Fräulein Hartenburg.
Kriminal-Roman von Rudolf Wustrow.
13) - (Nachdruck verboten.)
Als Rasch, dem daS junge Mädchen leid tat, von ihr Abschied nahm, sagte er: „Ihr Herz ist schwer, ich sehe es Ihnen an; auch neulich, als ich das erste Mal hier war, lastete viel auf Ihnen, noch mehr wie heute. Hoffentlich wird nun bald alles für Sie und Herrn Willmann zu gutem Ende kommen/
Nachdem Rasch bei seinem Vorgesetzten Bericht erstattet, beschloß dieser, Fräulein Erna Heldberg zwar nicht verhaften, jedoch überwachen zu lassen, und so erschien denn bald darauf zu Uhlhorst ein Mann, der scheinbar von dem Fräulein mit Rechnungsführung beschäftigt, wurde, in Wirklichkeit aber die Aufgabe hatte, jeden ihrer Schritte zu beobachten.
Während Rasch noch in Uhlhorst weilte, begann das Gericht bereits mit der Einziehung der Erkundigungen über die Herkunft des Oberlehrers Willmann. Dieser hatte vor Antritt seiner jetzigen Stelle anderswo ein Probejahr abgemacht, und auch die Universitäten, an denen er studiert hatte, waren seinen Kollegen bekannt.
An diesen Orten nachzuforschen, hatte das Gericht jedoch nicht nötig, da unter den Papieren des Oberlehrers das Nötige gefunden wurde.
Rasch, der die Schriftstücke durchsah, fand zunächst das Abiturientenzeugnis von Ernst Willmann.
„Das ist in Ordnung!" sagte er und suchte weiter.
„Hier die Geburtsurkunde! Am 15. Juni u. s. w. wurde geboren rc. Ernst Heinrich Ulrich. — Ulrich?" fragte sich Rasch erstaunt. „Das Alter stimmt — ja, ist denn Willmann — Ulrich?"
Aus alten Briefen ersah der Kommissar, daß der Onkel des Oberlehrers, der ebenfalls Willmann hieß, die Mittel zu dessen Erziehung hergegeben hatte.
Rasch versenkte sich in die Briefe. Da fand er denn nun mancherlei Eigentümliches: so brauchte der Onkel einigemal die Wendung „dein unglücklicher Vater". Einmal beglückwünschte der Onkel den Neffen auch zu einem vorzüglich bestandenen Examen und sprach dabei seine Freude aus, daß „er dem Namen seiner Mutter Ehre mache."
Aus den gesamten Papieren ersah Rasch mit Gewißheit, daß der Oberlehrer früher Ulrich geheißen, daß man ihm aber später den Namen feiner Mutter gegeben hatte.
„Alles wird mir klar," sagte sich Rasch erstaunt, „Willmann ist der Sohn des unschuldig verurteilten Ulrich; um den Mackel, der auf diesem Namen lag, wegzunehmen, nannte man ihn nach seiner Mutter.
Wo hält sich nun aber Ulrich auf? Und ist er es, der den Mord begangen hat? Rechtsanwalt Wusterbart nahm es ja immer an und auch Rädisch äußerte diesen Verdacht. Nun heißt's also, Ulrichs Aufenthaltsort ausfindig zu machen!"
Das Nächste, was der Kommissar unternahm, war ein Besuch in Willmanns Wohnung.
Die Vermieterin erschrak ordentlich, als sie Rasch vor sich sah, war das doch der Herr, der an jenem verhängnisvollen Tage der Verhaftung zweimal bei Willmann erschienen war und dann später an der Haussuchung teilgenommen hatte.
Rasch trat in das Zimmer der Vermieterin und sagte, indem er seine strengste Amtsmiene annahm: ich habe eine Frage an Sie zu richten, die Sie mir in Ihrem eigenen Interesse — nach Ihrem besten Wissen beantworten müssen."
Und während die Frau ängstlich aufhorchte, sprach Rasch im Tone der Unerbitterlichkeit weiter: „Wissen Sie, ob Oberlehrer Willmann eine» gewissen Ulrich kannte?"
„Ulrich?" erwiderte die Frau bänglich. „Ja, Ulrich hieß ja der alte Herr, der bisweilen einmal herkam! Sie haben ihn ja Wohl selbst einmal gesehen; ich dächte, als Sie zum ersten Male kamen, Herr Kommissar, war er auch da."
„Es war allerdings ein älterer Herr da," er- widerte Rasch. „Das war also der Ulrich? Können Sie mir etwas über das Verhältnis sagen, in dem beide mit einander standen?"
„So viel ich weiß," erwiderte die Frau, „hat Herr Ulrich manchmal für den Herrn Oberlehrer etwas abgeschrieben; übrigens kam er nur hie und da einmal."
„Und wo ist seine Wohnung?" fragte der Kommissar weiter.
„Die habe ich nicht erfahren," erwiderte die Frau, „obwohl ich ja sonst manchmal einen Gang für den Oberlehrer machte, so hat er mich doch zu Ulrich niemals geschickt, er ist wahrscheinlich stets selbst gegangen."
