dieser zu: .Schämt Ihr Euch nicht als Ungarn, diesen Dienst zu versehen?" Der Schriftführer Viktor Rakosi wollte zur Estrade hinaufgehen: die Parla­mentswache aber hinderte ihn daran. Mehrere oppo­sitionelle Abgeordnete eilten ihm zu Hilfe Die Parlaments-Estrade wurde vollständig zertrümmert und auf die Bänke der Abgeordneten geworfen, der Tisch des Hauses umgcstürzt, die Gesetzbücher, welche darauf lagen, in Stücke zerrissen, die Wache auS dem Saal getrieben, das Geländer der Estrade nieder- gerissen, die Ministerbank und Fauteuils zertrümmert und die Pulte abgerissen. Das Haus bot das Bild vandalischer Zerstörung Kein Abgeordneter der liberalen Partei ließ sich im Saale blicken. In dem Handgemenge wurden vier Mann der Parlaments- wache durch Holzstücke verletzt. Die für gestern an- beraumt gewesenen Sitzungen des Abgeordnetenhauses und des Oberhauses find auf heute verschoben worden.

Die Revision des amerikanischen Zoll- tarifes kommt allmählich doch in Sicht. Präsident Roosevelt erklärte, es sei endgiltig entschieden, daß im nächsten Frühjahr keine außerordentliche Tagung des Kongresses zur Revision des Zolltarifes statt­finden werde und daß die Frage einer außerordent­lichen Tagung im nächsten Herbst noch entschieden fei.

Nach Berichten aus Paris erscheint es nunmehr unzweifelhaft, daß der Abg. Syveton Selbstmord begangen hat. Der Advokat Pottel, der Sozius des Stiefschwiegersohnes Syvetons, stellte sich beim Untersuchungsrichter freiwillig als Zeuge und erklärte, es sei überflüssig nach der Todesursache weiter zu suchen. Syveton habe sich entleibt. Das sei für ihn das einzige Mittel gewesen, sich aus einer un- entwirrbaren Lage zu retten; es handle sich um ein furchtbares Familiengeheimnis.

Der ruMch.japamsche Krieg.

Die Beschießung der russischen Port Arthur- Flotte vom 203 Meter-Hügel aus hat auch in den letzten Tagen noch fortgedauert. Das einzige größere Schiff, das noch manövrierfähig zu sein scheint, ist das Panzerschiff Sewastopsl, das jetzt außerhalb des Hafens ankert und dort für die Geschütze auf dem 203 Meter-Hügel unerreichbar ist. Dagegen haben die Japaner versucht, dem Schiff mit Torpedobooten beizukommen, aber anscheinend ohne Erfolg. Auch die noch übrigen russischen Torpedobootszerstörer sollen jetzt außerhalb des Hafens liegen. Der Ein­nahme der Festung selbst sind die Japaner durch die Vernichtung der Port Arthur-Flotte nicht näher gerückt, da alle Hauptforts noch im Besitz der Russen sind.

Berlin, 12. Dez Aus Mukden meldet der .Lok. Anz ": Von Port Arthur werden in letzter Zeit günstigere Nachrichten hier bekannt. Darnach ist der Fortsgürtel noch völlig intakt. Die russische Port Arthur Flotte muß als verloren gelten, wenn sie nicht auslaufen kann, bevor die Japaner ihre schwere Artillerie auf den eroberten Höhen vollständig in Stellung gebracht haben. Es gilt als durchaus wahrscheinlich, daß eine eigentliche Kapitulation über­haupt nicht erfolgen wird, sondern daß die Forts- gruppen den Kampf selbständig weiterführen.

Tokio, 12. Dezbr. Eine offizielle Mitteilung der Belagerungsarmee vor Port Arthur sagt: Vier russische Linienschiffe, 2 Kreuzer, 1 Kanonenboot und 1 Minenschiff sind vollkommen kampfunfähig gemacht worden. Eine weitere Beschießung der Schiffe ist unnötig. Jetzt wird die Stadt beschossen und ihr schwerer Schaden zugefügt.

