Rußland auf den Seekrieg keine große Hoffnung mehr setzte und die Entscheidung in dem Ringen mit Japan im Landkriege suchen werde. Aber die jüngsten Verluste der Japaner zur See haben in Rußland einen mächtigen Optimismus auch für den Seekrieg erreicht, und Rußland hofft, wie man den Zeitungen und Privatnachrichten aus Petersburg entnehmen kann, in drei bis vier Monaten, die japanische Flotte in den ostastatischen Gewässern zu vernichten. Und worauf stützt sich diese neue große Hoffnung? Die Russen haben die Entdeckung gemacht, daß Japan in dem Seekriege seine unbrauchbar werdenden Kriegsschiffe nicht ergänzen kann, während Rußland ein neues mächtiges Geschwader nach Ostasien schicken und mit diesem die geschwächte japanische Flotte an- grcifen kann, selbst wenn inzwischen die ganzen russischen Schiffe, die jetzt im Hafen von Port Arthur und Wladiwostock liegen, verloren gehen sollten. In dieser Hoffnung steckt viel russischer Optimismus, aber es liegt derselben auch eine kalte ruhige Berechnung zu Grunde etwa nach der Art der strategischen Berechnung, die der Zar Peter der Große einst in dem Kriege mit Schweden aufstellte, wo er auch erst große Niederlagen erlitt und dann schließlich siegte, weil er neue stärkere Heere der geschwächten schwedischen Armee gegenüberstellte. Nach den neuesten Meldungen aus Petersburg besteht auch kein Zweifel mehr darüber, daß das baltische Geschwader, also die russischen Kriegsschiffe, die bisher in Kronstadt, Riga und Libau gelegen haben, nach Ostasien geschickt werden. Es ist aber noch nicht erwiesen, ob die Japaner wirklich nicht imstande sind, ihre Flotte zu ergänzen und zu verstärken. Vielleicht kaufen sie in Amerika eine Anzahl Kriegsschiffe, und die Japaner haben ja auch eigene Werften, auf denen sie Schiffe bauen können. Ohne Zweifel sind die Japaner auch viel tüchtigere Seeleute als die Russen, und die Hoffnung der Russen, daß sie in drei bis vier Monaten zur See den 188 Kanonen der Japaner 386 Kanonen entgegenstellen würden, enthält noch nicht die Garantie für den russischen Sieg, da gerade im Seekriege auch die Leitung und Beweglichkeit der Flotte eine sehr große Rolle spielt. Jedenfalls wird aber dieser große Krieg noch in ein neues kritisches Stadium kommen, da Rußland nicht kleinmütig zurückweichen kann.
Württemberg.
Stuttgart, 27. Mai. Wie man hört, soll der Landtag am Schluß der gegenwärtigen Tagung, die voraussichtlich Ausgangs nächsten Monats ihr Ende errreichen wird, nicht geschlossen, sondern nur vertagt werden.
Stuttgart, 26. Mai. Aus Anlaß des Todes der Prinzessin Johann Georg von Sachsen sind deren Brüder, die Herzöge Albrecht und Robert von Württemberg, nach Dresden gereist.
Stuttgart, 27. Mai. Der Verband der badischen Arbeitsnachweise beabsichtigt die Einführung gemeinsamer Bakanzenlisten nach württ. Muster, nachdem bereits die elsaß-lothringischen Arbeitsnachweise in gleicher Richtung vorgegangen sind.
„Machen Sie mir doch nichts weiß!" rief der Kommissar. „Ich habe es aus bester Quelle."
„Na, dann weiß Ihre beste Quelle nicht viel," sagte der Kassenbote, durch den Unglauben gereizt. „Rädisch hat großen Verlust gehabt — na, er hat ja jetzt geerbt!"
Es war 4 Uhr geworden, Rasch eilte daher ins CafL Zentral.
Er saß noch nicht lange, als der Rechtsanwalt Wusterbart erschien.
