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Neuenbürg, Mittwoch den 14. Dezember 1904.

62. Jahrgang.

RunSschau.

Die parlamentarischen Weihnachtsferien haben zunächst für das preußische Abgeordnetenhaus begonnen, welches sich am vergangenen Samstag bis zum 10. Januar 1905 vertagte. Auch die Weih- nachtsvertagung des Reichstages sollte ursprünglich am 10. Dezember eintreten, doch hat der Senioren­konvent desselben schließlich veränderte Dispositionen getroffen, infolgedessen der Reichstag erst am 15. oder 16. ds. Mts. in seine Weihnachtsferien gehen wird. Die neuen Handelsverträge werden das Haus allerdings erst im nachweihnachtlichen Sesfions- abschnitte beschäftigen, da gegründete Aussicht vor» Händen ist, daß auch der Handelsvertrag mit Oester­reich-Ungarn noch zustande kommen wird; die Re- gierung will dann letzteren zugleich mit den übrigen Verträgen dem Reichstag unterbreiten. Von Wien ging am Samstag an den Botschafter Szoegyeuy nach Berlin eine neue Note bezüglich der Vertrags- '^Handlungen ab, welche die Antwort auf eine Note der deutschen Regierung darstellt. Man hofft nun­mehr in maßgebenden Kreisen Wiens, daß im diplo­matischen Wege die Beratungen so sehr vereinfacht werden, daß nur einige Fachreferenten behufs tech­nischer Formulierung sich nach Berlin werden begeben müssen. Für die Hauptschwierigkeit der Viehkonveution soll sich auch bereits eine Ausgleichsformel ergeben haben, welche in gleicher Weise Richtung gebend für österreichisch-ungarische Exporteure wie für deutsche Behörden sein soll.

Die zweite Etatsrede des Reichskanzlers.

Noch einmal haben sich die EtatS-Verhandlungen der ersten Lesung im Reichstag zu einem Höhepunkt erhoben, als der Reichskanzler Graf Bülow zum zweiten Male das Wort nahm, um den Führer des Revisionismus innerhalb der Sozialdemokratie, den Abgeordneten v. Vollmar, abzufertigen. Zwar hatte Vollmar seiner gebildeten Art entsprechend sich eines maßvollen TonS befleißigt, der vorteilhaft abstach von den im Bersekerstil vorgebrachten Kannegießereien Bebels, aber in der Sache zog er genau den gleichen Strang. Wertvoll war die Offenheit, mit der er erklärte, die Sozialdemokratie ginge mit Bedacht auf den Umsturz der bestehenden Ordnung in Rußland aus. Anläßlich des Königsberger Geheimbundprozesses hat man diese Tatsache bisher doch noch immer ab- zuleugnen gesucht.

Der Reichskanzler begann seine Rede mit der Zurückweisung der Vollmar'schen Behauptung, daß er Bebel in unangemessenem Tone geantwortet habe, um gleich danach an einem Beispiele aus der sozial­demokratischen Presse, wo alle Register des Schimpf­lexikons gegenüber den bürgerlichen Parteien und ihren Führern aufgezogen werden, unter schallender Heiterkeit des Hauses zu zeigen, welche Tonart im sozialdemokratischen Lager herrsche. In einer mit treffendem Sarkasmus gewürzten Rede legte er als- dann die völlige Ohnmacht des revisionistischen Flügels der Sozialdemokratie dar. Leute, die sich in solcher Weise vor dem Machtgebote des allgewaltigen Partei- diktators Bebel beugen und ducken müßten wie Vollmar und Genossen, kämen als realpolitischer Faktor über­haupt nicht in Betracht, ihre Aeußerungen hätten einzig und allein akademischen Wert, und daS Akademische würde nach den Erfahrungen des Dresdener Partei­tages in der sozialdemokratischen Partei nicht allzu hoch bewertet. Daß der Reichskanzler mit diesen vorzüglich sitzenden Hieben wieder einen wahren Beifalls- und Heiterkeitssturm entfesselte, versteht sich von selbst.

