Berlin, 13. Mai. Ein allzu drastisches Mittel gegen klavierspielende Nachbarn hat der Ingenieur Hans D. aus Charlottenburg angewendet. D. wurde durch anhaltendes Klavierspiel in den über seiner Wohnung belegenen Räumen bei seinen Studien gestört und beschloß, die Musikliebhaber mittels einer von ihm gemachten allerdings sehr eigenartigen „Er- findung" zu vertreiben. Er bohrte durch die Decke seines und den Fußboden des darüber liegenden Zimmers ein feines Loch und leitete durch einen Gummischlauch und eine Glasröhre Schwefelwasserstoff in die fremde Wohnung. Die erwartete Wirkung trat ein. Der penetrante Geruch des Gases vertrieb sofort die Klavierspieler aus dem Zimmer. Dieses Experiment wendete D. auch noch an den beiden folgenden Tagen mit gleichem Erfolge an. Doch der hinkende Bote blieb nicht aus. Die auf so merk- würdige Weise vom Klavier vertriebenen Einwohner stellten Strafantrag. Zu der Verhandlung waren als Sachverständige der vereidigte Gerichtschemiker Dr. Jeserich und der Medizinalrat Dr. Klein geladen. Nach Anhörung dieser wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 30 -/L. Geldstrafe, bezw. 6 Tagen Gefängnis verurteilt.
Wie weit man zum Teil noch im deutschen Geschäftsleben mit der lächerlichen Nachäffung ausländischer Moden geht, das beweist nachstehende Notiz der „Tgl. Rdsch.": Uns wird die folgende, durch die Post einer Berliner Dame zugestellte gedruckte Geschäftskarte übergeben: „Noäes ?Lii8i6iiii68 Lime. IVäiv. Berlin, 56 Unter üen Uwätzu. LxpoÄtion äe ckapeaux moäeles äe8 mieux eboi'8i8. kiix motlöre8. Zlan sxricbt tieut8cb., Lnglirzeb 8xoken." Man spricht also in dem Berliner Geschäfte so nebenbei auch deutsch, und derartige Reklamen wagt man einer Deutschen ins Haus zu schicken!
Ein köstlicher Doktorstreich ist der Verwaltung der Freiburger Ortskrankenkasse gespielt worden. Wurde da vom Naturheilarzt einem Kranken ein Rezept ausgefertigt, in deutscher Bezeichnung enthaltend: 12 Zitronen, 1 Pfund Kandiszucker. — „Wird nicht genehmigt, weil kein Heilmittel!" erscholl es von den Lippen des gestrengen Herrn Verwalters. Kurz entschlossen wandte sich das erkrankte Kassenmitglied wieder an seinen Arzt mit der Bitte, das inhaltlich gleiche Rezept in lateinischer Bezeichnung abzufassen, um darauf wieder seine Schritte zur Ortskrankenkasse zu lenken. Der Herr Verwalter besah das neue Rezept, verstand die gelehrten lateinischen Doktorzüge nicht — und setzte seinen Stempel darunter zur Genehmigung, damit unbewußt den verpönten Zitronen und dem lieblich-süßen Kandiszucker einen Ehrenplatz unter den „Heilmitteln" einräumend. — So geschehen im Jahre des Heils 1904 auf der Freiburger Ortskrankenkasse und mit gutem Humor der breiten Oeffentlichkeit erzählt auf der jüngsten Generalversammlung.
Ein zwingender Grund . . . Vom Admiral Jto wird aus der Zeit des chinesisch.japanischen Krieges, bei dem der Admiral sich bekanntlich große Verdienste erwarb, folgende Anekdote erzählt. Nach der Schlacht am Jalu erhielt er von einem seiner
betreffend, enthielt der Schrank, und in der Wohnung fand sich nichts versteckt.
