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DerLnzchälar.

Anzeiger für das Gnzthal und Umgebung.

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Neuenbürg.

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44 .

Neuenbürg, Mittwoch den 18. März 1903.

61. Jahrgang.

RunSschau.

Der Reichstag soll nach den bisherigen Dis­positionen Ende dieser Woche in seine Osterferien gehen, wobei freilich vorausgesetzt wird, daß er den Reichshaushaltsetat noch rechtzeitig zu verabschieden vermag. Ob der altersmüde Reichstag wirklich im stände sein wird, den Gesamtetat bis zum 21. März unter Dach und Fach zu bringen, das bleibt aller­dings noch sehr abzuwarten, jedenfalls müßten dann die weiteren Etatsberatungen im Trab und Galopp vor sich gehen. Inzwischen ist das Haus genötigt, noch ganz neue Beratungsstoffe in Angriff zu nehmen, wie die Novelle zur Seemannsordnung, welche der Reichstag am Montag zum ersten Male erörterte. Auch die im Reichstage jüngst eingegangenen Aus­führungsbestimmungen zum Süßstoffgesetz sind noch zu erledigen, und endlich soll der gegenwärtige Reichs­tag auch noch mit demKlosettgesetz", der Vorlage über die bessere Sicherung des Wahlgeheimnisses, befaßt werden. Ganz klar liegt indessen die letztere Angelegenheit nicht, mindestens erscheint es auffällig, daß die Regierung mit der Einbringung dieser längst angekündigtcn Vorlage im Reichstage selbst jetzt noch zögert.

Die von der Reichsregierung einberufene Sach- verständigen-Kommission für die geplante Re­form der Strafprozeßordnung hat ihre Ver­handlungen, die mehrere Wochen ausgesetzt worden waren, am Dienstag im Reichsjustizamt wieder aus­genommen.

Berlin, 17. März. Der Kaiser wird den Papst am Tage seiner Ankunft iu Rom, am 2. Mai, besuchen; im klebrigen ist das endgiltige Programm für den Kaiserbesuch in Rom noch nicht aufgestellt.

Der Gedanke der Errichtung eines besonderen kaiserlichen Residenzschlosses in der Stadt Posen ist jetzt von der Budgetkommission des preuß. Abgeordnetenhauses gutgeheißen worden. Denn die­selbe hat in einer ihrer letzten Sitzungen die im Finanzetat vorgesehenen 50000 ^ für die Vor­arbeiten zur Erbauung des Posener Kaiserpalastes bewilligt, womit die Kommission im Prinzip also zu erkennen gegeben hat, daß sie dem gedachten Plane freundlich gegenübersteht. Die Aufführung eines besonderen Restdenzschlosses in Posen gehört mit in den Rahmen der mancherlei Maßnahmen, welche von der preußischen Regierung zum Schutze des von der bedrängten polnischen Hochflut be­drohten Deutschtums in den Ostmarken projektiert sind. Auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers ist in die Begründung der geforderten 50000 ^ ein Passus eingefügt worden, wonach es im Politischen Interesse liege, daß das Kaiserpaar regelmäßig im Jahre einige Tage in der Provinz Posen residiere, dieselbe wird also künftig mit einem alljährlichen mehrtägigem Besuche der Majestäten rechnen können.

Berlin, 17. März. Bei dem württembergischen Gesandten und der Freifrau v. Varnbüler fand am Sonntag Abend ein Essen statt, zu dem u. a. der Erbprinz und die Erbprinzessin zu Wied, der Prinz Wilhelm zu Wied, der Gouverneur von Deutsch- Ostafrika Major Graf v. Götzen und Gemahlin und Hofmarschall Frhr. v. Reischach und Gemahlin ge­laden waren.

Dresden, 17. März. Das Dresd. Journal veröffentlicht folgenden Erlaß des Königs Georg: An mein Volk! Im Begriff zur Erholung nach langer ernster Krankheit nach dem Süden zu reisen, drängt es mich noch einmal, allen denen, welche bei Gelegenheit des schweren Unglücks, das über mich und meine Familie hereingebrochen ist, mir herzliche Beweise der Teilnahme gegeben haben, von ganzem Herzen zu danken, Mit diesem Ausdruck des Dankes verbinde ich den Ausdruck der zuversichtlichen Hoff­nung, daß die Unruhe und Aufregung, welche sich infolge der betrübenden Vorgänge des vergangenen Winters weiter Kreise der Bevölkerung bemächtigt

