RunSschau.

Brunsbüttel, 22. Juni. Die neue Station für drahtlose Telegraphie in Brunsbüttelkoog ist jetzt mit dem neuen kombinierten System Slaby-Arco- Braun-Siemens ausgcstattet. Ursprünglich war sie für das System Braun-Siemens bestimmt. Sie hat in den letzten Tagen erfolgreich telegraphische Nach­richten mit derHohenzollern". Helgoland, Kuxhaven und Hamburg ausgetauscht und wird in nächster Zeit die Verständigung mit dem Feuerschiff aufnehmen und allmählich den gesamten wellentelegraphischen Verkehr mit den Stationen am Nordostsee-Kanal und den diesen passierenden Schiffen aufrecht erhalten.

Wiesbaden, 22. Juni. Der Kurhausneuban- plan des Professor v. Thiersch München ist nunmehr von der Stadtverordnetenversammlung endgültig ge­nehmigt und die Summe von 3 Millionen Mark zum Bau bewilligt worden. Der Kaiser hat die Plane gesehen und sich sehr befriedigt über sie aus­gesprochen.

Karlsruhe, 22. Juni. Professor Böthlingk hat gegen den ultramontanenAcher- und Bühler- Bote", der im Anschluß an denKappen-Prozeß" den Professor neuerdings mit Schmähungen über­häuft hat, wiederum eine Privatklage angestrengt. Das Blatt wurde erst vor kurzem wegen Beleidigung des Professors Böthlingk vom Schöffengericht in Bühl zu 200 o/L Geldstrafe verurteilt.

Eppingen, 23. Juni. Als der Zentrums kandidat im 13. Wahlkreis, Frhr. v. Mentzingen, sich gestern Per Wagen von hier zu einer in Hilsbach anberaumten Wahlversammlung begeben wollte, war von Bubenhand eine Strecke vor Hilsbach die Land­straße in Höhe von Iff? ui über dem Boden mit einem starken Draht überzogen. Erst im letzten Augenblick konnten die Pferde zum Stehen gebracht und ein großes Unglück verhindert werden. Wie man hört, ist die Gendarmerie den Tätern auf der Spur.

Vom Bo den fee, 22. Juni. Die erste Felsen­station der Jungfraubahn ist nunmehr dem Betrieb übergeben worden. Es ist dies die 224,4 km lange und auf einer Meereshöhe von 2867 m liegende Station Eigerwand. Große Räume sind hier aus­gesprengt, die durch hohe Fensteröffnungen einen weiten Ausblick auf die Mittelgebirge des Berner Oberlandes und hinüber bis zum Jura und Schwarz­wald gewähren. Die Decken dieser Räume werden von stehen gebliebenen Felssäulen getragen. Die Hin- und Rückfahrt Kleine ScheideggEigerwand kostet 10 Fr.

Belgrad, 23. Juni. Erhaltenen Instruktionen gemäß werden die Gesandten Frankreichs, Hollands und der Türkei heute nachmittag von hier abreisen. Der englische Gesandte ist heule früh über Wien nach London abgereist.

Rußland importierte im vergangenen Jahr aus Deutschland Gold-, Silber- und Platinawaren im Gesamtwert von 1879000 Rubel oder 143000 Rubel mehr als im Jahre 1891 und Uhrmacherwaren im Werte von 1326000 Rubel oder 154 000 Rubel mehr, führte dagegen trotz der sehr gesteigerten Preise nur für 24000 Rubel Platina aus gegen 68000 Rubel im Vorjahre.

