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Meldungen wird konstatiert, daß die gemeinsame Flucht der 32jährigen sächsischen Kronprinzessin mit dem 24jährigen bildhübschen Sprachlehrer Girion in keiner Weise mehr bestritten werde. Die Dresdener leitenden Kreise behandeln die Angelegenheit zwar mit Bedauern, sind aber da mit einverstanden, daß von der einsichtsvollen Presse der Fall in angemessener Weise klargestellt werde. Bei Lebzeiten des frommen greisen Königs Georg sei eine Ehescheidung ausgeschlossen. Indessen erhoffen einsichtige protestantische Hofkreise, daß sie auf den Druck außersächfischer hochgestellter Persönlichkeiten in Wien und Berlin doch eingeleitet werde, als das beste, was geschehen könnte. — Sämtliche sächsische und außersächsische Zeitungen, in welchen über die Flucht der Kronprinzessin Stimmen laut geworden sind, wurden heute dem Staatsminister v, Metzsch vorgelegt.
Bei der Neichstagsstichwahl im Wahlkreis Licgnitz Goldberg-Haynau am 19. Dezbr. wurde Justizrat Pohl-Gleiwitz (freis. Volksp.) mit 11091 von 17 491 abgegebenen Stimmen gewählt. Der Stadtverordnete Bruhns (Svz.) erhielt 6400 Stimmen, 1898 erhielten in der Stichwahl Kauffmann (freis. Volksp.) 14 269, Bruhns (Soz.) 7886 Stimmen.. Also auch bei der Stichwahl eine viel schwächere Wahlbeteiligung.
Ans Oldenburg 22, Dez. wird gemeldet: Der BanHer v. Baden-Bruns, der den hiesigen Oberamtsrichter Becker erschossen hatte und zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, wurde gestern früh im Zuchthaus zu Vechta am Bettpfosten erhängt ausgefunden. Zur Ausführung seiner That hatte er die Schnur einer Säge aus der Schreinerei benutzt, in der er beschäftigt war.
Kaiserslautern, 20. Dez. Mit einem eigenartigen Streitfall hatte sich der Stadtrat von hier zu beschäftigen. Die Jsrcalitten hatten nämlich den Wunsch geäußert, daß an der neu zu erbauenden Leichenhalle kein Kreuz angebracht werde, da sie für alle Konfessionen bestimmt sei. Darauf haben sowohl die katholische als auch die protestantische Kirchenbehörde erklärt, daß sie, wenn kein Kreuz angebracht werde, von jeder kirchlichen Verrichtung in der Leichenhalle äbsehen müßten. Der Bezirksrabbiner gab die Erklärung ab, daß der israelitische Ritus ein solches Zeichen und Merkmal einer christlichen Konfession nicht gestatte. An der langen Debatte, die darüber im Siadtrat geführt wurde, beteiligten sich ein sozialdemoktratischer Vertreter und die beiden Stadträte israelitischer Konfession; während elfterer aus Prinzip vom interkonfeffioneüen Standpunkt aus für die Weglassung des Kreuzes eintrat, sprachen letztere in gleichem Sinne aus Gründen des religiösen Friedens und betonten besonders, daß die Frage eine Sache der politischen Gemeinde Kaiserslautern sei. Das Institut der Leichenhalle sei eine medizinisch hygienische, aber keine religiöse Einrichtung; man solle ihre Vorteile doch allen zugute kommen lassen und nicht einen, wenn auch kleinen Teil von ihren Wohlthaten ausschließen. Mehrere Redner der christlichen Parteien stellten sich ihrerseits auf den Standpunkt, daß hier die verschwindende Minderheit zurücktreten müsse; es werden jährlich 800 bis 900 Christen, dagegen durchschnittlich kaum 5 (in diesem Jahre waren es allerdings 12) Juden beerdigt. Schließlich wurde ein Vorschlag auf Rückverweisung der Angelegenheit an den Bauausschuß angenommen.
Freiburg i. Br., 23. Dezember. Die vom „Skiklub Schwarzwald" alljährlich veranstalteten großen Skiwettläufe auf dem Feldberg (Schwarzwald) finden in diesem Winter am 31. Januar,
1. und 2, Februar statt und zwar der internationale Dauerlauf um die Meisterschaft von Deutschland am 31. Januar auf der Strecke Belchen—Feldberg, der internationale Sprunglauf um die Meisterschaft von Deutschland am
2. Februar in der Nähe des Feldbergerhofs.
Württemberg.
