aus den mannigfaltigsten Gebieten; Diskussionsabende werden vielfach abgehalten; die Verbandszeitung wird fast überall gelesen und hat in Württemberg 3887 Leser; auch Darbietungen wirtschaftlicher Art sind zu verzeichnen, besonders die Verbandssterbekasse; auch die Geselligkeit wird gepflegt, Stiftungsfeste, Familienabende, musikalische Aufführungen wurden da und dort veranstaltet; Gauverbände gibt es 6, wodurch die Beziehungen unter einzelnen Vereinen zum Teil sehr rege sind. — Nach eingehender Besprechung der Berichte hielt Stadtpfarrer Dr. Schoell-Reutlingen einen Vortrag über „Das sittliche Moment in der Arbeiterbewegung", worin er zeigte: sittlich berechtigt ist das politische wie das wirtschaftliche Ziel der Arbeiterbewegung unter gewissen Voraussetzungen; unsittliche Beweggründe können bei der Arbeiterbewegung mit im Spiel sein; die Kampfmittel sind manchmal sittlich verwerflich; der Erfolg hängt vom Umfang und der Reinheit der in der Arbeiterbewegung beteiligten sittlichen Kräfte ab; was ist auf Grund davon die Aufgabe der evang. Arbeitervereine?
-— Nachdem dann Bezirksnotar Klein-Eßlingen noch über die „Grundlinien eines Gemeindeprogramms" gesprochen hatte und die Neuwahlen vollzogen waren, ging man über zur Beratung einiger Anträge, welche aus den einzelnen Vereinen eingelaufen waren; besonders lebhaft wurde über Anstellung eines Verbandsagenten beraten, die Notwendigkeit eines solchen anerkannt und die Gründung eines Fonds für diesen Zweck angeregt. — Nach den Verhandlungen war ein gemeisames Mittagessen; während desselben traf ein kgl. Telegramm ein als Antwort auf eine von der Versammlung abgesandte Huldigung. Um 4 Uhr schloß sich ein Familienfest des Tutt- linger Vereins an mit Ansprachen und musikalischen Darbietungen, bei welchem auch die auswärtigen Gäste sich noch beteiligten. — An den Schluß sei ein Wort gestellt, das der Verbandsvorsitzende betonte und das, wie für alle Vereine, so auch für die evang. Arbeitervereine gilt „Erfolge können nur erreicht werden durch Arbeit und die Einzelarbeit ist der erste Schritt zum Siege."
-r- Herren alb, 23. Juni. Gelegentlich der Prüfungen des Großh. Konservatoriums zu Karlsruhe errang Fräulein Frida Hummel von hier als Pianistin in einem Konzert im Museumssaale einen hervorragenden Erfolg. Sie spielte mit ihrer Partnerin Frl. Melanie Fackler eine glanzvolle Komposition von I. Moscheles (llommags a Uüuüol für 2 Klaviere.) Beide Damen ernteten für ihren prächtigen Vortrag seitens der überaus zahlreichen Konzertbesucher allseitigen Beifall und Hervorruf. Wir rufen unserer jungen einheimischen Künstlerin für ihr ferneres «Studium „Glückauf" zu.
-ml- Herrenalb, 23. Juni. Im Hause des Sägwerkbesitzers Köckler hier war am Sonntag Abend eine kleine, aber recht bedeutsame Feier. Frau Kommerzienrat Schiedmayer- Stuttgart kehrte an diesem Tage zum 30. Male als Sommergast in den freundlichen Räumen des genannten Hauses ein. Die Kurkapelle unter der tüchtigen Leitung ihres Kapellmeisters O. Hönicke brachte der verehrten Jubilarin ein wohlgelungenes Ständchen. Auch wir möchten uns mit herzlichen Glückwünschen der Feier anschließen, die für Gast und Haus gleich ehrend sind.
-m- Herrenalb, 23. Juni. Im Laufe dieser Woche wird der durch Architekt Zinser-Karlsruhe ausgeführte Neubau des Hotels Lslle vuo vollendet. Er bildet mit seinen originellen Formen und Linien im Jugendstil eine reizvolle Verschönerung unserer Stadt. Am kommenden Sonntag soll der Bau mit einer passenden Feier eröffnet werden.
