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Markirung ist eine so vorzügliche, daß aus der 405 Kilometer langen Strecke ein Fehlgehen ausgeschlossen ist. Das unbeschreiblich Liebliche und Anmutige, im Wechsel mit dem teilweise Wildromantischen, das unseren Blicken sich täg­lich und stündlich auf der ganzen herrlichen Tour darbietet, schwellt einem die Brust, und dazu eine Luft, die im wahrsten Sinn des Wortes sich gewaschen hat, läßt einem all das Schöne doppelt genießen und so unendlich tief empfinden. Jedem einigermaßen marsch­fähigen Freund der schönen Natur kann ich nur raten, sich den Hochgenuß dieser prächtigen Wanderung bei nächster Gelegenheit zu verschaffen, er wird es ganz gewiß nicht bereuen. Die ver­schiedenen Abzweigungen vom Höhenweg, auf die in einem Merkchen Bussemers jeweils auf­merksam gemacht wird, gestatten dem Wanderer, wenn er Zeit und Geld hat, auch andere schöne Punkte und Perlen des Schwarzwalds, z. B. Mgthal, Baden, Allerheiligen, Triberg, die groß­artige Schwarzwaldbahn Hornberg-Sommerau die Höllenthalbahn nach Freiburg, Badenweiler usw., aufzusuchen und immer wieder auf den Höhenweg zurückzukehren und diesen weiter zu verfolgen. Wo aber Einer auch seine Tour beendigen mag, ob in Basel selbst, oder, wie wir, in Albdruck, nach Durchschreiten des präch­tigen Albthals oder sonst an einem andern Punkt, ich bin überzeugt, daß er am Ende der Wander­ung überwältigt sein wird von der Fülle des Gesehenen.

Nagold, 20. Sept. Der heute hier abge­haltene Schweinemarkt war in Bezug auf Saug­schweine sehr gut, in Bezug auf Läuferschweine dagegen schwach befahren. Zu Markte wurden gebracht: 93 Stück Saugschweine, wovon 24 Stück verkauft wurden. Der Preis belief sich auf 2037 ^ pro Paar: ferner 8 Stück Läuferschweine, wovon 2 Stück mit einem Erlös von 80 ^ verkauft wurden.

Pfalzgrafenweiler, 22. Sept. Gestern verunglückte das 5 jährige Mädchen eines Holz­hauers auf schreckliche Weise. Beim Entzünden eines Spirituskochers fingen die Kleider des Kindes Feuer, so daß es lichterloh brannte. Ms die Flammen gelöscht waren, war es am ganzen Leibe mit Branndwunden bedeckt. Nach Ift- Stunden starb das Kind.

Die Gewerbeschule in Pforzheim konnte in diesem Jahre ein besonderes Jubiläum feiern ; es waren nämlich 50 Jahre verflossen, seitdem die Anstalt mit ihrem ersten gedruckten Jahresbericht an die Oeffentlichkeit trat. Die Errichtung der Anstalt selber liegt, allerdings Mit vielfach schwankenden Schulverhältnissen noch viel weiter zurück. Im genannten Jahre hatte sie mit Einschluß der Zeichenschüler, Gäste und Volksschüler, die die Anstalt besuchten, eine Ge­samtschülerzahl von 257. Im laufenden Jahre betrug diese Zahl 1600, nämlich 568 in der Handwerkerabteilung, 24 Gäste im Fachzeichnen, 18 in der elektrotechnischen Abteilung. 379 in der Goldschmiedeabteilung und 611 Gäste im Freihandzeichnen. Diese Entwickelung ist ein Spiegelbild im kleinen von der Entwicklung der Stadt selber und des badischen Landes im ganzen.

Illingen, 22. Sept. Das in Pforzheim beim Kochen von Bodenwichse schwer verunglückte Dienstmädchen ist gestern Abend seinen Verletz­ungen erlegen.

Vom Albthal, 22. Sept. Im Ettlinger Stadtwald tritt wieder einmal der Buchenspinner aus. Die Raupen ziehen in Milliarden über die Schöllbronner Straße und besetzen das öst­liche Waldgebiet.

Deutsches Weich

Der Kaiser und die Kaiserin nahmen am Sonntag in Schloß Hubertusstock die prak­tische Vorführung der Verwendung flüssiger Luft zum Kühlen von Räumen entgegen, welche Luft von der Berliner Gesellschaft für Markt- und Kühlhallen jetzt nach dem Verfahren des Pro­fessors v. Linde fabrikmäßig hergestellt wird. Die Versuche wurden vom Direktor genannter Gesellschaft, Krüger, während der kaiserlichen Frühstückstafel vorgenommen und verliefen zur vollsten Zufriedenheit der Majestäten, sie ergaben die Verwendbarkeit der leicht zu transportierenden flüssigen Luft für Tafel- und Haushaltszwecke.

