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Der Lnztäler

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

Kmlsblalt kür Sen Oberamlsbezirlc Neuenbürg.

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Fernsprecher Nr. 4.

Neuenbürg, Montag den 14. November 1904.j 62. Jahrgang.

Rundschau.

Berlin, 12. Nov. Die »Hamb. Nachr." wollen aus angeblich bestunterrichteter Quelle erfahren haben, daß die Reichsregierung beabsichtige, wegen der un­günstigen Lage der Reichsfinanzen im nächsten Jahr auf einer umfasfenden Reichsfinanzreform unbedingt zu bestehen.

Berlin, 12. Nov. DieNordd. Allg. Ztg." meldet: Der von Gouverneur Leutwein schon vor längerer Zeit nachgesuchte Urlaub ist bewilligt worden, nachdem General v. Trotha den Oberbefehl auch im Süden des Schutzgebietes Übernommen hat. Mit Rücksicht auf die im Schutzgebiet zur Zeit vorwiegen­den militärischen Interessen übernimmt General von Trotha die oberste Leitung der Gouvernementsgeschäfte in Vertretung. Da Gouverneur Leutwein in lieber- einstimmung mit seinen eigensten Wünschen nicht als Gouverneur in das Schutzgebiet zurückkehrt, ist für später als Nachfolger v. Lindequist, Generalkonsul in Kapstadt, in Anssicht genommen.

Berlin, 12. Nov. Der Reichsanz. teilt mit: Am 12. Dez. wird in Biber ach eine von der Reichs- bankstelle in Ulm abhängige Reichsbankneben­stelle mit Kasseneinrichtung und beschränktem Giro­verkehr eröffnet werden.

Der neue deutsch-schweizerische Handels­vertrag ist gestern mittag in Bern vom Bundes- rat Deucher und dem deutschen Gesandten v. Bülow unterzeichnet worden.

Die Stimmabgabe für Roosevelt betrug ungefähr 8 Millionen, für Parker SV? Millionen. Zerspittert sind 100000. Darnach stellt sich also die Wahl Roosevelts als ein geradezu beispielloses Ver­trauensvotum des amerikanischen Volkes dar. Die radikalen der verschiedensten Schattierungen jubeln ebenfalls. Aus Milwaukee wird die Wahl des ersten sozialistischen Kongreßmitglieds gemeldet. Chicago gab 45000 sozialistische Stimmen ab, New Uork 30000 gegen 15000 bei der letzten Wahl.

Die amerikanische Marineverwaltung wird vom nächsten Kongreß die Ermächtigung zum Bau von 3 Schlachtschiffen, 5 Kreuzern, 6 Torpedo- böotszerstörern, 6 Torpedobooten und 2 Kohlenschiffen verlangen. Die Kosten find auf 41300000 Dollars veranschlagt.

Berlin, 12. Nov. Aus London meldet der Lokalanz.: Die japanische Regierung betreibt mit großer Beschleunigung die Vorbereitungen zur Be­kämpfung der baltischen Flotte. Alle Flottenoffiziere, die nicht aktiv an Operationen beteiligt sind und ihre I Posten verlassen können, wurden nach Japan berufen.

Petrikau, 12. Nov Polizeioberst v. Nehrlich wurde auf dem Bahnhof von Tschenstochow durch eine unbekannte Person schwer verletzt.

Berlin, 12. Nov. Ein scharfes Vorgehen gegen die Schwindelausverkäufe wird in einem Fachblatt der Texlilbranche angekündigt. Der preuß. Justiz­minister soll die Staatsanwaltschaften neuerdings an­gewiesen haben, künftig in allen Fällen, wo es sich um eine schwindelhaste Reklame oder um einen Scheinausverkauf handelt und dem Lager stets neue Ware Angeführt werden, Klage zu erheben.

Wiesbaden, 12 Nov. Bei der heutigen Land- tagsersatzwahl für den Wahlbezirk 9, Wiesbaden, wurde Bartling (natl) gegen Dr. Müller-Sagan (frs. Vp.) mit 250 gegen 123 Stimmen gewählt.

In Metz geht das Gerücht, Bischof Benzler trage sich mit dem Gedanken, seine Würden nieder­zulegen und in sein Kloster in der Eifel zurückzukehren.