Die Kammer der Standesherren erledigte am letzten Samstag das Gesetz über die Abänderungen zur Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer. Finanzminister v, Zeyer machte einige beachtenswerte Bemerkungen über die Bedeutung der jetzt zur Beratung stehenden Steuerreform. Die Regierung sei sich bewußt, führte der Minister aus, durch die jetzige Regelung eine dauernde
Einrichtung geschaffen zu haben, sie werde es als ihre Hauptaufgabe betrachten, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes durch Vornahme von Aenderungen und Verbesserungen die Steuerreform zu ihrem letzten Ziele zu führen. Besonders scharf betonte der Minister, daß er sich auf die Zukunftsprogramme, mit denen die einzelnen Parteien schon hervorgetreten seien, nicht einlassen könne, weil niemand sagen kann, wie die Einkommensteuer auf unsere Ertragssteuern wirken wird. Auch die Befristung der Ertragssteuern auf 5 Jahre fasse die Regierung nicht nach dem Wortlaut aus, sondern lediglich in dem Sinne, daß die Steuerreform so bald als möglich durchgeführt werden soll. Geheimrat v, Schall gab der Ansicht der Standesherren Ausdruck, wenn er sich gegen die progressive Vermögenssteuer verwahrte und die Entwicklung der Steuerreform in der Richtung einer weiteren Ausgestaltung der Ertragssteuern suchte. Mit 18 gegen 2 Stimmen wurde sodann der Ertragssteuercntwurf, der einzige der Steuergesetze, bezüglich dessen volle Uebereinstimmung zwischen beiden Häusern des Landtags besteht, angenommen.
Stuttgart, 23. Dez. Die Kammer der Abgeordneten hielt, wie schon kurz in der letzten Nr. ds. Bl. berichtet, heute ihre letzte Sitzung ab in diesem Jahre und genehmigte zunächst eine Aenderung des K 53 a der Geschäftsordnung, sodann den Rechenschaftsbericht des Ständischen Ausschusses vom 9. Dezember 1902, von dem nur der ß 12, eine K. Verordnung vom 28. Juni 1902 über eine Gebührenordnung für die Gemeindegerichte betreffend, zu Erörterungen Anlaß gab. Der ständische Ausschuß war der Ansicht, daß diese Frage im Wege der Gesetzgebung geregelt werden sollte und stellten daher den Antrag, die Staatsregierung zu ersuchen, neben der bereits in Bearbeitung genommenen landesgesetzlichen Gebührenordnung für Rechtsanwälte auch die Gebührenordnung für die Gemeindegerichte einer gesetzlichen Verabschiedung zu unterbreiten. Hiergegen erklärte der Ministerpräsident, dieses Gesuch sei von solcher Wichtigkeit, daß es zunächst in einer Kommission vorberaten werden sollte. Das Haus beschloß demgemäß. Die fortgesetzte Beratung der Volks- schnlnovelle bei Art, 2, und 3 (Maximalschülerzahl) zeitigte auch heute wiederum ein Abschweifen der Redner in andere Fragen, namentlich in die der Verstaatlichung der Volksschule. Der Präsident mußte mehrmals die Redner ermahnen, zur Sache zu sprechen und den „Kirchenstaat zu verlassen." Auch der Zolltarif mußte herhalten, und da zeigte* es sich, daß die Sozialdemokraten, als sie im Reichstage das Verlangen stellten, 100 Millionen aus dem Ertrag der Zölle für die Volksschule zu verwenden, eine Komödie gespielt haben. Präsident Payer ist bei solchen Abschweifungen von der Sache sehr rücksichtsvoll. Er erhebt sich zunächst von seinem Sitze, greift nach einiger Zeit zur Glocke und wartet wiederum ein Weilchen, bis er die Glocke ertönen läßt. Der Abg. Vogt, der u. a. bemerkte, daß diejenigen, die als Landwirte eine Gefährtin zu suchen haben, zu Gunsten der Städte mit den weniger gut situierten sich begnügen müssen, und froh war, daß er bei Zeiten für sich gesorgt hatte (schallendes Gelächter), kannte diese Gewohnheit des Präsidenten und kehrte, ehe die Glocke ertönte, rasch zur Sache zurück. Der Präsident setzte sich dann lächelnd wieder unter der Heiterkeit des Hauses. Der Abg, Gröber hielt eine längere Rede, in der er sich als Meister der Polemik zeigte und dem Verstaatlichungsgedanken scharf auf den Leib rückte. Auch der Kultusminister ergriff nochmals das Wort für den Regierungsentwurf und erblickte in dem Umstand, daß der Staatsaufwand seit 1836 für die Volksschulen um das 29fache, für die anderen Schulen um das 12fache gestiegen ist, einen Fingerzeig für die Zukunft der Volksschule. Bei der Abstimmung über die Art. 2 und 3 wurde der Zentrumsantrag auf Wiederherstellung der Vorlage, die als Maximalzahl 70 Schüler vorsieht, angenommen, ebenso in namentlicher Abstimmung ein Antrag Gröber mit 38 gegen 36 Stimmen, die Resolution Haußmann (ein erster Schritt zur Uebernahme der Schullasten auf den Staat) der Volksschulkommission zur Vorberat
ung zu überweisen mit dem Auftrag, neben der finanziellen Seite des Antrags auch dessen Be- deutung für das Volssschulwesen überhaupt, insbesondere für die der Familie und der Gemeinde, sowie den Kirchen und der Schule zustehenden Rechte zu prüfen. Schließlich wurde noch ein Antrag der Finanzkommission betr. die Ueberweisung des Hauptfinanzetats an die Kommission zur Einzelberatung angenommen.
