brand und Rembold-Aalen traten aber entschieden für die Streichung des Artikels ein, indem sie hervor, hoben, daß die berechtigten Interessen dieser Groß, grundbefitzer einen hinreichenden Schutz gegen etwaige Uebergriffe durch Art. 129 erhalten, welcher jedem Steuerpflichtigen, der mehr als ein Viertel der Ge- meindeumlageu zu entrichten hat, das Recht der Beschwerde gegen den Voranschlag durch alle Instanzen bis zum Ministerium einräumt. Der Führer der Deutschen Partei, Herr v. Geß, sprach im Zu- sammenhang mit Art. 174 von .Vorrechten aus alter Zeit",'die heutzutage nicht mehr aufrecht erhalten werden können; in besonders scharfer Weise wandte sich aber der Abg. K. Haußmann gegen diese Be- stimmungen, die eine „Anomalie" darstellen und lediglich darauf hinauslaufen, „unzeitgemäße Privi> legien" und die „Rudimente der staatsrechtlichen Bevorzugung des Adels" aufs neue zu konservieren. Dabei setzte Haußmann so starke Accente gegen Adel, Großgrundbesitz und Großindustrie und nicht zum mindesten gegen Frhrn. v. Ow auf, daß dieser sich lebhaft über der „verletzenden Ton" der Haußmann- schen Rede beschwerte, und das Geständnis ablegte, daß ihm die Sozialdemokraten doch noch lieber seien, als der Abg. Haußmann. Nachdem letzterer auf diese Ausführungen des Herrn v. Ow noch erwidert, lenkte der Minister des Inneren mit einer geschickten Bemerkung die Debatte aus den erregten Wogen wieder in ruhigeres Fahrwasser, worauf in namentlicher Abstimmung der Artikel 174 mit 61 gegen 9 Stimmen gestrichen wurde.
Stuttgart, 10. Dezbr. Bei den gestrigen Bürgerausschußwahlen gingen zum ersten mal sämtliche bürgerlichen Parteien, auch die Volkspartei, geschlossen gegen die Sozialdemokraten vor mit einem gemeinsamen Wahlzettel. Von 18874 Wahl- berechtigten hatten 13 423 abgestimmt, unabgcänverte Wahlzettel wurden 12240 abgegeben und zwar für die bürgerlichen Parteien 6963, für die Sozial- demokraten 5031, unparteiische Wahlzettel 245, ungültige 21, zersplittert 512 Die Sozialdemokraten wurden vollständig geschlagen.
Für den gesteigerten Päckereiverkchr vor Weihnachten find von der Postverwaltung besondere Vorkehrungen durch Vermehrung der Be- förderungseinrichtungen, der Arbeitskräfte usw. getroffen. Den Aufgebern von Weihnachtssenduugen wird aber, damit sie auf deren rechtzeitige und un- Versehrte Ankunft rechnen können, dringend empfohlen, die Einlieferung zur Post nicht erst in den letzten Tagen vor dem Christfest, sondern möglichst frühzeitig zu bewirken, auch dis Sendungen fest und dauerhaft zu verpacken und mit einer deutlichen, vollständigen und haltbar befestigten Aufschrift zu ver- sehen. Auch sollte die Einlieferung zur Post nicht erst kurz vor Schalterschluß, insbesondere in Stuttgart nicht erst um 7 Uhr abends oder noch später erfolgen.
Stuttgart hat es jetzt auf eine Einwohnerzahl von 200000 gebracht. Die schwäbische Residenz übertrifft die badische Residenz Karlsruhe, die 150000 Einwohner hat, schon um ein volles Viertel der Bevölkerung. Wenn aber zu Beginn des nächsten Jahres die verschiedenen Eingemeindungen in Stutt-
Mann zu beruhigen, allerdings erst, nachdem ich mich schriftlich verpflichtet, ihm als Sühne meines Ungeschickes Tilly's Reitersprossen nebst dem dazu ge- hörigen Dokument zu übersenden. Es war ein höchst unangenehmer Ausweg, aber der einzige, der mir übrig blieb. Doch ich war damals noch jung, und es gelang mir, nach einiger Zeit den Verlust der geliebten Sporen zu verschmerzen."
