meinde- und Bezirksverwaltungsreformen fort, zunächst wird an der elfteren fortgefahren. Der Minister des Innern ist mit der Ueberweisung des Entwurfs an die Kommission einverstanden, widerlegt die gestrigen Acußerungen des soz. Abgeordneten Täuscher, indem er ausführte, wer am Gemeinderecht teilnehmen wolle, könne auch die Bürgerrechts- gebühr von 5 bezahlen. Bezüglich des Bestätigungsrechts der Regierung, auch für wiedergewählte Ortsvorsteher müsse die Regierung auf ihrem Standpunkt beharren. Gröber (Ztr.) wünscht eine bessere Behandlung der etwa wiedergewählten Ortsvorsteher. Sie sollten bei ihrer Nichtbestätigung sich vor dem Verwaltungsgerichtshof auch verteidigen können. Prälat v. Wittich (fr. Ver.) tritt für Erhaltung der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher ein. Ministerialrat von Fleischhauer verteidigt das Be- stätigungsrecht des Staates, auch für wiedergewählte Ortsvorsteher. Tauscher (Soz.) hofft, daß der vom Minister ausgesprochene Grundsatz, wonach Partei- politische Erwägungen bei den Ortsvorsteherwahlen nicht in Betracht kommen, auch dann beachtet werde, wenn ein Sozialdemokrat zum Schultheißen gewählt werde. Kraut (BP.) empfiehlt die Wünsche der Gemeindebeamten zur Annahme. Das Einspruchsrecht der Regierung müsse noch etwas beschnitten werden, aber nicht das Bestätigungsrecht bei der Wiederwahl der Ortsvorsteher, weil mit dem allgemeinen Wahlrecht viel Mißbrauch getrieben werden könne. Geß (D. P.) behauptet gegenüber Gröber, daß der Staat die alleinige Rechtsquelle sei. Keil (Soz.) beschwert sich darüber, daß man erst 3 Jahre lang Steuer gezahlt haben müsse, bis man das Bürgerrecht er- werben könne. Hierauf wird die Generaldebatte ge- schlossen und der Kommissionsantrag auf Eintritt in die Spezialberatung angenommen.
Stuttgart, 16. Juli. In der Kammer der Standesherren wurde eine ganze Reihe von Differenzpunkten erledigt, namentlich gab die erste Kammer bezüglich der obligatorischen Einführung der Warenhaussteuer nach. Bei Art. 22 und 23 genehmigt das Haus den Prozentsatz der Vorausbelastung, will jedoch statt des Wortes 12^-fach setzen 8flzfach. Minister v. Pischek bittet eindringlich um Zustimmung auch in dieser Frage zu dem Beschluß des anderen Hauses. Wenn den Gemeinden ein so geringer Teil aus der Einkommenssteuer zugewiesen werde, so sei ihnen damit nicht gedient. Wenn die Gemeindesteuerreform falle, so falle eben damit auch die große Staatssteuerreform. Gleichwohl stimme das Haus den Kommissionsantrügen zu, was Minister v. Pischek lebhaft bedauert und der Befürchtung Ausdruck gibt, daß dadurch die Stellung der Regierung nicht gefestigt werde. Fürst Quadt ver- wahrt sich und das Haus gegen Verhaltungsmaßregeln seitens des Ministers, worauf letzterer erwidert, er habe dem Haus keine Verhaltungsmaßregeln geben wollen, aber die Steuerreform habe uns bis jetzt seit 7 Jahren beschäftigt und es wäre doch gewiß sehr bedauerlich, wenn jetzt das Gesetz wieder nicht zu Stande käme. Nach vermittelnden Worten des Geheimrats v. Schall und des Berichterstatters von Geßler wird ein Antrag des letzteren angenommen,
Miezis erster Liebesbrief.
1) Von Itichard Schott.
-- (Nachdruck verboten.)
Miezis Mutter saß am Schreibtisch und richtete folgenden Brief an ihren Bruder:
Mein lieber Max!