„Da ist nun nichts zu finden," sagte der Kriminalschutzmann zu seinem Vorgesetzten. „Im Geheimfach des Schrankes lag auch nichts." ,
„Es gibt Geldschrärike," sagte der Kommissar langsam, wie gedankenverloren, „in denen zwei Geheimfächer sind: eins, das jeder findet, und eins, das nur genaue Kenner entdecken. Wir wollen einmal den Schrank absuchen; wir haben ja noch Zeit."
Er leuchtete, klopfte und fühlte nun mit großer Ausdauer in dem Geldschranke umher. Plötzlich sah er, daß in einem Winkel ein Ritz war. Er griff hin und hatte das Gefühl, als ob die Stahlwand an jener Stelle etwas nachgab. Nun drückte er kräftig zu und fühlte, wie ein kleines Stück der Wand nachgab. Er leuchtete dorthin und sah ein kleines Fach, das ein Papier enthielt. Letzteres nahm er heraus und entfaltete es.
Mit großer Spannung las er die folgenden Worte, die von einer Frauenhand geschrieben waren, und zwar, wie aus der Unterschrift hervorging, von Karola Hartenburg.
Der Inhalt des auf sehr festes, dickes Papier niedergelegten Schreibens lautete: „Mein Gewissen ist beschwert, ich suche daher Erleichterung, indem ich aufschreibe, was mich drückt. Später einmal, vielleicht lange nach meinem Tode, wird mein Geständnis gefunden werden. Ulrich, der wegen Totschlags meines Vetters Franz Hartenburg zu Zucht- Haus strafe verurteilt wurde, ist unschuldig. Es war
Untergebenen, dem er einen Urlaub bewilligt hatte, folgendes Telegramm: „Unvorhergesehener Umstände halber werde ich nicht, wie erwartet, heute zum Dienst erscheinen." Dieser Ton war durchaus nicht nach Admiral Jtos Geschmack, und er telegraphierte sofort zurück: „Entweder Grund angeben oder zum Dienst erscheinen." Nach einer Stunde kam aus einem Hospital in Aokosuka nachstehende Botschaft: „Zug ab — kann nicht fahren; Beine ab, kann nicht laufen. Werde nur kommen, wenn Sie darauf bestehen." Der Admiral betrachtete dies denn doch als zwingenden Grund und bestand nicht weiter darauf...
(Ein hundertjähriger Ozeanreisender.) Der erste Hundertjährige, der die Reise über den Atlantischen Ozean wagt, ist ein Mr. John O'Reilly, der sich mit seiner 78jährigen Frau am 7. Mai in New-Iork auf der „Lucania" einschiffte, um nach Irland zu j reisen. Vor vielen Jahren war er von dort eingewandert. Einem Interviewer erklärte er vor der Ab- I reise: „Ich habe nicht die Absicht, in meiner Heimat zu sterben. Obwohl ich in Irland geboren wurde, betrachte ich Amerika als meine Heimat, und so Gott will, werde ich mich dort zur letzten Ruhe begeben! Alle meine Kinder, Enkel und Urenkel, und ich habe deren 90, leben in den Vereinigten Staaten.
(Rationelle Fußpflege bei Fußwanderungen.) Außer dem Haupterfordernis für längere Fußwanderungen: bequeme, gutsitzende und zweckmäßige Schnürstiefel, seien drei Hauptartikel geraten: kaltes Wasser, Hirschtalg und wollene Strümpfe! Letztere sind unumgänglich nötig. Sie werden nicht hart, wie die baumwollenen, reiben also niemals. Wer empfindlich ist, tut gut, die Strümpfe mit der linken Seite nach außen zu tragen, da das Maschengewebe auf der rechten Seite glätter ist und zu keinem Brennen der Fußsohle Veranlassung gibt. Vor jedem größern Marsche bestreiche man die Innenseite des Strumpfes in der Sohlen-, Spitzen- und Hackengegend dick mit Hirschtalg. Man wird von der Wirkung dieser Prozedur auf das angenehmste überrascht sein. Nach jeder Fußtour nehme man unbedingt ein lauwarmes Fußbad, das man durch langsames Zugießen kalten Wassers bis auf eine Temperatur von 12 bis 14 Grad U. bringt. Auch kalte Abreibungen nutzen viel. Jede gerötete oder schmerzhafte Stelle wird mit Hirschtalg gut eingerieben. Anstatt des Hirschtalgs kann man auch Salicyltalg verwenden. Die Wirkung ist die gleiche, nur ist elfterer noch milder und wohlfeiler.