-ml- Herrenalb, 23. Juni. Am vergangenen Samstag ereignete sich nachmittags 6 Uhr auf der Station Busenbach der Albtalbahn ein schwerer Unglücksfall. Der etwa 50jährige Stationsarbeiter Steiner von Pfaffenroth geriet beim Rangieren zwischen eine Lokomotive und einen Wagen; er erlitt so schwere Verletzungen, daß er noch in der folgenden Nacht starb. Es liegt ein Verschulden der Maschinenführer vor; die Untersuchung ist im Gange. Der Verstorbene ist in seinem Dienst und als Hausvater stets treu erfunden worden.
Alten steig, 22. Juni. Seit der Hebung von 5 Wohnhäusern durch Bauunternehmer Rückgauer aus Stuttgart herrscht hier eine rege Bautätigkeit, die sich noch steigern wird, da an der neuen Straße von der unteren zur oberen Stadt und nach Altensteig- Dorf noch eine Reihe von Neubauten erstellt werden. Sämtliche an der Straße liegenden Grundstücke sind als Bauplätze aufgekauft worden. Mehrere stattliche Gebäude in diesem neuen Stadtteil waren während des vorigen Sommers von Luftkurgästen bewohnt.
Zur Reichstags-Stichwahl im VH. Württemberg. Wahlkreis.
(Eingesandt.) Bei der Stichwahl hofft der bünd- Icrische Kandidat Schrempf durch Verschweigen der Lebensfragen, um die es sich bei der diesmaligen Wahl handelt, durch die bekannte Wichtigtuerei mit seiner eigenen Person und ein Geschimpf auf die Volkspartei noch einmal zu siegen.
Schrempf weiß in seinem Flugblatt von sich merkwürdig viele Verdienste zu rühmen. Auffallenderweise hat er seine Haupttätigkeit im Interesse der Wähler des 7. Wahlkreises anzugeben vergessen. Infolge des neuen Branntweingesetzes können unsere kleinen Bauern nimmer brennen. Das Fleischbeschaugesetz wurde der Regierung durch das Drängen der Agrarier abgenötigt. Beim neuen Zolltarif war er einer von den ärgsten Lebens- mittelverteurern, einer von denen, welche auf allgemeine Zollkriege hinarbeiteten. Das ist Schremps's Hilfe für den Mittelstand, für den Handwerker, den Bauern, den Weingärtner, den Industriellen. Dank der Schrempf'schen Politik müssen wir Deutsche im Inland den deutschen Zucker teurer bezahlen als das Ausland. Das istSchrempf'sche „vaterländische Heimatpolitik." Schrempf war einer der wütendsten Gegner der bestehenden Handelsverträge, denen wir so unendlich viel verdanken. Infolge dieser Verträge konnte die „industrielle Reservearmee auf der Landstraße", die früher sich auf allgemeine Kosten unterhalten hat, in Her Industrie Beschäftigung finden. Wir waren im stände, jedes Jahr II Milliarden Mark über unsere Grenze brausen zu lassen und dadurch den Volkswohlstand bedeutend zu heben. Das soll alles in Zukunft nach Schremps's Wunsch aufhören, so daß wir genötigt wären, jedes Jahr ungefähr 800000 Deutsche, die wir nicht mehr beschäftigen und ernähren könnten, zur Auswanderung zu veranlassen. Das nennt Schrempf „echt deutsche vaterländische Heimatpolitik"!
