London, 18. Mai. Das Reutersche Bureau meldet aus Mulden: Hier verlautet heute, daß die japanische Hauptarmee sich auf dem Vormarsch nach Haitscheng und Kaiping befinde, während eine kleinere Heeresabteilung in der Richtung auf Liaojang vorrücke. Dem Anscheine nach stehen wichtige Ereignisse unmittelbar bevor.
Berlin, 18. Mai. Aus Niutschwang liegt hier folgende Drahtmeldung vor: Bei Kaitschou landeten die Japaner von einer großen Transportflotte aus. Die japanischen Kriegsschiffe deckten die Landung durch ein furchtbares Bombardement auf die russische Befestigung, deren Batterien um 4 Uhr nachmittags zum Schweigen gebracht waren, worauf die Russen sich auf Taschilschao zurückzogen.
Trifft eine St. Petersburger Meldung des Londoner .Daily Telegraph" zu, so wären die ostasiatischen Ereignisse auf die Gestaltung der deutsch-russischen Beziehungen nicht ohne Einfluß. Es heißt darin, Deutschland und Rußland seien zu einer Verständigung gelangt, wodurch die Hindernisse für einen deutsch - russischen Handelsvertrag beseitigt würden, da Rußland seine Einwendungen gegen einen Vertrag auf der vom Reichskanzler Grafen Bülow vorgeschlagenen Grundlage in Anerkennung der von Deutschland während der letzten sechs Monate geleisteten Dienste und angesichts der Versprechung noch wichtiger Beweise der Freundschaft für die nahe Zukunft aufgegeben habe. Der Korrespondent versichert ferner, es seien Verhandlungen im Gange wegen eines allgemeinen Abkommens über die politischen Interessen der beiden Staaten in der ganzen Welt, besonders wegen der russischen Stellung in Ostasten.
In dem russisch-japanischen Kriege ist jetzt der Augenblick großer Spannung. Zwar hat der am Jalu siegreiche japanische General Kuroki den Vormarsch von Föngwangtschöng nicht in gerader Linie über den Motienpaß nach Liaujang fortgesetzt, sondern ist nach links abgeschwenkt, aber gleichzeitig ist eine japanische Armee in Takuschan gelandet worden, und es scheint, als ob der große Stoß auf die russische Hauptmacht bei Mulden von Süden her geführt werden solle. Ob der General Kuropatkin bei Liaujang und Mukden stand halten oder nach Norden auf Kinn und Charbin zurückgehen wird, muß sich bald zeigen.
Der bisherige Verlauf des Krieges war durchweg ungünstig für die Russen, obgleich sie starke Proben von Tapferkeit gaben. Aber der Gesamt Eindruck ist immer: die Japaner sind ausgezeichnet vorbereitet, die Russen nicht. Die Fehler bei der russischen Landarmee liegen vor Beginn des Krieges, sie war, weil in Petersburg sicher mit Erhaltung des Friedens gerechnet wurde, von vornherein zu schwach in der Mandschurei organisiert, und der Transport von Mannschaften, Munition, Waffen, Proviant über die sibirische Bahn brachte unendliche Schwierigkeiten. Aber auch da, wo man gut hätte vorbereitet sein können, in Port Arthur, zeigten sich große Mängel. Zwei der besten Kriegsschiffe wurden gleich bei der ersten nächtlichen Attacke manöverierunfähig, ein drittes flog später durch eine Mine in die Luft. So erlangten die Japaner die freie Bewegung zur See, und von ihren Landungen, ihren mühsamen Märschen im Norden Koreas, von der Mobilisierung in der Heimat muß man sagen: es klappte alles. Mit einem gewissen Recht rühmen sich die Japaner selbst, die beste Intendantur der Welt zu besitzen. Ihre Bewegungen zu Lande verraten überall die große Vor- sicht und genaueste Planmäßigkeit.
