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Der Enztäler.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

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Neuenbürg, Montag dm 25. April 1904.

62. Jahrgang.

RunSschau.

Der Reichstag stimmte am Donnerstag bei der Beratung des Etats für die ostasiatische Besatzungs- Brigade dem Kompromiß-Antrag Spahn-Paasche zu, wonach die Streichungen der Kommission derartig beschränkt werden, daß nur 140 519 abgesetzt werden. Am Freitag kam der Reichstag in der Er- ledigung seiner Geschäfte ein tüchtiges Stück vor­wärts. Reste von den Etats für das Reichsamt des Innern und die Post- und Telegraphen-Verwaltung, sowie die ganzen Etats für das Reichsmilitärgericht, den Rechnungshof, Deutschostafrika, Kamerun und Togo wurden ohne längere Diskussionen in zweiter Lesung angenommen. Mehr Zeit nahm der Etat für Südwcstafrika in Anspruch. Wie der Kolonial­direktor Dr. Stübel mitteilte, kommen an Opfern des Aufstandes 84 Personen in Betracht, darunter vier Frauen, als nicht im Kampfe gefallen 31; außerdem 15 Vermißte, so daß im ganzen 130 Personen dem Aufstande zum Opfer gefallen sind. Lebhafte Er­örterungen riefen die von der Regierung in Aussicht genommenen Entschädigungen hervor, für die zwei Millionen Mark gefordert und bewilligt wurden. Sollten aber Darlehen gegeben oder Beihilfen ge­zahlt werden? Die Budget-Kommission hatte sich für Beihilfen an Bedürftige, für Darlehen an andere Geschädigte entschieden, und das Plenum folgte ihr. Am Samstag standen Etatsreste, Etatsgesetz, Reb- laudgesetz ro. auf der Tagesordnung.

Ueber die Reichsfinanzreform ist in der Budgetkommission ein regierungsseitig freundlich auf­genommener Kompromißantrag des Zentrums ange­nommen worden. Der Schatzsekretär Frhr. von Stengel drohte mit seinem Rücktritt, wenn die Auf­gabe scheitere.

Karlsruhe, 23. April. Der Kaiser reist am 7. Mai zum Fürsten von Fürstcnberg nach Donau- eschingen zur Auerhahnjagd.

Venedig, 23. April. Die hiesigen Behörden haben die Mitteilung erhalten, daß Kaiser Wilhelm seine Rückreise nicht wie ursprünglich beabsichtigt über Genua, sondern über Venedig machen wird.

Der verst. Generalfeldmarschall Graf Walder fee hat, wie dieJtzehoer Nachrichten" melden, dem dortigen Artillerie-Regiment, dessen Chef er war, seinen Schwarzen Adlerorden mit Brillanten letztwillig mit der Bestimmung vermacht, daß der Erlös zu einer Stiftung für das Regiment verwendet werden soll. Das Regiment erhält ferner einen Säbel, einen Artillerie-Offiziersrock und ein Paar Epauletten des Feldmarschalls als Andenken.

Im Reichspostmuseum in Berlin ist am Montag die jüngste Erwerbung, die blaue Mauritius von 1874 auf Brief, die mit 29 000 ^ bewertet wird, ausgestellt worden. Mit ihr sind verschiedene andere der größten Seltenheiten aus dem Bestände des Museums zu einer Art von Sonderausstellung ver­einigt worden Sie befinden sich unter einem be­sonderen Verschluß, der in die Mauer eingelassen ist. Die Sammler können jetzt alle diese Wunder mit eigenen Augen betrachten. Außer der blauen Mauritius zu 2 Pence befindet sich dort die rote Mauritius aus demselben Jahre zu 1 Penny. Außerdem ist dort zu sehen eine Briefmarke von Britisch Guiana von 1856 zu 4 Cents in blauer Farbe. Sie Pflegt ähnliche Preise wie die blaue Mauritius zu erzielen.

