Zweites
Zweites
Statt.
Der «nztäler.
^ 77 ^ ^ Neuenbürg, Mittwoch den 18. Mai 1904.
62. Jahrgang.
Aus StaSt» Bezirk uns Umgebung.
Neuenbürg. (Amtl. aus d. Staatsanz.) Vom l. Juni 1904 an wird das Expreßgut im ganzen deutschen Verkehr, soweit direkte Sätze bestehen, und im württembergischen Binnenverkehr mit der in § 39 Zusatzbestimmung I der Eisenbahu-Verkehrsordnung vorgeschriebenen Eisenbahn-Paketadrefse abgefertigt. Formulare zu Paketadressen und zu Paketaufschriften sind an allen Gepäckschaltern erhältlich. Die Beförderungsgebühren für Expreßgut sind vom genannten Tage an durch Verwendung von Eisenbahnmarken zu verrechnen. Die Marken werden zur Frankierung der Sendungen durch das Publikum gegen Baar- zahlung verkauft. (Wir haben auf vorstehende Neuerung schon früher hingewiesen.)
* Neuenbürg, 16. Mai. Der landw. Bezirk s v e r e i n hielt gestern nachmittag seine Frühjahrs- Plenarversammlung unter sehr, starker Beteiligung von nah und fern im Gasthof zum Bären hier ab. Die Leitung der Versammlung hatte der stellvertretende Vereinsvorstand Oberamtstierarzt Böpple übernommen. Vor Eintritt in die Tagesordnung nahm Vereinssekretär Kübler das Wort, hob die Verdienste des bisherigen Vereinsvorstandes, jetzigen Regierungsrats Kälber hervor, der während seiner 3jährigen Amtstätigkeit im Bezirk sich als Vorstand dem Verein gewidmet und mit hervorragendem Ge- schick und sachverständigem Urteil die Interessen der Landwirtschaft zu fördern gesucht hat und gab dem Dank des Vereins für sein verdienstvolles Wirken Ausdruck. Auch machte der Vereinssekretär Mitteil, ung davon, daß der Vereinsausschuß in seiner letzten Sitzung Veranlassung genommen hat, dem bisherigen Vereinsvorstand eine Dankadresse und als sichtbares Zeichen der Anerkennung ein Geschenk überreichen zu lassen. Alsdann wurde in die umfangreiche Tagesordnung eingetreten. Zunächst Publizierte Vereinskassier Böpple die Vereinsrechnung für das Jahr 1903, die von keiner Seite beanstandet wurde. Hierauf erstattete Vereinssekretär Kübler den Rechenschaftsbericht Pro 1903 und entrollte ein Bild regsamer Tätigkeit des Vereins in den verschiedenen Zweigen der Landwirtschaft. Im Anschluß daran trug Vereinssekretär Kübler den Etat für 1904 vor, der in Einnahme mit 2645 ^ und in Ausgabe mit 2217 c/A abschloß und machte einige geschäftliche Mitteilungen über einen vom landwirtschaftlichen Gauverband in Aussicht genommenen Zuchtvieh - Aufkauf in der Schweiz, sowie über die beabsichtigte Vornahme von
praktischen ^Versuchen mit künstlichen Düngemitteln und mit'empfehlenswerten und anbauwürdigen Sorten von Getreide und anderen Feldgewächsen. Nachdem auch die Ergänzungswahl des Vereinsausschusses vorgenommen war, in den an Stelle der beiden mit Tod abgegangenen Mitglieder C. Weiß und Bätzner — Schultheiß V. Weiß-Ottenhausen und Landwirt Karl Höll - Birkenfeld berufen wurden, hielt Landwirtschafts-Inspektor Dr. Wacker-Leonberg einen eingehenden Vortrag über das neue Einkommensteuergesetz und die landwirtschaftliche Buchführung. In eingehender Weise behandelte Redner die Mängel unserer bisherigen Ertragssteuern, die Neuordnung der Steuerverhältnisse,, die progressive Einkommenssteuer mit ihrer Fasfionspflicht und die daraus sich ergebende Notwendigkeit für den Landwirt, über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Buch zu führen. Ueber dieses Thema entspann sich eine lebhafte Debatte, an der sich K ü b l e r - Neuenbürg, Genthner-Schwann und Rapp-Feldrennach beteiligten. Vereinssekretär Kübler teilte noch mit, daß Aussicht vorhanden sei, zwei Kurse über landw. Buchführung im Laufe des Sommers abhalten zu lassen und daß der Verein beabsichtige, auch für das kommende Jahr den von K. Zentralstelle heraus- gebenen landw. Kalender für sämtliche Vereinsmitglieder auf Bereinskosten anzuschaffen. Den Schluß der Versammlung bildete die beliebte Gratisverlosung nützlicher landw. Gegenstände.
