Weihnachten 1902.

Bon A. N.

Seit Wochen klingt Adventgeläut Traut über Dächer hin und Fluren . . . Manch' Lockenköpfchen traf erfreut Schon auf des Christkind s leise Spuren; Knecht Ruprecht auch that seine Pflicht, Sobald das Abendrot verlohte; lind mancher allzukecke Wicht Erbebte, wenn der Alte drohte! . . .

Nun grüßt der Tag, den Gott gemacht, Die frohe Menschheit endlich wieder,

Und aus dem Schatten früher Nacht Erklingen liebe Weihnachtslieder.

Ein frischer Hauch von Tannengrün Zieht würzereich durch alle Ritzen,

Und alle Kinderwangen glüh'n,

Und alle Kinderaugen blitzen!

Und immer höher schlägt das Herz,

Der Wunder dieser Nacht gewärtig Längst flog das Christkind erdenwärts Und ist doch immer noch nicht fertig! . . . Horch, endlich lockt des Glöckleins Klang, Auf springt die Thür: Herein, Ihr Wilden! Da strahlt und funkelt, hoch und schlank,

Ein Baum aus himmlischen Gefilden!

Und wie sein Glanz den Jubel weckt Und junger Lippen Dankesbeben,

Ruft er auch Träume, tief versteckt.

Aus alten Herzen still ins Leben.

Ganz leise schmilzt er Groll und Gram,

Und löst die Schlacken, schürt die Flammen Werkthät'ger Liebe wundersam Zu froher Opferthat zusammen! . . .

O Christnacht, wer dann sehnsuchtsbang In deine Stille kommt, zu lauschen.

Der hört der Engel Lobgelang Und ihrer lichten Flügel Rauschen;

Der schaut den Stern der Weisen auch,

Hell strahlend ob den dunklen Gründen,

Und in sein Herz zieht wie ein Hauch Der Frieden, den die Engel künden! . . .

Weihnachten.

350000 Tannenbäume sind an verschiedenen Bahnhöfen Berlins schon Anfang Dezember zum Schmucke des kommenden Weihnachtsfestes ein­gegangen. Was redet dieser Wald von Bäumen für eine beredte Sprache für alle die, die sie hören wollen! Beim Einzuge in Jerusalem grüßten einige auf den Weg zerstreute Palmen­zweige den kommenden Herrn. Und heute am Weihnachtsfeste? Wo ist ein König in der weiten Welt, zu dessen Ehren man ganze Wälder ausrottet, um ibn festlich zu begrüßen? Und was Berlin an Christbäumen braucht, ist doch, mag's noch so viel scheinen, nur ein winziger Bruchteil all der Tannen, die aus weitem Erden­rund, wo immer deutsche Herzen schlagen, in diesen Tagen in Hütte und Palast die festliche Tafel und den bescheidenen Tisch schmücken. Und wenn die stille Nacht naht, ersehnt von Jung und Alt seit Wochen, die Stunde, für die die Liebe seit lange sich gerüstet, da flammen Kerzen und Lichter zu Millionen in gewaltigem Feuer­brande auf, um den Lenz der ewigen Liebe zu verkündigen, die auf unsere kalte Erde gekommen ist. Wo ist ein König in der weiten Welt, zu dessen Ehren ein Flammenmeer auflodert wie zur Geburt Christi an Weihnachten, und das selbst in den Häusern derer, die die frohe Bot­schaft zum sinnigen Märchen herabgewürdigt? Auch sie bringen, ohne es zu wollen, den Zoll der Verehrung dem dar, der arm geworden ist, um uns reich zu machen am innern Menschen. Und wenn in Deinem Hause der Tannenbaum erstrahlt, vergiß nicht, daß er vom Leben erzählt, dessen Wurzeln dem Boden der Ewigkeit ent­stammen, daß er vom Lichte zeugt, das unsere dunklen Pfade erhellt und in all das irdische Elend den versöhnenden Schein trägt. Weih­nachten ist die Bürgschaft für Karfreitag, Ostern und Pfingsten. Wer dieses Fest entleert, trifft unser deutsch-evangelisches Volk ins Herz. Weißt Du den Vollgehalt des großen festlichen Tages zu würdigen, weißt Du, daßChrist ist erschienen, Welt zu versöhnen," so freue Dich nicht blos am Jubel im eigenen Hause, sondern trage Leben

und Licht hinaus in all das tausendfache Elend, das uns gerade in diesem Jahre umgiebt. Wer andren Weihnachten bereitet, feiert doppelt fröhliche, selige, gnadenbringende Weihnachtszeit.