Die Landesversammlung der württem- bergischen Bolkspartei findet wie üblich am Erscheinungsfest im Konzertsaal der Liederhalle zu Stuttgart statt. Als Redner werden Galler, Liesching, Payer und Friedrich Haußmann angekündigt.
Die polizeiliche Einweisung des Freiherrn Oskar v. Münch in eine württembergische Irrenanstalt ist laut „Staatsanz." nunmehr durch Erlaß der K. Kreisregierung in Reutlingen aufgehoben worden, nachdem die frühere Anordnung seiner Begleitung durch einen Wärter bei seinem Aufenthalt in Württemberg schon seit einigen Monaten in Wegfall gekommen war und sein Verhalten in neuerer Zeit keinen Grund mehr zu der Befürchtung einer gemeingefährlichen Be- thätigung seiner Persönlichkeit gegeben hat.
Cannstatt, 24. Dez. Der württ. Volks- schullehrerverein hat an das Kgl. Ministerium für Kirchen- und Schulwesen die Bitte um gleiche Dauer der Ferien für alle Schulen des Landes und um Gleichstellung derselben in Orten mit verschiedenen Schulgattungen gerichtet. Die Eingabe führt etwa folgendes aus: Die Volksschulen in Württemberg haben jährlich 53, die höheren Schulen dagegen 61—63 Ferientage. Die höheren Schulen geben außerdem Eisvakanz, die in den Volsschulen bislang unbekannt ist. Bei den heutigen Verhältnissen dürfte die ungleiche Behandlung der verschiedenen Schulen hinsichtlich der Ferien nicht mehr berechtigt sein. Die Arbeit der Volksschule ist mit der Zeit bedeutend gewachsen. Die gesamte Wochenstundenzahl beträgt z. B. in Stuttgart in den Klassen I—VII der Mädchenvolksschule 207, der Knabenvolksschule 185, der Mädchenmittelschule ebenfalls 207, in den entsprechenden Klassen des evang. Töchterinstituts dagegen nur 204, des Katharinen- und Olgastifts gar nur 184, der Bürgerschule 100. Aehnlich liegen die Verhältnisse in anderen Gemeinden. Der Bescheid auf die Eingabe steht noch aus.
Die Daimler-Motorengesellschaft Cannstatt hat die Motorfahrzeug- und Motorenfabrik Berlin Aktien-Gesellschaft Marienfelde bei Berlin durch Fusion übernommen. Diese Fabrik wird als Zweigniederlassung unter der Firma Daimler-Motorengesellschaft, Zweigniederlassung Berlin-Marienfelde, fortbetrieben. — Das Geschäft in Cannstatt ist mit Aufträgen besonders in Rennwagen reichlich versehen. Zur Unterbringung weiterer Arbeitskräfte mußten Bauten vorgenommen werden.
Baiersbronn, 24. Dez. Bezüglich der Notiz aus Altau erfahren wir von zuständiger Seite, daß der Arbeiter Burkhardt nicht infolge Erwürgens durch seine Frau, wie diese fälschlich aussagte, gestorben ist, sondern daß nach vorausgegangenem Streit ein Herzschlag seinem Leben ein Ende gemacht hat.
Onstmettingen, 26. Dez. Hier trat der seltsame Fall ein, daß — just am Weihnachten — ein bejahrtes Ehepaar innerhalb einer halben Stunde gestorben ist. Alt Mühlemacher Raster und seine Ehegattin verschieden in 0er Zeit zwischen 8 und L?9 Uhr im Alter von 77 bezw. 78 Jahren.
Kusland.
Die Auslieferung der in Madrid verhafteten Mitglieder der französischen Schwindler- familie Humbert-Daurignac in Frankreich ist nunmehr erfolgt. Franzöfischerseits leitete der Pariser Oberpolizeimeister Hennion die Auslieferungsformalitäten, nach deren Erledigung er mit den Verhafteten nach Paris abreiste. —. Die vorgenommene Untersuchung hat ergeben, daß der verhaftete frühere Verwalter der Familie Humbert, Parayre, in der letzten Zeit damit beschäftigt war, spanisch zu lernen. Man erblickt darin den Beweis dafür, daß Parayre den Aufenthalt der Humberts kannte und wahrscheinlich