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^ 494 .
Neuenbürg, Montag den 12. Dezember 1904.
62. Jahrgang.
RunSschau.
Im Reichstag gab der Reichskanzler Graf Bklow die Erklärung ab, daß die Handelsverträge mit den anderen Staaten gleich nach den Weihnachtsferien dem Haufe zur Beschlußfassung vorgelcgt werden würden. — Am Freitag kam es zu einer lebhaften Etatsdebatte zwischen dem Reichskanzler und dem Abgeordneten v. Vollmar. Mit Geschick und Glück rechnete Graf v. Bülow ähnlich wie kürzlich mit Bebel als dem Diktator der Umsturzpartei und dem Apostel des Zukunstsstaates mit v. Vollmar, als dem Repräsentanten der Revisionisten, ab, die sich gern in Positur werfen, aber immer wieder ducken. Der Kanzler sprach wieder mit gutem Humor, der seinem sozialdemokratischen Gegner abging. Der Schatzsekcetär Frhr. v. Stengel wies den ihm von der Zentrumspresse zugeschriebenen Plan einer Reichsvermögenssteuer entschieden zurück, während die Abgg. v. Gerlach und Stöcker für eine derartige direkte Reichssteuer sprachen. Letzterer zog wieder scharf gegen die Sozialdemokraten zu Felde, doch kam es nicht, wie sonst, zu heftigen Zusammenstößen. Warm trat der Abg. Graf Stolberg (kons.) für die Heeres- verstärkuvg ein, die selbst v. Vollmar als gemäßigt bezeichnete. Der Abg. Spahn (Ztr.) brachte vielerlei verschiedene Dinge vor und beharrte eifrigst bei den Diäten, die dem Reichstag trotz allem noch nicht beschert werden sollen.
Der Zeitpunkt für ein offensives Vorgehen gegen die Hottentotten ° Rebellen in Süd westafrika ist nunmeyr gekommen. Oberst Deimling, der mit der Durchführung dieser Operationen beauftragt ist, hat gleich bei ihrem Beginn einen schönen Erfolg errungen, indem er an der Spitze einer größern Truppenzahl den Feind zu einer fluchtartigen Aufgabe seines bisherigen stark besetzten Standortes bei Rietmont zwang und dabei eine stattliche Beute machte. Der Feind entwich in voller Flucht mit Hinterlassung von 8000 Stück Klein- und Großvieh mit zahlreichen Wagen. Er zog sich mit der Hauptmacht auf Kalk- fontein zurück.
Karlsruhe, 9. Dez. Der Großherzog hat mit Staatsministerialentschließung die dem Generalleutnant a. D. Grafen v. Zeppelin in Stuttgart erteilte Erlaubnis zum Vertrieb von 5000 Losen der
von ihm im Laufe dieses Jahres zum Zweck der Beschaffung von Mitteln für die Herstellung eines lenkbaren Luftschiffes in Stuttgart zu veranstaltenden Lotterie auf den Vertrieb von 20 000 Losen in Baden ausgedehnt.
Der mecklenburgische Landtag hat den Antrag, eine Eisenbahngemeinschaft zwischen Mecklenburg und Preußen anzubahnen, der Regierung zur Erwägung überwiesen. Das der Großherzoglichen Generaldirektion in Schwerin unterstehende Eisen- bahnnetz hat eine Länge von 1105,14 Kilometer, entspricht also ungefähr der einer preußischen Eisen- bahndirektion.
Petersburg, 11. Dez. Heute mittag sammelte sich auf dem Newki Prospekt eine große Volksmenge an, die Demonstrationen zu veranstalten versuchte. 100 berittene Schutzleute hielten die Ordnung aufrecht. Eine Anzahl von Verhaftungen, meist von Studenten, wurde vorgenommen.
Der russisch-japanische Krieg.
Petersburg, 11. Dez. Wie Generalleutnant Sacharow dem Generalstab unter dem gestrigen Tage meldet, rückten am 10. Dezember um 2 Uhr früh mehrere japanische Abteilungen, von denen jede etwa 30 Mann stark war, bei Linschivpu vor. Der Feind wurde mit Gewehrfeuer empfangen und zog sich unter Verlusten zurück. Am 8. Dezember wurden auf der ganzen russischen Front in Scharmützeln 2 Mann getötet und 12 verwundet.