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Seine Majestät der König hat die erledigte Forstamtmannstelle in Calmbach dem Forstamts­assistenten Lempp in Gundelsheim übertragen.

Neuenbürg, 22. Dezbr. Die Bürger- ausschußwahl, welche in Folge äußerst schwacher Beteiligung in einem zweiten Termin fortgesetzt werden mußte, hatte das Ergebnis, daß ein erst am Wahltag mittags noch ausge­gebener Zettel, auf welchem 4 der bisherigen Bürgerausschußmitglieder standen, vollständig durchging, während dem andern, vorher ausge- gkbenen Zettel, welcher 5 der Namen der bis­herigen Mitglieder enthielt, nur wenige Stimmen fehlten; einem Kandidaten (Haizmann), welcher auf dem erst ausgegebenen Zettel stand, fehlte nur 1 Stimme. Die 3 Kandidaten, welche auf beiden Zetteln vertreten waren, wurden natürlich mit großer Mehrheit gewählt.

! Wildbad, 22. Dezbr. Bei der heutigen I Bürgerausschußwahl haben von 598 Wahlbe­rechtigten nur 240 abgestimmt. Es mußte Nach­wahl anberaumt werben.

Neuenbürg, 23. Dezbr. Eine aus allen Kreisen der Stadt überaus zahlreich besuchte Versammlung sah am Sonntag abend unsere Turnhalle; es fand die Weihnachtsfeier des hiesigen Turnvereins statt. Bedeutende An­strengungen, die ihm auch die Sympathie weiterer Kreise sichern, hat der Verein gemacht, um sein neues Heim auch so einzurichten, daß es zu froher Geselligkeit einladet. Machte schon der ganze weite Raum in seiner blendendhellen Be­leuchtung, sowie die über die ganze Breite ge­zogene, von 2 prächtigen Chistbäumen flankierte Bühne den vorteilhaftesten Eindruck auf den Zuschauer, so herrschte auch allgemeine Be­friedigung über das Gebotene. Ein glänzendes Paradestück turnerischer Leistungen waren die kühn aufgebaulen, effektvoll beleuchteten Pyra­miden. Von den szenischen Darbietungen ent­hielt die ersteWeihnachten in Kiaotschou" einen bei solchen Veranstaltungen besonders anheimelnden Hinweis auf die Weihnachtszeit, sodann war sie auch geeignet, Patriotische Empfindungen zu Wecken, und gar trefflich nahmen sich unsere blauen Jungen in ihren Matrosenanzügen aus.» In den beiden StückenEine Musterriege" undAlt­weibermühle" kam auch der Humor auf seine Rechnung. Wenn man sonst hie und da den Frauen nachsagt, daß sie gerne die Hosen an- haben, so konnte man hier sehen, daß umgekehrt die Männer auch gern einmal die Röcke anziehen und daß ihnen das unter Umständen gar nicht schlecht ansteht. Die bewußte Mühle hat zudem tadellos funktioniert und soll von seiten des schönen Geschlechts solchen Beifall gefunden haben, daß ihre Rentabilität gesichert ist und der Er­richtung eines solchen Etablissements für Stadt und Bezirk energisch näher getreten werden soll. Von den Männerchöcen war der letzte,Wald­könig" von Döring besonders ansprechend; auch der Solovortrag des Herrn Bosch,die Uhr" von Löwe, verdient lobende Erwähnung. Alle Teilnehmer werden den Abend gewiß in an­genehmer Erinnerung haben und dem Turnverein, insbesondere dem Dirigenten, Herrn Lehrer Vollmer, Dank wissen für die gelungene Auf­führung.

Calmbach. Am Sonntag wurde unter zahl­reicher Beteiligung der Gemeinde und der Lehrer des Bezirks Lehrer Kling enstein beerdigt. Er war von 1859 bis 1870 an der Schule in Meistern thätig, in welchem Jahre er an der Schule in Calmbach angcstellt wurde. Dort durfte er im Jahre 1895 sein 50jähriges Dienst­jubiläum feiern und konnte damit die Feier seiner 25jährigen Wirksamkeit am hiesigen Platze ver­binden. Der Ortsgeistliche schilderte den Ver­storbenen als pflichttreuen Lehrer und fried­liebenden Bürger, der sich die allgemeine Achtung und Liebe der Gemeinde erworben hat. Ein Lehrer legte im Namen des Bezirkslehrervereins einen Kranz am Grabe nieder und widmete dem Toten einen warmen Nachruf.