Mit großer Umständlichkeit legte er Hut, Ueber- zieher und Schirm ab und nahm bei dem Kommissar Platz.
„Was ich trinke?" erwiderte er, als der Kellner nach seinen Wünschen fragte. „Kaffee regt mich zu sehr auf! Bier trinke ich nie zu dieser Zeit! Wein habe ich erst zu Mittag getrunken! Schokolade enthält zu viel Gewürz! Kakao stopft zu sehr! Likör enthält mir zu viel Alkohol! Selterswasser kühlt mich zu sehr ab! Thee erhitzt mich zu sehr!"
Der Kellner blickte ihn unverwandt an, indem er ein Lächeln unterdrückte, und der Rechtsanwalt bestellte endlich Zitronenlimonade. Dann sagte er zu dem gespannt wartenden Kommissar: „Alles geht gut! Der Rädisch muß ja in einer furchtbaren Geldklemme gesessen haben! Denken Sie sich, Herr Kommissar, er hat, wie ich auf dem Gruudbuchamte erfuhr, sofort nach Antritt der Erbschaft zweihundert- tauseud Mark Hypotheken auf das Rittergut auf- genommen!"
Stuttgart, 27. Mai. Die Königin hat sich heute früh 7.80 Uhr zu kurzem Besuch nach Avol- stein begeben.
Stuttgart, 27. Mai. Auf der Möbelmesse gestaltete sich das Geschäft an den letzten zwei Tagen ziemlich lebhaft. Es wurde viel verkauft; besonders rege war die Kauflust bei den Händlern. Auch auf dem Korb- und Küblermarkt, sowie auf dem Porzellanmarkt war rege Kauflust zu bemerken.
Stuttgart, 28. Mai. Nach einigen drückend heißen Tagen ging gestern Nacht zwischen 10 und 12 Uhr über der Stadt ein schweres Gewitter nieder, das von wolkenbruchartigem Regen begleitet war und endlich die erwünschte Abkühlung brachte. Durch das Gewitter, das sich von Norden her näherte, entstanden längere Störungen des telephonischen und des telegraphischen Verkehrs.
Tübingen. Die Schwurgerichlssitzungcn des II. Quartals beginnen hier am Montag, den 20. Juni ds. Js. Zum Vorsitzenden ist wieder Landgerichtsrat Dr. Kap ff ernannt.
Freudenstadt, 27. Mai Gestern und heute fand im hiesigen Rathaus eine Konferenz der Vertreter der süddeutschen Eisenbahnverwaltungen zur Festsetzung eines gemeinsamen Signalbuchs statt. Als württembergischer Vertreter nimmt daran Ober- finanzrat v. Leo teil.
Oberndorf, 27. Mai. Mit großem Pomp wurde gestern die Leiche des türkischen Obersten Rifat Bey, welche nach Konstantinopel überführt wird, zur Bahn gebracht. Die Tübinger Militärmustk spielte Trauerweisen und den Leichenwagen, der rot ausgeschlagen und geschmückt war, begleiteten die Kameraden des Verstorbenen, die Beamten und Meister der Waffenfabrik, Bezirks- und städtische Beamte und dcr Kriegerverein.
Angesichts der günstigen Erfahrungen, die mit den Räucherwehren gegen Frostgefahren im Kochergebiet gemacht wurden, hat die Regierung des Jagstkreises genehmigt, daß in Jngelfingen und Niedernhall ein Ortsstatut über Gemeindedienste in der Frosträucherwehr errichtet werde, so daß nunmehr die Räucherung besser durchgeführt werden kann. Auch in Grießbach und Weißbach sollen solche Orts- statuten beschlossen werden.
Schramberg, 25. Mai. Der als angeblicher Mörder der Pauline Stimmler von Winzeln verhaftete Bauer Josef Müller von Böstngen hat bis jetzt ein Geständnis noch nicht abgelegt, behauptet vielmehr, er sei um die kri.ische Zeit in Oberndorf gewesen. Durch die hiesige Landjägerschaft ist nun ein Zeuge ermittelt worden, der den Verhafteten am Tage des Mordes bei der Ermordeten gesehen hat.