Frankfurt, 12. Nov. Die beiden Raubmörder Groß und Stafforst find heute morgen von Scharfrichter Engelhardt aus Magdeburg hin ge­richtet worden.

Jena, 7. Nov. Ein sozialdemokratischer Bürger­meister ist zum erstenmal in Diutschland gewählt worden. Die Wahl fand in dem benachbarten Städt­chen Ziegenhain statt, das als sogenanntesBier­dorf" im hiesigen Studentenleben eine große Rolle spielt. Der sozialdemokratische Gemeinderat, Buch­drucker Gretscher, erhielt in der Stichwahl die Majorität.

Aus Baden, 9. Nov. (Wein) Auch in den letzten acht Tagen war der Absatz in neuem Wein in allen badischen Weinbaugegenden zufriedenstellend. Die Weinpreise sind fest, bei Rotwein sogar steigend. So wurden in jüngsten Tagen Feldberger und Biengener zu 2528 Rheinweilerer zu 30 bis

34 Müllheimer zu 3545 Laufener zu

4750 am Kaiserstuhl Merdinger zu 2223

Mark bezw. 3334 Eichstetter zu 2224 Bötzinger zu 2427 -/A, Burkheimer zu 2428 ^ bezw. 3550 ^ und in der Ortenau Rammers-

weierer, Kappelrodecker, Durbacher, Tiergarten». Nesselrikder und Sasbachwaldener Rotweine zu 50 bis 75 ^ das Hektoliter abgesetzt.

Württemberg.

Stuttgart, 12. Novbr. Die Kammer der Abgeordneten begann heute die Beratung eines neuen Abschnitts der Gemeindeordnungsnovelle, nämlich des Abschnitts II, der sich mit der Vertret- und Verwaltung der Gemeinden befaßt. Ein be­sonders großer Fortschritt wurde dabei in den Ver­handlungen nicht gemacht, denn die Frage, ob der BürgerausschÄß beibehalten und in allen Ge­meinden des Landes zur Einführung gebracht werden soll, rief eine dreistündige Debatte hervor. Die Kommission, vertreten durch den Abg. Haußmanr» Balingen als Berichterstatter und den Abg. Schick als Mitberichterstatter, hatte sich für die Bejahung dieser Frage ausgesprochen und als Ergänzung zu Art. 9, wonach die Vertretung der Gemeinden und die Verwaltung ihrer Angelegenheiten nur dem Ge- meinderat zukommen sollte, einen Absatz 2 beantragt, wonach zur lleberwachung der Verwaltung der Ge­meinde ein Bürgerausschuß bestellt wird, der in den gesetzlich bestimmten Fällen zur Mitwirkung an der Verwaltung berufen ist. Der Minister des Innern Dr. v. Pischek verzichtete zwar in einer längere» Rede darauf, eineu anderen Beschluß als den der Kommission herbeizusühren, hielt eS aber doch für seine Pflicht, den Standpunkt der Regierung nochmals zu wahren. Ec betonte, daß die Abschaffung des Bürgerausschusses wenigstens für die kleineren Ge­meinden eine wohltätige und wichtige Vereinfachung der ganzen Verwaltung mit sich bringen würde, daß der Bürgerausschuß historisch nicht begründet sei, da die Gemeinderatsmitglieder nicht mehr auf Lebenszeit gewählt würden und daß die Bürgerschaft einer be­sonderen Vertretung gegenüber dem Gemeinderat nicht bedürfe, wie denn auch das Einkollegialsystem in fast allen Gemeinden Deutschlands bestehe. Gegen diese rein sachlichen Ausführungen wandte sich mit ziem- licher Schärfe der Berichterstatter Haußmann, indem er dem Minister vorwarf, er sei kein Harun al Raschid, der in die Dörfer hinausgehe, um die Wünsche der Einwohner kennen zu lernen. Der Referent brachte dann eine Reihe von Gründen für

Der Ahnensaal.

Erzählung von Andolph Wustrow, p -(Nachdruck verboten.)

In schwerfälligem Trabe zogen zwei starke Pferd eine große, altmodische Kutsche durch die sandig Ebene.

Ernst und träumerisch sah der stattliche jung! Mann, der allein im Wagen saß, in die einförmig Gegend hmaus.

