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Der Enztälsr
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
Amtsblatt kür Sen Vbsramtsbszirk Neuenbürg.
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Fernsprecher Nr. 4.
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Neuenbürg, Montag den 30. Mai 1904.
62. Jahrgang.
RunSschau.
Berlin, 28. Mai. Die Zentralstelle für das evangelische Deutschland ist nunmehr endgültig in Berlin gebildet worden. Vertreter aus fast allen Gegenden Deutschlands waren zur Begründung dieser Einrichtung erschienen. Zum Geschäftsvorsitzenden Wurde Pfarrer Weber aus München-Gladbach gewählt.
Berlin, 28. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg." wendet sich in ihrem Wochenrückblick gegen die auf dem Allgemeinen Lehrertrag in Königsberg erhobenen Forderungen einer allgemeinen Volksschule und der Zulassung der seminaristisch gebildeten Lehrer zum Univerfitätsstudium.
Bei dem Stapellauf des neuen Linienschiffes „Lothringen" in Danzig, der in Gegen- wart des Kaisers statt fand, wies der Statthalter Fürst zu Hohenlohe in seiner Taufrede auf die Ereignisse im fernen Osten hin, die an den Wert der Seemacht mahnten. Die Namengebung vollzog darauf die Gräfin Zeppelin. Der Kaiser besichtigte nach dem Ablauf des Schiffes die neuen Hafen- anlagen Danzigs und die Werft und speiste dann mit dem Prinzen Heinrich bei dem Offizierkorps der Leib-Husaren- Brigade.
Karlsruhe. Seit mindestens zehn Jahren ist hier die Ausführung der Schwemmkanalisation in der Schwebe, weil gegen die Einleitung der Abtrittstoffe in den Rhein von den weiter unterhalb liegenden Gemeinden Einsprache erhoben wurde. Die Stadt hat sich genötigt gesehen, beim Ausfluß des zum Rhein führenden Hauptkanals ein Klärbecken zu projektiere». Jedoch hat sie beantragt, daß die Klärung nur durch Filterrechen geschehen soll, weil man sonst mit den stark wasserhaltigen festen Stoffen nicht wüßte, wohin damit. Der größte Teil des Hauptkanals ist schon hergestellt. Die weiteren Aufwendungen sind auf 1,3 Millionen Mark berechnet, die 61,000 ^ Zinsen erfordern. Der Betrieb des Klärwerks ist auf 12 000 der Mehraufwand für Kanalreinigung auf 7000 ^ berechnet, zusammen
80000 ^ jährlich. Trotzdem hofft man auf eine Ersparnis gegenüber dem jetzigen Abfuhrsystem, nicht für die Gemeinde, aber für die Bürger, die jetzt für Grubenentleerung, Desinfektion und Nebenkosten rund 120000 ^ aufwenden, was einen Unterschied von 40000 ^ jährlich ergibt. Dazu kommt, daß in Neubauten künftig keine Gruben u. s. w. mehr nötig werden. Allerdings steht die behördliche Genehmigung dieser Anlage immer noch aus.
Die Kurpfuschereivorlage, welche die bad. Regierung der zweiten Ständekammer vorgelegt hat, ist von sämtlichen Parteien in der Kommission abgelehnt worden, weil diese Vorlage die Freiheit der Heilkunde geradezu untergraben hätte. Besonderen Unwillen erregte es, daß nach der Vorlage die Polizei künftighin nicht nur das Recht besitzen sollte, gegen schwindelhafte Reklame einzelner Heilkundiger vorzugehen, sondern sogar die Ankündigung und An- Preisung ganzer Heilmethoden zu verbieten. Das badische Volk ist einstimmig in der Verurteilung der Vorlage, und die Aerzte, auf deren Veranlassung dieses Gesetz eingebracht worden ist, haben eine allgemeine Niederlage erlitten.