Tokio, 10. Dez. Im Hafen von Port Arthur bemerkt man keine Tätigkeit der Russen mehr. Man glaubt, daß die russischen Matrosen die Schiffe verlassen haben und die Forts verteidigen helfen.
London, 9. Dez. Aus japanischer Quelle wird gemeldet: Nachdem die russische Flotte bis auf die Torpedojäger zerstört ist, ging Togos Schlachtflotte heute südwärts der russischen Ostseeflotte entgegen. Die Kreuzerflottille blieb zurück bei Port Arthur.
Tokio, 10. Dezbr. Der Kommandeur des 3. Geschwaders meldet, daß der kleine Kreuzer Saihen (1344 Tonnen), als er mit den Landtruppen bei der Blockade von Port Arthur tätig war, am 30. Nov. auf russische Minen stieß und sank. Die gesamte Besatzung bis auf 38 Mann, unter diesen der Kommandant, wurde gerettet.
Berlin, 10. Dezbr. Aus Tokio meldet das „Berl. Tagebl": Den russischen 28 Zentimeter- Geschützen in Port Arthur sind nunmehr japanische 28 Zentimeter-Geschütze entgegengetreten. Erst nach- dem deren Feuer weiter wirksam geworden und die Verstärkungen sämtlich eingetroffen sein werden, wird man zu weiteren Sturmangriffen auf Port Arthur schreiten, was kaum vor Mitte Januar k. I. zu erwarten ist.
Württemberg.
Stuttgart, 20. Nov Die Abgeordneten- kämm er hat in ihrer Samstag-Sitzung bei der Beratung der Gemeind eordnun g die Bestimmungen über die zusammengesetzten Gemeinden zum größten Teil erledigt. Dabei wurde zunächst in Uebcreinstimmung mit der Kommission zum Ausdruck gebracht, daß die Bildung neuer Teilgemeinden von der Regierung nicht begünstigt und nur dann gestattet sein soll, wenn eine eigene Markung vorhanden und auch die sonstigen Vorbedingungen für eine gehörige Erfüllung der Teilgemeindezwecke gegeben seien. Um eine Majoristerung und Benachteiligung der Teilgemeinden auszuschließen, wurden zu Art. 173 von den Abgg. Rembold-Aalen, Gebert und Liesching noch verschiedene Vorschläge gemacht, die jedoch zur Prüfung und Formulierung vorerst noch an die Kommission verwiesen wurden. Eine lebhafte Debatte entspann sich über den von der Kommission gestrichenen Art. 174 des Entwurfs, nach welchem ein Steuerpflichtiger, wenn er mindestens der Gesamtumlage bezahlt, Sitz und Stimme im Teilgemeinderat ein- schließlich des Stellvertretungsrechtes erhalten soll. Die ritterschaftlichen Abgg. Frhr. v. Ow und Graf Uxkull traten für die Beibehaltung dieses Artikels ein mit dem Hinweis, daß diese Bestimmung in Württemberg seit 1853 geltendes Recht und daß Unzuträglichkeiten daraus nicht erwachsen seien; andererseits sei es bekannt, daß in manchen Gemeinden der große Steuerzahler in ungebührlicher Weise ausgenützt werde. Der Minister des Inneren, Dr. v. Pischek, fügte noch hinzu, daß der Staat selbst an dieser Bestimmung das größte Interesse habe, weil er in einzelnen Fällen bis zu 80° o der Gemeindeumlage zahle. Die Abgg. Haußmann- Balingen, v. Geß, Maier-Blaubeurcn, Hilden-
Das Glas -es Erasmus.
Humoreske von Adolf Wiele.
-(Nachdruck verboten.)
Di« Mitglieder des »Vereins für Münzkunde" hatten den wissenschaftlichen Teil ihrer Sitzung beendet. Ein lebhaftes Gespräch entspann sich an dem runde« Tische, der außer einer Anzahl von seltenen Münzen.mit verschiedenen Exemplaren der weniger Dienen Spezies »Bierseidel" bedeckt war.
Man unterhielt sich über Sammlungen von Altertümern, und einer der Herren erwähnte dabei des wohlklingenden Namens Holzbock.
- ihn auch gekannt, den alten Holzbock
in Frankfurt am Main?» rief der Justizrat Krüger.