In seinen folgenden Darlegungen wandte sich Graf Bülow sodann dem Verhalten der sozialdemo- kratischen Blätter und der gefinnungsverwandten Witz- blätter im russisch-japanischen Kriege zu. Mit scharfen Worten geißelte er die in den Spalten dieser Presse sich breitmachende Hetze gegen Rußland, die in Witz

und Spott über die bisherigen Niederlagen des heldenmütigen russischen Heeres das Menschenmögliche an Gefühlsroheit leiste. Durch ein derartiges unver­antwortliches Treiben würde Mißstimmung gegen uns erweckt und in die Friedensbestrebungen Deutschlands ein störendes Element hineingetragen. Das Fazit seiner diesbezüglichen Ausführungen zog Graf Bülow unter lebhafter Zustimmung der Mehrheit in dem Satze:Angriffe, aus denen nicht die nötigen kriege­rische» Konsequenzen gezogen werden, sind fremden Völkern gegenüber immer vom Uebel. Der andere wird dadurch gereizt, und man selbst blamiert sich, wenn man seinen Worten keine Tat folgen läßt." Der Reichskanzler schloß seine Rede mit dem Hinweise, daß Deutschland nur daun imstande sein werde, sich auch in Zukunft als Hort und Bollwerk des Friedens zu erweisen, wenn es über die nötige militärische Stärke verfüge. Mit schneidender Ironie wußte der Reichskanzler den vollendeten Widerspruch, ja man kann sagen Widersinn in dem Gebaren der Sozial­demokratie vor der Oeffentlichkcit scstzunageln. Die Sozialdemokratie trieft sonst immer förmlich von Friedensliebe und'Friedensschwärmerei. Rußland gegen- über aber spielt sie den säbelrasselnden Chauvinisten.

Gewiß find die inneren Zustände Rußlands im hohen Grade reformbedürftig, aber welchen Beruf haben wir dazu, in die Verhältnisse eines fremden Reiches einzugreifen? Es zeigt sich hier aufs deut­lichste der internationale, friedenstörende und der Wirkung nach vaterlandsfeindliche Charakter der Sozialdemokratie. Die Versicherung der Bebel und Genossen, daß sie de» Krieg verabscheuen, ändert oaran nichts. Hätten sie die Macht in Deutschland, so würden wir mit ihrem Bestrebe», die Freiheit nach Rußland zu importieren, die Freiheit, die nicht einmal in ihren eigenen Reihen herrscht, ganz sicher in einen Krieg mit Rußland Hineintreiben.

Teutsch'Südtvestafrika.

Dem Reichstag ist eineDenkschrift über Ein- geborenen-Politik und Herero-Aufstand in Deutsch- Südwestafrika" vorgelegt worden, die geeignet erscheint, der öffentlichen Meinung in dieser hochwichtigen nationalen Angelegenheit die nötige Aufklärung und Belehrung zu bieten. Die Denkschrift beginnt mit einem geschichtlichen Ueberblicke über die Entwicklung Deutsch-SüdwestafrikaS bis zu dem Zeitpunkte, wo die deutsche Schirmherrschaft einsetzt, um sich alsdann in ausgiebiger Erörterung der gegenwärtigen Lage und den augenblicklich aktuellen Fragen zuznwenden.

Von den unserer Kolonialpolitik übelwollend und feindselig gegenübersteheudeu Kreisen wird die Meinung verbreitet, als sei der Aufstand der Herero ausschließlich durch die Schuld der Weißen ver- ursacht, und als seien für denselben insbesondere das Händlertnm und das Kreditwesen verantwortlich zu machen. Von der amtlichen Denkschrift wird dieser Auffassung mit Entschiedenheit entgegengetreten und vielmehr festgestellt, daß der Herero-Aufstand auch ausgebrochen wäre, wenn es nie einen weißen Händler im Hererolande gegeben hätte. Die Grundursache des Aufstandes ist vielmehr in der doppelten Tat­sache enthalten, daß die Herero als ein von altersher freiheitsliebendes, eroberndes und maßlos stolzes Volk auf der einen Seite die Ausbreitung der deutschen Herrschaft von Jahr zu Jahr lästiger empfanden, auf der anderen Seite aber und das ist das Entscheidende von dieser deutschen Herrschaft den Eindruck hatten, daß sie ihr gegenüber im letzten Grunde der stärkere Teil seien. Die Richtigkeit dieser in der Denkschrift vertretenen Anficht wird schon dadurch erwiesen, daß die Mehrzahl der vom Auf­stande betroffenen Personen mit dem Händlertnm gar keinen oder nur einen sehr losen Zusammenhang hatten, und daß sich unter den von den Herero über­fallenen, beraubten und hingemordeten Weißen viele befinden, die überhaupt außerhalb des Hererolandes und des eigentlichen Handelsfeldes wohüten. Auch

liefern die Briefe, die Samuel Maharero an die Kapitäne der Bastards und Witbois schrieb, um sie zur Teilnahme am Aufstande zu bewegen, den strikten Beweis, daß Mschtkitzel und das Gefühl des Stärkeren die treibenden Kräfte in der revolutionären Bewegung der Herero waren.