Birkenfeld, 17. Mai. Heute früh gegen 2 Uhr brannte das von dem Schuhmachermeister Robert Barner bewohnte Wohnhaus in kurzer Zeit bis auf den Grund nieder. Fast alles Mobiliar verbrannte. Da weitere Feuergefahr nicht vorlag, konnte die Feuerwehr gegen 4 Ühr wieder einrücken. Ueber die Entstehung des Brandes konnte man bis zur Stunde noch nichts genaues feststellen.
Feldrennach, 17. Mai. Viehmarkt. Zufuhr: 143 Kühe und Kalbiunen, 16 Ochsen und Stiere, 48 Räuplen, 13 Kälber, zusammen 220 Stck. Handel ziemlich lebhaft, Preise sehr hoch. Krämer markt: schwach besucht, Handel lebhaft.
Pforzheim, 17. Mai. Der Generalversammlung der Kettenfabrik Kollmar u. Jourdan wird eine Dividende von 15 Prozent wie im Vorjahre vorgeschlagen werden.
Pforzheim, 16. Mai. Der Streik der hiesigen Glasergesellen ist nun ausgebrochen, ca. 40 Arbeiter erschienen heute früh nicht bei der Arbeit. Die Meister (23) wollen, je nach Leistung, höhere Löhne bewilligen. Weitere Forderungen werden aber ab-
gewiesen. Teilweise ist schon Ersatz für die Streikenden vorhanden.
Brötzingen, 15. Mai. Eine Frechheit und Gewissenlosigkeit sondergleichen ist es, auf einen Bahnzug zu schießen, wie dies heute nachmittag dem Lokalzug im Dorfe beim westlichen Bahnübergang passierte. Zwei von einer Kugel durchlöcherte Scheiben sind der Schaden. Wenn aber Menschen getroffen wären? Hoffentlich erwischt man noch den Täter.
Wimsheim, 16. Mai. Gestern erhielt Amtsdiener Sch. hier den ersten Bienenschwarm. Dies ist ein Zeichen, daß unsere Völker trotz des ungünstigen Winters, der leider manches Opfer gefordert hat, sich sehr schön entwickelt haben. Bei dem gegenwärtigen warmen Wetter ist die Tracht eine sehr günstige, denn die Bäume stehen im herrlichsten Blütenschmuck, und die Wiesen entwickeln ihren Blumenflor von Tag zu Tag immer mehr. Möge diese günstige Witterung noch ferner anhalten zum Wohl der Imker und Landwirte!
Vermischtes.
Eine jugendliche Diebesbande, deren Anführer ein 11 jähriges Bürschchen war, ist von der Kriminalpolizei in Berlin unschädlich gemacht worden. Ein Mitglied, Edmund Langhans, zählt 15 Jahre, drei andere, Wilhelm Nieschewski, Georg Litz und Otto Müller, 14 Jahre, das fünfte, Theodor Dartsch, 13 und der „Räuberhauptmann" Hans Schneider 11 Jahre. Einige der Burschen sind schon seit Monaten nicht in den Wohnungen der Eltern gewesen und haben ebenso lange die Schule nicht besucht. Die Bande suchte mit Vorliebe Läden im Erdgeschoß auf, in denen nur eine Frau bediente. Die Schlingel erforschten zunächst, wo das Klingelwerk am besten abzustellen sei, an der Tür oder an den beweglichen Treppenstufen. Dann beobachteten sie den Laden so lange, bis die Verkäuferin ihn verlassen und sich in de» oberen Wohnraum begeben hatte. Sobald der Laden dann leer war, ging einer von den kleinsten Dieben hinein, schlich sich wie eine Katze um den Tisch herum und ergriff die Ladenkasse, um mit ihr zu verschwinden. In der Bellealliancestraße fielen der Bande einmal 77 die in einem Beutel in der Ladenkasse lagen, in die Hände. Wenn sie Geld hatten, so lebten die jungen Spitzbuben in Saus und Braus. Am liebsten machten sie Droschenkenfahrten und Ausflüge oder besuchten verrufene Kneipen, um dort alles zu verprassen. Die verwahrlosten Burschen haben eingestanden, daß sie mindestens 100 Laden- diebstähle verübt haben.
Frknlein Hartenlmrg.
Krimmal-Roman von Rudolf Wustrow.
12) - (Nachdruck verboten.)
Rasch, der den Dr. Haushofer nach dessen Er scheinen vor Gericht ausgesucht hatte und die Be schreibung von dessen Person zutreffend fand, sal durch obige Morte bestätigt, daß das Zusammen treffen um 10 Uhr wirklich stattgefunden habe.
