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Taufrede auf die hohe Ehre für die Stadt und das Herzogtum Braunschweig hinwies, daß das neue stolze Kriegsschiff diesen Namen erhalten habe: der Redner wünschte schließlich der „Braunschweig" viel Glück bei allen ihren Fährten und Aufgaben im Krieg wie im Frieden. Nach Beendigung feines Aufenthaltes in Kiel traf Prinzregent Albrecht am Sonntag in Berlin ein.
Dresden, 22. Dezember. (Telegr.) Das „Dresd. Journ." meldet: Die Kronprinzessin hat in der Nacht vom 11. zum 12. d. M. in anscheinend krankhaftem Zustand seelischer Erregung Salzburg Plötzlich verlassen unter Abbruch aller Beziehungen zu den hiesigen Angehörigen und sich ins Ausland begeben. Am Hofe wurden für den Winter alle größeren Festlichkeiten abgesagt. Auch der Neujahrsempfang findet nicht statt.
Berlin. 22. Dez. Die Bank für Handel und Industrie teilt mit: In der heutigen Sitzung des Aufsichtsrats der Bank für Handel und Gewerbe (Darmstädter Bank) berichtet die Direktion über die Unterschlagungen des flüchtigen Bankbeamten Neßler. Neßler bezog jährlich 5300 Gehalt und hatte die Verwaltung eines Ressorts ohne Prokura. Der Schaden ist durch bisher angestellte Ermittelungen auf 700000 festgestellt. Die Unterschlagungen wurden ermöglicht durch Fälschung von persönlichen Fönten in Depotsbüchern und Depotsauszügen, die Neßler sich zu verschaffen gewußt hatte.
Hannover, 22. Dez. Gestern abend brach in dem Warenhaus von Joske Großfeuer aus. welches das 3 stückige Gebäude vollständig einäscherte. (Wieder ein Warenhausbrand.)
Lörrach, 19. Dez. Heute nacht wurde in dem Uhrengeschäft von Jaudas ein Ladendiebstahl verübt und für ca. 7000 -/L Uhren gestohlen. Der Thäter ist noch nicht ermittelt.
St. Blasien, 18. Dez. Die Aktiengesellschaft Hotel und Kurhaus St. Blasien, die mit einem Kapital von 500000 arbeitet, verzeichnet für das am 30. Sept. abgelaufene Geschäftsjahr nach Abzug von 18283-/5. Zinsen einen Reingewinn von 40 090
Württemberg
Stuttgart, 22. Dez. Die Kammerder Abgeordneten setzte in ihrer heutigen Sitzung die Beratung der Artikel 2 und 3 der Bolks- schulnovelle fort, in denen die Maximalzahl der Schüler festgelegt wird, konnte jedoch die Beratung hierüber nicht zu Ende führen. Im Laufe der Beratung lief eine Resolution tzanßmann und Genossen ein, worin der Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens ersucht wird, eine Aufstellung darüber vorzulegen, welche Mittel erforderlich sein würden, um die persönlichen Ausgaben der Gemeinden für die Volksschule auf den Staat zu übernehmen, und wie sich eventuell bei einer Bestreitung des Aufwands für die persönlichen Bezüge aus der Staatskasse unter Beitragserhebung von den Gemeinden die Mehraufwendungen für den Staat gestalten würden. Schon früher war einmal eine derartige Aufforderung an die Regierung ergangen und der Minister war nun in der Lage, aus den Akten der damaligen Erhebungen einiges mitzuteilen. Darnach beträgt der Gesamtaufwand für die Volksschulen 9210000 Davon werden aufgebracht von den Schulgemeinden 767000 -///, durch sonstige Verpflicht 100000 auf dem Wege des Schulgelds 440000 -///. Die Staatsbeiträge beziffern sich auf 1 Million, der weitere Staatsaufwand für das Volksschulwesen auf 3070000 So kommt man zu einem Gesamtaufwande von 12260000-/A Des weiteren wandte sich der Minister gegen die Anträge Hieber und Hildenbrand und legte dar, daß die finanzielle Lage des Landes die Annahme dieser Anträge für die Regierung unmöglich mache. Nach dem Antrag Hieber brauche man 800, nach dem Antrag Hildenbrand 1400 Lehrer mehr, die man nicht aus den Aermeln schütteln könne. Die Regierung sei glücklich, wenn ihr die Zahl von 70 Schülern gewährt werde. Das Zentrum stellte sich auf den Standpunkt der Regierung und sprach sich namentlich gegen die Uebernahme der Volksschullasten auf den Staat aus, welche Frage in die Debatte hereingezogen worden war. Auch Prälat v. Sandberger trat warm für den Regierungsentwurf ein. Hildenbrannd fand für seinen Antrag keine Unterstützung.
