Saal des Konversationshauses stattfindet und von dem allerorten mit Beifall begrüßten Tenoristen Karl Diezel gegeben wird. Der Duetten- und Liederabend, welchem die hervorragende Sopranistin Helene Kausler ihre Mitwirkung zusagte, sei den Musikfreunden zu regster Teilnahme dringend empfohlen.
Teinach, 19. Juli. Die württ. Volkspartei hatte diesmal die eine halbe Stunde von der Station Teinach entfernte hoch über dem Nagoldtal gelegene Burgruine Waldeck zum Schauplatz für ihr Sommerfest ausersehen. Trotz des zweifelhaften Wetters war der Besuch sehr zahlreich; das Hauptkontingent stellte der 7. Reichstagswahlkreis, hauptsächlich das Nagold- und Enztal; von den ferner gelegenen Landesteilen hatten sich, wenn man von Stuttgart absehen will, nur verhältnismäßig wenig Parteigenossen eingefunden. Im ganzen mögen etwa 600 Personen der Versammlung angewohnt haben. Eröffnet wurde dieselbe mit einem gemeinsamen Lied „Auf zum Sommerfest", das für diesen Zweck gedichtet worden war und zahlreiche Anklänge an die letzten Reichstagswahlen enthielt. Namens der Parteileitung des Wahlkreises begrüßte Kaufmann Dreiß-Calw die Versammlung. Die Parteigenossen werden an dem Umstande, daß das Fest auf einer ehemaligen Burg gehalten werde, um so weniger Anstand nehmen, als dieselbe zerfallen sei, wie die konservative Hochburg des Wahlkreises. Die Festrede hielt der Landtagsabgeordnete Betz-Heilbronn. Nach einer poetischen Einleitung und einem Exkurs in die Geschichte der Ruine Waldeck und des benachbarten Städtchens Zavelstein kam er auf die letzten Reichstagswahlen zu sprechen. Zum Schluß bat der Redner seine Freunde, des Geburtsjahres der Demokratie nie zu vergessen. Das deutsche Volk wird seine Hauptaufgabe darin erblicken müssen, die fortschrittlichen Ideen des Jahres 1848 zu verwirklichen und weiter auszugeftalten. Nach dieser Rede sprach der neugewählte Reichstagsabgeordnete des Bezirks, Schweickhardt-Tübingen. Gerne ergreife er die Gelegenheit, um dem Wahlkreis zu danken für die Begeisterung, mit welcher er den Wahlkampf durchgefochten habe. Nicht seine Person, sondern die Volkspartei und deren Programm haben im Wahlkreis den Sieg errungen. Wenn man an diesem Programm festhalte, so werde man für die Dauer aus der bisher konservativen Hochburg eine demokratische Hochburg machen können. Der Redner schloß mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland. Als weiterer Redner sprach Landtagsabgeordneter Galler, der zu reger politischer Arbeit aufforderte. Die Ausführungen des Redners klangen aus in ein Hoch auf das „freie deutsche Vaterland". Namens der Jungliberalen sprach sodann noch Maier-Ebingen, der die Gründung einer liberalen Bürgerpartei empfahl. Kaufmann Jlg sprach den Parteigenossen den Dank für ihre Tätigkeit während der Wahl- bewegung aus. Im Lauf der Versammlung, der auch die Abgeordneten Henning, Schmidt-Maulbronn, Cleß und Hahn anwohnten, wurde eine Reihe Be- grüßungStelegramme verlesen, darunter solche von den Volksvereinen in Wildbad und Buchau, Dr. Richter-Pforzheim (namens der Deutschen Volks-
Cm Midlicher GehkimpoliM.
2) Original-Erzählung von Matter Hnskon».
- Machdruck verboten.)
Inmitten der jungen Leute, und wie es schien, als einer der wildesten unter ihnen, stand Henry Wilbert. Sie erkannte ihn sofort als das Original der Photographie, die sie bei sich trug.