haben, endlich der Ruhe und dem früheren Vertrauen Platz machen werden. Glaubet nicht denen, die Euch vorstellen, daß hinter all dem Unglücklichen, das uns betroffen hat, nur geheimnisvoller Lug und Trug verborgen sei, sondern glaubet dem Wort Eures Königs, den Ihr nie als unwahr erkannt habt, daß dem unendlich Schmerzlichen, das über uns herein­gebrochen ist, lediglich die ungebändigte Leidenschaft einer schon lange im Stillen tief gefallenen Frau zu Grunde liegt. In der Ueberzengung, daß mein Volk mir vertrauen, und sich in meiner tiefen Be­kümmernis immer mehr um mich scharen wird, trete ich, von zuversichtlicher Hoffnung erfüllt, meine Reise an. Georg.

Die Gründung eines Bundes der Kaufleute ist zur vollendeten Thatsache geworden. Er wird sich als achtungsgebietender Faktor dem Bund der Landwirte und anderen Organisationen gegenüber­stellen. Die Anregung zur Begründung dieses Bun­des ist von dem Verbände Berliner Spezialgeschäfte und dessen Vorsitzenden Fritz Gugenheim, dem Inhaber der Berliner Seidenfirma Michels u. Cie., ausgegangen. Hr. Gugenheim ist nicht nur Kauf­mann, sondern zu gleicher Zeit ein bedeutender Kre- felder Industrieller. Dieser Umstand berechtigt zu der Annahme, daß der Gründer des Bundes in erster Linie von wirtschaftlichen Momenten sich hat leiten lassen.

Die Beteiligung des deutschen Buchhandels an der Weltausstellung in St. Louis 1904 ist, trotz aller gegenteiligen Notizen, welche durch die deutsche Tagespreise gegangen sind, gesichert. Es wird in St. Louis eine deutsche Kollektivausstellung derBuchkunst" und eine Kollektivausstellung des wissenschaftlichen Verlags zu sehen sein. Auf beiden Gebieten hat Deutschland eine führende Stellung und dürften gerade in Nordamerika diese Kollektivaus­stellungen nicht ohne geschäftliche Erfolge bleiben.

Frankierte Postkarten, denen ein unfrankiertes Formular als Antwort beigefügt ist, können nach einer neueren Entscheidung des Reichspostamtes zur Beförderung gegen die Postkartentaxe nicht zugelaffen werden, unterliegen vielmehr dem Briefporto.

Die Rheinau, G. m. b. H. in Mannheim hat .51 000 Quadratmeter Gelände auf der Westseite des zweiten Hafenbeckens zum Preise von 8 ^ Pro Quadratmeter veräußert und zwar an eine Gesellschaft unter der FirmaAnthracitkohlen- und Kokes-Werke, G. m. b. H.", deren Aufsichtsrat sich aus Düssel­dorfer und Elberfelder Herren zusammensetzen soll. Die Gesellschaft beabsichtigt, auf diesem Platze ein Brikettwerk zu errichten.

Wiesbaden, 12. März. Wie bereits mitgeteilt, wurde in Wiesbaden bei Freilegung eines großen Terrains dicht am Kochbrunnen die Anlage eines römischen Badehauses gefunden. Jetzt ist ein großer saalartiger Raum von etwa 12 m Länge und 5 m Breite freigelegt. Der Fußboden ist vorzüglich er- halten; starke Rußmassen zeugen für lange Benutzung und Heizung. An diesen heizbaren Raum schließt sich, durch einen Kanal getrennt, ein zweiter, der eine ca. 50 m tiefe Mulde bildet und Wohl als Bassin gedient Hai. Die Erbauung der Bäder dürfte, nach den mit den Stempeln d. 21 und 22. Legion ver­sehenen Ziegelplatten zu schließen, in die Zeit des 2. Jahrhunderts n. Ehr. fallen.

Wie lebendig der Rache-Gedanke in Frankreich noch immer ist. zeigen folgende Ausführungen des nationalistischen Abgeordneten Millevoyein der Kammer­debatte über die auswärtige Politik Frankreichs. Millevoye sagte, die sozialistischen Ideen über Ent­waffnung seien Träumereien. Das beste Unterpfand des Friedens sei stete Kriegsbereitschaft und das französisch-russische Bündnis. Rußland sei es gewesen, welches im Jahre 1875 Deutschland verhindert habe, Frankreich endgültig den Garaus zu machen. Daß der Friede in Europa erhalten worden sei, verdanke man dem Kaiser Allexander III. Das Recht Frank­reichs auf Elsaß-Lothringen sei unbestreitbar, und

eine Entwaffnung sei unmöglich, bevor diese Frage gelöst sei. Das ist deutlich genug und giebt wenigstens über die auf chauvinistischer Seite bestehenden Hoff­nungen hinreichenden Aufschluß.