„Seinen Vornamen wissen Sie auch nicht?"
„Nein, den weiß ich nicht!" entgegnete die Vermieterin.
„Schön!" sagte der Kommissar befriedigt.
Die Vermieterin faßte Mut und fragte: „Aber bitte, Herr Kommissar, was wird denn nun mit dem Herrn Oberlehrer werden? Ich kann es mir gar nicht denken, daß er es getan haben soll, ein so freundlicher ordentlicher Herr!"
„Also, Sie haben auch eine gute Meinung von ihm?" fragte Rasch.
„Aber natürlich, Herr Kommissar!" rief die Frau eifrig. „Das war ja eine Seele von einem Menschen — ne, der ist unschuldig!"
Rasch begab sich nun aufs Einwohnermeldeamt und unterzog sich dort der Arbeit, sämtliche Ulrichs inbezug auf ihr Alter zu prüfen. Alle unter fünfzig Jahre stehenden sielen fort, und nun machte sich Rasch daran, die übrigbleibenden einzeln aufzusuchen. Bald fand er denn auch den Richtigen, jenen älteren Mann, den er seinerzeit bei Willmann gesehen hatte.
Der Alte stand in dem Zimmer, das er bewohnte, eine Pfeife rauchend, am Fenster, während auf dem Tische ein Buch aufgeschlagen war.
Rasch nannte seinen Namen und sah dem Mann prüfend ins Gesicht. Merkwürdige Züge, von der früheren Schönheit, die er ja besessen haben sollte, war allerdings wenig mehr zu sehen; wahrscheinlich hatte sie nicht in den geistigen Teilen des Gesichts, sondern in der Hautfarbe, dem Haar, den Lippen und dergleichen bestanden. Nun war dies alles ver> ändert, tiefe Furchen durchzogen das gelbe Gesicht, l das von dünnen, grauen Haaren umrahmt war.
Auch hier wollte der Kommissar durch lieber- raschung wirken, er sagte daher ohne Weiteres: „Sie sind doch der Vater des Oberlehrers Willmann?"
„Ich?" sagte der Alte ganz erschrocken. „Aber mein Herr —"
„Er hat den Namen seiner Mutter angenommen, ich weiß alles. Leugnen Sie nicht! Ich bin" — hier zog er seine Blechmarke hervor — „Kommissar der Kriminalpolizei!"
„Nun ja, Herr Kommissar," sagte Ulrich resigniert, „ich bin Willmanns Vater. Ich habe, wie Sie auch wissen werden, schwer leiden müssen — unschuldig, unschuldig leiden müssen."
„Und Sie haben Rache geschworen," sagte Rasch mit Nachdruck, „und haben sich gerächt!"
„Ich mich gerächt? Nein!" erwiderte Ulrich. „Ein anderer, den ich nicht kenne, hat die Strafe vollstreckt!"
„Sie waren es," rief jetzt Rasch, „leugnen Sie nicht! Hiermit verhafte ich sie im Namen des Gesetzes ! Gehen Sie ruhig mit, ich habe zwei Beamten draußen auf der Treppe!"
Rasch erwartete keinen Widerstand von seiten des alten Mannes, aber er glaubte, dieser würde in Bewußtsein seiner Schuld zusammenknicken. Dies geschah jedoch nicht, der alte Ulrich blieb vielmehr sehr ruhig und sagte:
„Also zum zweiten Male unschuldig verhaftet! Nun gut, ich komme mit; lange werden Sie mich ja doch nicht behalten, dann kommt meine Unschuld l an den Tag!"
Rasch kämpfte mit einem stillen Schauder. Dieser Mann, dessen Antlitz im Zuchthause gebleicht war, hatte allerdings unschuldig gelitten — das Geständnis der Karola Hartenburg hatte dies enthüllt. Sollte er nun auch jetzt unschuldig sein?
Doch nein! Rasch überwand seine innere Erschütterung und geleitete den alten Mann schonend über die Straßen ins Gefängnis, während die beiden in Zivil gekleideten Beamten unauffällig folgten.
Selbstverständlich wurde im Zimmer Ulrichs eine Haussuchung abgehalten, und die Beamten waren nicht überrascht, als sie im Bette versteckt die Schmuck- sachen fanden, die Fräulein Hartenburg geraubt worden waren. Alles fand sich da: die mit bunten Edelsteinen verzierten Ohrringe, welche die Gestalt von Paradiesvögeln hatten, das in Rubinen erstrahlende altertümliche Armband und andere Schmuckgegenstände.
Nun verschloß sich auch Rasch der Ueberzeugung nicht mehr, daß Ulrich der Schuldige sei.
Am Tage nach dessen Verhaftung begegnete der Kommissar im Flur des Gerichtsgebäudes wieder einmal dem Rechtsanwalt Wusterbart.
„Nun sehen Sie," brummte dieser dem Kommissar, der ihn grüßte, zu, „der Ulrich ist's doch gewesen! Hatte mir's gleich gedacht."