Dem guten, treuen Onkel habe ich heute eine Mitteilung zu machen, die ihn, als Miezis ehemaligem Vormund, gewiß ganz besonders freuen wird. Miezi hat sich gestern abend hier verlobt und ist unbeschreiblich glücklich. Sie war zuerst ziemlich abweisend, weil sie ihn sehr pedantisch fand. Nachher hat sie ihn aber in den vier Wochen, die sie hier in Warnemünde täglich zusammen waren, als einen so herzensguten, braven und lieben Menschen kennen gelernt, daß sie ihm freudig ihr Jawort gegeben hat, als er ihr gestern eine Erklärung machte. Ich habe nicht nein gesagt, denn er ist wirklich ein netter Mann, Gymnasiallehrer und Leutnant der Reserve. Er heißt Dr. Teschendorf, und sein Vater ist Pastor im Thüringischen. Wie er aussieht, wird Dir Miezi gewiß besser beschreiben, als ich es könnte. Uebrigens wirst Du ihn bald selbst kennen lernen, denn er kommt zu Miezis Geburtstag im Oktober nach Stettin und dann soll auch die Verlobung erst bekannt gemacht werden. Leider sind seine Ferien zu Ende, so daß er schon heute abreisen muß.
Mit herzlichen Grüßen Deine treue Schwester
Martha.
auf seinem früheren Beschluß zu beharren, jedoch mit der Aenderung daß in Ziffer 1 Absatz 2 statt 6°/» gesetzt werdet"/».
Wie sich die Warenhaussteuer in Württemberg ausnehmen wird. Bei dem lebhaften Interesse, welches die weiten Kreise der kleineren Geschäftsleute in Stadt und Land von jeher für die Warenhaussteuer an den Tag gelegt haben, wird von ihnen die von der Kammer der Abgeordneten beschlossene obligatorische Einführung derselben jedenfalls mit Befriedigung ausgenommen werden. Sie ist für Warenhäuser. Großbazare, Abzahlungs-, Ver- steigerungs- und Versandtgeschäfte nach Maßgabe des erzielten Jahresumsatzes festzusetzen und zwar wird sie in Gemeinden, welche eine Gemeindeumlage (Gewerbesteuer) erheben, in Form einer Erhöhung des aus dem Gewerbekataster sich ergebenden Umlageanteils erhoben. Der Ansatz der Steuer beginnt in Gemeinden bis zu 10000 Einwohnern bei einem Jahresumsatz von 80000 ^, von mehr als 10000 bis 50000 Einwohnern bei einem Jahresumsatz von 150000 von mehr als 50000 Einwohnern bei einem Jahresumsatz von 200000 ^ Besitzt eine der oben bezeichneten Unternehmungen innerhalb eines und desselben Gemeindebezirks Filialbetriebe, so ist sie mit denselben als ein Ganzes zu behandeln. Maßgebend ist der Umsatz des seiner Feststellung unmittelbar vorausgegangenen Kalenderjahres. Die jährliche Feststellung des Umsatzes erfolgt durch die für die Fortführung des Gewerbekatasters zuständigen Beamten und haben zu diesem Zwecke die Inhaber der der Warenhaussteuer unterliegenden Geschäfte jedes Jahr eine Fassion ihres im vorausgegangenen Kalenderjahr erzielten Umsatzes einzureichen. In Gemeinden, in welchen keine Umlage erhoben wird, ist die Warenhaussteuer aus 20 Prozent des Gewerbesteuerkapitals nach der durchschnittlichen pro- zentualen Höhe der Gemeindeumlage sämtlicher Gemeinden des Oberamtsbezirks zu bemessen. In Gemeinden, welche eine Umlage erheben, erfolgt die Erhöhung des Umlageanteils als Zuschlag zu dem der Umlage zu Grund liegenden ordentlichen Gewerbe- steuerkapital der gewerblichen Unternehmung in Prozenten des letzteren und zwar entweder gleichmäßig oder steigend nach bestimmten Teilen des Jahresumsatzes; der Zuschlag darf 50 Prozent des ordentlichen Steuerkapitals nicht übersteigen, muß aber mindestens 20 Prozent desselben betragen. Die näheren Bestimmungen insbesondere über die Abgrenzung der gewerblichen Unternehmungen, sowie über das Maß und die Abstufung der Erhöhung des Umlageanteils sind in einer durch die bürgerlichen Kollegien aufzustellenden Steuerordnung zu treffen, welche der Genehmigung der Ministerien des Innern und der Finanzen unterliegt.
