Heilbronn, 16. Dez. Der Gemeinderat be- schloß die Aufrechterhaltung der Fleischsteuer zunächst auf ein weiteres Jahr. Gegen die Forterhaltung stimmten die drei sozialdemokratischen, sowie zwei demokratische Kollegialmitglieder.
Stuttgart. 15. Dez. Die Ziehung der württ. Geldlotterie für den Ausbau des Graf v Zeppelin- scheu Luftfahrzeuges begann heute. Die kleineren Gewinne werden heute und morgen gezogen, während die größeren Gewinne am Samstag zur Ziehung gelangen. Die Lose waren bereits seit 8 Tagen fast überall ausverkauft.
Langenburg, 16. Dez Seine Majestät der König hat zur Restaurierung der hiesigen Stadtkirche eine Geldlotterie genehmigt, deren Generalbetrieb der Firma Eberhard Fetzer, Stuttgart, übertragen worden ist. Es gelangen 100000 Lose ä 1 <//L zur Ausgabe, wovon für Gewinne 41000 vorgesehen find. Die Ziehung findet am 4. Juli 1905
statt, und kommen die Lose von Mitte April ab zum Verkauf.
Cannstatt, 16. Dez In den letzten Tagen hat sich hartnäckig das Gerücht erhalten, daß der Verdacht gegen den Chauffeur Brüderlein nicht aufrecht erhallen werden könne, wenn es nicht gelinge, weitere Indizienbeweise gegen ihn beizubringen. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, ist dieses Gerücht unbegründet. Der Verdacht gegen Brüderlein wegen der Mordtat hat sich noch keineswegs vermindert und von einer Einstellung der Untersuchung gegen ihn kann vorläufig keine Rede sein, wenngleich es außerordentliche Schwierigkeiten bereitet, ihm die Tat nachzuweisen.
Cannstatt, 16. Dez. Heute mittag hat sich ein 18 Jahre altes Dienstmädchen aus Stuttgart über das Geländer der König Karlsbrücke in den Neckar gestürzt, konnte aber noch lebend, jedoch bewußtlos und schwer verletzt, in das Bezirkskrankenhaus übergesührt werden. Bei dem Mädchen befand sich dessen Dienstfrau, die in einen nicht geringen Schrecken versetzt wurde, als das Mädchen von ihr wegsprang und sich über das Brückengeländer stürzte.
Der 6. württ. HandlungSgehilfentag findet am 6. Januar (Erscheinungsfest) 1905 in Reutlingen statt. Zur Beratung stehen diesmal 1. das kaufmännische Fortbildungsschulwesen, 2. der 8 Uhr Ladenschluß und die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe.
Besigheim, 16. Dez. In Neckarwestheim wurde gestern der neue Schultheiß Beuttler, bisher Stadt- fchultheißenamts - Assistent in Lauffen a. N. in sein Amt ein geführt
Ulm, 14. Dez. Oberbürgermeister Wagner erhielt auf einer im vorigen Jahre in Paris unter dem Protektorat des französischen Unterrichtsminister stattgehabten internationalen Ausstellung für seine Broschüre über die Wohnungsfürsorge der Stadt Ulm die goldene Medaille und ein Diplom.
Ulm, 14. Dez. Ganz unerhört frech benahm sich gestern ein Stromer. Als er im Cafe Ludwig auf der Insel bettelte, aber nichts erhielt, warf er aus Grimm darüber eine der großen Spiegelscheiben des Cafes ein. Ec wurde verhaftet.