Karlsruhe, 29. Mai. Ueber die Gewitter verbunden mit Wolkenbrüchen und Hagelschlag, welche vorgestern und gestern in dem badischen Oberland niedergingen, laufen erst jetzt ausführliche Meldungen ein, welche den angerichteten Schaden als überaus groß bezeichnen. Im Konstanzer Kreise in den Bezirken Meßkirch und Stockach, sowie in der Gegend von Sigmaringen, hat das Unwetter am ärgsten ge- wütet. In Ziegenhansen stieg das Wasser so schnell, daß Böllerschüsse abgefeuert werden mußten, um Hilfe herbeizurufen. Zwei Wohnhäuser stürzten ein. In Stockach wurde ein ganzer Stadtteil unter Wasser gesetzt. Von den Wasfermassen wurden 4 Brücken fortgerissen. Die Bewohner konnten sich nur mit Mühe retten. In Meßkirch wurden die Straßen durch die Fluten teilweise 1 m tief aufgerissen. In vielen Ställen stand das Vieh bis an den Hals im Wasser. Eine Anzahl Schweine und Schafe sind umgekommen.
Würzburg, 29. Mai. In Unterfranken, be
sonders in den Teilen Rhön und Spessart gingen schwere Wolkenbrüche nieder, die bedeutenden Schaden anrichteten. Die Bahnverbindungen sind mehrfach unterbrochen. Der Expreßzug Ostende-Wien litt erhebliche Verspätung. Auch das Isartal wurde schwer durch Gewitter heimgesucht.
Konstanz, 28. Mai. Gestern abend nach 8 Uhr ging ein Unwetter teilweise mit Hagelschlag über die ganze Seegegend nieder. Im Amt Meßkirch erfolgte ein furchtbarer Wolkenbruch, der die ganze Ernte vernichtete und in der Stadt selbst, wo das Wasser sich staute und in höher gelegene Stockwerke eindrang, verschiedene Häuser dem Einsturz nahe brachte. Die Landstraße Kreenheimstetten-Hausen wurde aufgerissen und dürfte monatelang unbrauchbar sein. Aehnliche Nachrichten laufen aus dem Amt Stockach und aus Sigmaringen ein. Ueberall wurde großer Schaden angerichtet, der sich auf Hunderttausende beziffern dürfte. An einigen Orten hat auch der Blitz gezündet.
Zu einer aufregenden Szene kam es in dem gegenwärtig sich in Essen aufhaltenden Zirkus Krembser. In dem Zirkus tritt u. a. auch der Löwendresseur Bügler auf. Als dieser sich in den Löwenkäfig, in dem sich sieben große Löwen befinden, begeben hatte, wurde eine junge Löwin, durch einige Schläge gereizt, widerspenstig. Als der Dresseur weiter auf das Tier einschlug, stürzte sich dieses plötzlich auf ihn und biß ihm die linke Hand fast vollständig ab. Trotz des furchtbare» Schmerzes hatte der Dresseur noch Kaltblütigkeit genug, sich ohne Ueberstürzung zurückzuziehen. Das Publikum war dem beängstigenden Vorfall mit atemloser Stille gefolgt.
Paris, 29. Mai. Der von „Matin" veranstaltete militärische Fußwettlauf auf 45 Irin in der Umgebung von Paris, kam heute bei Prächtigem Wetter zur Ausführung. Der Abmarsch erfolgte um 8ffi Uhr von der Place de la Concorde. Als erster traf Girard vom 149. Linienregiment, Epinal, um 1 Uhr 42 Minuten nachmittags an der Galerie des Machines ein. Die anderen Läufer folgten schnell aufeinander,
Frkulei» Hurte,lvurg
Krnninal-Roman von Rudolf Wustrow.
- (Nachdruck Verbote:
— Schluß —
Um 6 Uhr verließ Rädisch mit den anderen amten das Geschäft. Rasch bemerkte ihn sofort, er an seiner großen, beleibten Gestalt leicht kenn war und folgte ihm.
Rädisch ging ein Stück mit einigen Kollegen trennte sich dann von diesen, um seine Wohn aufzusuchen. Sobald er allein war, wich sein > heriger lebemännischer Ton einer tiefen Nie! geschlagenheit, in gebeugter Haltung schritt er la sam dahin.
Endlich erreichte er seine Wohnung.
Bald darauf drückte Rasch den Knopf.
^ letzt zu Hause!" sagte Kommissar bestimmt zu der Zofe und ging an vorüber auf Rädischs Türe zu.