Er hatte deS Guten zu viel getan und war stark angetrunken — ein schlimmes Zeichen, wo es sich um den Nachweis von Unschuld handelt.
„Also doch!" murmelte Mary hinter ihrem Schleier.
„Mein Vertrauen in diese offene ehrliche Physiognomie scheint schlecht angebracht gewesen zu sein; die Gesellschaft, in der er sich befindet, spricht schon allein gegen ihn."
Mary eilte mit beschleunigten Schritten an der angeheiterten Gruppe vorüber, als sie einen unter ihnen ausrufen hörte:
„Alle Wetter, Jungens! Da läuft ein schönes Weib mit niedergelassenem Visir! Ich werde ihr folgen, um den grausamen Schleier zu lüften und das holdselige Antlitz zu schauen, welches er so geheimnisvoll birgt!"
Schallendes Gelächter begleitete diese mit Pathos gesprochenen Worte.
Mary blieb kalt und ruhig, sie fürchtete sich vor nichts, denn sie war stets vorbereitet darauf, es mit einer ganzen Rotte Zudringlicher aufzunehmen. Sie führte ihre eigenen Schutzmittel bei sich und außer
partei) und Kammerpräsident Payer. Letzterer hatte einen poetischen Gruß gesandt.
Vermischtes.
Ein ungelöstes Rätsel. Der „Frankfurter Zeitung" wurde kürzlich geschrieben: Vor etwa 20 Jahren erschien in einer illustrierten Berliner Zeitschrift das folgende Rätsel:
Mil „I," ist's öd, mit „LI" bewachsen,
Doch hier wie dort nicht gern gesehn,
Mit „U" dreht es sich ohne Achsen,
Ohne jemals stillzustehn.
Das kniffliche Rätsel erregte bei den Lesern ungemeines Aufsehen. Niemand vermochte es zu lösen, und mit Spannung erwartete man vom Blatte selbst die Deutung. Aber sie blieb aus, denn der „Rätselonkel" war jäh gestorben, ohne die Lösung zu hinterlassen, und die vereinten Redaktionskräfte vermochten sie nicht zu finden. Immer höher wuchs im Kreise der Leser die Ungeduld, Anfragen häuften sich auf Anfragen, bald kamen auch manche Beschwerde», ja die Bedrohung, man werde das Abonnement aufgeben, wenn in dieser Weise daS Publikum auf die Folter gespannt und zum Narren gehalten werde. Die Redaktion geriet in gelinde Verzweiflung, zog die berühmtesten „Rätselonkel" zu Rate, rief alle guten Freunde, getreuen Nachbarn u. dergl. zu Hilfe, aber keiner bewährte sich in dieser bitteren Not. Wenn man damals in Berlin einen Menschen verstört durch die Straßen Wanken sah, im Selbstgespräch vor sich hinmurmelnd, so konnte man ihm wohl von den Lippen ablesen: Mit „U" ist's öd, mit „U" bewachsen usw. Schließlich aber flaute doch der Sturm ab, und eS schien, die Abonnenten hatten sich darein gefunden, daß ihnen dieses düstere Rätsel nicht gelöst werde. Trügerischer Wahn! Nach einer Weile kamen die Anfragen und Beschwerden der überseeischen Leser, womöglich noch ungestümer als die früheren, ja selbst nach Jahren erhob sich immer von neuem die herbe Mahnung an das öde „I/", das bewachsene „N". Da hatte z. B. irgend ein verregneter Sommerfrischler sich aus Verzweiflung in den antiquierten Band der Zeitschrift vertieft, war auf das öde „1." gestoßen und hatte, „obwohl er den ganzen Folianten genau durchgesehen", die Lösung nicht gefunden. Man möge sie ihm also zur Beruhigung seines Gemüts brieflich Mitteilen, Freimarke