Voraussichtlich wird letztere im kaiserlichen Haus­halt von nun an häufig Verwendung finden. Die Kaiserin interessierte sich für diese Versuche speziell auch in Rücksicht auf die Verwendbarkeit flüssiger Luft in Krankenhäusern und Hospitälern sehr lebhaft.

Obgleich hinsichtlich der Ergebnisse der Frakrionsberatungen, welche von den beiden konservativen Reichstagsparteien in Sachen des Zolltarifentwurfes Ende vergangener Woche in Berlin abgehalten wurden, Verschwie­genheit seitens der beiden Fraktionsvorstände proklamiert worden ist, verlautet doch schon einiges hierüber. Bestimmt auftretende Gerüchte behaupten wenigstens, sowohl die Konservativen als auch die Reichspartei hätten in diesen Frak­tionssitzungen beschlossen, an dem in der Zoll­tarifkommission vereinbarten Kompromiß über die Getreidezölle festzuhalten. Was den Zen­trumsantrag betreffs der Verwendung eines Teiles der zu erwartenden Mehreinnahmen aus den künftigen Zöllen anbelanzt, der bei der zweiten Kommissionslesung der Tarifoorlage wieder eingebracht werden soll, so heißt es, daß die Reichspartei der hierin vorgeschlagenen Ver­wendung der neuen Zolleinnahmen zur Herbei­führung einer Arbeiter-, Witwen- und Waisen­versorgung lediglich in einer Resolution zu­stimmen werde. Da die Zentrumspartei bekannt­lich den Beschlüssen der Tarifkommission im Allgemeinen ebenfalls zugestimmt hat, so kann es als sicher gelten, daß die Vertreter des Zentrums und der beiden konservativen Frak­tionen in der am Montag wieder zusammen­getretenen Tarifkommission die Kommissions­beschlüsse erster Lesung betreffs der künftigen Getreide- und Viehzölle aufrecht erhalten werden. Dann muß es sich ja endlich zeigen, ob zwischen dem bekannten Standpunkte der verbündeten Regierungen in der Getreidezollfrage und jenem der Kommissions- und wohl auch der Reichs­tagsmehrheit noch ein Ausgleich möglich ist.

Berlin, 23. Sept. Die Zolltarifkommission dehnte die zollfreie Obsteinfuhr von 25. Sept. bis 25. Nov. aus (in der ersten Lesung der Zolltariskommission wurde als Termin der zoll­freien Einfuhr 1. Okt. bis 15. Nov. bestimmt; die Erleichterung ist also höchst unwesentlich); sonst wurde der Zollsatz der 1. Lesung (2.50 ^ für den Dez.) beibehalten. Direktor v. Schneider ersuchte in ausdrücklichem Auftrag seiner Regier­ung um Zollfreiheit für unverpackt eingehende Aepfel und Birnen, da Württemberg zur Deckung seines Bedarfs an Obstmost auf die Einfuhr ausländischen Obstes angewiesen sei.

Die deutsche Regierung hat angesichts des Prozesses der Marconischen Gesellschaft für Funkentelegraphie, die ganze Erde mit einem Netz von Stationen für Funkentelegraphie zu umspannen, im Hinblick auf die einem solchen Plane entgegenstehenden politischen und wirt­schaftlichen Bedenken eine diplomatische Aktion eingeleitet. Sie hat sich an England, Frankreich, Rußland, Italien, Oesterreich-Ungarn und die nordamerikanische Union gewendet, um eine inter­nationale Verständigung in dieser wichtigen Frage herbeizuführen. Diese deutsche Anregung ist von den betreffenden Staaten freundlich ausgenommen worden, vermutlich stehen nunmehr Verhand­lungen über die ganze Angelegenheit auf einer internationalen Konferenz bevor.

Der bekannte Reichstagsabgeordnete Dr. Spahn, soll als neuer Unterstaatssekretär im Reichsamte des Inneren in Aussicht genommen sein.

Die preußische Staatsbahnverwaltung hat beschlossen, in Dunkelheit und bei Nebel zur Deckung von Zügen, die auf freier Strecke halten müssen, rotbrennende Magnesiumfackeln zu ver­wenden, deren Licht nach angestellten Versuchen auch im Nebel 500600 ui weit sichtbar ist.

Die Verhandlungen des ersten allgemeinen deutschen Bankiertages in Frankfurt a. M. und des sozialdemokratischen Parteitages in München sind am Samstag wieder geschlossen worden. Letzterer wählte als Ort des im nächsten Jahre abzuhaltenden Parteikongresses der deutschen Sozialdemokratie die Stadt Dresden.

Freiberg (i. Sachsen), 22. Septbr. Als gestern ein Gefreiter des gegenwärtig hier ein­quartierten 28. Feldartillerieregiments verschie­denen Personen ein Geschütz und die Ladung

desselben erklärte und hiebei eine Manöver- kartouche in das Geschütz gesteckt hatte, entlud sich plötzlich die letztere. Ein Mädchen wurde in die Brust getroffen und sofort getötet. Mehrere andere Kinder wurden teils schwer, teils leichter verletzt.