Berlin, 22. April. Die Nationalztg. erhielt von ihrem zur Eröffnung der Weltausstellung in St. Louis abgereisten Mitarbeiter Eugen Zabel folgendes Kabeltelegramm aus Washington: Durch unseren Botschafter Speck v. Sternburg wurde ich heute im Weißen Hause dem Präsidenten Roose- velt vorgestellt. In ^/istündiger, außerordentlich anregender Unterredung rühmte Roosevelt des deut- scheu Botschafters hervorragendes Verständnis für amerikanische Verhältnisse, seine große rednerische Begabung und die taktvolle Art, in der er alle Ver-

Mittelungen leite. Präsident Roosevelt gedachte der j Gemeinsamkeit der politischen und sozialen Interessen > beider Länder und betonte den deutschen Einfluß auf s das amerikanische Geistesleben. Roosevelt erwies sich im Gespräch als bewundernder Kenner der deutschen Poesie und schilderte beredt den gewaltigen Eindruck, den er beispielsweise vom Nibelungenlied erhalten habe. Schließlich sprach sich der Präsident sehr er­freut aus über die angenehmen und guten wechsel­seitigen Beziehungen zwischen den Gelehrten, Künstlern und Schriftstellern beider Länder.

Essen, 22. April. Bei Krupp liefen aus dem Auslande große Bestellungen auf Geschosse ein. Es werden fortwährend Arbeiter eingestellt.

Vom Rhein. 20. April. (Holzwochenbericht.) Infolge weiterer Belebung im Baufach wuchs der Holzverbrauch und wurden demgemäß auch die Ent­nahmen aus dem Markt größer. Trotz besserer Nach­frage standen die Preise unter dem Einfluß des scharfen Wettbewerbs der billigeren bukowinischen und rumänischen Erzeugnisse. Schmale Bretter hatten den größten Absatz. Der Verkauf breiter Sorten hatte zu sehr unter dem Wettbewerb der ausländischen Herkünfte zu leiden. Nordische Bretter wurden neuer­dings etwas billiger angeboten; auch gaben die Preise für Pitch Pine und Red Pine etwas nach. Die Nachfrage nach geschnittenen Bauhölzern ist weiter gestiegen. Angeboten wurden vom Schwarzwald aus baukantig geschnittene Tannen- und Fichtenkanthölzer in regelmäßigen Längen zu 3739 i/A, mit üblicher Waldkante geschnittene zu 3840 ^ das Festmeter frei Waggon Mannheim. Am rheinischen Rundholz­markt hat der Verkehr bedeutend zugenommen. In­folge großer Zufuhren zum Mainzer Markt mußten dort die Preise nachgeben. Bei kleinen Zufuhren hatte der Mannheimer Markt nur wesentlichen Ver­kehr. Verkauft wurden einige Flügel nach Krefeld und Essen. In Heilbronn sind die Rundholzvorräte nur noch klein.

Southampton, 23. April. Infolge der Arre­tierungen einiger Leute des Cheshire-Regiments durch die Polizei wegen kleinerer Vergehen verließen Kameraden der Arretierten nachts die Kaserne, warfen die Fenster des Dockpolizeiwachthauses und des Zollhauses ein, zogen unter Geschrei nach der Stadt und richteten mehrfach Schaden an; sie kamen dabei mit der Polizei ins Handgemenge, die ihre Holzknüttel gebrauchte und mehrere Soldaten ver­wundete. Die Aufrührer wurden in die Kaserne ge­trieben und die Anstifter verhaftet.

Pest, 23. April. Gestern abend erging ein königlicher Befehl, wodurch die sämtlichen im Dienst der ungarischen Staatsbahn stehenden Offiziere und Mannschaften der Reserve und Ersatzreserve, der ge­meinsamen Armee und Honvedarmee einberufen nnd zur Dienstleistung bei der Staatsbahn eingeteilt werden. Das Streikkomitee beriet sich bis nachts 2 Uhr und beschloß, den Ausstand fortzuführen.

Schanghai, 20. April. Der Palastbrand in Söul hat, wie derDaily Expreß" aus Tschemulpo erfährt, ganz bedenkliche Folgen für die koreanische Hauptstadt. Die Koreaner sind sehr abergläubisch und erblicken in dem Brande einen Beweis dafür, daß Buddha der kaiserlichen Familie grolle. Man befürchtet infolgedessen Ruhestörungen in Söul und diese wären wahrscheinlich bereits in der Nacht des Brandes ausgebrochen, wenn nicht die Japaner und» die englische Gesandtschaftswache umfassende Vor­sichtsmaßregeln getroffen hätten. Einmal wurde die Haltung der Menge sehr drohend und das Volk lediglich durch ein starkes japanisches Militäraufgebot in Schranken gehalten. Der Kaiser selbst ist durch das Ereignis sehr deprimiert. Trotz der beruhigenden Versicherungen, die die japanische Regierung ihm über die Zukunft des Landes machte und trotz der vorteilhaften Aenderungen, die im Lande seit der Besetzung durch die Japaner eingetreten sind, fühlt