Stuttgart, 23. Dez. Die Kammer der, Abgeordneten überwies heute einen Antrag' des ständischen Ausschusses, die Regierung wolle neben der landesgesetzlichen Gebührenordnung für Rechtsanwälte auch die Gebührenordnung für die Gemeindegerichte einer landesgesetzlichen Verabschiedung unterbreiten, der staatsrechtlichen Kommission zur Begutachtung. — Zu Art. 1--3 der Schulnovelle ist folgender Antrag der Volkspartei und der Deutschen Partei eingegangen: „Die Kammer der Abgeordneten richtet an den Herrn Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens das Ersuchen, eine Aufstellung darüber vorzulegen, welche Mittel erforderlich sein würden, um die persönlichen Ausgaben der Gemeinden für die Volksschulen auf den Staat zu übernehmen und wie eventuell bei einer Bestreitung des Aufwands für die persönlichen Bezüge aus der Staatskasse unter einer der Steuerkraft der Gemeinden angemessenen Beitragserhebung von denselben die Mehraufwendungen des Staats sich gestalten würden. — Am Schluß der heutigen Sitzung verlas der Präsident ein K. Reskript, wodurch das Haus auf unbestimmte Zeit vertagt wird, und wünschte den Abgeordneten vergnügte Feiertage und ein gutes neues Jahr. Frhr. v. Breitschwerdt dankte zum Schluß dem Präsidenten für die umsichtsvolle Leitung der Verhandlungen.
Stuttgart, 23. Dez. Die Aussichten der Steuerreform wurden in den parlamentarischen Kreisen in den letzten Tagen fast allgemein als trübe angesehen, nachdem die Beschlüsse der Kammer der Standesherrn zu den Staatssteuern inbesondere der Einkommenssteuer nunmehr vorliegen. Gegen einzelne integrierende Bestandteile des Gemeindesteuerentwurfs wird gleichfalls eine ablehnende Haltung erwartet, so daß die Weihnachtszeit, bis zu welcher ursprünglich die Vollendung des Werkes erhofft wurde, seine Chancen sehr herabgemindert sieht. Die Entscheidung wird voraussichtlich im Februar fallen; ein Zusammentritt der Steuerkommission der Abgeordnetenkammer wird erst erwartet, wenn auch die Beschlüsse der Kammer der Standesherren zur Gemeindesteuerreform vorliegen.
Stuttgart, 23. Dez. Die Steuerkommission der Kammer der Standesherren tritt am 7. Januar zur Beratung der Gemeindesteuerreform wieder zusammen; für ihre Thätigkeit dürfte eine Woche ausreichen, so daß die Wiedereinberufung des Landtags von Mitte Januar ab als möglich erscheint.
Stuttgart, 22. Dez. Die Influenza grassiert hier in unheimlicher Weise. Die Aerzte, welche kaum mehr die nötige Zeit zum Essen und Schlafen heraus bringen, schätzeil den Krankenstand auf über 20000 Personen. Man kann keine Straße mehr Passieren, ohne nicht dem Coup«- eines Arztes zu begegnen. In manchen Häusern liegen 20 und noch mehr Kranke. Auch die Schulen weisen erhebliche Lücken auf. Doch verläuft die Krankheit im allgemeinen gutartig; die Sterbeziffer weist keine erhebliche Steigerung auf.
Cannstatt, 23. Dez. Der in dem Herrenkonfektionsgeschäft von Saly Hirsch durch den gestrigen Brand verursachte Schaden wird auf ca. 25 000 -/kl geschätzt.
Baiersbronn, 23. Dez. In der Parzelle Altan erwürgte die ca. 50 Jahre alte Frau des Arbeiters Burkhardt ihren 60 jährigen Mann, der an einem Fußleiden erkrankt im Bette lag. Die Frau beging die schreckliche That zweifellos in einem Anfall von Geistesgestörtheit, da sie bereits einmal in einer Irrenanstalt untergebracht war.
Stuttgart. (Landesproduktenbörsc.s Bericht vom 22. Dezbr. von dem Vorstand Fritz Kreglinger. Im Getreidegeschäft ist die Stimmung etwas ruhiger geworden, wozu sowohl die herannahenden Feiertage als auch der Umschlag der Witterung beigetragen haben. Für Weizen sind die amerikanischen Notierungen bei schwachem Angebot ziemlich gleich geblieben. Die Offerte von neuem Laplataweizen sind noch zu hoch und geben kür den Kontinent keine Rechnung, während England bis jetzt die hohen Forderungen bewilligte. Hier ist das Geschäft ruhig, Preise behanptet. — Mehlpreise Per 100 kg inll. Sack: Mehl Nr. 0: 28 50 ^ bis 29 Nr. 1: 26 ^4 50 ^ bis 27
— Nr. 2: 25 bis 25 50 , Nr. 8:
23 50 bis 24 Nr. 4 : 20 50 ^ bis
21 — ^l. Suppengries 23 50 ^ bis 29 -4t —
Kleie S «4L —
Aeue-e Nachrichten u. Telegramme.
