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Neuerrbürg, Mittwoch

dm 25. Mai 1904.

62. Jahrgang.

Rundschau.

Pfingstliche Ruhe herrscht auf dem Gebiete der inneren deutschen Angelegenheiten. Als ein- ziges erwähnenswertes Ereignis wäre höchstens die am 20 Mai vollzogene Stichwahl zum Reichstage im Wahlkreise Frankfurt a. O.-Lebus zu verzeichnen. Sie hat erfreulicherweise den Sieg des nationalliberalen Kandidaten Bassermann über den bisherigen Vertreter des Wahlkreises, den Sozialdemokraten Braun, er­geben, denn Wassermann ist mit 14 385 Stimmen zum Abgeordneten gewählt worden, während auf seinen Gegner nur 11880 Stimmen fielen. Hiermit hat also die sozialdemokratische Partei den vierten Wahlkreis in den Reichstagsnachwahlen der letzten Zeit verloren. Das vom Reichstag genehmigte Gesetz über die sogenannte kleine Reform der Reichs - sinanzen ist jetzt vomReichsanzeiger' veröffentlicht worden.

Der Kaiser und die Kaiserin haben das Pfingstfest im Kreise ihrer Kinder, von denen nur der zur Zeit in Ostasien weilende Prinz Adalbert fehlte, im Neuen Palais bei Potsdam verlebt. Als Gast weilte am Freitag und Sonnabend Prinz Leopold von Bayern im Neuen Palais. Der Herzog Paul Friedrich von Mecklenburg, Leut- nant zur See in der deutschen Marine, ist plötzlich in seiner Villa Bartelsallee in Kiel im Alter von 22 Jahren gestorben. Der Verstorbene war der älteste Sohn des 1852 geborenen Herzogs Paul Friedrich. Der Tod des zu schönen Hoffnungen be­rechtigten Prinzen ist durch Herzlähmung, hervorgerufen durch einen unglücklichen Fall, verursacht worden. In Weimar hat am Samstag die feierliche Bei­setzung der am Abend vorher aus Florenz einge­troffenen Leiche der Erbgroßherzogin-Witwe Pauline von Sachsen-Weimar im Beisein des Großherzogs. Paares, der Mitglieder des großherzoglichen HauseS und einer Anzahl fürstlicher Trauergäste stattgefunden.

Der für die Kieler Regattawoche angekündigte Besuch König Eduards von England beim deutschen Kaiser wird, wenn man den hierüber veröffentlichten Beteuerungen der Londoner Blätter und der Berliner offiziösen Presse glauben darf, politische Bedeutung tragen. Es heißt da u. a., es handle sich hierbei nicht um ein zufälliges Zusammen­treffen der beiden mit einander so nahe verwandten Monarchen, sondern um eine wichtige Begegnung, deren Wert in der Beseitigung von Mißverständnissen und in der Sicherung der allgemein angestrebten Friedenspolitik liege. Trotzdem bleibt es noch immer abzuwarten, ob die bevorstehende Monarchen- Zusammenkunft zu Kiel in der Tat einen derartig politischen Charakter aufweisen wird.

Einen politischen Erfolg scheint Deutschland in China davongetragen zu haben. Aus Shanghai meldet die Londoner Times: In amtlichen chinesischen Kreisen verlautet, China habe einem Wunsche der deutschen Negierung entsprechend eingewilligt, daß die Beamtenstellungen in den neuen Bertragshäfen der Provmz Schantung nur an Deutsche vergeben werden

s?- 'OW geschehe kraft der bevorrechteten Stellung, die Deutschland gemäß dem Abkommen vom März 1898 m Verbindung mit der Pachtung von Kiautschou in Schantung emnehme.

m in Deutsch-Südwestafrika.

Nach Meldungen aus ^üdwestafrika sollen die Herero noch für zwei Jahre mit Munition versehen sein. ^Steren Truppentransport nach find Ke LloyddampferSchleswig" undAachen" gechartert worden. lieber die Zer- storung von Gräbern gefallener deutscher Krieger ^rch die Herero wird einem Berliner Blatte aus ^Mm, gemeldet: Die Ostabteilung des Majors v. Glasenapp hatte die Gräber ihrer im Blwak Oniatu verstorbenen Kameraden besonders freundlich hergerichtet, die sechs Hügel mit Steinen eingefaßt, Kreuze mit Namen und Inschriften errichtet

und dann die Gräber wie einen kleinen Kirchhof mit j einer Dornhccke eingefaßt. Die jetzt bei Onjatu biwakierende Abteilung des Majors v. Estorff fand die Gräber durch die Herero geschändet vor. Zwei waren ganz aufgegraben, die beiden Leichen heraus» gerissen, die Totenhemden zurückgeschlagen und auf den Unterleib schwere Feldsteine gelegt Die anderen Gräber waren stark beschädigt. Alle Gräber wurden sofort wieder in Stand gesetzt. Das Massengrab bei Okaharui fanden die Patrouillen Estorffs unberührt.

