721
Markirung ist eine so vorzügliche, daß aus der 405 Kilometer langen Strecke ein Fehlgehen ausgeschlossen ist. Das unbeschreiblich Liebliche und Anmutige, im Wechsel mit dem teilweise Wildromantischen, das unseren Blicken sich täglich und stündlich auf der ganzen herrlichen Tour darbietet, schwellt einem die Brust, und dazu eine Luft, die — im wahrsten Sinn des Wortes — sich gewaschen hat, läßt einem all das Schöne doppelt genießen und so unendlich tief empfinden. Jedem einigermaßen marschfähigen Freund der schönen Natur kann ich nur raten, sich den Hochgenuß dieser prächtigen Wanderung bei nächster Gelegenheit zu verschaffen, er wird es ganz gewiß nicht bereuen. Die verschiedenen Abzweigungen vom Höhenweg, auf die in einem Merkchen Bussemers jeweils aufmerksam gemacht wird, gestatten dem Wanderer, wenn er Zeit und Geld hat, auch andere schöne Punkte und Perlen des Schwarzwalds, z. B. Mgthal, Baden, Allerheiligen, Triberg, die großartige Schwarzwaldbahn Hornberg-Sommerau die Höllenthalbahn nach Freiburg, Badenweiler usw., aufzusuchen und immer wieder auf den Höhenweg zurückzukehren und diesen weiter zu verfolgen. Wo aber Einer auch seine Tour beendigen mag, ob in Basel selbst, oder, wie wir, in Albdruck, nach Durchschreiten des prächtigen Albthals oder sonst an einem andern Punkt, ich bin überzeugt, daß er am Ende der Wanderung überwältigt sein wird von der Fülle des Gesehenen.
Nagold, 20. Sept. Der heute hier abgehaltene Schweinemarkt war in Bezug auf Saugschweine sehr gut, in Bezug auf Läuferschweine dagegen schwach befahren. Zu Markte wurden gebracht: 93 Stück Saugschweine, wovon 24 Stück verkauft wurden. Der Preis belief sich auf 20—37 ^ pro Paar: ferner 8 Stück Läuferschweine, wovon 2 Stück mit einem Erlös von 80 ^ verkauft wurden.
Pfalzgrafenweiler, 22. Sept. Gestern verunglückte das 5 jährige Mädchen eines Holzhauers auf schreckliche Weise. Beim Entzünden eines Spirituskochers fingen die Kleider des Kindes Feuer, so daß es lichterloh brannte. Ms die Flammen gelöscht waren, war es am ganzen Leibe mit Branndwunden bedeckt. Nach Ift- Stunden starb das Kind.
Die Gewerbeschule in Pforzheim konnte in diesem Jahre ein besonderes Jubiläum feiern ; es waren nämlich 50 Jahre verflossen, seitdem die Anstalt mit ihrem ersten gedruckten Jahresbericht an die Oeffentlichkeit trat. Die Errichtung der Anstalt selber liegt, allerdings Mit vielfach schwankenden Schulverhältnissen noch viel weiter zurück. Im genannten Jahre hatte sie mit Einschluß der Zeichenschüler, Gäste und Volksschüler, die die Anstalt besuchten, eine Gesamtschülerzahl von 257. Im laufenden Jahre betrug diese Zahl 1600, nämlich 568 in der Handwerkerabteilung, 24 Gäste im Fachzeichnen, 18 in der elektrotechnischen Abteilung. 379 in der Goldschmiedeabteilung und 611 Gäste im Freihandzeichnen. Diese Entwickelung ist ein Spiegelbild im kleinen von der Entwicklung der Stadt selber und des badischen Landes im ganzen.
Illingen, 22. Sept. Das in Pforzheim beim Kochen von Bodenwichse schwer verunglückte Dienstmädchen ist gestern Abend seinen Verletzungen erlegen.
Vom Albthal, 22. Sept. Im Ettlinger Stadtwald tritt wieder einmal der Buchenspinner aus. Die Raupen ziehen in Milliarden über die Schöllbronner Straße und besetzen das östliche Waldgebiet.
Deutsches Weich
Der Kaiser und die Kaiserin nahmen am Sonntag in Schloß Hubertusstock die praktische Vorführung der Verwendung flüssiger Luft zum Kühlen von Räumen entgegen, welche Luft von der Berliner Gesellschaft für Markt- und Kühlhallen jetzt nach dem Verfahren des Professors v. Linde fabrikmäßig hergestellt wird. Die Versuche wurden vom Direktor genannter Gesellschaft, Krüger, während der kaiserlichen Frühstückstafel vorgenommen und verliefen zur vollsten Zufriedenheit der Majestäten, sie ergaben die Verwendbarkeit der leicht zu transportierenden flüssigen Luft für Tafel- und Haushaltszwecke.