anbei. Auch diesem armen Manne konnte nicht geholfen werden, und so ist das bewachsene Achsenrätsel bis heute ungelöst. Wer löst es jetzt? — Dazu wird nun geschrieben: Der Geist des „Rätselonkels", der keine Ruhe finden konnte, weil er ein Rätsel ungelöst auf Erden zurückgelassen hatte, kann nunmehr schlafen gehen, von den verschiedensten Seiten wird der „Frkf. Ztg.", die, wie es scheint, richtige Lösung des Rätsels mitgeteilt. Eine der Zuschriften lautet: „Das ungelöste Rätsel ist doch einer Lösung zugänglich, wenn man die kleine Aenderung daran vornimmt, statt I-: 1, statt Ll: in rc. zu setzen. Es lautet dann: „Mit „I" ist's öd, mit „in" bewachsen, Doch hier wie dort nicht gern gesehn, Mit „n" dreht es sich ohne Achsen, Ohne jemals stillzustehen." Die Lösung wäre: Kahl, Kahm (auch Kahmhaut genannt, auf Wein und Essiggut sich bildend, ein Gewirr von
dem genügte ein bestimmtes Signal aus einer kleinen Pfeife, um Polizisten zu ihrer Hilfe herbeizurufen.
* »
*
Mary hörte, daß man ihr in der Tat folgte. Sie wandte sich um und ein Lächeln der Befriedigung umspielte ihre Lippen, als sie merkte, daß der junge Mann, der sich ihr näherte, Henry Wilbert war.
Sie entschloß sich, die Aengstliche zu spielen, und beschleunigte ihre Schritte, wie von Furcht getrieben, trotzdem ihr nichts gelegener kommen konnte, als diese Begegnung mit dem jungen Manne.
Sie bog in eine Seitenstraße ein; hinter sich ver- nahm sie noch immer die raschen, aber unsicheren Schritte des ihr Nacheilenden.
Wieder bog Mary um eine Ecke und betrat eine Straße, die menschenleer und still vor ihr lag.
Der junge Mann hatte sie eingeholt und legte keck seine Hand auf ihre Schulter.
Das Mädchen schrie auf, blieb stehen und fragte in strengem, wenn auch zitterndem Tone:
„Was wollen Sie von mir?"
„O! Ich möchte nur einen Blick auf Dein Gesicht werfen, mein süßer Engel, dann kannst Du ungehindert Deines Weges ziehen."
„Welches Recht haben Sie zu solcher Zudringlichkeit?"
„Ach Unsinn," rief Henry Wilbert und mit kecker Hand wollte er sich anschicken, den Schleier zur Seite zu ziehen. Mary Golling trat einen Schritt zurück und sagte:
Pilzfäden darstellend), Kahn. Auch dann ist das Rätsel noch nicht schön. Vielleicht ist aber daran der so jählings verschiedene „Rätselonkel" schuld.
sJn der Gesellschaft.) Gast (mit erheuchelter Teilnahme): „Sonst erfreute uns Ihre Frau
Gemahlin häufig mit einem Liedchen; ich höre leider, daß sie heute heiser ist!" — Hausherr: „O, beruhigen Sie sich . . . deshalb singt sie doch!"
Auflösung des Silbenrätsels in Nr. 111. TuberosE. HollanD, OrsinJ, MoseS. ArnO, SpanieN. — („Thomas Edison.")
Letzte Nachrichten u. Telegramme.
Molde, 21. Juli. Der Kaiser fuhr gestern morgen gegen 9 Uhr mit den Herren des Gefolges auf dem Torpedoboot „Sleipner" in den Romsdals- fijord. Zu Wagen wurde dann das Romsdal besucht. Die Rückkehr nach Molde erfolgte gegen 6 Uhr. Die Partie wurde vom schönsten Wetter begünstigt. Heute abend geht die „Hohenzollern" nach dem Rauenfijord, von wo aus demnächst nach dem Anlaufen einiger südlicher norwegischer Häfen die Rückreise angetreten werden wird.