Vom Bodensee, 26. Mai. Die Gründung des Bodensee-Sängerbundes ist an der Finanzfrage gescheitert.
Schloßgut Beilstein, 27. Mai. In den Weinbergen am Langhans sind blühende Trauben anzutreffen.
Backnang, 27. Mai. Bei der heutigen Wahl eines Stadtbaumeislers wurde der beim Neuenbürger Stadtbauamt tätige August Müller von Marbach mit großer Majorität gewählt.
„Zweihunderttausend Mark?" fragte Rasch mit Erstaunen.
„Wie mir der Leiter einer Bank, den ich zufällig persönlich gut kenne, im Vertrauen mitteilte, hat Rädisch Unsumme» im Börsenspiel verloren. Zudem hat er ein sehr kostspieliges Leben geführt — na, Geld loszuwerden ist ja kein Kunststück! Er muß direkt vor dem Ende gestanden sein. Die Erbschaft war das Einzige, das ihn rettete; er hat denn auch, wie ich schon mitteilte, einen hübschen Teil davon gleich benutzt, um die schlimmsten Löcher zuzustopfen. Er hat das Rittergut auch gleich zum Verkauf gegeben und wird dann den Rest seiner Schuldner befriedigen. Und was haben Sie erfahren, Herr Kommissar?"
Rasch berichtete nun, was er erkundet hatte.
„Die Sache liegt sehr einfach!" sagte der Rechtsanwalt. „Er und kein anderer hat die Tat be- gangen. Seine Gläubiger drängten ihn, er benutzte nun die Gelegenheit, um vom Kasinoball, der ihm ein schätzbares Alibi bieten sollte, auf eine Stunde zu verschwinden. Die nötigen Dietriche besaß er, das zeigen die Aeußerungen der Zofe. Sie werden doch nun einen Haftbefehl erwirken?"
„Allerdings, sofort!" erwiderte der Kommissar.
Beide Männer begaben sich nun zum Polizeipräsidenten und zum Staatsanwalt und 2 Stunden später legte sich Rasch, von zwei Beamten in Zivil begleitet, in der Nähe der Bank, in der Rädisch an- gestellt war, auf die Lauer.
— (Schluß folgt.) —
Untertürkheim, 27. Mai. Die Daimler. Motorengesellschaft hat nun vor einigen Tagen ihren Umzug hieher vollende» können. Die Räumlichkeiten sind eben fertig geworden. Da kaufmännische und technische Beamte des Werkes von früherher in Cannstatt. Stuttgart und Eßlingen ihren Wohnsitz haben, ist für diese durchgehende Arbeitszeit mit Pause von 12 bis '/s 1 Uhr von -/s O Uhr bis abends 5 Uhr eingerichtet worden.
Llus SlaSt» Bezirk uns Umgebung.