RiedIinge», 16. Dez. Einige junge Burschen hatten in einer Scheuer an der Bahnhofstraße mit einem 9-Millimeter-Flobertstutzen geschossen und das Gewehr geladen und gespannt in einem alten Kasten dort zurückgelassen. Als die beiden jungen Söhne des Besitzers abends mit Arbeiten in der Scheuer beschäftigt waren, wurde ihnen von 2 vor der Scheuer aufcäumenden Maurergesellen zugerufen, ob sie mittags in der Scheuer geschossen hätten, was sie der Wahrheit gemäß verneinten. Nun ging der jüngere der beiden Burschen mit 12 Jahren an den Schrank und fragte die Maurer, den Stutzen herausnehmend, ob vielleicht mit diesem Gewehr geschossen worden sei. Im gleichen Moment ging der darin sitzende Schuß los und traf den 23jährigen Maurergesellen Kuen, einen braven, ledigen Mann derart in den Kopf, daß das Gehirn herausdrang und der Tod fast augenblicklich eintrat. Auf die sofort erstattete Anzeige begab sich die Gerichtskommission an Ort und Stelle, um dem Tatbestand aufzunehmen.
Slus Stadt» Bezirk uns Umgebung.
Wildbad, 15. Dezbr. Auf Veranlassung des Vorsitzenden des Schwarzwaldvereins wurde am Sonntag in der Turnhalle eine große Zahl von Lichtbildern aus Wildbad und Umgebung von dem Hofphotographen Blumenthal vorgeführt. Diese Bilder, die sämtlich von künstlerischer Auffassung und Ausführung zeugten, werden nach Weihnachten auch in Neuenbürg, später alsdann noch in mehreren Städten vorgeführt werde».
Arnbach, 16. Dezbr. Ergebnis der Viehzählung am 1. Dez. ds. Js. in hiesiger Gemeinde: 6 Pferde, 199 Stück Rindvieh, 293 Schweine, 30 Ziegen, 1099 Hühner, 8 Enten. Schlachtungen: 129 Stück Schweine, 4 Ziegen.
Birkenfeld, 15. Dez. Die am 1. ds. Mts. vorgenommene Viehzählung ergab 41 Pferde, 459 Stück Rindvieh, 1 Schaf. 99 Ziegen, 333 Schweine, 21 Gänse, 76 Enten, 2098 Hühner.
Calw, 16. Dez. Bei der gestrigen Bürgerausschußwahl haben von 555 Wahlberechtigten 293, gleich 53°/o, abgestimmt. Ausgegeben waren wie jedes Jahr 2 Wahlvorschläge, einer vom Bürgerverein, der vom nationalen Volksverein (Deutsche Partei) unterstützt wurde, und einer von der Volks- Partei. Im ganzen waren 7 Mitglieder zu wählen. Von den Gewählten standen 2 Namen auf beiden Zetteln, auf sie entfiel deshalb die höchste Stimmen- zahl: Kaufmann Paul Georg« erhielt 275 und Uaschnermejster Heinr. Essig 261 Stimmen. Die
andern 5 Gewählten vereinigten 155—196 Stimmen auf sich ; es erhielten Präzeptor Bäuchle 196, Mühlebesitzer Nonnenmacher 175, Uhrmacher Stickel 175, Färbereibesitzer Wöiner 160 und Bäckermeister Seeger 155 Stimmen.
Nagold. Am Sonntag de» 4. Dez. hielt die freie Einkaufsgenossenschaft der Bauunter- nehmer des Bezirks Nagold ihre Generalversammlung ab. Die Genossenschaft besteht seit Jan. 1904 und wurde zwecks vorteilhaftem Einkauf der am häufigst gebrauchten Baumaterialien gegründet. Der Genossenschaft sind 10 Mitglieder beigetreten. Obschon nun von den Mitgliedern vor Gründung der Genossenschaft verschiedene Warenabschlüsse gemacht waren, welche natürlich eingehalten werden mußten, betrug der durch die Genossenschaft erzielte Umsatz noch 41000 Das Ergebnis des gemeinsamen genossenschaftlichen Einkaufs war für die Mitglieder ein Gewinn von über 1500 gewiß für den Anfang eine schöne Summe. Durch dieses Resultat ermutigt, hat die Generalversammlung beschlossen, den Einkauf auf sämtliche Baumaterialien auszudehnen und hofft so, da sich auch die Mitgliederzahl gleicher Zeit vergrößerte, im kommenden Jahr auf ein noch günstigeres Resultat, was hauptsächlich auch dann zu erringen wäre, wenn sämtliche Bauunternehmer und Baumaterialienhandlungen des Bezirks und Umgebung sich zu einer Einkaufsgenossenschaft vereinigen würden. Risiko übernimmt kein Mitglied für andere, da jeder für seine Verpflichtungen selbst verantwortlich ist. Aus obigem ist zu ersehen, daß Einigkeit noch immer stark macht und kollegialer Zusammenschluß nur Vorteil, während Konkurrenzneid nur Schaden bringt.