der Herrscher es doch sehr, daß er in die Stellung eines japanischen Vasallen heruntergedrückt wurde. Der Brand des Palastes hat seine Mißstimmung auf den Höhepunkt gebracht, umsomehr als bekannt wurde, daß eine Anzahl Schlangen in dem Feuer umkamen. Die Schlange gilt in Korea als heilig und wird niemals gelötet. Der Tod mehrerer dieser Tiere überzeugt nicht nur das gewöhnliche Volk, sondern auch den Kaiser davon, daß dem königlichen Hause Unheil drohe. Die Lage in Söul ist dadurch eine sehr bedenkliche geworden.

Der russisch-japanische Krieg.

Petersburg, 23. April. Alexejew telegraphierte dem Zaren gestern: Bei Anlage einer Minensperre durch Dampfschaluppen kamen durch Explosion unter dem Hinterteil einer Schaluppe ein Leutnant und 20 Mann um.

Dem Kriegsminister in Tokio stellen sich fort­gesetzt Freiwillige scharenweise zur Verfügung. Alle Altersstufen vom 14. bis zum 70. Lebensjahre sind darunter. Auch zahlreiche Soldaten meldeten sich, deren Dienstzeit abgelaufen ist Nach Schätzung der Behörden würden sich ohne Schwierigkeit 500000 Kriegsfreiwillige zusammenfinden. Bisher machte man aber von diesem Dienstanerbieten keinen Gebrauch.

Württemberg.

Stuttgart, 23. April. Heute abend 8.43 Uhr traf der Extrazug des Prinzenpaares von Wales am hiesigen Bahnhof ein. Eine Ehrenkompagnie des Regiments Kaiser Friedrich mit Musik spielte bei der Einfahrt des Zuges zuerst den Präsentiermarsch und sodann die englische Nationalhymne. Zur Be­grüßung des Prinzenpaares waren am Bahnhof erschienen der König, die Königin, die Herzoge Philipp, Albrecht, Robert und Ulrich von Württemberg, die Herzogin Wera, sowie die Oberhof- und Hofchargen. Der König und die Königin umarmten das aus- steigende Prinzenpaar mit herzlichster Begrüßung, worauf der König und der Prinz von Wales das beiderseitige Gefolge vorstellten. Bei dem Ausgang aus dem Bahnhof führte der König die Prinzessin von Wales, der Prinz von Wales die in tiefster Trauer erschienene Königin. Je eine Eskadron des hiesigen Dragonerregiments eröffnete und schloß den Wagenzug. Eine vieltausendköpfige Menschenmenge hatte vom Bahnhof bis zum Schloß Spalier gebildet und empfing die höchsten Herrschaften mit stürmischen Hochrufen. Der Prinz von Wales überreicht dem König den englischen Hosenbandorden.

Heilbronn, 23. April. Heute vormittag 11 Uhr fand im großen neuen, s. Z. so heftig umstrit­tenen schönen Rathaussaal die feierliche Amtsein­setzung des neuen Stadtvorstandes Dr. Göbel durch den Oberamtmann Regierungsrat Lang unter überaus zahlreicher Beteiligung der hiesigen Bürgerschaft statt. Der seitherige stellvertretende Stadtvorstand, Gemeinde­rat Binder, übergab die Amtsführung an Hrn. Dr. Göbel. Hierauf versicherte Polizeiamtmann Bräuchle die kräftige und dienstwillige Förderung der Geschäfte des neuen Stadtvorstandes. Dekan Hermann sprach sodann die Ueberzeugung aus, daß Göbel auch für die kirchlichen Interessen, wie für die Schule sein möglichstes in ersprießlicher Weise tun werde. Zum Schluß dankte der Stadtvorstand für die guten Wünsche und versprach sein möglichstes zum Wohl der Stadt zu tun. Sodann verfügte sich die ganze Gesellschaft nach dem auf der südlichen Seite der Kilianskirche gelegenen, in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellten Kirchbrunnen. Dort sprach Ge­meinderat Bruckmann und entrollte in seiner Rede ein historisches Bild von dem Entstehen und dem Versiegen bis zur Wiedererstellung des Kirchbrunnens, der schon unter Karl dem Großen bestanden hatte und damals als heilkräftiger Brunnen galt. Hierauf übernahm Stadtschulthciß Dr. Göbel namens der