Voraussichtlich wird letztere im kaiserlichen Haushalt von nun an häufig Verwendung finden. Die Kaiserin interessierte sich für diese Versuche speziell auch in Rücksicht auf die Verwendbarkeit flüssiger Luft in Krankenhäusern und Hospitälern sehr lebhaft.
Obgleich hinsichtlich der Ergebnisse der Frakrionsberatungen, welche von den beiden konservativen Reichstagsparteien in Sachen des Zolltarifentwurfes Ende vergangener Woche in Berlin abgehalten wurden, Verschwiegenheit seitens der beiden Fraktionsvorstände proklamiert worden ist, verlautet doch schon einiges hierüber. Bestimmt auftretende Gerüchte behaupten wenigstens, sowohl die Konservativen als auch die Reichspartei hätten in diesen Fraktionssitzungen beschlossen, an dem in der Zolltarifkommission vereinbarten Kompromiß über die Getreidezölle festzuhalten. Was den Zentrumsantrag betreffs der Verwendung eines Teiles der zu erwartenden Mehreinnahmen aus den künftigen Zöllen anbelanzt, der bei der zweiten Kommissionslesung der Tarifoorlage wieder eingebracht werden soll, so heißt es, daß die Reichspartei der hierin vorgeschlagenen Verwendung der neuen Zolleinnahmen zur Herbeiführung einer Arbeiter-, Witwen- und Waisenversorgung lediglich in einer Resolution zustimmen werde. Da die Zentrumspartei bekanntlich den Beschlüssen der Tarifkommission im Allgemeinen ebenfalls zugestimmt hat, so kann es als sicher gelten, daß die Vertreter des Zentrums und der beiden konservativen Fraktionen in der am Montag wieder zusammengetretenen Tarifkommission die Kommissionsbeschlüsse erster Lesung betreffs der künftigen Getreide- und Viehzölle aufrecht erhalten werden. Dann muß es sich ja endlich zeigen, ob zwischen dem bekannten Standpunkte der verbündeten Regierungen in der Getreidezollfrage und jenem der Kommissions- und wohl auch der Reichstagsmehrheit noch ein Ausgleich möglich ist.
Berlin, 23. Sept. Die Zolltarifkommission dehnte die zollfreie Obsteinfuhr von 25. Sept. bis 25. Nov. aus (in der ersten Lesung der Zolltariskommission wurde als Termin der zollfreien Einfuhr 1. Okt. bis 15. Nov. bestimmt; die Erleichterung ist also höchst unwesentlich); sonst wurde der Zollsatz der 1. Lesung (2.50 ^ für den Dez.) beibehalten. Direktor v. Schneider ersuchte in ausdrücklichem Auftrag seiner Regierung um Zollfreiheit für unverpackt eingehende Aepfel und Birnen, da Württemberg zur Deckung seines Bedarfs an Obstmost auf die Einfuhr ausländischen Obstes angewiesen sei.
Die deutsche Regierung hat angesichts des Prozesses der Marconischen Gesellschaft für Funkentelegraphie, die ganze Erde mit einem Netz von Stationen für Funkentelegraphie zu umspannen, im Hinblick auf die einem solchen Plane entgegenstehenden politischen und wirtschaftlichen Bedenken eine diplomatische Aktion eingeleitet. Sie hat sich an England, Frankreich, Rußland, Italien, Oesterreich-Ungarn und die nordamerikanische Union gewendet, um eine internationale Verständigung in dieser wichtigen Frage herbeizuführen. Diese deutsche Anregung ist von den betreffenden Staaten freundlich ausgenommen worden, vermutlich stehen nunmehr Verhandlungen über die ganze Angelegenheit auf einer internationalen Konferenz bevor.
Der bekannte Reichstagsabgeordnete Dr. Spahn, soll als neuer Unterstaatssekretär im Reichsamte des Inneren in Aussicht genommen sein.
Die preußische Staatsbahnverwaltung hat beschlossen, in Dunkelheit und bei Nebel zur Deckung von Zügen, die auf freier Strecke halten müssen, rotbrennende Magnesiumfackeln zu verwenden, deren Licht nach angestellten Versuchen auch im Nebel 500—600 ui weit sichtbar ist.
Die Verhandlungen des ersten allgemeinen deutschen Bankiertages in Frankfurt a. M. und des sozialdemokratischen Parteitages in München sind am Samstag wieder geschlossen worden. Letzterer wählte als Ort des im nächsten Jahre abzuhaltenden Parteikongresses der deutschen Sozialdemokratie die Stadt Dresden.
Freiberg (i. Sachsen), 22. Septbr. Als gestern ein Gefreiter des gegenwärtig hier einquartierten 28. Feldartillerieregiments verschiedenen Personen ein Geschütz und die Ladung
desselben erklärte und hiebei eine Manöver- kartouche in das Geschütz gesteckt hatte, entlud sich plötzlich die letztere. Ein Mädchen wurde in die Brust getroffen und sofort getötet. Mehrere andere Kinder wurden teils schwer, teils leichter verletzt.