(Ern sutant tsrridie.) In einer Villa wohnen im Erdgeschoß, zu dem auch ein schöner Garten gehört, die Eigentümer; oben ein junger Maler mit seiner Frau. Eines Tages wird der jungen Malersfrau von der Hauseigentümerin ein prächtiger Flieder- strauß gesandt. „Es seien die ersten, die im Garten aufgeblüht, deshalb freue man sich, sie der jungen Hausgenossin usw." Eine Stunde später erscheint das kleine Töchterchen aus dem Unterhaus? bei den Malerslcuten zum Besuch und bemerkte den Strauß. „Aha", sagte es, „da ist der Flieder, weißt Du auch, wie Du ihn bekommen hast? Heute Morgen sah die Mama, wie böse Buben gerade unseren Flieder-
eine schlimme Zeit damals, der Streit und Zorn hörte nicht auf unter uns allen. Die beiden Männer hatten sich an jenem Abend lange und laut gezankt, und die Dienerschaft hatte es mit angehört. Ich trat aus den Flur und schickte die Leute ins Bett. Bald darauf sah ich Ulrich das Zimmer meines Vetters verlassen, und ich begab mich selbst in das letztere, um eine wirtschaftliche Angelegenheit, die große Eile hatte, mit meinem Vetter zu besprechen. Dieser jedoch, noch höchst aufgebracht, ließ mich gar nicht zu Worte kommen, er machte mir die größten Vorwürfe, daß ich Ulrich an mich locken wolle, und gab mir in seiner sinnlosen Wut einen Schlag ins Gesicht. Ich wich zurück, er drang mir aber nach, und da riß ich denn, um mich zu verteidigen, einen Dolch von der Wand und hielt ihn vor mich. Mein Vetter Franz schien dies aber, betrunken wie er war, nicht beobachtet zu haben, er stürmte auf mich los und rannte mit voller Wucht in den Dolch hinein. Er stürzte sofort zu Boden und starb kurze Zeit darauf mit dem Dolch im Herzen. Mich faßte die Angst vor dem Gericht, doch entschlossen wie ich war, suchte ich mich zu retten, indem ich Ulrich als den Schuldigen erscheinen ließ. Ich ging an sein Zimmer, klopfte und sagte ihm mit leiser Stimme, mein Vetter ließe ihn nochmals zu sich bitten. Er ging in die Falle und begab sich in meines Vetters Zimmer. Unterdessen holte ich den alten Diener David- herbei, sagte ihm, der Streit der beiden Männer dauere noch fort, und ging mit ihm und einem Dienstmädchen hinunter. Hinter einem Treppenvorsprunge
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bäum plünderten, sie ries die Spitzbuben laut an und die ließe» vor Schrecken die Blumen fallen und rannten davon. Da sagte die Mama: „Nun sind die Blumen einmal abgerissen, da wollen wir sie der Frau Maler schicken, als hätten wir sie für sie für sie gepflückt. Da wird sie sich aber freuen."
Vom seligen Dr. Sigl. Von befreundeter Seite wird der „Nat.-Ztg." folgende Erinnerung an den Herausgeber des „Bayerischen Vaterland", den bekannten „Preußen- und Pfaffentöter" Dr. Johann Baptist Sigl mitgeteilt: Wir saßen als fidele Studenten zu Leipzig in Auerbachs Keller. Da kam einer von uns auf die Idee, eine Huldigungsbierkarte an Dr. Sigl, der damals auch dem Reichstag allgehörte, nach München abzulassen. Ein Poetisch veranlagter Musensohn dichtete:
Fünf unabhängige Bajuvaren Trotzend der Borussen Scharen Bleiben weißblau treu,
Wie frech der Preuß' auch sei.