Trotzdem bleibt noch immer das Uebergewicht Rußlands bestehen, das in seinen viel reicheren wirtschaftlichen Kräften und der größeren Truppenmacht enthalten ist. Aber diese Kräfte können erst bei langer Kriegsdauer zur Geltung kommen. Geht die erwartete große Schlacht bei Mukden verloren, so sind die Japaner einstweilen Herren der Mandschurei. Vielfach wird befürchtet, daß dann die politische Lage in Ostasien durch ein Eingreifen der Chinesen schwieriger werden könnte. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß die Japaner selbst alles tun, um eine aktive Einmischung Chinas zu verhindern. Auch hat die Vermutung viel für sich, daß Japan der Regierung in Peking die Rückgabe der Mandschurei an China versprochen hat, wenn es gelingt, die Russen dort zu vertreiben. Eine Einmischung Chinas würde Rußland Anlaß geben, sich früher oder später an China schadlos zu halten.
Selbst da, wo man anfangs offen mit Japan sympathisierte, in England, müssen die bisherigen überraschenden Erfolge der japanischen Waffen Bedenken für die Zukunft Europas in Ostasien Hervorrufen. In der Tat lassen sich auch in England schon Stimmen vernehmen, die eindringlich vor der Betrieb
samkeit und dem Uebermut der Japaner warnen, wenn ihr Ansehen in Ostasien zu schnell und zu stark emporwüchse. Die Anerkennung der Kriegstüchtigkeit der Japaner darf uns nicht verhindern, die von der gelben Rasse für die abendländische Kultur drohende Gefahr im Auge zu behalten, und deshalb können wir auch nur den russischen Waffen bessere Erfolge wünschen, als ihnen bisher beschicken waren.
Württemberg.
Stuttgart, 16. Mai. Der König hat anläßlich des gestrigen Sieges seines Privatgestüts im Schwabenpreisrennen den Armen der Stadt Eßlingen 1000 den Armen von Mettingen und Hedelfingen je 300 ^ überwiesen.
Am Mittwoch ist der württembergische Landtag wieder zusammengetreten. Die Tagung wird diesmal nicht lange dauern. Zunächst wird es sich um einige Petitionen, sodann um die Schutzgefetz- novelle und weiterhin auch um die Hostheaterfrage handeln. Möglicherweise kommt dann auch noch die Gemeinde- und Bezirksverwaltungsreform an die Reihe. Die bürgerlichen Kollegien von Stuttgart wollen bei der Gemeindereform, speziell bei der Wahl der bürgerlichen Kollegien (Magistrats- und Stadtverordnetenkollegien) eine Extrawurst gebraten bekommen. Die Kommission der Kammer der Abge- ordneten hat aber diesen über den Gesetzentwurf der Regierung hinausgehenden Wünschen mit erheblicher Mehrheit ihre Zustimmung versagt.
Stuttgart, 18. Mai. Die Kammer der Abgeordneten trat heute Mittwoch zu ihrer 214. Sitzung wieder zusammen. Der im Oberamt Waldsee neu- gewählte Abgeordnete Pfarrer Keilbach wurde eingeführt und vereidigt. Die Frage, ob durch die Berufung des ritterschaftlichen Abgeordneten Frhrn. von Wächter Spittler als Justitiar in die Hofdomänen- kammer, dessen Mandat als Abgeordneter erlösche, wurde vom Hause verneint. Die Sitzung wurde ausgefüllt mit der Beratung von Petitionen. Einen breiten Raum in den Erörterungen nahm die Petition des Allgemeinen deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege, betreffend die Anstellung von Schulärzten im deutschen Reich, ein. Der Berichterstatter, Cleß (BP), beantragte entgegen dem Kommissionsantrag, der die Petition der Regierung zur Erwägung übergeben will, Ueberweisung zur Berücksichtigung. Kultusminister Dr. Weizsäcker betonte, daß die Angelegenheit bereits im Fluß sei und von der Regierung im Zusammenhang mit verschiedenen anderen Fragen erwogen werde. Liesching (BP.) trat dafür ein, daß die Kosten für die Schulärzte auf den Staat über- nommen und etwa den Obrramtsärzten übertragen werden sollen, die allmählich zu beamteten Aerzten ohne Privatpraxis umgebildet werden müßten. Kultusminister Dr. Weizsäcker trat der Auffassung entgegen, daß der Staat die Kosten für die Schulärzte ohne weiteres übernehmen müsse. Nach weiterer Debatte wurde der Antrag der Kommission angenommen und damit der Antrag Cleß abgelehnt.