London, 12. Dez. DemDaily Telegraph" wird vom 10. aus Tientsin gemeldet: Die russische Armee bei Mukden ist jetzt 400000 Mann stark, darunter 40000 Mann Kavallerie. Die Japaner kaufen auf neutralem Gebiet Kamele auf. 2000 Japaner landeten auf Kintschou. Man glaubt, daß dies darauf hiudeutet, daß die Japaner eine fliegende Kolonne gegen die rückwärtigen Verbindungen nörd­lich von Tieling senden wollen. Nach amtlichen japanischere Angaben sind die Verluste bei den An- griffen auf Port Arthur im letzten Teil des Oktober 3000 Mann tot und 10 000 verwundet, während die Verluste bei den letzten Angriffen weit größer ge­wesen sind.

Die Hauptabteilung der baltischen Flotte unter Admiral Roschtjestwensky, die am 16. v. M. von Dakar in Senegambien abgefahren ist, scheint nunmehr das Kap der guten Hoffnung erreicht zu haben ; ein Telegramm aus Kapstadt, 12. ds, besagt: Das russische Lazarettschiff Orel ist hier zur Auf- nähme von Vorräten eingetroffen. Zwei große Schiffe, die möglicherweise zum baltischen Geschwader gehören, passierten heute früh das Kap.

Württemberg.

Stuttgart, 13. Dez. Abgeordnetenkammer' Bei der am heutigen Dienstag fortgesetzten Beratung der Gemeindeordnung erledigte die Kammer zunächst noch die Bestimmungen über die zusammengesetzten Gemeinden, sowie über die Bildung von Gemeinde­verbänden ohne erhebliche Erörterung. Zu einer längeren Debatte, die heute nicht mehr zum Ab­schluß gebracht wurde, kam es über den die Ver­waltung der Ortspolizei behandelnden Abschnitt VII des Entwurfs. Die Regierung will in dieser Frage bekanntlich am bisherigen Recht festhalten, und auch die Beschlüsse der Kommission bewegen sich, wenigstens in den Kardinalpunkten, auf der Grundlinie des Ent­wurfs. Der sozialdemokratische Abg. Hildenbrand brachte nun einen Antrag ein, der darauf hinaus- geht, die gesamte Verwaltung der Ortspolizei auf den Gemeinderat zu übertragen und den Ortsvor- sicher vollständig auszuschalten. Nicht ganz so weit geht ein vom Abg. Haußmann. Balingen schon in der Kommission gestellter und gestern wieder aufge­nommener Antrag, nach welchem der Ortsvorsteher in Polizeisachen zwar die ihm notwendig scheinenden Anordnungen zu treffen, dieselben aber, besonders wenn sie mit Kosten verbunden sind, im Gemeinderat vorzutragen und darüber einen Beschluß herbeizu­führen hätte; nur in dringenden Fällen soll dem Ortsvorsteher gestattet sein, auch ohne Mitwirkung des Gemeinderats die erforderlichen Vorkehrungen zu veranlassen. In gleicher Richtung bewegt sich auch ein vom Abg. Nembold-Gmünd gestellter An­trag, welcher dem Gemeinderat das Recht der Ueber- wachung der Ausübung der Ortspolizei einräumen will. In der Begründung dieses Antrages befür­wortete Rembold u a. auch die Loslösung der Stutt­garter Kriminal- und Sicherheitspolizei von der Stadtverwaltung und die vollständige Uebernahme derselben auf den Staat. Von mehreren Rednern wurde über die Inanspruchnahme der Polizei- organe für militärische Zustellungen Be chwerde geführt und verlangt, daß für diese Leist- ungen, wie auch für die von den Polizeiorganen im reinen staatlichen Interesse zu entwickelnde Tätigkeit den Gemeinden eine angemessene Entschädigung ge­währt werde. Auf die Entschädigungsfrage ging der Minister des Innern, Dr. v. Pischek, in seiner Erwiderung nicht näher ein, dagegen erklärte er sich bereit, den Gemeinden die Kriminal- und Sicherheits- Polizei abzunehmen und einen hierauf gerichteten Gesetzentwurf vorzubereiten, wenn im Landtag eine Mehrheit dafür vorhanden wäre. Den Antrag Hildenbrand bezeichnete der Minister als unannehmbar. Auch gegen den Antrag Haußmann sprach sich der Minister mit großer Entschiedenheit aus; der Orts­vorsteher sei die für die Handhabung der Orts­polizei verantwortliche Persönlichkeit und sollte dies im Interesse des raschen Funktionierens des Polizei- apparats auch bleiben. Dagegen erklärte sich der Minister bereit, die Zuständigkeit des Gemeinderats auf einzelnen Spezialgebieten, namentlich auf dem der Bauordnung, zu erweitern, was ungeteilte Zu­stimmung fand. Mit gemischten Gefühlen wurde hingegen die vom Minister in Aussicht gestellte Ab­lösung der Sicherheitspolizei von den Gemeindever­waltungen ausgenommen. Der Abg. Haußmann- Balingen meinte, daß diese Ausscheidung nicht erfolgen dürfe, ohne ein weitgehendes finanzielles Entgegen­kommen an die Gemeinden.