„O Fuchs, schlauer Fuchs! O Spitzbube!" rief in diesem Augenblick der Rentier Blume, seinem auf- fälligen Wesen die Krone aufsetzend. „Hören Sie mich, Herr Justizrat, hören Sie mich meine Herren! Auch ich bin in früheren Jahren zu dem alten Christlieb Holzbock gewandert, auch mir hat er das Glas des Erasmus gewiesen, auch ich bin durch das Gepolter und Holzbocks jähes Zusammenfahren erschreckt worden, habe das Glas fallen lassen und es zer- brechen sehen."
„Und was hat er Ihnen abgenommeu als Sühne?" fragte der Justizrat hastig, indeß die anderen gespannt aufhorchten.
„Ein Paar kostbare Basen und Geld obendrein," rief Blum.
„Das ist stark! Ein solcher geriebener Bursche!" riefen die Anwesenden durcheinander. „Gott habe ihn selig, den alten Gauner, aber das geht über das Mögliche."
„Meine Herren!" unterbrach jetzt die ruhige, liefe Stimme des Obersten von Bärenklau daS allgemeine Gewirr.
„Auch ich besuchte als Leutnant den guten Vater
gart vollzogen werde», wird die Stadt eine Viertelmillion Köpfe zählen. Dabei ist Cannstatt mit rund, 31000, Untertürkheim mit 6000 und Wangen mi 4000 Einwohnern eingeschätzt. Sehr bemerkenswert ist die Tatsache, daß die um Stuttgart auf eine Entfernung von etwa 10 Kilometer liegenden Orte iw Verhältnis ihrer Größe zur Hauptstadt in den letzten Jahren eine dreifach größere Bevölkerungszunahme anfzuweisen haben als Stuttgart selbst. — Seit der letzten Volkszählung hat sich Stuttgart um 16 582 Seelen vermehrt.
Cannstatt, 10. Dez. Unter riesiger Beteiligung fand heute mittag auf dem Uffkirchhof die Beerdigung der einem Raubmörder zum Opfer gefallenen Engenie Mast statt. Die Straßen, durch welche sich der Leicheuzug bewegte, füllten Tausende von Personen, ebenso halte sich vor dem Friedhof eine tausendköpfige Menschenmenge angesammelt. Schutzleute mußten dem Traucrzug einen Weg bahnen. Dekan Oehler hielt eine ergreifende Trauerrede. Am Grabe wurden zahlreiche Kränze niedergelegt. — Die Staatsanwaltschaft sichert demjenigen eine Belohnung von 1000 zu, welcher zur Ueberführnng der Täter weitere Beweise liefert, insbesondere wer glaubhaft Nachweisen kann, von wem die in der Nähe des Tatorts aufgefundene blutbefleckte Manschette herrührt.
Cannstatt, 10. Dezbr. In der Raubmord- augelegenheit haben, wie die „Cannst. Ztg." meldet, die mit rührigstem Eifer angestellten Nachforschungen leider noch zu keinem festen Ergebnis geführt. Heute vormittag sind die beiden am meisten Verdächtigen, der gestern erwähnte Chauffeur und ein neben ihm Bediensteter, auf dem Steigfriedhof der Leiche gegen- über gestellt worden, ersterer beteuerte dabei feierlich seine Unschuld, der letztere erklärte, von der Sache nichts zu wissen. Die beiden wurden natürlich in Haft behalten.
Cannstatt, 11. Dezbr. Mit Bezug auf den Raubmord an der Eugenie Mast ist an die Polizei- organe die Weisung ergangen, alsbald von HauS zu Haus eingehende Nachforschungen zu halten. Bei diesen Umfragen sind die Bewohner auf die ausgesetzte Belohnung von 1000 und darauf aufmelk, sam zu machen, daß die in der Nähe des Tatorts gefundene blutige Manschette beim Stadtpolizeiamt Cannstatt zur Besichtigung aufgelegt ist.