In sehr bemerkenswerter Weise werden von der Denkschrift weiterhin die Grundzüge der Eingeborenen. Politik unserer Kolonialverwaltung in Deutsch-Süd­westafrika dargelegt und gegen gegnerische Einwände und Vorwürfe verteidigt.

Die sachlichen, ruhigen, auf beweiskräftiges Material gestützten Darlegungen der Denkschrift werden sicherlich überall dort, wo man noch auf Objektivität und Unvoreingenommenheit des Urteils Wert legt, ihres Eindruckes nicht verfehlen.

Die aufständischen Witbois scheinen in den letzten Gefechten bedeutend mitgenommen worden zu sein. General v. Trotha meldet:Oberst Deimling verfolgte mit dir Abteilung Meister die Witbois bis Kalkfontein, das er am 8. Dez. erreichte. Die Ab­teilung Kleist besetzte Rietmont und klärt aus Gochas und Noib auf. Die feindlichen Verluste bei Naris waren verhältnismäßig bedeutend. Hendrik Witboi ließ bei seiner panikartigen Flucht aus Rietmont seine Briefschaften zurück. Wagen, Gewehre und Munition wurden in Rietmont und in Mariental gefunden. Die Zahl deS Bcuteviehs wird auf 12000 geschätzt" Auf deutscher Seite sind bei Naris ge­fallen: Sergeant Karl Litt, Sergeant Adolf Voigt; schwer verwundet wurde Unteroffizier Karl Kleeber.

Am Sonntag vormittag ist in Berlin der Senior der nationalliberalen Partei, Dr. Friedrich Hammacher, nach kurzem Leiden gestorben. Mit ihm ist einer der letzten aus Deutschlands großen politischen Zeiten dahingeschieden. Hammacher hatte vor wenigen Monaten, am 1. Mai ds. Js., unter allgemeiner Anteilnahme seinen 80. Geburtstag ge­feiert. Noch beim letzten Parteitag der National- liberalen war ihm der Ehrenvorsitz übertragen worden.

Karlsruhe, 8. Dez. Nachdem sich während des letzten Sommers gezeigt hat, daß auch in der wasserarmen Zeit der Rhein bis Karlsruhe schiffbar ist, will der hiesige Stadtrat eine regelmäßige Schiff­fahrt zwischen Mannheim und dem hiesigen Rhein­hafen durch Abschluß eines Vertrages mit der in Gründung befindlichen Karlsruher Schiffahrtsgesell­schaft sichern. Danach verpflichtet sich die Gesellschaft, bis spätestens 1. April 1906 einen Radschleppdampfer im Wert von höchstens 330000 ^ und 4 Güter- dampfboote im Wert von zusammen 880000 anzuschaffeu und wöchentlich mindestens zwei Fahrten von Mannheim nach Karlsruhe und zurück so lange zu unterhalten, als Schiffe mit einem Tiefgang von einem Meter fahren können. Als Gegenleistung gibt die Stadtverwaltung ein unterpfäudlich zu sicherndes und zu 3^/1 Prozent zu verzinsendes Darlehen bis zn 70 Prozent der Schiffswerte und gewährt außer­dem der Gesellschaft noch im Vertrag des näheren festgesetzten Rabatt an den Gebühren. Durch das Pfandrecht und die alljährliche Heimzahlung von 10 Prozent des Darlehens, ist die Stadtgemeinde vollständig gesichert. Die Schiffahrtsgesellschaft wird endgültig konstituiert werden, wenn der Vertrag die Genehmigung des Bürgerausschuffes und der Staats­regierung gefunden haben wird. An der Rentabilität eines ständigen Schiffahrtverkehrs zwischen Mannheim und Karlsruhe ist nach dem steigenden Verkehr, den der hiesige Rheinhafen aufweist, nicht zu zweifeln.

Pest, 13. Dez. Die Opposition im ungarischen Abgeordnetenhause hat die Wiedereröffnung der Verhandlungen verhindert. Eine viertel Stunde vor Beginn der Sitzung waren die Mitglieder der Oppo- fition fast vollzählig erschienen. Von der Regierungs­partei war niemand im Saal. Die Zugänge zu der Präsidenten.Estrade waren von der ParlamentSwache besetzt. Die oppositionellen Abgeordneten riefen