Die Marineschauspiele, welche sowohl auf der Gewerbeausstellung in Berlin 1896 als auf der Düsseldorfer Ausstellung 1901 zu sehen waren, werden auch in neuer Gestalt auf der Weltaus­stellung in St. Louis 1904 erscheinen. Es werden diese Marineschauspiele neben dem Tiroler Alpendorfe die zweite von Deutschen ausgehende Unternehmung sein. Der Deutsche Paul Schabert ist der Leiter der Gesellschaft, die sich mit einem Kapital von 1200000 -Ki gebildet hat,^ und Kohlsaat ist der amerikanische Repräsentant "der Gesellschaft. Eine Wasserstäche von 30000 Quadratfuß wird den Schau­platz bilden, auf dem die kleinen, von den deutschen Ausstellungen her bekannten Schiffsmodelle operieren werden. Natürlich sind die Modelle Nachahmungen amerikanischer Kriegsschiffe, und die großen Schau­spiele werden eine Wiederholung der Kämpfe von Manila und Santiago sein. Auch Geschwaderübungen werden vorgeführt werden. Die Blockade des Hafens und die Versuche von Handelsschiffen, die Blockade zu brechen, werden sich auf einem Hintergründe abspielen, welcher am Ufer der Wasserfläche errichtet ist und mit Forts besetzte Berge darstellt.

Rom, 23. Juni. Während eines Wolkenbruchs flüchteten sich etwa 30 Arbeiter in Palestrina (etwa 30 km östlich von Rom) auf ein Gerüst unter den Bogen einer im Bau befindlichen Brücke. Das Gerüst brach zusammen. 5 Menschen wurden getötet, 20 verletzt, darunter einige schwer.

Württemberg.

Stuttgart, 21. Juni. Der weitere Landes­ausschuß der Deutschen Partei für Württemberg hat beschlossen, in den Wahlkreisen 3 (Heilbronn), 4 (Böb­lingen), 5 (Eßlingen) den Kandidaten des Bauern­bundes, im 6. (Reutlingen) und 14. (Ulm), den Kandidaten der Volkspartei, im 10. (Gmünd) dem Kandidaten des Zentrums die Stimmen der Deutschen Partei zu geben. (Das bedeutet überall Unter­stützung der bürgerlichen Kandidaten, wo ein Sozial­demokrat mit in der Stichwahl steht.)

Stuttgart, 22. Juni. Die Volkspartei hat nun auch ihre Parole zur Stichwahl ausgegeben. Wie zu erwarten stand, geht sie gegen den Bauern­bund. In den übrigen Wahlkreisen empfiehlt der Lavdesausschuß, die Abstimmung fr ei zu geben. Die Sozialdemokratie wird für die Volksparteiler stimmen im 7., 8. (Freudenstadt-Oberndorf), 9. Ba­lingen) und im 12. württ. Wahlkreis (Gerabronn).

Stuttgart, 22. Juni. Gutem Vernehmen zu­folge, haben die Vertrauensmänner des Zentrums im 3. Reichstagswahlkreis beschlossen, bei der Stich­wahl für den Kandidaten des Bundes der Land Wirte, Dr. Wolfs, zu stimmen; im 8. Wahlkreis wurde beschlossen, unter allen Umständen gegen den deutsch- parteilichen Kandidaten, Junghaus, zu stimmen. Weitere Beschlüsse bezüglich der übrigen Stichwahlen liegen seitens des Zentrums noch nicht vor.

Ulm, 22. Juni. Das Zentrum hat für die Stichwahl im 14. Wahlkreis zwischen Storz (Vp.) und Dietrich (Soz.) Wahlenthaltung ausgegeben, da ihmseine Politische Ehre verbietet", für Storz einzutreten.

Stuttgart, 22. Juni. Aeußerung des Abg. Singer gegenüber einem Franzosen über Elsaß- Lothringen über Zolltarif und Handelsverträge: Die Pariser ZeitungLe Temps" hat am Tage vor der Abstimmung einen Redakteur nach Berlin gesandt, um den Führer der Sozialisten, den Reichstagsabg. Singer über die Ziele der Sozialisten auszufragen. Am 17. Juni veröffentlichtLe Temps" in einem langen Artikel die Unterhaltung mit Singer, dem wir folgendes entnehmen: Auf die Frage, wie sich die deutschen Sozialdemokraten zu der Frage von Elsaß-Lothringen stellen und zu den bekannten Be­strebungen der in München erstandenen deutsch-franz. Liga, erwiderte Abg. Singer nach längeren Um­schweifen, daß die Sozialdemokraten, wenn sie die Gewalt in die Hände bekommen, gegen eine Rück­gabe der Reichslande an Frankreich nichts einzu­wenden haben, und daß sie den Reichsländern das Recht einräumen werden, über ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Singer sprach sich dann weiter in der bekannten Weise gegen Militarismus und Marxismus aus, durch welch letzteren die Landmacht Deutschlands die Herrschaft über das Weltmeer an sich reißen wolle. Während der deutsche Reichstags­abgeordnete in dieser Weise einem Franzosen gegen­über sich aussprach, erklärt die französ. Zeitung, daß nach allen von ihr cingezogenen Erkundigungen die Elsäßer allmählich sich als Deutsche fühlen, daß sie die Rückkehr an Frankreich nicht wollen und nur den Wunsch haben, im Frieden sich weiter zu ent­wickeln. Sie werden zufrieden sein, wenn ihnen die Selbstverwaltung gegeben würde, wie in den anderen deutschen Provinzen. Auch bezüglich der Handels­verträge teilt die französische Zeitung die Ansicht Singers nicht und sagt, daß eine Verhinderung der Handelsverträge nicht zum Nutzen der Arbeiter bei­tragen werde. Für die Stichwahlen ist es von hohem Interesse zu erfahren, daß die Sozialdemokraten in erster Linie gegen die Handelsverträge sind, wodurch Hunderten deutschen Fabriken der Absatz in das Aus­land entzogen und tausenden von Arbeitern das täg­liche Brot genommen würde. Für alle alten Sol­daten aber ist es von Wert zu erfahren, daß die Sozialdemokraten das zerstören wollen, was die deutschen Heere mit so großen Opfern an Blut und Gesundheit für Deutschland errungen haben.

Friedrichshafen, 23. Juni. Erbprinz und Erbprinzessin zu Wied mit Kindern reisten nach mehrwöchentlichem Aufenthalt mit dem Schnellzug 8.42 Uhr nach Monrevos bei Neuwied ab. Das Königspaar geleitete dieselben zum Bahnhof, wo es sich herzlich verabschiedete.

Metzingen, 22. Juni. Die Ursache des hies. Eisenbahnunglücks in der Nacht von Samstag auf Sonntag ist darin zu suchen, daß für den abfahren­den Zug 217, der sich auf dem ersten Gleis befand, die Ausfahrt versehentlich für das zweite Gleis frei­gegeben wurde, was die Ablenkung des Zugs in das an der hohen Böschung endigende Sackgleis zur Folge hatte. Die verunglückten Eisenbahnbeamten sind: Lokomotivführer Gaffer, Wagenwärter Fahrner

und Heizer Hagele. Der erstere und letztere erlitten je einen Unterschenkelbruch und Verletzungen am Kopf, während Fahrner mit Quetschungen am Unterschenkel und einer Kopfverletzung davon kam. Die hiesigen 3 Aerzte, sowie die Sanitätskolonne der Feuerwehr trafen möglichst bald an der Unglücksstelle ein. Staatsrat v. Balz besuchte mit den anderen Herren, die zur Besichtigung der Unglücksstätte eingetroffen waren, im Krankenhaus die Verunglückten, deren Allgemeinbefinden als gut bezeichnet werden kann. Der Schaden wird auf 2025 000 -/L veranschlagt.

U l m, 22. Juni. Angegangen ist bei der hiesigen Reichstagswahl ein Zentrumsmann. Am Wahllokal wollte ihm einSozi" einenDietrich-Zettel" in die Hand drücken. Ueberlegen lächelnd winkte aber unser Wahlbeflissener ab und zeigte triumphierend seinenGröber-Zettel". Da packte den Bruder Sozi der Schalk. Ec meinte, der Zettel gelte ja gar nichts, der Wähler habe ihn ja noch gar nicht unter­schrieben, man wisse also gar nicht, von wem er sei. Das leuchtete dem biederen Gröbermann ein. Mit vieler Mühe setzte er unter den Namen des Kandi­daten seinen eigenen und wählte. Nach einigen Stunden kam er wieder ins Wahllokal und wollte, da er inzwischen über seinen Streich aufgeklärt war, unter rührendem Lamento seinen Wahlzettel wieder haben, um einen gütigen abzugeben. Natürlich er­hielt er ihn nicht, und Gröber hatte nun eine Stimme weniger.

Stuttgart. fLandesproduktenbörse.f Bericht vom 22. Juni von dem Vorstand Fritz Kregtinger. Während der abgelausenen Woche verblieb die Stimmung im Geireidegeschäft ruhig. Von Amerika ist Weizen nur knapp angeboten und die Forderung etwas höher, auch haben die Offerten von Laplata nachgelassen. Rußland ist stärker am Markt und sind größere Abschlüsse zu verzeichnen. Mehlpreise per 100 'kg inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 23 SO bis 29 4L Nr. 1: 26 50 ^ bis 27 ^

Nr. 2: 25 4 bis 25 4» so Nr. 3: 23 50^,,

bis 24 4L Nr. 4: 20 50 ^ bis 21 4L 4.

Suppengries 28 44 50 4 bis 29 4L 4. Kleie 9 4L --

Slus Slaöl» Bezirk unS Umgebung.

Seine Majestät der König hat den ev. Pfarrer Christaller in Ottenhausen, Dek. Neuenbürg, seinem Ansuchen gemäß in den Ruhestand versetzt.

Salmbach, 22. Juni. Bei der heute statt­gehabten Wahl eines Ortsvorstehers sind 45 gütige Stimmen abgegeben worden. Forstwart Gnamm in Salmbach hat 35 Stimmen erhalten; 10 Stimmen haben sich zersplittert.

** Neuenbürg, 22. Juni. In der am gestrigen Sonntag abgehaltenen Monatsversammlung des evangel. Arbeitervereins berichtete Vorstand Seeg er über die diesjährige Landesversammlung württ. evangel. Arbeitervereine in Tuttlingen, der er als Delegierter des hiesigen Vereins angewohnt hatte. Im ganzen nahmen an dem Vertretertag 13 Vorstandsmitglieder und 65 Delegierte teil; auch ein Vertreter der Gewerbeinspektion, Baurat Hoch» stetter, war zugegen und wohnte den Verhandlungen vom Anfang bis Schluß bei. Freundliche Begrüß­ungen waren vom Staatsminister des Innern und vom evangel. Konsistorium eingelaufen. Aus den Jahresberichten der Verbandsbeamten sei folgendes mitgeteilt. Zunächst kam der erste Vorsitzende, Stadt­pfarrer Weitbrecht-Heilbronn auf den Austritt des württ. Landesverbands aus dem deutschen Gesamt­verband der evang. Arbeitervereine zu sprechen. Er begründete denselben damit, daß der württ. Verbands­vorstand in der Verdrängung Naumanns aus dem Gesamtverbandsvorstandeine schwere Schädigung des moralischen Ansehens der evang. Arbeitervereine als sozialer Vereine gesehen habe und einen tatsäch­lichen Bruch mit dem Grundsatz freier sozialer Be­tätigung der Arbeiterschaft." (Im weiteren Verlauf der Verhandlungen erklärte die Delegiertenversamm­lung ihr Einverständnis mit der Art und Weise, wie der württ. Verbandsvorstand jene Frage erledigt habe). Dann wurde der Reihe nach Bericht erstattet über das Verhältnis zum badischen Nachbarverband (mit welchem der württ. Verband die Zeitung ge­meinschaftlich hat), über Verbandssterbekasse und Verbandskasse, über das Rechts- und Auskunfts­bureau, über die Vertretung der Mitglieder vor dem Reichsverstcherungsamt, über die Beziehungen zu Gewerbegericht und Gewerbeaufsicht. Der Verbands- schriflführer legte hieraus der Versammlung seine Verbandsstatiftik vor. nach welcher der württ. Landes­verband mit 48 Vereinen 4069 Mitglieder zählt (gegen 3888 im Vorjahr); im letzten Jahr wurde ein neuer Verein (in Ulm) gegründet; die Leitung der Vereine geht erfreulicher Weise mehr und mehr in die Hände eigentlicher Arbeiter über; die Darbiet­ungen der Vereine bestehen meistens in Vorträgen