Aus der Pfalz, 18. Septbr. Wie der Pfalz. Kurier- meldet, ist in Mundenheim ein sozialdemokratischer Konsumverein verkracht, der erst vor einem halben Jahr gegründet wurde. Der Hauptgeschädigte ist ein Bürger, der für den Umbau des Ladens gut sprechen mußte und nun 1300 -/kl zahlen darf. Andere Mitglieder, meist Arbeiter, haben ihren Stammauteil mit 30 r/L verloren und müssen innerhalb 5 Tagen weitere 60 an den Konkursverwalter zahlen. Württemberg.

Tübingen, 23. Sept. Seine Majestät der König traf gestern nachmittag 3 Uhr mit Sonderzug von Sigmaringen auf dem Bahnhof ein und fuhr sofort nach der Jagdhütte im Schönbuch, wo ein mehrtägiger Jagdaufenthalt in Aussicht genommen ist.

Stuttgart, 23. Sept. Aus Anlaß des Ablebens der Königin der Belgier ist Hoftrauer auf 3 Wochen, die erste Woche in dritter, die beiden letzten Wochen in vierter Abstufung der Hoftrauerordnung angeordnet worden.

Stuttgart, 17. Sept. Neue Poftbriefkästen sind in nächster Zeit für Württemberg nach der Einführung gemeinsamer Postwertzeichen nach Preußischem System zu erwarten. Es ist jedoch fraglich, ob die alten Kästen nicht eine zweckmäßige Aenderung erfahren, oder ob vollständig neue Briefeinwurfkästen angefertigt werden müssen.

Tübingen, 22. Septbr. Das Schwur­gericht verhandelte heute als zweiten Fall gegen den Säger Wilh. Fr. Ruff vom Holzbachthal wegen Brandstiftung. Der Eigentümer der Holz­bachsägmühle, Sonnenwirt Renschler in Con­weiler, schickte am Morgen des 15. Juli d. I. die Zimmerleute Ehr. Grimm und Jak. Frey in die Holzbach, um die baufällige Sägmühle abzubrechen. Die beiden Leute fanden bei ihrer Ankunft die Sägmühle total niedergebrannt. Als Urheber des Brandes, durch den ein Schaden von 12 000 -/L entstand wurde nach kurzer Zeit der Bruder des kurze Zeit vorher nach Neusatz verzogenen Obersägers Gottlob Ruff, der 1869 in Lehensägmühle, Gemeinde Wildbad, geborene ledige.Säger Wilhelm Fr. Ruff ermittelt. Er gab heute vor dem Schwurgericht folgendes an: Drei Wochen lang sei ihm schon der Gedanke im Kopf gesteckt, daß er die Sägmühle anzünden wolle. Das Abbrechen und Reparieren der Mühle hätte große Umstände gemacht, weil alles liederlich und alt" gewesen sei. Da habe er gedacht:Was braucht man die alte Mühle abzubrechen, ich zünde sie lieber an". Er hätte sie vielleicht schon früher angezündet, wenn sein Bruder Gottlob mit seinen Fahrnissen versichert gewesen wäre, allein er habe daran gedacht, daß demselben der Brandschaden nicht vergütet werde. Deshalb habe er mit dem Anzünden gewartet, bis sein Bruder ausgezogen gewesen sei. Am Montag den 14. Juli sei er in Neuenbürg ge­wesen und dort abends 8 Uhr fortgegangen, um seinen Plan auszuführen. Um 10 Uhr sei er bei der Mühle angekommen und habe sofort Anstalt gemacht, anzuzünden. Er habe kleines Holz zusammengetragen, dann den Haufen ange­zündet und bald habe er lichterloh gebrannt. Es sei ihm eben darum zu thun gewesen, daß eine ganz neue Mühle und ein Wohnhaus erbaut werde und er dann leichter und bequemer in der neuen Mühle arbeiten könne. Esrappele" ihm eben manchmal im Kopf. Der über den Geistes­zustand des Angeklagten vernommene Sachver­ständige Professor Dr. Oesterlen gab an: die Intelligenz des Ruff sei eine sehr geringe. Der allgemeinen geistigen Schwäche entsprechend sei auch seine Willensthätigkeit geschwächt und seine Widerstandsfähigkeit gegen Antriebe auch zu Un- erlaubtem sei äußerst gering, zumal wenn diese Antriebe auf das wirkliche oder vermeinte eigene persönliche Interesse Bezug haben. Eine trieb­artige krankhafte Willenssteigerung bestehe aber bei Ruff nicht. Sein Geisteszustand stehe dem- jenigen eines Schwachsinnigen leichten Grades gleich. Ruff habe demnach die That nicht ver­übt in einem Zustand von Bewußtlosigkeit oder