Neckargartach, 10 Dezbr. Der Cannstatter Mord verursacht auch im Unterland große Unruhe und setzt alle Polizeiorgane in Tätigten. Heute frtth wurde ein durchreisender Metzgergcselle, der sich in einer Wirtschaft verdächtig gemacht hatte, verhaftet und an das Amtsgericht Heilbronn geliefert unter dem Verdacht, daß er zu dem Cannstatter Mord in Beziehung stehe.
Tübingen, 6. Dez Tagesordnung für die Sitzungen des Schwurgerichts im 4. Quartal 1904. Montag, 12. Dez., vormittags 9 Uhr. Anklagesache gegen den Dienstknecht Andreas Beck von Grosselfingen, OÄ. Hechingen, zuletzt in Tübingen, wegen eines Verbrechens des Totschlags. Dienstag, 13 Dez, vormittags 9 Uhr. Anklagesache gegen den Fabrik- arbeiter Karl Müller von Pfullingen, wegen eines
Holzbock, auch hinter mir hat es gepoltert und gerasselt, auch vor mir ist der selige Lump gleich einem Taschenmesser zusammengefahrcn. Ich hielt jedoch das Glas fest, sah mich genau um und bemerkte, daß von dem Standpunkte des lieben Mannes zu jenem Gerümpel eine Schnur die Wand entlang führte. Ich konnte mir diesen sinnreichen Mechanis- mus damals nicht erklären, jetzt aber sehe ich ein, wozu er diente —"
„Nämlich zu einem famosen Knalleffekt," ergänzte der Justizrat lachend.
Der reichste Berliner versteuert ein Einkommen von 2970000 -/-L, wofür er dem Staat und der Stadt je 118600 zahlt. Dann folgen Einkommen von 2,28 und 2,19 Millionen Mark. Neun Steuerpflichtige besitzen ein Einkommen von 1 bis 2 Millionen, 30 von '/s bis 1 Millionen u. s. w. Ueber 3000 hatten überhaupt 54466 Personen, unter 3000 Marl 414839. Die höchstbesteuerte Gesellschaft nimmt 11^/« Millionen Mark ein.
So lange es Kranke gibt, denen die Heilkunst nicht helfen kann, wird auch das Kurpfuschen eines der einträglichsten Geschäfte bleiben. In dem Dorfe Kirchgandern auf dem Eichsfeldc Praktiziert der „Wunderdoktor" Ausmeier, zu dem aus aller Herren Länder täglich Kranke pilgern. ES kommen täglich 50—60 Fremde an. Um den starken, immer mehr »nehmenden Verkehr bewältigen zu können, ist seit urzem ein regelmäßiger Omnibusverkehr zwischen ! Kirchgandern und der Bahnstation eingerichtet worden.
Verbrechens der versuchten Notzucht. Dienstag, 13. Dez. nachmittags 3 Uhr. Anklagesache gegen den Gipsergesellen Heinrich Thumm von Bonlanden, wegen zwei Verbrechen des versuchten Totschlags. Mittwoch, 14. Dez, vormittags 9 Uhr. Anklagesache gegen den Sägearbeiter Gustav Kübler von Calmbach wegen eines Verbrechens der Brandstiftung Mittwoch, 14 Dez., nachmittags 3 Uhr. Anklagesache gegen die Bernhard Schmid, Kaufmannseheleute von Nürtingen, wegen Verbrechens des betrüglichen Bankerotts und der Gläubigerbeqünstig- ung. Donnerstag, 15. Dezbr., vormittags °9 Uhr. Anklagesache gegen den Dienstknecht Philipp Milz von Urach wegen eines Verbrechens der Notzucht. Freitag, 16. Dez , vormittags 9 Uhr. Anklagesache gegen den Bankier Ernst Jäger von Tübingen, wegen Verbrechen gegen das Depotgesetz und die Konkurs- ordnung. Nachtrag Vorbehalten. — Als Ergänznngs- geschworener wurde nachgezogen: Wilhelm Dieterich, Privatier in Nürtingen.