In der Schweiz hat am Sonntag eine wichtige allgemeine Volksabstimmung stattgefunden. Sie galt dem neuen Zolltarif, welcher die Grundlage für die künftigen Handelsvertragsverhandlungen der schweizerischen Bundesregierung mit dem Auslande bilden soll. Die Volksabstimmung ergab die Ge­nehmigung des neuen Tarifs mit 329 000 Stimmen gegen 223000 Stimmen. Immerhin ist diese nicht unbedeutende Minderheit gegen den neuen schweizer­ischen Zolltarif bemerkenswert.

Die Los von Rom-Bewegung in Oesterreich Nach den jüngst verlautbarten amtlichen Zahlen der Uebertritte zur evangelischen Kirche darf auch der Erfolg des Jahres 1902 als ein verhältnismäßig günstiger bezeichnet werden, wenngleich nicht zu leugnen ist, daß die innerpolitischen Vorgänge nnd die Ungunst der Verhältnisse die deutsch-kirchliche Bewegung wesent­lich beeinflußt haben. Im ganzen Jahre 1902 traten in der österreichischen Reichshälfte zu der evangelischen Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses 4624 Personen, davon aus der römisch-katholischen Kirche 4247 und zwar 1792 Männer, 1643 Frauen und 812 Kinder unter 7 Jahren, aus anderen Be­kenntnissen 377 Personen über. Hiervon entfallen auf alle Superintendentialbezirke Böhmens 2042, auf die beiden Wiener Superintendenzen 1492 Uebertritte. Seit Beginn der Uebertrittsbewegung sind in Oester­reich allein zur evangelischen Kirche beider Bekenntnisse 22 706 Uebertritte, davon 21292 aus der römisch- katholischen Kirche, 1414 aus anderen Erkenntnissen erfolgt. In diesem Zeitraum entfallen auf Böhmen 11 635, auf die Hauptstadt Wien rund 5000 Ueber­tritte. Zur altkatholischen Kirche sind seit 1. Januar 1899 bis 31. Dez. 1901 insgesamt 9469 Personen übergetreten. Zieht man nun zu dieser Gesamtheit der Uebertritte von 32 175 noch die nicht unbeträchtliche Zahl der konfessionslos Gebliebenen, ferner die der häufigen im Auslande erfolgten Uebertritte österreich­ischer Staatsangehöriger hinzu, so ist der der römischen Kirche aus der Bewegung bisher erwachsene Verlust auf mindestens 35000 Seelen zu bemessen.

Württemberg.

Stuttgart, 16. März. Die Kammer der Abgeordneten nahm in ihrer heutigen Nachmittags­sitzung die erste Beratung des Hauptfinanzetats für 1903/04 in Angriff. Die Reihe der Reden eröffnete der Abg. Liesching (Volksp.), der, wie alle übrigen Redner, die Finanzlage des Landes als eine ungün­stige bezeichnete nnd den Wunsch aussprach, daß die Regierung mit Rücksicht auf die Erhöhung der Matrikularbeiträge für die nötige Sparsamkeit im Bundesrat eintrete. Liesching klagte dann über den zn teuren Verwaltungsapparat, die Vielschreiberei und die Mehraufwendungen für Beamte in dem neuen Etat. Er trat für eine Verminderung gewisser nicht absolut notwendiger Ausgaben und ein Höheransetzen einzelner Einnahmeposten, insbesondere derjenigen aus den Eisenbahnen und den Forsten im Etat ein, sprach sich für gänzliche Abschaffung der Restmittel­wirtschaft aus und wünschte die Aufnahme eines binnen kurzem zu tilgenden Anlehens zur Deckung des 7 Millionen betragenden Defizits, v. Geß (D. P.) stimmte mit dem Vorredner in vielem über­ein und sprach sich für eine Aenderung des jetzigen Eisenbahnsystems und eine Neuregelung des Finanz­verhältnisses zum Reiche aus. Dem Wachsen der Matrikularbeiträge müsse durch eine Tabak-, eine Reichswehr- und eine Reichserbschaftssteuer ent­gegengetreten werden. Eine Besserung der jetzigen Finanzlage werde sich nur erreichen lassen durch weise Sparsamkeit und möglichste Vereinfachung der Staatsverwaltung, durch eine Steuerreform und eine Aenderung der Eisenbahnverwaltung.