Wiesbaden, 21. Juli. Im Beisein des Reichskommissars für die Weltausstellung in St. Louis, Geheimrat Lewald, fand heute eine aus allen Teilen des deutschen Reiches beschickte Konferenz von Wein- Produzenten und Weinhändlern statt, um über die Art und Weise der Beschickung der deutschen Wein- ausstellung in St. Louis einen Beschluß zu fassen. An der Konferenz nahmen 50 Interessenten teil. Nach längerer Beratung wurden entsprechende Bestimmungen festgesetzt.
Rom, 21. Juli. Heute fand die erste Versammlung, an welcher 28 Kardinäle teilnahmen, statt. Das Konklave wird, falls nicht unvorhergesehene Zwischenfälle eintreten, am Abend des 31. Juli eröffnet werden. Der Papst hat keinerlei Bestimmungen hin- sichtlich des Konklaves getroffen; die bisherigen Bestimmungen bleiben daher unverändert. Sie haben gelobt, über ihre Beratungen absolutes Stillschweigen zu beobachten. Nach der Versammlung empfingen die Kardinäle die Botschafter von Oesterreich-Ungarn, Frankreich, Spanien und Portugal, die dem Beileid ihrer Regierungen Ausdruck gaben. Im Vatikan ist eine große Zahl von Beileidstelegrammen von Souveränen, Staatsoberhäuptern, anderen Fürstlichkeiten aus allen Teilen der Welt eingegangen.
Petersburg, 21. Juli. Die heutige Gesetzes- sammlung veröffentlicht am 11. Januar 1904 in Kraft tretende Bestimmungen über die Einfuhr ausländischer Waren aus europäischen Länder«, sowie Bestimmungen über veterinärpolizeiliche Maßnahmen zur Vorbeugung und Unterdrückung von Viehseuchen.
Mutmaßliches Metier am 23. und 24. Juli.
Bei vorherrschend südlichen bis südöstlichen Winden und sehr warmer Temperatur ist für Donnerstag und Freitag vorwiegend heiteres und nur noch sporadisch bewölktes Wetter mit seltenen Ausnahmen kurzer Störungen in Aussicht zu nehmen.
„Nehmen Sie sich in acht, mein Herr! Warum wollen Sie denn mein Gesicht sehen?"
„Nun, weil ich mir einmal in den Kopf gesetzt habe, daß es ein sehr schönes sein muß."
„Da sind Sie wohl mit Ihren Kameraden eine Wette eingegangen, daß Sie es ausfinden würden?"
„Das gerade nicht. Aber ich habe mir fest vorgenommen, es zu sehen, und was ich mir vornehme —"
„Haben Sie Geld bei sich?"
„Eine Menge."
„Dann nehmen Sie sich eine Droschke und machen Sie, daß Sie nach Hause kommen: es ist höchste Zeit dazu, wenn Sie nicht noch Unheil anrichten wollen."
„Und ich sage Ihnen, ich will Ihr Gesicht sehen!" Mit diesen Worten riß der junge Mann den Schleier zur Seite und das schöne Antlitz des jungen Mädchens zeigte sich ihm.
„Verzeihung!" rief Henry Wilbert.
Ohne Zweifel hatte er die herausfordernden Züge einer Dirne zu sehen erwartet und als er in das liebliche Gesicht eines Wesens sah, dem unverkennbar der Stempel einer Dame aufgedrückt war, überkam ihn ein Gefühl der Scham.
„Nun, sind Sie jetzt zufrieden?" fragte sie.
Mary zog den Schleier wieder vor das Gesicht und setzte ihren Weg fort. Henry blieb dicht neben ihr und sagte kleinlaut:
„Ich möchte Sie nach Hause geleiten, damit Ihnen nichts Passiert."
„Nach Ihrer Zudringlichkeit müßte ich mich unter