In Tübingen ist eine interessante neue Anstalt, nämlich eine — Universitätsrestauration — am 6. Dezember eröffnet und sogleich stark benutzt worden. Sic ist im Hochschulgcbäude unter dem Treppenaufgang zu den Hörsälen untcrgebracht und verabreicht neben dem schwäbischen Nationalgebäck, den sogen. Laugenbretzeln, auch Schinken- und Wurstbrötchen, Kuchen, Aepfel, Kaffee, Milch, Kakao, Frada, eine Auswahl von Mineralwassern und auch Bier, aber — alkoholfreies. Einer ähnlichen Praktischen Ein- richtung dürften sich die wenigsten deutschen Hochschulen zu erfreuen haben. In Tübingen war sie hoch vonnöten, denn die Universität liegt ziemlich weit ab von der Stadt, und zwischen vier bis fünf Stunden Vorlesung und Uebung ist besonders am Nachmittag wohl auch den Musensöhnen eine Er- frischung zu gönnen. Wie stark übrigens die Antialkoholbewegung unter der Tübinger Studentenschaft um sich greift, erhellt daraus, daß der Inhaber eines bekannten guten Lokals an die Verbindungen eine Mitteilung ergehen ließ, des Inhalts, er halte für dieses Semester jeden Abend von 10 Uhr ab frische Bouillon mit Pasteten und von 12 Uhr ab Bohnensuppe mit Speck bereit. Und der Mann, der also die Zeichen der Zeit versteht, macht sein Geschäft mit dieser Einrichtung.
Tübingen, 7. Dez. Taglöhner Philipp Koch von Kirchentellinsfurt, welcher am 19. Oktober dem Baumsehutoivcsttzcr Klumpst 308 junge OHslVktrrme niedergehauen und dadurch einen Schaden von 450 ^ verursacht hat, wurde gestern von der Strafkammer zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt.
Hall, 11. Dez. Leutnant Erhardt, Sohn des Oberförsters in Steinbach, früher im Grenadier, regiment 123 und zuletzt Bezirksadjutant in Mergentheim, der erst diesen Sommer nach Südweftasrika abging, ist dort nach einer vorgestern eingetroffenen telegraphischen Meldung am 7. ds. Mts. in Water- berg dem Typhus erlegen.
Reutlingen, 11. Dez. Ein hiesiger Monteur hat seit Jahresfrist ein sparsames Dienstmädchen durch Heirarsversprechungen um ihre ganzen Ersparnisse
Ausmeier, von Beruf Tischler, hat seit einigen Jahren dies ehrbare Handwerk an den Haken gehängt und führt seit dem Tode seines Vaters, des „Günteroder Doktors", das Doktorgeschäft in vergrößertem Umfange weiter. Schon zu dem Vater und Großvater, die in Günterode wohnten, kamen zahlreiche Kranke von nah und fern, doch war der Zulauf nicht entfernt so groß wie heute, da der Sohn in Kirchgandern die Praxis ausübt — auch ein Zeichen von der fortschreitenden Intelligenz des Volkes!" — Doch nicht nur kleine Leute konsultieren den Tischlerdoktoc. nicht selten halten auch feine Equipagen vor dem Hause des Heilkünstlers, und reichlicher fällt dann auch das Honorar für die „ärztlichen Bemühungen" aus. Die Praxis des „Dr. AuSmeier« ist eine höchst einfache. Er soll nur ein oder mehrere Rezepte zur Verfügung haben, deren Ursprung und Zusammensetzung als Geheimnis der Familie gelten und die er wie ein wirklicher Doktor zu schreiben versteht. Dr. Ausmeiers Kunst besteht darin, jede Krankheit im Harn der Kranken zu erkennen. Deshalb genügt es, den Urin deS Kranken einzusenden. Täglich laufen viele Postpakete mit Fläschchen ein , ein ganzes Zimmer ist stets mit diesen Fläschchen angefüllt. Ausmeier betreibt seine Praxis erst wenige Jahre, ist aber schon ein wohl- habender Mann dabei geworden.
sSprachverwirrnng.j Dorfbader: „Bor alle« werde ich dem Verwundeten einen antisemitische» Verband anlegen!"