Auf sein Klopfen ertönte ein müdes Herein!
Der Kommissar fand den Bankprokuristen in > gebeugter Haltung auf einem Lehnstuhle sitzend.
" bm Kommis ar eintreten sah, erschrak er. ! ^ " fich wieder und mit einer Bewegung, von Müdigkeit zeugte, erhob er sich
- Acht ^ Diensten, Herr Kommissa
fragte Rädisch mit erzwungener Freundlichkeit, mit glanzlosen, müden Augen anseheud, während breites, gedunsenes Gesicht leblos blieb ^
„Meine Pflicht führt mich hierher!" sagte Rasch nicht ohne Mitleiden. Ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes.
Rädisch wurde aschfahl, seine Gestalt wankte.
„Wie?" sagte er, indem er sich an der Stuhllehne festhielt.
„Bitte, machen Sie kein Aufsehen und folgen Sie mir!" sagte Rasch. „Vor der Tür habe ich zwei Beamte."
„Ich weiß von nichts, ich bin unschuldig!" stöhnte der Prokurist.
„Es' wird gegen Sie," sagte Rasch, „Anklage wegen Mordes erhoben werden."
„Sie verhaften einen Unschuldigen," wiederholte Rädisch etwas gefaßter. „Doch erlauben Sie," fuhr er dann fort, „daß ich mich ankleideI"
Mit einer plötzlich aufflackernden Energie schob er einen Stuhl zwischen sich und den Kommissar und eilte ins Nebenzimmer. Ehe Rasch, der ihn auch dort beobachten wollte, um den Stuhl herum kam, hatte der Flüchtende die Tür erreicht und hinter sich verschlossen. ____
Vergebens klinkte der Kommissar.
„Oeffnen Sie!" rief er.
Die beiden Beamten, welche sich auf dem Korn- dor aufhielten, drangen jetzt bei diesem Geräusch ebenfalls ins Zimmer.
„Hören Sie mich an!" rief Rädisch drinnen. Ich bin der Schuldige. Ich habe es getan und habe die Schuld auf Ulrich wälzen wollen, indem ich die Schmucksachen in seinem Bette versteckte. Ich wußte auch, daß meine Koufine Heldberg an jenem Abend zu ihr kam. Ich habe es gebüßt, nun habe ich mein Leben satt!"
Die drei Beamten hatten ergriffen das Geständnis angehört.
„Oeffnen Sie!" rief Rasch nochmals. „Ein Mann auf den Flur, einer auf die Straße!" rief er dann.
Die Schutzleute gehorchten dem Befehl, doch sie hatte den Raum noch nicht verlassen, als ein Schuß im Nebenzimmer krachte.
„Können wir nicht von drüben herein?" fragte Rasch und suchte nach einem anderen Eingänge. Das Zimmer, das Schlafgemach des Selbstmörders, hatte jedoch keinen solchen.
Rasch sandte nun sofort zu einem Schlosser. Als dieser geöffnet hatte, fand man Rädisch tot an der Erde liegend, er hatte sich ins Herz geschossen.
Das Geständnis des Schuldigen und sein Selbstmord klärten das Geheimnis auf, das so lange über der Schreckenstat geschwebt hatte. Den zwei unschuldig Verhafteten wurde nun sofort die Freiheit wiedergeschenkt.
Oberlehrer Willmann wollte sich versetzen lassen, doch die ihm allgemein entgegengebrachten Beweise des Bedauerns und Vertrauens vermochten ihn zu bewegen, in seiner Stellung zu verbleiben.
M: Wenige Wochen nach der Haftentlassung wurde seine Heirat mit Erna Heldberg vollzogen.
Im selben Hause, wie diese glücklich Vereinten wohnt auch Willmanns Vater, dessen schweres Schicksal der unschuldig verbüßten Strafe ihm den Lebensmut nicht geraubt hat. So manchesmal, wenn er über vergangene Zeiten nachsinnt, sagt er: „Merkwürdig sind die Schicksale der Menschen. Daß wir damals so wunderbar vor schwerem Unheil bewahrt blieben, war es Zufall oder war es höhere Fügung?"