Wildbad, 22. Dez. Die von den bürger­lichen Kollegien vorgeschlagene und bewilligte Frauenarbeitsschule wird nun definitiv am 15. Januar k. I. eröffnet werden. Erfreulicher­weise haben sich zu diesem Kurs eine genügende Anzahl Personen gemeldet, so daß die Lehrerin gewillt war, denselben zu eröffnen und findet derselbe im Realschulgebüude (Lehrlingsheim) statt. Es sollen nun, sofern sich mindestens 10 Personen beteiligen, künftig jährlich 2 Kurse stattfinden. Der erste Kurs beginnt am 15. Oktober und der zweite am 15. Januar. Es ist erfreulich, daß die Arbeitsschule zu stände kam, da man seither gezwungen war, nach Calmbach zu gehen. (W. Anz.)

Simmersfeld, 17. Dez. Mit brennen­den Kleidern und laut schreiend stürzte gestern das 6 jährige Töchterchen des Pfarrers Klumpp aus dem Hause ins Freie. Herbeigeeilte Nach­barn rissen dem Kinde die Kleider vom Leibe; es erlitt im Gesicht und am Leibe starke Brand­wunden, die den Tod herbciführten. Das be- dauernswerte Kino wollte kochende Milch für ein kleines Schwesterchen vom Herd heben und kam dabei dem Feuer zu nahe. Zur Zeit des Unfalls war der Vater dienstlich abwesend, die Mutter und das Dienstmädchen waren auf kurze Zeit mit dem Backen im Nebenhaus beschäftigt. Eltern und Kind wendet sich allgemeine auf­richtige Teilnahme zu.

Pforzheim, 22. Dezbr. Nach längerer Fahndung gelang es endlich der Kriminalpolizei, einer Falschmünzergesellschaft, bestehend aus dem in der Pfarrgasse wohnhaften Feinmechaniker Karl Beß, dessen Ehefrau, dem Bruder des Elfteren, Friedrich Beß, und dem Vater, Friedrich Beß 8on. in hiesiger Stadt auf die Spur zu kommen. Die Frau Beß, sowie der alte Beß, scheinen sich hauptsächlich mit dem Vertrieb des Geldes beschäftigt zu haben. Letzterer wurde in Mannheim festgenommen Die Haussuchungen wurden am letzten Samstag mit großem Erfolg vorgenommen. Außer einer kompletten, aufs Beste zur Falschmünzerei hergestellten Einrichtung, wie Gesenke und Prägestempel für 1 50

und 10 ^s-Stücke fand sich noch eine große An­zahl falschen Geldes und Metall, welches zur Herstellung desselben verwendet worden war, vor. In einer unscheinbaren alten Eisenwalze mit Schraubenverschluß waren die Prägestempel ver­steckt gehalten. Die Falsifikate sind schon längere Zeit im Verkehr und sind hauptsächlich die 50 ^s-Stücke so täuschend nachgemacht, daß nur sehr wenig der vielen in den Verkehr gebrachten angehalten werden konnten. Die letzteren tragen das Münzzeichen ^ und die Jahreszahl 1877. An dem von dem Adler getragenen Reichsapfel zeigt das Kreuz eine defekte, nur mit einer Lupe zu erkennenden Stelle. Den Geldstücken war mit Graphit ein altes, abgegriffenes Aus­sehen gegeben worden. In einem hiesigen Laden verausgabte die Frau Beß 3 falsche Markstücke, wodurch die Kriminalpolizei, welche seit 6 Wochen eifrig nach der Bande fahndet, greifbare An­haltspunkte bekam.

Deutsches Keich.

Wie aus Bundesratskreisen verlautet, sind an den maßgebenden Stellen die bisherigen Bedenken gegen die Gewährung von Än- wesenheitsgeldern an die Reichstags­abgeordneten endlich zurückgetreten. Es wird daher die Genehmigung des betreffenden Zentrums- antrages seitens des Bundesrates noch in der laufenden Session mit Sicherheit in Aussicht gestellt. Seine nächste Sitzung, die zugleich die erste im neuen Jahre sein wird, hält der Bundesrat bereits am 2. Januar ab. Als zweifelhaft wird es bezeichnet, ob die dem Bundes­rate schon vor einem halben Jahre zugegangene Novelle zum Börsengesetz noch an den jetzigen Reichstag gelangt; sie ruht einstweilen noch immer im Ausschüsse für Handel und Verkehr.

Mit dem am vergangenen Samstag in Kiel vom Stapel gelaufenen neuen LinienschiffBraun­schweig" hat die deutsche Kriegsflotte ihr bis jetzt größtes Schiff erhalten, weshalb denn auch der Stapellauf desselben unter besonderen Feier­lichkeiten ins Werk gesetzt wurde. Den Taufakt vollzog im kaiserlichen Aufträge der Prinzregent Albrecht von Braunschweig, welcher in seiner