Stuttgart, 15. Juli. Am Montag fand unter dem Vorsitz des Fürste» Karl zu Löwenstein im Hotel Marquardt eine Sitzung von Mitgliedern der Antiduellliga und anderen dazu eingeladenen Herren statt, in welcher die Gründung einer Ortsgruppe Stuttgart, bezw. einer Landesgruppe Württemberg dieser Liga beschlossen wurde. Än der Vorbereitung der Versammlung war besonders auch Vizepräsident
Frau Hagenau hatte eben den Brief beendet, als Miezi ins Zimmer gestürzt kam: „Muttchen, mach Dich schnell fertig, wir müssen Alfred zur Bahn bringen!"
„Schon? Es ist ja noch über eine Stunde Zeit, und der Weg zum Bahnhof nimmt doch kaum zehn Minuten in Anspruch."
„Verehrte Schwiegermama," sagte der Doktor, der jetzt ebenfalls eingetreten war, „Pünktlichkeit über alles! Lieber eine Viertelstunde zu früh, als eine Minute zu spät."
„Vor allem aber wollen wir noch einen kleinen Spaziergang machen," ergänzte Miezi. „Minna kann den Koffer zur Bahn bringen. Ich möchte doch noch ein bißchen was von Alfred haben."
Nachdem der Doktor das Mädchen wegen des Koffers nochmals genau instruiert hatte, gingen sie zum Strand und besuchten in zärtlichem Geplauder alle Stellen, an denen sie in den letzten Wochen so oft beieinander gewesen waren, die unvergeßlichen Zeugen ihres Liebesglückes.
„Es sind doch wunderschöne Erinnerungen, Miezi!" sagte der Doktor, seiner kleinen blonden Braut selig den Arm drückend.
„Wunderschön," antwortete Miezi innig. „Ich werde diese Tage niemals vergessen."
Dann hörte man eine Weile nichts als das gleichmäßige Rauschen der im Sande verlaufenden leisen Meereswellen, bis Frau Hagenau das Schweigen unterbrach und rief: „Was ihr für Glück habt, Kinder! Selbst der Himmel scheint es für Eure
Dr. v. Kiene beteiligt gewesen. Zum ersten Vorsitzenden der Ortsgruppe Stuttgart wurde Geheimrat v. Schall, zum zweiten Vorsitzenden Reichsgerichtsrat a. D. v. Geß, zum provisorischen Schriftführer Redakteur Eckard gewählt. Demnächst soll ein Aufruf veröffentlicht werden, um zum Beitritt zur Liga einzuladen.
Stuttgart, 15. Juli. Nachdem ein Teil der jüngeren Lehrer zu militärischen Uebungen eingezogen ist, macht sich der Mangel an Lehrkräften sehr fühlbar. Nicht nur auf dem Lande, sondern auch in Städten kann für erkrankte Lehrer ein Stellvertreter nicht bestellt werden, so daß vielfach 2 Schulklassen von einem Lehrer versehen werden müssen.
Cannstatt, 13. Juli. Mit Rücksicht auf die ungünstige Finanzlage der Stadt sollen für das nächste Etatsjahr als Einnahme vom Volksfest 19000 -/A, statt beantragten 14 000 eingestellt werden. Der 10 jährige Durchschnitt der Einnahmen vom Volksfest beträgt rund 22000 ^ Um den Finanzen der Stadt weiter aufzuhelfen, soll im nächsten Jahr eine Neueinschätzung der Wasserabnehmer erfolgen. Wo Wasfermesser vorhanden sind, wird der Kubikmeter in der Stadt derzeit zu 15 ^s, auf der Prag, am Nordbahnhof zu 30 berechnet. Die übrigen Wasserabnehmer bezahlen 3°/» vom eingeschätzten Mietwert der Wohnungen. Eine Steigerung der Einnahmen soll ferner dadurch erzielt werden, daß vom 1. Oktober d. I. ab die Schulgeldsätze der Realschule auf diejenigen des Gymnasiums erhöht werden. Die Lebenshaltung wird somit in Cannstatt immer teurer.