Stuttgart, 18. Mai. Die Kommission der Abgeordnetenkammer hat den Antrag auf Einführung des Neunstunden-Tages in den Staatswerkstätten mit allen Stimmen gegen diejenigen der Sozialdemokraten abgelehnt.
Stuttgart, 16. Mai. Heute fand hier die Hauptversammlung des Württemb. Verbandes des Deutschen Flottenvereins statt. Der Vorsitzende, Fürst Karl von Urach, trat mit Entschiedenheit dafür ein, daß Deutschland spätestens bis 1913 ein drittes Doppelgeschwader zur Verfügung haben müsse. Ein Antrag, den Dresdener Beschlüssen auf Flotten- Vermehrung die volle Zustimmung zu erteilen und eine erhöhte Propaganda zur Ausbreitung des Flottenvereins und seiner Bestrebungen zu entfalten, wurde einstimmig angenommen.
Stuttgart, 17. Mai. Auf Anregung des deutschen Flottenvereins werden ca. 100 ältere Schüler aus den Gymnasien und Oberrealschulen des Landes vom 23. bis 28. Mai eine Reise nach Kiel machen. Für beste Führung und Verpflegung ist selbstverständlich gesorgt. — Ein heiteres Intermezzo ereignete sich bei der gestrigen Eröffnung der Bahn Laupheim- Schwendi. Auf einer der Stationen, welche von dem Festzug berührt wurden, nämlich in Burgrieden, hielt der Herr Pfarrer eine ernste, gegen das Ende aber mit Humor gewürzte Ansprache, in der er u. a. seine Parochialen, welche den Festzug mitmachten, ermahnte, sich nicht zu stark zu belasten mit Rücksicht auf die Tragkraft des Zuges. Herr Staatsrat von Balz beruhigte ihn aber, wie auch die Parochialen, indem er in seiner Erwiderungsansprache bemerkte, er habe für die neue Bahn erprobtes altes Material genommen, welches jeder Belastungsprobe gewachsen sei.
Stuttgart, 16. Mai. Der Landesverein für Homöopathie in Württemberg, dem sich nunmehr sämtliche Verbände für Homöopathie in Süddeutsch, land angeschlossen haben und der nun 8500 Mit- glieder zählt, hielt gestern im „Herzog Christoph» seine 30. Jahresversammlung ab. Nach der Be- ratung verschiedener Anträge hielt Dr. Grubel, homöopathischer Arzt in Freudensladt einen Vortrag über Disposition. Er wies nach, welch inniger Zu- sammenhang zwischen Seelenleben und körperlichen Funktionen besteht, wie z. B. die Furchtsamkeit eine Schwächung der Pfortadertätigkeit bedingt, da Kränkung des Selbstgefühls verstimmend auf den Magen wirkt und deshalb die Arzneimittelwahl diese Zusammenhänge beobachten muß.
Oberndorf, 15. Mai. Seit die hiesige Waffen- fabrik den neuen türkischen Auftrag erhalten, hat fit ihre Arbeiterzahl mehr als verdoppelt. Für die Handelswaffen hat sich der Absatz nicht verändert. Der Export in solchen ist sehr ausgebreitet und regelmäßig; zu beklagen sind die hohen Zölle Ruß- lands und Nordamerikas.