„Die Frage ist nun doch," entgegnen Rasch, „ob Willmann Mitwisser war. Merkwürdig ist es ja, daß er nur die Halskette erhielt und daß Fräulein Heldberg behauptet, sie habe diese von der Verstorbenen geschenkt erhalten."
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„Das wird sich erst klären," brummte der Rechts- anwalt, „wenn die ganze Gesellschaft vor den Ge- schworenen steht. Die Heldberg werden Sie doch gewiß auch verhaften?"
„Es wird wohl dahin kommen," erwiderte der Kommissar, „falls nicht Ulrich das Geständnis ablegt, daß er der Täter ist."
Der Rechtsanwalt nahm nun, da sie am Portal angelangt waren, das Taschentuch vor den Mund und sagte: „Entschuldigen Sie, daß ich den Hut nicht abnehme, aber auf meinen Kopf darf kein Zua kommen," und ging davon.
Rasch begab sich nun zum Untersuchungsrichter der ihn zur Vernehmung Ulrichs bestellt hatte
Der ehemalige Sträfling erschien sehr ruhia und gefaßt.
„Wollen Sie sich," fragte ihn der Untersuchung, lichter, „über die Anklagepunkte auslassen?"
„Jawohl, Herr Rat!" erwiderte Ulrich ruhig.
„Wo befanden Sie sich am Abend des 15. Oktober?"
„Ich habe mich schon besonnen: Ich sitze ja Abends meist zu Hause, aber damals habe ich einige Abende auswärts gearbeitet."
„So, wo denn?"
„Ich schrieb für das Versandtgeschäft von Fried- länder Adressen und zwar dort im Gcschäftslokal, da die Arbeit pressierte."
„Und das soll auch gerade an jenem Abend ge- wesen sein?"
„Es ist möglich. Genau weiß ich es nicht. Es ist ja überhaupt solch eine Sache mit einem AM: wer kann nach Wochen Nachweisen, wo er warl Wenn es sich nun herausstellt, daß ich zufällig an jenem Abend bei Friedländer arbeitete, so bin ich unschuldig, wenn ich jedoch zu Hause war, wo mich niemand beobachtete, so bin ich schuldig!"
Der Richter ließ den Untersuchungsgefangenen ruhig ausreden, wußte er doch, wie sehr dieser Recht hatte.
„Bitte, Herr Rat," fuhr Ulrich fort, „lassen Sie nachforschenI Habe ich dort gearbeitet, komme ich frei, saß ich zu Hause, werde ich verurteilt. Natürlich unschuldig, aber das ist ja nicht das erstemal bei mir. Ich habe mich auch damit schon abgefunden."
„Allerdings hat sich, wie Sie schon wissen werden," sagte der Untersuchungsrichter, „herausgestellt, daß Sie damals unschuldig verurteilt worden sind."
„Ich weiß es," sagte Ulrich ruhig, „es ist mir mitgeteilt worden, daß Fräulein Karola Hartenburg, unseligen Angedenkens, ein Geständnis ihrer Schuld hiuterlassen hat. Sie hat mir ja auch etwas vererbt — sehr liebenswürdig, noch meine alten Tage zu bedenken, nachdem sie mir die Mannesjahre ruiniert hat!"
„Man kann es Ihnen nicht verdenken," sagte der Richter milder, „daß Sie bitter werden. Wir wollen also bei Friedländer und in Ihrer Wohnung nachforschen, wo sie am Abend des 15. Oktober gewesen sind. Wie erklären Sie es aber, daß in Ihrem Bette die Schmucksachen gefunden wurden?"
„Ich kann mir nur denken, erwiderte Ulrich, „daß sie der Täter, um den Verdacht auf mich zu lenken, dort versteckt hat."
„Das ist aber doch nur schwer möglich," sagte der Richter. „Wohnen Sie allein?"f
„Es ist ein altes Haus," erwiderte der Ge- fangene, „und die Stubentür führt gleich in das Treppenhaus, es kann sich also jemand, der Dietriche besitzt, in meiner Abwesenheit einschleichen."
„Das ist nicht ausgeschlossen, wenn auch nicht wahrscheinlich, bemerkte der Richter.
„Alle Tage," bemerkte Ulrich, „habe ich infolge der Verhaftung meines Sohnes Haussuchung erwartet. Hätte ich eine Ahnung gehabt, daß die Schmuckgegenstände in meinem Bette steckten, so hätte ich sie mir natürlich vom Halse geschafft. So habe ich ruhig über ihnen geschlafen.
Der Untersuchungsrichter beendete nun die Vernehmung. „Sie bemühen sich Wohl einmal zum Versandtgeschäft von Friedländer!" wandte er sich dann an Rasch.
— (Fortsetzung folgt.) —
Umstellungs-Aufgabe.
a a r c k Die Buchstaben sind so zu ordnen, 6 6 rg g daß die senkrechte Mittelreihe ein deutsches 6 e rü b Kriegsschiff nennt, und daß die wage- 6 i r n n rechten Reihen bezeichnen: 1. eine Münze, ö i 1 vv n 2., 3,4., 5. je ein deutsches Kriegsschiff.
Auflösung der zweisilbige« Charade in Nr. 77. Togo; To(ll).