Dresden, 23. Dez. Die sächsische Kronprinzessin Luise reiste von Salzburg aus zuerst nach Brüssel, von da nach Genf, fodaß der Sachverhalt lange geheimnisvoll blieb. Alle Verhandlungen wegen der österreichischen Prinzessin wurden über Wien geführt, außerdem war ihr Aufenthalt mehrere Tage gänzlich unbekannt. Eine Ehescheidung des katholischen Paares ist unmöglich. Man macht sich bange Sorge wegen der Thronbesetzung. Kronprinz Friedrich August bescherte gestern nachmittag zur Stunde des Bekanntwerdens des Falles eine Anzahl von Kindern aus Dresden-Loschwitz und Dresden- Wachwitz.
Wien, 23. Dez. Die Abendblätter sind gefüllt mit Salzburger Skandalgeschichten. Das „Wiener Tagblatt" meldet, gleichzeitig mit der sächsischen Kronprinzessin und ihrem Sprachlehrer Giron sei ihr älterer Bruder, Erzherzog Leopold Ferdinand, mit einer Geliebten, angeblich einer Schauspielerin, in Gemeinschaft mit jenen, heimlich aus Salzburg abgereist. Aus dem Vorleben dieses toskanischen Erzherzogs werden seltsame Geschichten erzählt. Die Flucht der Kronprinzessin berührt in hiesigen Hoskreisen aufs peinlichste. Man tadelt insbesondere das ganze Verhalten ihres älteren Bruders Leopold, den man hauptsächlich für ihre Entgleisungen verantwortlich macht.
Genf, 23. Dez. Vergangene Nacht 1 Uhr wurde bei dem hölzernen Monumentalportal der Kathedrale St. Peter eine Bombe geworfen, wodurch das Schloß des Portals zerstört und zahlreiche Fensterscheiben der Kathedrale und der benachbarten Häuser zertrümmert wurden. Die Bombe war ungefähr zwei Fuß hoch über dem Boden wahrscheinlich an einem Nagel befestigt. Man vermutet, daß sie ungeschickt angebracht war, und so statt nach dem Innern der Kathedrale nach dem Vorplatz losgegangen war. Sonst hätte die Explosion in der Kathedrale großen Schaden verursacht, da die Ladung stark gewesen sein muß. Denn auf große Entfernungen wurden in allen benachbarten Straßen die Fensterscheiben zertrümmert und in allen Häusern wurde ein heftiger Stoß verspürt. Die Bombe war mit Metallstücken gefüllt.
Bern, 22. Dez. Der aus Berlin flüchtige Depotsverwalter der Darmstädter Bank, Maximilian Neßler, wurde heute in einem Hotel in Brunnen im Kanton Schwyz durch die schweizerische Staatsanwaltschaft verhaftet. Neßler ist geständig.
Aufgabe.
Zu suchen sind zwei positive ganze Zahlen, deren Unterschied kleiner als 100, aber größer als 60 ist. Multipliziert man die erste der beiden Zahlen mit 31, die zweite mit 12, so soll man als Summe der beiden Resultate die Jahreszahl 1902 erhalten. Welche beiden Zahlen sind gemeint?
Viersilbige Charade.
Das erste Paar zieht blinkend Durch's schöne Bayernland.
Das and re Paar beschrieben Hat oft schon Deine Hand.
Das ganze scheint wie Botschaft Aus einer höhern Welt.
Und nach dem ersten Paare Siehst Du's am Himmelszelt.
Auflösung der Rätselfrage in Nr. 200.
Wenn man die Buchstaben der gegebenen Wörter richtig an einander reiht, so erhält man die beiden Wörter:
„Christfest" — „Tannenbaum".
Mutmaßliches Wetter am 26. und 27. Dezember.
Das morgens mehrfach neblige, im übrigen aber trockene und tagsüber auch zeitweilig aufgeheiterte Wetter wird sich bei mäßig kalter Temperatur über beide Weihnachtsseiertage noch behaupten.
Zur heutigen Blattausgabe geben mir den beliebten, in eigenem Verlag auf Postkartenkarton gedruckten
Wandkalender für 1903
als kleine Weihnachtsgabe für unsere Abonnenten, mit dem Wunsche, daß es Alt und Jung vergönnt sein möge, auf dem neuen Kalender recht viele frohe Tage verzeichnen zu können.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.
Mit einer Beilage.