Horb, 17. Mai. Mit dem heutigen Tage ist die neue Bahnhofbrücke dem Verkehr übergeben worden. Sie war notwendig, um Störungen und Gefährdungen des Straßenverkehrs durch den Bahn- Verkehr und den Rangierdienst zu vermeiden. Der Kostenaufwand belief sich auf 120000 ^
Tübingen, 17. Mai. Der Maurer Karl Löffler von Dettenhausen wurde heute zu 4^/s Jahren Gefängnis verurteilt, weil er am 3. März den Leichenfuhrmann der Anatomie Tübingen auf dem Heimweg von Münsingen mit einem Revolver niederschlug uck ihm einen komplizierten Schädelbruch beibrachte, der jetzt noch nicht geheilt ist.
Untertürkheim, 18. Mai. Malermeister Huppenbauer von hier, bis vor einigen Jahren in Reutlingen ansässig, stürzte heute nachmittag so uv? glücklich von einem Neubau ab, daß er nach kurzer Zeit seinen Verletzungen erlag. Er hinterläßt eine zahlreiche Familie.
Mühlacker, 19. Mai. Gestern abend kurz vor 6 Uhr ereignete sich hier bei den Wasserleitungsarbeiten ein schweres Unglück. Eine Wand, welche nicht genügend gesprießt gewesen sein soll, stürzte ein und begrub zwei Arbeiter. Dem einen, welcher von Ensingen ist, wurde der Bauch eingedrückt, auch erhielt er sonstige bedeutende Verletzungen, während der andere, von Sersheim gebürtig, mit leichtere Verletzungen davonkam. Der erstere wird Wohl kaum mit dem Leben davonkommen. — Der „Wuxstdieb", Welcher seit einiger Zeit in Heilbronu bei den Metzgern Gastrollen gab, wurde in der Person eines Bürgers von Hohenklingen ermittelt und dem Amtsgericht eingeliefert.
Langenenslingen, 17. Mai. Der in der „Oberen Mühle" beschäftigte Müllergeselle Franz Gulde wurde von feinem Verwandten, dem Maurergesellen Georg Gulde von Riedlingen, besucht. Beide machten sich mit einem Gewehre zu schaffen Ein Schuß — und Georg Gulde lag, in die Schläfe getroffen, in seinem Blute. Wenige Augenblicke nachher war der Getroffene, der erst 18 Jahre zählt, eine Leiche.
Kus Staot. Bezirk uns Umgebung.
Neuenbürg, 17. Mai. (Korr.) Bon herrlichstem Maiwetter begünstigt machte der hies. Liederkranz am letzten Sonntag seinen jährlichen Ausflug. Die Teilnehmer gelangten mit dem Frühzug über Calw nach Ditzingen und von da nach kurzer Wanderung nach dem am Fuß der Solitüder Berge gelegenen Gerlingen, wo Rast gehalten wurde. Sodann erfolgte der Aufstieg zur Solitude. Reges Lebm herrschte hier oben, und bald erklangen auch, von den Residenzlern mit Beifall ausgenommen, die frischen Weisen unserer Sänger; herrlich war die Aussicht in die Ludwigsburger und Stuttgarter Gegend und gegen Süden bis zum Albrand hin. In gehobener Stimmung marschierte man dann dem Bergrücken entlang nach Leonberg. Ein Teil des dortigen Liederkranzes, welcher von unserem Besuch zuvor benachrichtigt war, ging den Neuenbürger Sangesbrüdern auf den Engelberg entgegen und bereitete ihnen einen herzlichen, überaus sinnigen Willkomm, indem er eigens zu diesem Zweck angefertigte Fest- Länder zur Verteilung gelangen ließ, welche von seinem überaus rührigen, sangbegeisterten Vorstand Lindenberger mit der Poetische» Widmung versehen waren:
Neuenbürg und Leonberg
Einet heut' ein schönes Werk;
Des Liedes Freundschaft soll umspannen
Das Strohgäu und des Schwarzwalds Tannen. Hocherfreut über diesen schönen Empfang stieg map den Berg hinab und zog mit Marschgesang in die