Neuenbürg, 17. Dez. Dem heutigen Schweine, markt zugeführte 30 Stück Milchschweine wurden zu 12—17 Pro Paar verkauft.
Vermisehres.
Die Warenhaus-Intelligenz oder die „billigen" Is, Pelzwaren im Warenhaus Hermann Tietz in Stuttgart. Die hervorragende, kürzlich auch von dem preußischen Handelsminifter Möller wieder einmal betonte Intelligenz der Warenhäusler zeigte sich kürzlich wieder in besonderer Weise im Warenhaus Tietz in Stuttgart. Das Warenhaus hatte In Pelzwaren, selbstverständlich zu Ausnahmepreisen, zum Teil ausdrücklich .zur Hälfte des reellen Wertes" ausgeschrieben. Eine aus «truud dieses Inserats verkaufte Nerz Stola kostete 145 und wurde von dem Personal des Warenhauses aus- drücklich versichert, eine solche Stola koste in den Pelzwarengeschäften und bei den Kürschnern das Doppelte, also 290 Durch Sachverständige wurde sodann konstatiert, daß eine solche Nerz-Stola bei den reellen Pelzwarengeschäften 110—120 koste, also um 25—35 ^ billiger als bei diesem Tietz'- scheu „Gelegenheitskauf" jederzeit zu haben fei. Weiter wurde uns ein bei Tietz gekaufter Skunks- Kragen, angeblich la Qualität, übergeben. Eine Prüfung desselben hat ergeben, daß derselbe nicht nur minderwertig ist, sondern es wurde auch festgestellt, daß dieser Kragen Sparen von Motten-Nestern enthielt und deshalb in absehbarer Zeit der Ver- nichtung preisgegeben ist Der Württ. Schutzverein für Handel und Gewerbe hat in der Tagespresse das Publikum entsprechend gewarnt und über dieses neue Beispiel hervorragender „ Warenhaus-Jntelligenz" der K. Staatsanwaltschaft Stuttgart Bericht erstattet.
Bekanntlich sind für die Wiesendüngung die Wintermonate die geeignetste Zeit, so lange nicht scharfer Frost, tiefer Schnee oder Ueberschwemm- ung diese unmöglich macht. Gelinder Frost dagegen verbietet das Ausstreuen eben so wenig wie eine schwache Schneedecke, da Thomasmehl nicht wasserlöslich ist, und deshalb eine Beeinträchtigung seiner Wirkung nicht zu befürchten steht. Je früher ge- streut, desto besser die Wirkung.
Nach langen vergeblichen Versuchen ist es endlich gelungen, dem Spiritus durch Zusatz eines Oeles die Fähigkeit zu geben, daß er ohne Anwendung eines Glühkörpers mit helleuchtender Flamme brennt. Früher trat bei allen Versuchen der Hebel- stand ein. daß sich harzige Stoffe infolge unvollkommener Verbrennung im Dochte absetzten, ihn verstopften und unbrauchbar machten. Das neue Verfahren ist für das deutsche Reich patentirt worden. Es eröffnet sich damit die erfreuliche Aussicht, daß die Verwertung des Spiritus für Leuchtzwecke, die bei den bisherigen Vergasungsverfahren noch wenig Anklang fand, in weiteren Kreisen erstrebt wird.
Berlin, 16. Dez. Eine blutige Familientragödie spielte sich vergangene Nacht in Rixdorf ab. Der 32 jährig« Tischler Schaumlöffel gab zwei Revolver-