Neuenbürg, 26. Mai. Zu den bevorstehenden Kirchengemeinderatswahlen dürfte manchen Lesern ein Wort der Aufklärung erwünscht sein, zumal da überhaupt in Sachen des kirchlichen Lebens noch so viel Unkenntnis und Mißverstand in den breiten Schichten unseres evangelischen Volkes anzutreffen ist. Lange Jahrzehnte hindurch war man in unserem guten Schwabenland allzu sehr gewohnt alles — auch in kirchlichen Dingen — dem „Staat" zu überlassen oder innerhalb der einzelnen Gemeinde dem „Rathaus"; dagegen entspricht es dem Fortschritt der Zeit, daß die Kirche sich auf ihre eigene innere Kraft besonnen und sich in jeder einzelnen Gemeinde eine Vertretung ihrer Anliegen und Interessen geschaffen hat, die, von den Angehörigen der Kirchengemeinden gewählt, das nächste Vertrauen der Kirchengemeindegenossen beanspruchen kann. Diese Ver- tretung ist der Kirchengemeinderat. Sein Ge- burtstag ist das Gesetz vom 14. Juni 1887, das die Grundlage und den Ausgangspunkt bildet für alle die mancherlei Fortschritte und Verbesserungen auf dem Gebiete des kirchlichen Lebens bis auf die Gegenwart. Nicht mit Unrecht hat man von diesem Gesetz mit seinen 96 Artikeln schon geurteilt, es habe nur einen Fehler, nämlich den, daß es nicht 20 oder 50 Jahre früher das Licht der Welt erblickt habe. Seine Hauptabsicht geht auf die Loslösung der kirchlichen Gemeinde von der bürgerlichen Gemeinde, und auf die Ermöglichung einer selbständigen Regung und Bewegung der elfteren innerhalb des staatlichen Volkskörpers. Der Kirchengemeinderat führt die örtliche Aufsicht über das gesamte kirchliche Leben, er verwaltet die Einnahmen und Ausgaben der Kirchen- pflege, beschließt vorbehältlich der Genehmigung der Aufsichtsbehörden kirchliche Umlagen auf die einzelnen Genossen der Kirchengemeinde und übernimmt in jeder Hinsicht die Vertretung der Interessen der einzelnen Kirchengemeinden. Die Voraussetzung der Einrichtung des Kirchengemeinderats bildete die Aus- scheidung des „Kirchenvermögens" aus dem früheren sog. .Stiftungsvermögen". Letzteres hatte der sog. „Stiftungsrat" zu verwalten, d. h. der weltliche, bürgerliche Gemeinderat unter Zuziehung des Pfarrers, welch letzterer mit dem Ortsvorsteher gemeinsam die Leitung der Geschäfte zu besorgen hatte. Dieser Stiftungsrat wurde durch das K. Ver- waltungsedikt vom 1. März 1822 ins Leben gerufen und hatte nahezu 70 Jahre seines Dienstes gewaltet. Als sein „Ausschuß" fungierte der sog. „Kirchenkonvent", von dem in § 132 des Verwaltungsedikts gesagt ist: „Derselbe hat (außerdem) die Bestimmung, für die Erhaltung der Sitten-, Kirchen- und Schul-
(Scheibenschießen als Hinrichtungsmethode.) Auf
ganz besondere, recht amerikanische Art ist jüngst in Salt-Lake-City, der Hauptstadt des nordamerikanischen Staates Utah, ein gewisser Franz Rose vom Leben zum Tode befördert worden. Rose hatte seinen kleinen Sohn vor Hunger und Kälte sterben lassen und seine krank im Bett liegende Frau mit einem Revolver erschossen, worauf er die Leichen in unerhörter Weise geschändet hatte. Er wurde zum Tode verurteilt, und das Gericht ersann für ihn eine neue Hinrichtungsmethode, wie sie vorher noch nicht dagewesen sein dürfte. Er mußte auf einem Stuhl Platz nehmen, worauf man ihn festband und ihm auf die Brust, dort wo sich das Herz befindet, eine kleine Schießscheibe legte. Dann gaben fünf Polizisten, die sich hinter einem Vorhang befanden, so daß er sie nicht sehen konnte, auf Kommando Feuer. Alle fünf Kugeln trafen das Herz, und Rose war sofort tot.
Kapselrätsel.
Gabel, Kupferdach, Wolgast. Staude, Scheere, Ge- sellschaft, Trinkeimer, Lehrer, Trostgedicht.
In jedem der vorstehenden Wörter ist ein anderes Hauptwort versteckt. Sind die richtigen Wörter gefunden, müssen deren Anfangsbuchstaben im Zu- sammenhang einen Berufsstand bezeichnen.
Auflösung des Wortspielrätsels in Nr. 80. Biene — Birne.