Aus der Pfalz, 18. Septbr. Wie der „Pfalz. Kurier- meldet, ist in Mundenheim ein sozialdemokratischer Konsumverein verkracht, der erst vor einem halben Jahr gegründet wurde. Der Hauptgeschädigte ist ein Bürger, der für den Umbau des Ladens gut sprechen mußte und nun 1300 -/kl zahlen darf. Andere Mitglieder, meist Arbeiter, haben ihren Stammauteil mit 30 r/L verloren und müssen innerhalb 5 Tagen weitere 60 an den Konkursverwalter zahlen. Württemberg.
Tübingen, 23. Sept. Seine Majestät der König traf gestern nachmittag 3 Uhr mit Sonderzug von Sigmaringen auf dem Bahnhof ein und fuhr sofort nach der Jagdhütte im Schönbuch, wo ein mehrtägiger Jagdaufenthalt in Aussicht genommen ist.
Stuttgart, 23. Sept. Aus Anlaß des Ablebens der Königin der Belgier ist Hoftrauer auf 3 Wochen, die erste Woche in dritter, die beiden letzten Wochen in vierter Abstufung der Hoftrauerordnung angeordnet worden.
Stuttgart, 17. Sept. Neue Poftbriefkästen sind in nächster Zeit für Württemberg nach der Einführung gemeinsamer Postwertzeichen nach Preußischem System zu erwarten. Es ist jedoch fraglich, ob die alten Kästen nicht eine zweckmäßige Aenderung erfahren, oder ob vollständig neue Briefeinwurfkästen angefertigt werden müssen.
Tübingen, 22. Septbr. Das Schwurgericht verhandelte heute als zweiten Fall gegen den Säger Wilh. Fr. Ruff vom Holzbachthal wegen Brandstiftung. Der Eigentümer der Holzbachsägmühle, Sonnenwirt Renschler in Conweiler, schickte am Morgen des 15. Juli d. I. die Zimmerleute Ehr. Grimm und Jak. Frey in die Holzbach, um die baufällige Sägmühle abzubrechen. Die beiden Leute fanden bei ihrer Ankunft die Sägmühle total niedergebrannt. Als Urheber des Brandes, durch den ein Schaden von 12 000 -/L entstand wurde nach kurzer Zeit der Bruder des kurze Zeit vorher nach Neusatz verzogenen Obersägers Gottlob Ruff, der 1869 in Lehensägmühle, Gemeinde Wildbad, geborene ledige.Säger Wilhelm Fr. Ruff ermittelt. Er gab heute vor dem Schwurgericht folgendes an: Drei Wochen lang sei ihm schon der Gedanke im Kopf gesteckt, daß er die Sägmühle anzünden wolle. Das Abbrechen und Reparieren der Mühle hätte große Umstände gemacht, weil alles „liederlich und alt" gewesen sei. Da habe er gedacht: „Was braucht man die alte Mühle abzubrechen, ich zünde sie lieber an". Er hätte sie vielleicht schon früher angezündet, wenn sein Bruder Gottlob mit seinen Fahrnissen versichert gewesen wäre, allein er habe daran gedacht, daß demselben der Brandschaden nicht vergütet werde. Deshalb habe er mit dem Anzünden gewartet, bis sein Bruder ausgezogen gewesen sei. Am Montag den 14. Juli sei er in Neuenbürg gewesen und dort abends 8 Uhr fortgegangen, um seinen Plan auszuführen. Um 10 Uhr sei er bei der Mühle angekommen und habe sofort Anstalt gemacht, anzuzünden. Er habe kleines Holz zusammengetragen, dann den Haufen angezündet und bald habe er lichterloh gebrannt. Es sei ihm eben darum zu thun gewesen, daß eine ganz neue Mühle und ein Wohnhaus erbaut werde und er dann leichter und bequemer in der neuen Mühle arbeiten könne. Es „rappele" ihm eben manchmal im Kopf. Der über den Geisteszustand des Angeklagten vernommene Sachverständige Professor Dr. Oesterlen gab an: die Intelligenz des Ruff sei eine sehr geringe. Der allgemeinen geistigen Schwäche entsprechend sei auch seine Willensthätigkeit geschwächt und seine Widerstandsfähigkeit gegen Antriebe auch zu Un- erlaubtem sei äußerst gering, zumal wenn diese Antriebe auf das wirkliche oder vermeinte eigene persönliche Interesse Bezug haben. Eine triebartige krankhafte Willenssteigerung bestehe aber bei Ruff nicht. Sein Geisteszustand stehe dem- jenigen eines Schwachsinnigen leichten Grades gleich. Ruff habe demnach die That nicht verübt in einem Zustand von Bewußtlosigkeit oder