Rottweil, 15. Juli. Die Landesversammlung des Vereins Württ. Körperschaftsbeamter findet am Samstag den 25. Juli d. I. hier statt, die Verhandlungen erstrecken sich neben der üblichen Einleitung und dem Kassenbericht auf Vorträge über: a) den Entwurf der neuen Bauordnung, d) die Einführung der neuen Steuergesetze, e) die Sporteln aus Veräußerungen von Körperschaftsvermögen und ihre Beziehungen zur Bodenpolitik der Gemeinden, ä) die dienstliche Stellung der Geschäftsmänner für das Grundbuchwesen. Für Sonntag 26. Juli ist ein Ausflug an den Bodensee geplant.
Biberach, 15. Juli. Für den am kommenden Samstag und Sonntag hier stattfindenden Verbandstag der württ. kaufmännischen Vereine sind die Vorbereitungen in vollem Gange.
Lauffen a. N., 16. Juli. Heute wurde der erste Roggen heimgeführt und hat die allgemeine Roggenernte jetzt begonnen.
Neckartenzlingen, 13. Juli. Heute früh brach in einer zwischen zwei größeren Wohngebäuden liegenden Scheuer Feuer aus. Es griff so rasch um sich, daß an eine Rettung der beiden Häuser nicht zu denken war. Leider sind auch Menschenleben zu beklagen; der 17 jährige Sohn eines der Hausbewohner, im Begriff, seine 10 jährige Schwester in Sicherheit zu bringen, fand zusammen mit dieser den Tod in den Flammen. Zwei andere Geschwister wurden mit Mühe gerettet und liegen an ihren Verletzungen darnieder.
Nutzholzverkäufe. Bei Verkäufen in württem- belgischen Staatswaldungen erzielte Nadelstammholz
Abschiedsstunde noch besonders gut machen zu wollen. Seht nur, wie wunderbar die Sonne untergeht!"
Die Liebenden blickten auf und genossen in stummem Entzücken den herrlichen Anblick.
Plötzlich sah der Doktor nach der Uhr und sagte: „Minna wird doch mit dem Koffer an der Bahn sein? Ich glaube, wir machen uns jetzt auf den Weg.
„Aber Alfred!" rief Miezi, ihn vorwurfsvoll anblickend. „Ich denke, Du schwärmst, und dabei weilt Dein Herz in der Gepäckkammer!"
Wenn er nur nicht so schrecklich pedantisch wäre, dachte sie und hätte ihm gern eine kleine Moral- Predigt gehalten. Aber die Abschiedsstunde war hierzu doch Wohl nicht angetan. Sie behielt also ihre Gedanken für sich und folgte ihm willig zum Bahnhof.
Schon eine Viertelstunde vor Abgang des Zuges hatte er seinen Platz mit dem richtig eingetroffenen Koffer belegt, stieg dann aber nochmals aus, um die beiden Damen vor einen in der Bahnhofshalle aufgehängten Fahrpläne zu führen. Hier nahm er seine Visitenkarte aus seinem Taschenbuch, schrieb ein paar Zahlen darauf und übergab sie seiner Braut mit den Worten: „Mit dem Zuge 4 Uhr 55 müssen die Briefe abgehen, wenn ich sie mit der ersten Post haben soll. Ich habe es Dir hier ausgeschrieben: 4 Uhr 55. Versäume ihn ja nicht! Uebermorgeu früh erwarte ich bestimmt die erste Nachricht.
Miezi lachte und versprach alles. Der Doktor küßte ihr den Mund und der Schwiegermutter die
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