Stuttgart, 12. Dezbr. Auf der in voriger Woche zu München abgehaltenen Europäischen Fahrplankonferenz wurde eine halbstündige Ver­kürzung der Schnellzugsverbindung Stuttgart-Oste» burken-Rietschenhausen-Berlin und umgekehrt angeregt und erreicht. Die gleichfalls in Anregung gebrachte Beschleunigung des Schnellzugsverkehrs München- Pfalz über Stuttgart ist z. Zt. noch in der Schwebe, desgleichen auch die von württembergischer Seite an­geregten Schnellzugsanschlüsse nach der Schweiz. Eine wichtige Neuerung soll der neue Sommer- fahrplan bringen, nämlich einen Saisonschnellzug zwischen Frankfurt und Mannheim einerseits und Wildbad und Freudenstadt andererseits, der namentlich auch den Badeorten des Nagoldtales zu gute kommen wird.

Stuttgart. In der letzten Mitgliederversamm­lung der Bauhütte hielt Hr. Obersteuerrat Moser einen Vortrag über die neuen Steuergesetze, welchem dann noch eine eingehende Besprechung der vielfach gestellten Fragen folgte.

Stuttgart, 12. Dez. Der Verwaltungsaus­schuß der württ. Privatfeuerversicherung auf Gegen­seitigkeit in Stuttgart hat in seiner Sitzung vom 8. d. M beschlossen, auch im Jahre 1905 sämtlichen

bei derselben als ordentliche Mitglieder Versicherteil die seit dem Jahre 1879 unverändert gebliebene Dividende von 60 Proz. der Jahres-Bruttoprämie zurückzuvergüten. Nach den bis jetzt vorliegende» Berechnungen und Schätzungen enthält die außer­ordentliche Dividenden-Reserve mehr als hinreichende Mittel, um die Dividende unter allen Umständen auf ihrer bisherigen Höhe zu erhalten, so daß die In- anspruchnahme des für denselben Zweck aus dem allgemeinen Reservefonds zur Verfügung stehenden Kapitalbetrags von 3^/. Millionen Mark trotz der ungewöhnlich großen Brandschäden des Jahres 1904 überhaupt nicht in Frage kommt.

Stuttgart. In der hiesigen Stadt ist gegen- wärtig ein Gerücht verbreitet, das einem Witzbold seine Entstehung und einigen durch den Mord in Cannstatt besonders erregten Gemütern seine Ver­breitung verdanken dürfte. Man erzählt sich nämlich, wie von verschiedener Seite mitgeteilt wird, in ver­gangener Woche habe ein Leichenwärter auf dem Pragfriedhof, als er seinen Gang durch das Leichen- Haus machte, eineLeiche" vor ihrem Sarge stehen sehen. Der Wärter sei von jähem Schrecken ergriffen worden und liege noch jetzt krank darnieder. Die Leiche" stamme von einem Manne, der den Starr­krampf gehabt habe, aber glücklicherweise noch recht­zeitig aus seinem Scheintode erwacht sei u. s. w. An der ganzen Sache ist, wie von der Friedhof. Verwaltung mitgeteilt wird, kein wahres Wort.