Aus Deutsch-Südwestafrika kommt die uner- freuliche Nachricht, daß die unter der Kolonne des Majors v. Glasenapp herrschende Typhuskrankheit noch immer nicht zum Stillstand gekommen ist und daß daher auf die weitere Verwendung dieses De­tachements im Feldzuge gegen die Hereros kaum mehr zu rechnen sein wird. Auch die Verwendung der gesunden Mannschaften der Etappenlinie erscheint wegen der Verseuchungsgefahr ausgeschlossen.

Berlin, 21 Mai. Für das veraltete Kanonen­bootHabicht" geht der große KreuzerVineta" nach den südwestafrikanischen Gewässern. Oberst Leutwein sist vom Kommando enthoben und L la 8uite der Schutztruppe gestellt, behält aber das Kommando bis zum Eintreffen Trothas bei.

Berlin, 24. Mai. Gouverneur Leutwein meldet aus Windhuk: Estorff ist am 21. Mai von Otjosondu auf Okamatangara vorgerückt. Dabei wurde von Oberleutnant Böttlin eine Hererowerst überrascht und ihr das Vieh und ein Teil der Waffen abgenommen.

Größere Lieferungen für unsere Truppen in Südwestafrika haben die Konserven-, Marmeladen- und Fruchtsaftfabriken in Werder a. H. erhalten. Dieser Tage wurden bereits 20 000 Flaschen Frucht- fast abgesandt.

Berlin, 21. Mai. Zur Wahl des Abgeordneten Bassermann im Wahlkreis Frankfurt a. O. schreibt die Nordd. Allg. Ztg.: Binnen kurzer Zeit hat so die Sozialdemokratie das dritte Reichstagsmandat durch Nachwahl verloren. Daß dieser Erscheinung allgemeine Ursachen zu Grunde liegen müssen, ist im Laufe der Zeit immer klarer geworden, in der sozial­demokratischen Parteileitung selber aber hat sich neuer­dings begreiflicherweise eine sehr nervöse Stimmung bemerkbar gemacht, die sich in dem sichtlichen Wunsche nach Unterdrückung aller weiteren sensationellen Fälle äußert. Auch die auffallende Scheu der Partei vor weiteren Nachwahlen beweist, daß ihr Selbstvertrauen, das nach den vorjährigen Hauptwahlen so abnorm gestiegen war, seitdem ganz beträchtlich ins Wanken gekommen ist.

Straßburg, 21. Mai. Durch die Ungiltigkeits­erklärung der Wahl des Abgeordneten Rechtsanwalts Blumenthal-Colmar ist eine Ersatzwahl für den Reichstags - Wahlkreis Straßburg - Land notwendig geworden, welche heute stattgefunden hat. Bei der Hauptwahl am 16. Juni 1903 erhielt Blumenthal als Kandidat der vereinigten Liberalen und Demokraten 6398, Chefredakteur Hauß (klerikale Landespartei) 8310 und Schreiner Laurent Meyer (Soz.) 3097 Stimmen. Es mußte infolgedessen Stichwahl zwischen Blumenthal und Hauß erfolgen, welche am 25. Juni 1903 stattfand und folgendes Ergebnis hatte: Blumenthal 9442, Hauß 9058 Stimmen; Blumenthal gewählt. Bei der heutigen Ersatzwahl (21. Mai 1904) im Wahlkreise Straßburg-Land wurden 17 580 St. abgegeben; davon erhielten Karl Hauß 8225, Dr. Blumenthal 7876 und Laurent Meyer 1479 Stimmen. Zwischen Hauß und Blumenthal hat also Stichwahl stattzufinden.