Schrempf ist der größte Mittelstandsgegner, den es nur geben kann, trotz seiner schönen Reden über den Schutz und die Erhaltung des Mittelstandes. Wodurch wird denn der Mittelstand am meisten belastet? Doch wohl in erster Linie durch die hohen indirekten Steuern, die heutzutage den Betrag des mittelalterlichen „Zehnten" erreicht haben und also die Kaufkraft des Volkes um 10 Prozent schwächen. Schrempf aber will die indirekten Steuern immer mehr erhöhen. Zum Beweis, wie Schrempf die wohlhabenden Leute stärker besteuern wolle, nennt er die Champagnersteuer und die Steuer auf Pilsener Bier. Das ist Sand in die Augen der Wähler, die glauben sollen, die Hunderte von nötigen neuen Millionen müsse wegen der Champagnersteuer, die natürlich keinen nennenswerten Betrag einbringt, der Reiche tragen. Solche Schönheitspflästerchen helfen nichts. Vielmehr muß eben die große Mehrbelastung, die Schrempf mitbeschlossen hat, der kleine und mittlere Mann tragen; und im neuen Reichstag wird deshalb auch Hr. Schrempf wieder für eine Bier- und Tabaksteuer eintreten.
Darum fort mit dem Feind der arbeitenden Bevölkerung, der durch Lebensmittelverteuerung, Handelsvertragsgegnerschaft und fortgesetzte indirekte Besteuerung die Interessen des ganzen 7. Wahlkreises aufs empfindlichste schädigt!
Ihr Wähler des Oberamts Neuenbürg, Ihr habt bei der ersten Wahl gezeigt, wohin der Kurs gehen soll, tretet morgen wieder zusammen und gebet durch Eure Stimmzettel deutlich kund, daß Ihr von der schrempf'schen Politik nichts mehr wißen wollt. Vielleicht läßt sich Hr. Schrempf dann bei der näch- sten Reichstagswahl in einem ostelbischen „Junker- Wahlkreis" aufstellen, deren Interessen er seither schon in so glänzender Weise vertreten hat!
(Eingesandt.) Die Mitteilung aus Calw, welche von einer Wählerversammlung für Schrempf berichtet, welche in Calw stattfand, hat allerseits besondere Beachtung gefunden, besonders deshalb, weil berichtet worden ist, daß 2 angesehene Mitglieder der deutschen Partei erklärten, daß sie und ihre Freunde, welche vorher Wahlenthaltung empfohlen hatten, nunmehr für den nationalen Kandidaten Schrempf eintreten werden. Der Einsender hält diesen Vorgang entschieden für nachahmenswert: er möchte allen Mitgliedern und Freunden der nationalen Partei empfehlen, gleiches zu tun, statt sich der Wahl zu enthalten. Gar nicht zu verstehen wäre, daß Mitglieder der deutschen Partei anstandslos dem demo- kratischen Kandidaten ihre Stimmen geben könnten, wenn man sich nur daran erinnert, mit welcher Leidenschaft gewisse Anführer der sogen. Volkspartei
bei der letzten Landtagswahl im Bezirke Nenenbürg gegen die deutsche Partei vorgegangen sind, mit welchem Eifer sie den liberalen Kandidaten Weiß verdammt und wie sie ihn bis zur Stichwahl als „Agrarier" verschrieen haben, trotzdem Weiß von Anfang an und dann wiederholt in allen Versammlungen erklärt hatte, daß er bestimmt keiner sei; weiter, wie die Volksparteiler damals mit dem abgeschmackten Agitations-Stichwort „Brotwucher" umgesprungen sind und wie sie bei der Stichwahl gegen den liberalen Weiß, also für den Sozi gestimmt haben, dann wird es nicht schwer sein, zwischen dem nationalen und dem demokratischen Kandidaten zu wählen. Man braucht nur auch daran zu denken, wie man seither gerade den nationalen Standpunkt gegenüber dem demokratischen hochgehalten und bei allen Wahlen betont hat. Weiß wurde, wie bereits gesagt, bis zur letzten Stunde als „Agrarier" verschrieen, trotzdem er xmal erklärt hatte, daß er es nicht sei. Und daß er es auch nicht war, das bewies seine Abstimmung kurze Zeit nach der Wahl, wo er im Landtag gegen den Zentrumsantrag Rembold stimmte, welcher von etlichen 50 Abgeordneten verschiedener Parteien eingebracht war und welcher bezweckte, daß die württ. Regierung im Bundesrat für eine Erhöhung der Kornzölle stimmen solle. Weiß hat damals dagegen gestimmt und zwar mit einem Teil der Volkspartei. Ein anderer Teil dieser Partei hat aber für höhere Fruchtzölle gestimmt, und nun sollen die Anhänger der deutschen Partei im Handumdrehen mit ihrer politischen Vergangenheit brechen und den Kandidaten der Demokratie wählen können, den von der sogen. Volkspartei, welche Partei zusammengesetzt ist zu einem großen Teil aus Handels- und Börseleuten deutscher und jüdischer Nation, sowie aus Advokaten und aus unverbesserlichen Partikularisten, die in allen nationalen und wirtschaftlichen Fragen die nationalliberale Partei in „ihrer Art und Wege" stets zu bekämpfen bemüht war, welche nun aber bei der Wahl am 16. Juni bei weitem die größte Schlappe erhalten hat.