»Freilich kannte ich ihn, ihn und seine vor- trefflichen Sammlungen," erwiderte der Angeredete, der Rentier Blume. ^
ist mit ihm einmal eine unangenehme Geschichte passiert," fuhr Krüger fort, »die ich Ihnen, meme Herrn, soviel ich weiß, noch nicht mit- geteilt habe."
Die kleine Gesellschaft bat den Justizrat zu erzählen, und dieser begann:
»Der Trieb, merkwürdige Altertümer zu sammeln, regte sich schon früh in mir. Indessen wird eS Ihnen wohl einleuchten, daß in meinen Studentenjahren und z. Zt. meiner hohen staatlichen Würden als Referendar und Assessor meine Sammlungen in sehr bescheidenem Rahmen bleiben mußten. Trotzdem
war mein Interesse ein sehr reges, und so suchte ich denn auf einer Reise, die mich durch Frankfurt führte, auch den seligen Holzbock auf. Christlieb Holzbock, Besitzer einer der verschlagendsten Physiognomie», die mir in meiner juristischen Praxis vorgekommen, bewohnte ein altes großes Haus in einer abgelegenen Straße."
»Ganz richtig, ich entsinne mich," unterbrach ihn Rentier Blume, »ich habe ihn dort auch besucht."
„Dieses Haus war von unten bis oben mit Kuriositäten angefüllt, die der Alte gleich einem Drachen hütete. Sein größter Stolz waren jedoch einige Unika, Geräte und Kleidungsstücke, die im Gebrauche historischer Berühmtheiten gestanden hatten und die durch Dokumente als unzweifelhaft echt bezeichnet wurden. So besaß er einen Koller Oxenstierna's, ein paar Schuhe von Kant, eine Schillerlocke, eine Mütze von Ziethen und andere Dinge mehr. Indem er mir dieselben vorwies, forschte er mich aus, ob ich auch etwa eine solche verbriefte Merkwürdigkeit mein eigen nenne. Durch einen glücklichen Zufall war ich Besitzer zweier Sporen, mit denen einst der weiland Generalissimus Tilly seinen Gaul gekitzelt hatte. Als ich dem seligen Christlieb Holzbock das Dokument beschrieb, das die Echtheit meines Besitzstückes verbürgte, leuchteten seine scharfen Augen plötzlich auf; dann aber fuhr er ruhig fort, mir seine Unika vorzuweisen. »Und nun," sagte er endlich mit feierlicher Stimme, „werde ich Ihnen die Perle meiner Sammlung zeigen, ein Trinkglas, das der große Erasmus von Rotterdam
im ^täglichen Gebrauch hatte." Er ließ mich das dazu gehörige Dokument lesen und reichte mir dann das Glas zur genauen Betrachtung. Ich erinnere mich desselben noch genau, es war ein grüner Römer mit Weißen Buckeln."
»Unglaublich! Ganz eigenrümlich!" rief in diesem Augenblick der Rentier Blume mit dem Ausdrucke höchster Verwunderung.
Die Gesellschaft blickte erstaunt auf den Unter- brechenden, dieser faßte sich jedoch und rief: »Bitte fahren Sie fort, Herr Justizrat!"
„Während ich nun das Glas von allen Seiten betrachte, erschallt plötzlich hinter meinem Rücken ein entsetzliches Gepolter, als ob eine Höllenmaschine explodiere. Mit der Geberde des entsetzlichsten Schreckens fährt oder knickt vielmehr Holzbock vor mir zusammen, und ich von dem so plötzlich Gehörten und Erschauten jählichst übermannt, lasse das Glas fallen, das auf dem Boden in Scherben zerbricht."
„Weiter! weiter!" unterbrach Blume, vor Spannung atemlos. Wieder blickten ihn die andern erstaunt an.
„Und was war zusammengestürzt?" fragt der alte Oberst von Bärenklau mit seiner ruhigen Stimme.
„Es war nur ein aufgetürmter Haufe alten Gerümpels," erwiderte der Justizrat. »Doch nun hätten Sie Holzbock sehen sollen! Sein Jammer, seine Verzweiflung waren grenzenlos. Auch meine Verlegenheit war ungeheuer, und höchst peinlich war mir der Gedanke, wie ich das kostbare einzige Stück ersetzen sollte. Endlich gelang es mir, den verzweifelten alten