„Und nun noch eine Frage, gnädiges Fräulein!' sagte Rasch. „Mein Amt gebietet mir ja leider mich in intime Verhältnisse einzumischen. Warun übergaben Sie Herrn Willmann die Kette? Ei befand sich wohl in Verlegenheit?"
„Allerdings," erwiderte Erna etwas betroffen „er hatte aus verschiedenen Gründen große Aus gaben gehabt und wollte keine Schulden machen welche gemacht, obgleich cs ihm oft rech schlecht ging." ^
gespanntem Ausdruck fragte jetzt der Kom mlssar: „Auch seinem Vater ging es wohl nich besonders gut?" ^
Erna starrte den Frager an und schwieg. „Seiner Vater? fragte sie dann. „Wie meinen Sie das? . Rasch ruhig fort, „Sie wollte:
doch nicht nur chm, sondern auch seinem Vater helfen mdem sie ihm die Kette zum Verpfänden gaben Sie haben ihm doch selbst geschrieben, Sie freute,
sich, daß er und sein Vater der Geldsorqe enthöbet waren!" ^
„Nun denn," sagte Erna mit sichtbarer Qual, „ja, ich wollte beiden helfen. Indessen kenne ich den Vater nicht und weiß auch nicht, wo er sich aufhält I"
„Und nun bitte die andere Frage!" sagte der Kommissar. „Warum gab Ihnen Ihre Koustne nicht Geld, sondern die Kette? Es ist dies doch auffallend!"
Das junge Mädchen wurde sehr verwirrt. „Vielleicht," stotterte sie, „hatte sie kein bares Geld da; ich weiß es auch nicht."
Der Kommissar schüttelte den Kopf. „Sie wissen ja selbst," sagte er, „daß Fräulein Hartevburg stets Geld im Ueberfluß hatte!"
„Herr Kommissar," sagte jetzt Erna mit fester Stimme, „hat Herr Willmann dem Gericht mitgeteilt, warum mir meine Kousine die Kette aber nicht Geld gab?"
„Nein, das tat er nicht!" erwiderte Rasch.
„Nun dann tue ich es auch nicht!" sagte Erna entschieden. „Wir beide sind unschuldig. Erstlich sehen wir nicht wie Mörder aus, das werden Sie als Menschenbeobachter gewiß schon erkannt haben, und zweitens saß ich zur Zeit, als die Tat begangen wurde, auf der Eisenbahn und Willmann befand sich noch auf dem Bahnhofe."
„Wenn ich offen sein soll," sagte Rasch, „halte ich Sie beide auch nicht für die Täter. Aber Sie müssen selbst zugestehen, gnädiges Fräulein, daß Sie sich durch Ihre Weigerung bezüglich der Kette dem Verdachte der Mitwissenschaft aussetzen."
„Das mag schon sein," sagte Erna ruhig, „ich darf jedoch nichts sagen, mag geschehen was da wolle."
„Wir werden nun," fuhr Rasch fort, „eine HauS- suchung vornehmen müssen. Das Nachlaßgericht war. wie Sie wissen, schon da, um nach dem letzten Willen zu suchen."
«Ja, die Herren waren vor kurzem hier," er- widerte Erna, „ich weiß nicht, ob Sie eS schon wissen: Der letzte Wille setzt den Bankprokuristen Rädisch zum Haupterben ein, ferner bekomme ich eine größere Summe, und endlich ist auch — Ulrich mit einer Summe bedacht worden?"
„Ulrich?" rief Rasch erstaunt. „Er, der geschworen hatte, Fräulein Hartenburg zu ermorden, der ihren Vetter ermordet hatte?"
„Ja, es ist merkwürdigI" erwiderte Erna. „Viel- leicht liegt die Sache doch anders, es ist ja wohl ein Geheimnis verborgen."
„Die Gerichtskommission öffnete nur das Testa- ment," sagte Rasch, „dessen Inhalt mir allerdings auch schon bekannt ist. Ich habe nun Vollmacht, den versiegelten Geldschrank zu öffnen und auch Haussuchung abzuhalten. Wir werden damit gleich beginnen."
Die beiden Beamten begaben sich nun in das Zimmer, in dem der Geldschrank stand, und Rasch öffnete diesen, nachdem er die Siegel gelöst hatte.
Weder hier noch in der Wohnung, die darauf gründlich untersucht wurde, fand er etwas, was die Rätsel der Vergangenheit hätte lösen können. Nur Geschäftsbücher und Geschäftsbriefe, das Rittergut