Eingesandt zur Wahl.
W ähler der konservativen u. deutschen Partei!
Wenn Ihr Euch an die blindwütige Gehässigkeit der demokratischen Herren bei unserer letzten Abge- ordneten-Wahl erinnert, bei der sie aus Rache über ihre, trotz aller Siegeszuversicht, so entschiedene Niederlage sich mit der Sozialdemokratie verbrüderten, um unserem allgemein geachteten Abgeordneten eine Niederlage zu bereiten, waS ihnen aber, auch vereint, nicht gelungen ist, dann kann Euch die Wahl nicht schwer fallen, wem Ihr Eure Stimme geben sollt, dann kann die Parole nur heißen: Fried. Schrempf! Wer wollte es nicht einsehen, daß gerade eine derartige Agitation, wie sie von der Volkspartei schon lange betrieben wird, Schuld trägt an dem Anwachsen der Sozialdemokratie. Auf dem Boden, den die Demokratie bepflanzt hat, ist die Sozialdemokratie üppig angewachsen. — Wenn alle, besonders auch diejenigen, die bei der Hauptwahl säumig waren, ihre Pflicht erfüllen, so wird uns auch diesmal der Erfolg nicht fehlen, und hoffen wir dann diesen Trabanten der Großjuden und Kornwucherer eine Niederlage zu bereiten. Also alle auf zur Wahlurne!
Ein reichstreuer Wähler.
Calw, 23. Juni. (Korrespond.) Die Stichwahl hat uns einen erbitterten Wahlkampf gebracht. Die Demokratie sucht mit allen Mitteln, die weit über das Maß des Erlaubten und des politischen Anstands hinausgehen, den Wahlkreis zu erobern und Schrempf mundtot zu machen. Der Haß der Demokratie gegen Schrempf findet gar keine Grenzen. Eine Menge von gehässigen Wahllügen wird über Schrempf verbreitet und kein Mittel ist zu schlecht, um nicht als Waffe gegen Schrempf gebraucht zu werden. Der Wahlkampf ist hier soweit gediehen, daß den Anhängern Schrempfs mit Boykottierung ihres Geschäfts, mit Entziehung der Kundschaft gedroht wird. Angesichts dieses demagogischen Treibens wenden sich viele Leute von der Demokratie ab. Es sind deshalb die Aussichten für Schrempf hier bedeutend gestiegen, obgleich die Sozialdemokratie für Schweickharüt eintreten wird. Auch stoßen sich viele Leute an der Stellung Schweick- Hardts, namentlich die kleineren Leute und die Bauern, und wählen Schrempf. Es fällt den Leuten auf, daß Schweickhardt im Oberamt Herrenberg, wo er doch sehr bekannt ist und seinen Geschäftsbetrieb hat, und wo doch die produzierenden Gänvauern mit dem Müller Schweickhardt in Geschäftsverbindung stehen, so wenig Stimmen erhalten hat. Und gerade die Leitung der Äolksparrei setzte bei Ausstellung des Kandl- daten die größten Hoffnungen auf dieses geschäftliche Bekanntsein Schweickhardts im Herrenberger Bezirk.