Stuttgart. Zu dem Berichte über einen Weiu- handelprozeß schreibt der als Zeuge vernommene Hr. Emil Weil in Straßburg demSchw. Merk.": Es ist nicht wahr, daß ich als Zeuge in der kürzlich stattgehabten Verhandlung vor der Straf- kammer in Stuttgart bekundete, daß ich jährlich den Verkauf von 2 bis 3000 Waggons Pfälzer Wein vermittle, unter welchen noch nie ein Tropfen Natur­wein gewesen sei, sondern, nämlich Naturwein, werde im Pfälzer Handel gar nicht verlangt. Eine derart^« Aussage wäre sinnwidrig und kann in dieser Form überhaupt nicht gemacht werden. Meine Angaben gingen vielmehr dahin, daß die Pfälzer Weine aus weniger guten Lagen der Kundschaft zu sauer sind und deshalb als Naturweine nicht verkauft werden, sondern gezuckert werden müssen und ich, da derartige Weine ungezuckert nicht vei langt werden, solche auch nicht verkaufe. Ungezuckerte Weine werden nur aus den besseren Pfälzer Lagen verlangt. Die mir in den Mund gelegte Aussage weise ich deshalb als Wahrhritswidrig zurück."

Stuttgart, 13. Dez. Die Vergehen gegen das Weingesetz beschäftigen noch fortwährend die Gerichte. Im Laufe dieses Monats werden von der hiesigen Strafkammer noch mehrere Weinprozesse zur Ver- Handlung kommen. Auf Anordnung der Staats- anwaltschaft wurden dieser Tage wieder bei einem hiesigen Weinhändler 30000 Liter Wein beschlagnahmt.

Tübingen, 13. Dez. Der Bauer Andreas Beck von Grosselfingen (Hohenzollern), welcher am 26. Oktober hier im Hof von Clemens und Decker den Fuhrknecht Grömli niederftach, wurde, nachdem ihm die Geschworenen mildernde Umstände zugestanden hatten, wegen Totschlags zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt.

Gewarnt wird von zuständiger Seite vor den bekannten Madrider Schwindelbriefen, mit welchen gegenwärtig der Landgerichtssprengel Tübingen überschwemmt wird.

Ludwigsburg. Das hiesige . Soldatenheim' wurde in voriger Woche von zwei 19 jährigen Ein- brechern heiwgesucht, die man am verflossenen Freitag dingfest machen konnte.

Eningen, 12. Dez. Die hiesige sogenannte Pfennigsparkasse hat in diesem Jahre einen lieber- schuß von 6158,65 -/E erzielt. Die Einnahmen be- tragen 124 424,08-/L und die Ausgaben 118 265,45 -/-L Dem Reservefonds wurden 1058.65 -/L zugewiesen, der übrige Ueberschuß wurde zu verschiedenen Wohl- tätigen Zwecken verwandt.

Klosterreichenbach, 11. Dezbr. Die Fort- führung der Murg bahn von der bisherigen End- stalion Klosterreichenbach bis zur Landesgrenze scheint württembergischerseits früher einzutreten, als urspüng. lich vermutet wurde. Seit einigen Wochen sind ver- schiedene Beamte mit den Vermesfungsarbeiten beschäftigt. Badischerseits sind die Vorarbeiten zum Weiterbau der Murgbahu Rastatt-Weisenbach bis zur Landesgrenze ausgeführt und mit dem Bau selbst wird im Laufe des nächsten Jahres begonnen werden.

Stuttgart. ILandeSprodurtenbörse.I Bericht vom 12. Dez. von dem Vorstand Fritz Kregiinger. Die abgelausene Woche hat im Getreidegeschäst keine Aender- ung gebracht. Die Stimmung für Weizen ist fortgesetzt fest bei ruhigem Verkehr. M e h l p r e i s e per 100 leg inkl. Sack: Mch! Nr. 0: 30 ^ dis 31 Nr. 1: