Einzelstaaten Verhandlungen über eine Reichsfinanz- reform gepflogen werden, deren Ziel ein Ausgleich zwischen den Matrikularbeiträgen und den Ueberweis- ungen des Reiches an die Bundesstaaten sei. Mit Rücksicht auf die Steuerreform und die wirtschaftliche Lage habe die Regierung von einer Steuererhöhung und der Erschließung neuer Steuerquellen abgesehen und die Aufnahme eines Anlehens vorgeschlagen, einen Weg, der auch von anderen Bundesstaaten betreten worden sei. Der Minister schloß seine Ausführungen mit dem Wunsche, das Haus möge die Situation als nicht so schwierig ansehen, wie dies geschehen sei. Kraut (kons.) meinte, der rosige Schimmer von der Morgenröte besserer Zeiten der wirtschaftlichen Verhältnisse, den der Finanzminister in seinem Vortrag hervorgezaubert, habe ihn von seinen schweren wirtschaftlichen Befürchtungen nicht befreit, umsoweniger, als das Land noch ganz bedeutende Ausgaben für Eisenbahnbauten, Gehaltsaufbesserung der Lehrer und Geistlichen :c. vor sich habe. Kraut anerkannte die Sparsamkeit der Negierung, meinte sogar, daß sie sich eine unleidliche Reserve habe auferlegen müssen. Es sei notwendig, aus der Verkehrsisolierung herauszukommen, um dadurch «ine bessere Rente der Eisenbahnen und damit auch eine Steigerung der Einnahmen des Landes zu erzielen. v. Wöllwarth (Fr. Ver.) bedauerte, daß Deutschland s. Zt. nicht das Tabakmonopol eingeführt habe. Die Reichsfinanzreform müsse bei der Erhöhung der Tabaksteuer einsetzen. Der Redner sprach sich für den Anschluß an die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft aus und verlangte von der Regierung „reinen Wein eingeschenkt" darüber, welche Vorteile und Nachteile von einer solchen zu erwarten seien. Haußmann-Gerabronn (Volksp.) sprach die Ansicht aus, man müsse versuchen, das Defizit zu decken, ohne eine Anleihe aufzunehmen. Das erreiche man durch umsichtige Sparsamkeit und eine Höhereinschätzung der Einnahmeposten. Der Redner äußerte sich gegen eine Erhöhung der Tabaksteuer, sowie gegen eine Eisenbahngemeinschaft mit Preußen und für eine Vereinfachung des Verwaltungsapparates, namentlich im Departement des Innern, der für das „Ländchen" zu teuer sei. Haußmann berührte dann noch politische Fragen und erklärte sich gegen die von der ersten Kammer zu der Steuerreform hinsichtlich des Tarifs und des Budgetrechtes gefaßten Beschlüsse, er verlangte die baldige Vorlegung einer Bauordnung, eine Aenderung der Gebäudebrand- Versicherung und Schritte für die Beurlaubung von Mannschaften zur Erntezeit, ferner die Zuziehung eines württ. Beauftragten zu den Handelsvertragsverhandlungen mit der Schweiz und Oesterreich, ein Eintreten im Bundesrat zu Gunsten der Gewährung von Diäten an die Reichstagsabgeordneten und der gesetzgeberischen Verabschiedung des vom Reichskanzler in Bezug auf die Reichstagswahlen in Aussicht gestellten Entwurfes. Weiterhin forderte er, daß die Versassungsbestimmung bezüglich des Ausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches, von dem man bisher sehr wenig gehört habe, mit Fleisch und Blut erfüllt werde. Die Volkspartei, betonte der Redner am Schluß seiner Ausführungen, werde
läge ein Irrtum vor, wie ich fast annehmen muß, daß es kommen wird, nun, dann werden s gleich auf freien Fuß gesetzt. Sie können sich also leicht sagen, wie lange Sie in Haft bleiben können, bedenken's aber wohl dabei, daß die Russen in solchen Geschichten verteufelt langsam sind."
„Aber, mein Herr, wenn Sie selbst sagen, daß Sie einen Irrtum voraussetzen, wie können Sie uns dann verhaften wollen?" bemerkte van Habermeister.
„Mir ist eine solche Handlungsweise unbegreiflich" — setzte der Vikomte hinzu.
„Mir aber gar nicht," war die mit größter Ruhe gegebene Gegenantwort, „Sie sind nur nicht dem, was ich sagte, mit voller Aufmerksamkeit gefolgt. Denn passen L noch 'mal gefälligst auf, damit wir mit dieser fatalen Sache auseinander kommen. Ich sagte, ich nehme fast an, daß hier ein Irrtum vorliegt, — das meinte ich von meiner Person; denn ich kann nit glauben, daß zwei Herren, wenn sie sich Böses bewußt wären, mir so ruhig gegenüberständen, wie das bei Ihnen der Fall ist. Sehen Sie, ich sprech' ganz offen mit Ihnen — das würde ich nicht thun, wenn ich glaubte, Sie wären die gesuchten Verbrecher — also, daß ich das nicht glaube, habe ich Ihnen bewiesen. Aber nun fällt der Bericht der Herren Russen in die Wagschale; die haben von Ihnen ein genaues Signalement hierhergeschickt und behaupten, wie ich Ihnen schon sagte, daß Sie falsche russische Banknoten ausgeben."
„Aber mein Herr, ich versichere auf mein Ehrenwort, daß ich seit Jahr und Tag keine Rubelnoten
aus eine Beseitigung des Defizits hinarbeiten durch das grundsolide Mittel einer gewissenhaften Einschätzung der Einnahmen und einer gründlichen Prüfung der Ausgaben. Es sprachen außerdem noch die Abg. Krug (Ztr.) und Haug (B. d. L.) Morgen Fort- setzung u. a.
Stuttgart, 18. März. Das Ministerium des Innern macht bekannt, daß über Auszeichnungen durch Verleihung eines Ordens oder Ehrenzeichens, eines Titels oder Rangs, im Besonderen aus Anlaß des Geburtstages des Königs, in Zukunft außer der Bekanntmachung im „Staatsanzeiger" und im „Ministerialblatt" eine Mitteilung an die unterstellten Behörden nur noch dann erfolgen werde, wenn ein besonderer Anlaß vorliegt. Diese Behörden haben von den sie berührenden Auszeichnungen auf Grund der Bekanntmachung im „Staatsanz." und „Amtsblatt" ohne Weiteres in ihren Akten, Nationallisten, Staatshandbüchern :c. Eintrag zu machen. Die Verleihungsurkunden, sowie die Orden und Ehrenzeichen werden jeweils denjenigen Behörden unmittelbar zugestellt werden, welche die Aushändigung zu besorgen haben. Vorgelegte Akten werden den unterstellten Behörden in der Regel ohne Begleiterlaß wieder zugehen. (Ein ganz vernünftiger und wohlangebrachter Beitrag zur Geschäftsvereinfachung.)
Stuttgart, 18. März. Das Ministerium des Innern macht bekannt, daß von allen im „Staatsanzeiger" erscheinenden Bekanntmachungen, welche vom Ministerium des Innern oder einer andern Behörde des Departements des Innern ausgehen und den Abdruck der Bekanntmachung in den Bezirksamtsblättern anordnen, künftig der Stadtdirektion und jedem Oberamt vom Ministerium sofort je 3 Sonderabzüge auf Kanzleiformat zur Uebergabe an die Bezirksamtsblätter zugesandt werden. Es soll damit das Schreibwerk bei den Oberämtern verein- facht werden.
Stuttgart. Das Landes-Gewerbemuseum wurde im Monat Februar 1903 an den Tagesstunden von 18 700 Personen und außerdem am Dienstag und Freitag abends von 6 bis 7 Uhr von 1636 Personen, zusammen von 20 336 Personen besucht. Ausgeliehen wurden aus dem Landes-Gewerbemuseum im Februar 1903: 382 Nummern an 133 Personen, aus der Bibliothek und Vorbildersammlung 2094 Bände und Tafeln an 1458 Personen. — Die Bibliothek wurde insgesamt von 2614 Personen besucht.
Reutlingen. Auf dringendes Ersuchen der Volksvereine Reutlingen, Tübingen und Rottenburg- Amt hat der seitherige Reichstagsabgeordnete Payer eine Kandidatur für den Wahlkreis wieder angenommen.
Rotten bürg, 18. März. In der heutigen Sitzung des Domkapitels wurde an Stelle des verstorbenen Domkapitulars Stiegele Domkapitular Dompfarrer Joseph Berg zum Abgeordneten für das Domkapitel gewählt.
Degerloch, 18. März. Um den von der hiesigen Gemeinde ausgeschriebenen Posten eines Ortsbaumeisters haben sich über 20 Bewerber gemeldet. Die Gemeindevertretung entschied sich für N. Müller, den bisherigen ersten Bauführer am Stuttgarter Rathausneubau.
ausgegeben habe," sagte der Vikomte fast feierlich.
„Und ich versichere auf das heiligste, daß ich, so weit ich mich zu erinnern vermag, seit langer Zeit auch nicht einmal eine Rubelnote gesehen habe," sagte van Habermeister.
„Ja schaun's, meine Herren, ich will Ihnen das schon gern glauben, aber die Russen behaupten doch das Gegenteil; ja noch mehr, es wird angenommen, Sie sollen ganz beträchtliche Summen in Falsifikaten bei sich führen."
Ich wußte jetzt, was mein Kollege mit all seinen Reden bezweckte. Er wollte das freie Anerbieten der Leute haben, eine Haussuchung bei denselben vornehmen zu können, und es war ihm vollständig geglückt: denn nach einer kleinen Pause sagte der Vikomte gepreßt, als wenn es ihm schwer würde, das, was er aussprechen wollte, in Worte zu kleiden:
„Also das ist seitens der russischen Behörde über mich behauptet? Ich ersuche Sie, mein Herr, meine Effekten auf das sorgfältigste durchsuchen zu lassen —"
„Und ich bitte ebenfalls darum," fiel jetzt Herr van Habermeister ein, „damit der auf uns geworfene Verdacht entkräftet wird. Genügt Ihnen das nicht?" setzte van Habermeister sehr erstaunt hiezu, als er bemerkte, wie der Kommissar mit dem Kopf schüttelte.
„Schaun's, meine Herren, was Sie mir da sagen, ist ganz hübsch; aber — es genügt mir halt nit," — war die entschiedene Antwort; — denn wenn ich auf Ihre Idee einginge, Ihre Effekten durchsuchen ließe, wer sagt mir gut, daß Sie nicht die Falsifikate in Ihren Taschen, in Ihren Kleidern, die Sie jetzt
Schorndorf, 18. März. Um die hiesige Stadtschultheißenstelle sind 10 Bewerber ausgetreten, worunter kein höher Geprüfter. Das wird in manchen Kreisen bedauert, die nach den Vorgängen anderer Städte von ähnlicher Größe gewünscht hätten, daß ein Mann von akademischer Bildung für unsere emporblühende Stadt gewonnen werden möge.
Stuttgart, 19. März. Die erste Mitgliederversammlung der Zwangsinnung für das Bäck er - gewerbe im Stadtdirektionsbezirk Stuttgart fand gestern unter dem Vorsitz des Stadtschultheißenamts- sekrctärs Dr. Göbel und unter großer Beteiligung der hiesigen Bäckermeister im Saale des „Herzogs Christoph" statt. Zum Obermeister wurde Wilhelm Käl derer gewählt.
Cannstatt, 16. März. Der Etat des Brunnen- vereins pro 1903/04 schließt mit einem Defizit von 8000 -/A ab. Dasselbe wird, wie seither, von der Stadt übernommen.
Tübingen, 19. März. Das Schwurgericht verurteilte gestern die ledige 31jährige Taglöhnerin Kath. Eipper von Mönchberg OA. Herrenberg wegen Meineids zu l'.ü Jahren Zuchthaus und Ehrverlust auf 3 Jahre. Die Angeklagte hatte sich den Meineid vor dem Amtsgericht in Herrenberg in einem Ali- mentenprozeß zu Schulden kommen lassen. Bezeichnend für die Eipper ist, daß sie 5 uneheliche Kinder hat, die von der Gemeinde unterhalten werden.
Illingen, 18. März. Bei der vorgestrigen Musterung kam ein mit Rekruten besetzter Wagen zum Umfallen, wobei der Rekrut Karl Herb, Mechaniker von hier, so unglücklich auf den Hinterkopf fiel, daß er heute seinen Verletzungen erlag.
Köngen 15. März. Als frühzeitige Frühlingsboten sind bei uns die Störche angekommen. Am heutigen Sonntag konnte man ein Storchenpaar auf dem Felde beobachten, das von einer Anzahl Raben mit sichtlichem Erstaunen gemustert wurde.
Slus StaSt, Bezirk unS Umgebung.
Feldrennach, 17. März. Auf den heutigen Viehmarkt wurden 289 St. Vieh zugeführt und zwar 150 Kühe und Kalbinnen, 21 Ochsen und Stiere, 112 Räuplen, 6 Kälber. Handel infolge der hohen Viehpreise in Großvieh flau, in Kleinvieh besser.
Haiterbach, 16. März. In stark besuchter Versammlung hielt Stadtvikar Desfelberger gestern einen angenehm verlaufenen Vortrag über Südamerika. Nach kurzer Schilderung einer günstigen Seereise ging er zunächst auf eine Beschreibung von Montevideo, eine Stadt am La Plata, ein, um dann auf Argentinien, in welchem Staate er etwa 2 Jahre geweilt, überzugehen. Dieses Land, bedeutend durch seinen Export von Häuten, Wolle, Fleisch und Talg (Fett), schilderte er als das Land einer großen Zukunft. Nach kurzen geographischen Angaben folgten interessante Schilderungen über die Tier- und Pflanzenwelt, über die Cordilleren und die Sierra von Cor- dova, über die Bewohner: ihr Leben und Treiben, ihre Abstammung und ihre Sprache. Erwerbsquellen sind neben der ausgedehnten Viehzucht, Ackerbau und Bergbau (auf Kohlen.)
tragen, verborgen haben? — Hm — was meinen Sie wohl, welche Blamage mich träfe, wenn nun a» einem andern Orte bei Ihnen falsche Rubelnoten gefunden würden?"
„Sie können meine Person ebenfalls der eingehendsten Durchsuchung unterwerfen," erwiderte van Habermeister.
„Auch ich bin damit einverstanden," sagte der Vikomte, „es soll mir sogar gleichgiltig sein, ob Sie hier eine Visitation vornehmen lassen, oder in meinem Hotel; nur möchte ich bitten, daß es sofort geschehe, damit diese für mich Peinliche Szene ein Ende erreicht."
„Ja, den Wunsch will ich Ihnen gern erfüllen; wir wollen aber dort ins Nebenzimmer gehen, wir könnten hier gestört werden," erwiderte der Kommissar, aufstehend und seine Beamten durch einen Wink verständigend, zu folgen.
„Einen Augenblick, Herr Kollege, nehmen Sie wieder freundlichst Platz," mischte ich mich ein, „auch Sie, meine Herren, werden noch hier bleiben," sagte ich zu den Unterbeamten; der Kommissar sah sehr erstaunt zu mir auf, aber er ließ sich auf seine» Stuhl nieder. „Ich will mir nur erlauben, an die Herren einige Fragen zu richten," sagte ich, und um die Aufmerksamkeit aller anwesenden Beamten scharf auf die Verdächtigen zu lenken, fragte ich in höhnendem Tone: „Sie nennen sich van Habermeister?"
„Ich meine, Ihnen dies schon gesagt zu haben," bekam ich zurück.
„Und Sie bezeichneten sich als den Vikomte, de Rochat, Ritter der Ehrenlegion?" fragte ich den andern.