Die bestehende Spannung zwischen der fran­zösischen Regierung und dem Vatikan ist durch die Veröffentlichung der päpstlichen Protestnote gegen die Romfahrt des Präsidenten Loubet beträchtlich verschärft worden. In weiten Kreisen der französischen Nation betrachtet man diesen Schritt des Vatikans als einen entschiedenen Uebergriff gegenüber Frank-

I reich und verlangt dessen energische Zurückweisung. Wie verlautet, will der Ministerrat in seiner nächsten Sitzung definitiv Stellung zu dieser Angelegenheit nehmen; dieselbe soll am nächsten Freitag in der Deputiertenkammer zur Verhandlung kommen. Aus Rom wird zu dem neuen Zwischanfall gemeldet: Niemand gebe sich nunmehr bezüglich des Ausganges des Zwistes zwischen Frankreich und der Kurie einer Täuschung hin. Der Bruch zwischen Frankreich und der Kurie ist demnächst durch die Abreise des Bot­schafters Nisard von Rom zum Ausdruck gekommen.

Die vom französischen Generalstabe geführte Untersuchung in der Spionageaffäre Fragola soll ergeben haben, daß die vollständigen Pläne von Toulon gleich mehreren fremden Mächten ausgeliefert worden seien, daß die Pläne von Brest und von Cherbourg dagegen nur teilweise in den Besitz der Spione gelangt seien. Der Bericht über die Unter­suchung wurde dem Kriegsminister vorgelegt.

London, 20. Mai. DenTimes" wird be­richtet, die gesamte Schwarze Meerflotte habe den Befehl erhalten, sich bis zum 1. August bereit zu halten. Man glaubt, daß das Geschwader auf Grund einer Verständigung mit der Türkei um dieselbe Zeit durch die Dardanellen gehen werde, um sich mit dem baltischen Geschwader zu vereinigen und mit diesem nach Ostasten zu gehen.

Während die europäischen Staaten gegenwärtig in ganz besonderem Maß durch Sorgen der aus­wärtigen Politik in Anspruch genommen sind, be­herrscht das politische Leben in Nordamerika mehr und mehr die bevorstehende Präsidentenwahl. Es ist nunmehr, wie aus Washington gemeldet wird, als sicher anzunehmen, daß Roosevelt die 742 Stimmen des republikanischen Nationalkonvents erhalten wird, vie er braucht, um als republikanischer Kandidat für die Präsidentschaft aufgestellt zu werden.

Auf die Nachricht, daß die geschiedene Groß­herzogin Melitta von Hessen auf das ihr vom Großherzog seit der Ehescheidung gezahlte Jahrgeld von 80000 verzichtet haben soll, rauchen wiederum Gerüchte von einer bevorstehenden Verlobung der Großherzogin mit dem Großfürsten Kyrill auf, der bekanntlich bei dem Untergang desPetropawlowsk" verletzt wurde und sich z. Zt. in Petersburg befindet. Nach demB. T." soll der Zar, der bisher seine Einwilligung versagte, endlich nachgegeben haben. Der Grund der Willensänderung liegt in dem helden­haften Benehmen des Großfürsten vor Port Arthur.

Die kürzlich in Berlin abgehaltene Versamm­lung gewerblicher Verbände hat einstimmig be­schlossen, eine Freie Vereinigung von wirtschaftlichen bezw. Arbeitgeberverbänden zu begründen. Die Freie Vereinigung will die auf eine Gesamtorganisation der Arbeitgeber gerichteten Bestrebungen unterstützen, indem sie für ihre Mitglieder einen gemeinsamen Kartellvertrag mit der Hauptstelle deutscher Arbeit­geberverbände abzuschließen sucht. Die vorläufige Geschäftsführung ist dem Gesamtverband deutscher Metallindustrieller übertragen worden.

Frankfurt a. M., 20. Mai. Das Todesurteil hat auf die beiden Mörder Groß und Stafforst einen niederschmetternden Eindruck gemacht. Auch Groß ist vollständig gebrochen. Er sah noch bei seiner Einlieferung in das Preungesheimer Gefängnis aschfahl aus. Die beiden Mörder find in besonders sicheren Zellen untergebracht, jeder in Einzelhaft. Die Hände stecken in ledernen Handschuhen ohne Finger und sind auf dem Rücken geschlossen. Es wird ihnen dadurch vollständig unmöglich gemacht, sich etwa selbst zu verletzen und sich dadurch der Strafe zu entziehen: Irgendwelche Gegenstände, mit denen sie sich eine Verletzung zufügen könnten, be­finden sich nicht in den Zellen. Außerdem werden sie aufs schärfste bewacht und ständig beobachtet. Die beiden Verteidiger der Mörder werden ihnen abraten, das Rechtsmittel der Revision einzulegen.