.. ^ ^ar ein freudloser Anblick. Sand bedeckt die Felder, aus denen die herbstliche» Stoppelt ö,""oen, Sand lag auf den Wegen "und ließ di Räder des schweren Gefährts tief einsinken, Sani umgab die Wurzeln der Föhren, der einzigen Bäume

na- c. ^ Reisenden fiel. Ein kalte

Wmd strich über die leeren Felder, der Erde nah zogen graue Regenwolken dahin, am Horizont

verhüllend" ^ Dunstgebilde, die untergehende Sonn

Kamn hatte der Wagen einen der unabsehbare! §"^nwalder erreicht, welche die einsamen Straße! durchschnttten, als auch schon die Tropfen auf da Lerbach herabrasselten, einen beharrliche» Land nzrn einleitend.

Sie ,auch noch naß," rief de

ÄlÄ Wagens m freundlichem Tone der Kutscher zu. .Wre wett ist eS noch?"

«Wie weit?" brummte der alte Kutkcber sei, mürrisches Gesicht verziehend. .Noch eine Stünde.

Müde lehnte sich der junge Mann in den Sitz zurück und schloß die Augen.

Die Nacht war schon herabgesunken, als der Wagen seinen Bestimmungsort erreichte. An einem mächtigen Tore hielt der Kutscher und knallte mit der Peitsche. Bald öffnete sich knarrend die Pforte, ein älterer Mann erschien und begrüßte den Reisenden mit einigen Verbeugungen. Als der Wagen in den Hof hineinfuhr, schlossen sich ihm einige Knechte mit Stalllaternen an. Durch diese wenigen Lichter war der weite Hofraum nur spärlich beleuchtet.

Aus dem Wagenfenster heraus forschend, erblickte nun der angekommene Gast an der linken Seite hohe, langhingezogene Scheunen. Ein anderes, kleineres Tor führte hier auf einen zweiten Hof. An der rechten Seite sah der Reisende mächtige alte Bäume, die ihre halbentblätterten Zweige gespenstig in die Luft streckte» und in deren dürrem Laub der Nacht­wind rauschte. Hinter den Bäumen aber erhob sich ein hoher, düsterer Bau: das alte Schloß Rofselstein. Gar seltsam zuckten die Lichter der Laternen an der altersgrauen Wand des unheimlichen Gebäudes hin und her, das wie tot und ausgestorben erschien Kein Laut ließ sich darin hören, kein Licht erglänzte, nur aus der geöffneten weiten Türe drang der Strahl einiger Kerzen.

Der Wagen hielt, der Fremde entstieg dem Halb- dunkel, daS seine stattliche Gestalt und seine Züge bisher verbarg, und schritt auf die Bitte des alten Mannes die breite Freitreppe zum Portal hinan. Das Treppenhaus des Schlosses nahm ihn ans, ein

mächtiger Raum, durchaus mit braunem Holz ge­täfelt, mit Schildern und Hirschgeweihen ausgeschmückt.

Nur der Alte, der das Amt eines Hausverwalters innezuhaben schien, war dem Fremden in Begleitung eines jungen Knechts gefolgt. Jetzt ging er um ihn herum, ergriff einen Leuchter mit zwei Kerzen und schickte sich an, den Fremden aus sein Zimmer zu begleiten.

Kaum aber erschaute er nähertretend das wohl­gebildete Antlitz des jungen Mannes, als er voll des höchsten Schreckens ausrief:O du allmächtiger Himmel!" Der Leuchter entfiel seiner Hand, seine Glieder zitterten und gleich darauf sank er ohnmächtig zu Boden.

Erschrocken floh der junge Bursche auf den Hof hinaus, der Fremde aber, in dessen Züge Erstaunen und Teilnahme spielten, beugte sich über den dahin- gesunkenen Greis. Mitleid erfüllte ihn, wenn ihn auch der erste Anblick des Alten widerwärtig berührt hatte. Und das hämische und listig blinzelnde Auge, das unablässige, beinahe wahnsinnig erscheinende untertänige Lächeln, das auf den Zügen des alten Dieners ruhte und sein fleischloses Angesicht fast zur Teufelsfratze entstellte, dies alles mußte entschieden jeden abstoßen.

Doch das Mitleid besiegte seinen Widerwillen. Er ließ den Hausverwalter in dessen Wohnzimmer tragen und gab zweien der Knechte Anweisung, wie sie ihn wieder zum Bewußtsein bringen könnten.

Doch entzog er sich dem Erwachen des Alten