Wir drücken Ihnen im Geist die Hand:
Ein Hurra dem bayerischen Vaterland!" Unterschrieben wurde die Karte mit fingierten, an der Isar besonders geläufigen Namen. Doch der alte Fuchs ließ sich nicht täuschen. Wir hatten uns ohnehin schon durch das gänzlich unbajuvarische „Hurra" verraten. Zwei Tage darauf stand im „Vaterland" unter der Rubrik „Briefkasten", in dem Sigl seine liebenswürdigsten Schmeicheleien aus- zuteilen Pflegte: Nach Leipzig: „Sie sind cm Reichskamel erster Güte und Freunde stehen dicht hinter Ihnen. Wenden Sie sich gefälligst an Hage», deck um geeignete Verwendung." Darauf hat keiner von uns den Grimmigen je wieder angeulkt.
(Im Bilde geblieben.) A. (der von einer heißbegehrten Dame einen Korb erhalten): „Das Leben liegt nun wie eine Wüste vor mir. — B.: „Ach, sei doch kein Kamel!"
(Gewissenhaftigkeit.) „Aber, Männchen, wenn du Hunger hast, so iß doch noch ein Brötchen." — Berühmter Professor: „Kann ich nicht. In meiner Lebensbeschreibung steht, daß ich nur ein Brötchen täglich zum Kaffee esse."
(Bestes Lob.) Verteidiger: „Nun, hat Ihnen meine Verteidigungsrede gefallen?" — Angeklagter: „Herrlich! ... Ich vergaß beim Zuhören völlig, daß ich gemeint war."
(Immer derselbe.) Professor (aus dem Restaurant tretend): „Hm — heute habe ich de» Schirm nicht vergessen, aber ein fremder Griff scheint daran zu sein!"
Zweisilbige Charade.
Halb toll ist, was die Erste nennt,
Als Brettspiel man die Zweite kennt.
Wenn Beide sind zum Wort vereint,
Ein tapferer Admiral erscheint.
Auflösung der Aufgabe in Nr. 75.
Der 1. Pfingftfeiertag, 22. S.
Richtig gelöst von Gotthilf Klink in Waldrennach.
versteckt, sahen wir dann Ulrich höchst aufgeregt an uns vorbei eilen. Wir betraten dann alle drei das Zimmer meines Vetters. Meine Aussagen und die des ganzen Dienstpersonals, besonders der beiden mit mir Gehenden, fielen nun zu Ungunsten Ulrichs aus, der vergeblich seine Unschuld beteuerte. Um wenigstens einen Teil meiner Schuld abzutragen, werde ich ihn in meinem letzten Willen bedenken.
Karola Hartenburg."
Rasch sank in den Stuhl zurück, als er zu Ende gelesen hatte, das Schriftstück entglitt seiner Hand „Also unschuldig verurteilt!" murmelte er. „Nun ist's keine Frage uuhr: Ulrich ist der Mörder, er wollte sich rächen für das erlittene Unrecht! Rechtsanwalt Wusterbarts Vermutung ist also doch richtig. Nun, Willmann und seine Braut machen auch nicht den Eindruck schuldig zu sein. Diese beiden opfermutigen Menschen! Seine Schweigsamkeit darüber, woher er die Kette bekam, ging doch nur aus dem Wunsche hervor, seine Braut nicht zu verraten, und jedenfalls beruht ihre Angabe, sie kenne seinen Vater nicht, und ihr Stillschweigen darüber, daß sie gerade die Kette bekam, aus ganz ähnlichen Gründen. Beide sind jedenfalls unschuldig, der Schuldige aber ist und bleibt — Ulrich, der unschuldig Verurteilte, der sich rächen wollte!"
— (Fortsetzung folgt.) —