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Im übrigen wird die friedliche Bedeutung der Erneuerung des Dreibundes auch in Frankreich nicht verkannt. Die dortigen Machthaber halten die Ruhe des Erdteils für genügend gesichert, um die Verwirklichung des Reform-Programms, soweit es sich um finanzielle Ersparnisse und um die Verkürzung der militärischen Dienstzeit handelt, ernstlich in Angriff zu nehmen. Daß der Dreibund ein friedliches Ziel verfolgt, weiß man auch in Rußland wo man vertrauensvolle Beziehungen zu Deutschland und Oesterreich-Ungarn unterhält. Den von dreibundfeindlicher Seite au den Besuch des Königs von Italien in Petersburg geknüpften Hoffnungen ist der Boden entzogen worden.
Die bekannte Kundgebung des Kaisers in Aachen mit ihren für den Papst und den Vatikan so entgegenkommend klingenden Auslassungen beschäftigt unsere Tagespresse noch immer lebhaft, besonders da inzwischen der Generaloberst v. Los in Bonn seine auf die Aachener Kaiserrede direkt Bezug nehmende Ansprache gehalten hat. Auch die kaiserliche Entschließung betreffs der Verlegung eines Husaren- regiments nach Krefeld hat eine lange Tages- discusston hervorgerufen, in der es nicht an absprechenden Kritiken dieser Maßnahme fehlt, die darauf fußen, daß die Verlegung eines Reiterregiments nach Krefeld von dem Monarchen direkt unter Umgehung der beteiligten amtlichen Stellen anbefohlen worden sei. Indessen ist jetzt festgestellt, daß die Verlegung der zur Zeit in Düsseldorf garnisonierenden Husaren nach Krefeld schon vor drei Monaten beschlossene Sache gewesen sei, man kann also diese Affaire nun wohl auf sich beruhen lassen. — Die Preuß. Kanalvorlage soll nun doch aus der parlamentarischen Rumpelkammer wieder hervorgeholt werden, es verlautet bestimmt, sie würde in neuer Fassung dem Landtage in seiner nächsten Session zum dritten Male zugehen.
Während der Kaiser mit dem Prinzen Heinrich, dem Großherzog von Sachs en- Weimar und dem Grafen v. Bülow dem in Borby von. Mitgliedern des Kaiserlichen Nacht- Klubs in Kiel und den Besitzern der zahlreichen in der Eckernförder Bucht ankernden Dachten veranstalteten Herrenabend beiwohnte, wurde der Kaiser durch den Besuch des Großfürsten. Thronfolgers von Rußland überrascht, der an Bord der Kaiseryacht „Zaritza" auf der Rede vor Anker gegangen war. Der Kaiser entsandte sofort den Prinzen Heinrich zur Begrüßung des hohen Gastes, der, gefolgt von den Herren seiner Umgebung, bald darauf im Klubhaus erschien.
Aufsehen erregt der Konflikt zwischen der baycr. Regierung und den Würzburger Universitätsbehörden, welcher darin wurzelt, daß der Geschichtsprofessor Chroust trotz des Einspruches des Senats der Universität Würzburg zum ordentlichen Professor an letzterer befördert werden soll. Der Kultusminister Dr. v. Landmanu hatte dann dies Verhalten der Würzburger akademischen Behörden in der Abgeordnetenkammer in einer für dieselben verletzenden Weise kritisiert, was den Rektor und die meisten Mitglieder des Senats der Universität Würzburg nunmehr bewogen hat, ihre akademischen Aemter niederzulegen. Die Senate der Universitäten München und Erlangen beabsich- tigen mit dem Würzburger Senat sich solidarisch zu erklären, wenn diesem keine Genugthuung von der Regierung gegeben wird. Wie dieser eigentümliche Konflikt enden wird, bleibt abzuwarten.
In der Mittwochssitzung der bayerischen Abgeordnetenkammer wies Ministerpräsident Graf Crailsheim gelegentlich der Beratung des Eisenbahnetats auf die vortrefflichen Beziehungen Bayerns zur preußischen Staatsbahnverwaltung hin und widmete dem zurückgetretenen Eisenbahnminister v. Thielen warme Worte der Anerkennung für seine Bayern gegenüber stets bekundeten freundschaftlichen Gesinnungen.
Bund der LersicherungS-Bertreter. Iw Mai
vorigen Jahres Hai sich unter obigem Namen in Berlin ein Verein gegründet, dessen Aufgabe es sein soll, alle ehrenhaften Versicherungs-Vertreter, gleichviel welchem Spezialfach sie angehören, zu einem Bunde zusammen zu schließen, um so die Bcrufsinteressen besser wahren
und kördern zu tonnen. Die Thatsache, daß dem Bunde trotz der kurzen Zeit seines Bestehens bereits an 960 Mitglieder beigetreten sind, dürfte der beste Bweis für die zwingende Notwendigkeit der Vereinigung sein und das wohlwollende Interesse, welches alle Gesellschaften und die gesamte Fachpresse dem Bunde enlgegen bringen, lassen mit Sicherheit auf eine weitere gedeihliche Entwickelung schließen. Bei der enormen Bedeutung des Versicherungswesens für das deutsche Volk, kann der Zusammenschluß aller ehrenhaften Assecuranz-Vertrcter auch im Interesse des Publikums nur die besten Erfolge zeitigen. Der Jahresbe'irag beträgt nur 4 ^ Das Bureau des Bundes befindet sich Berlin >V. Jägerstraße 18. Der engere Vorstand besteht aus folgenden Herren: Heinr. Peters, Gen.- Bevollm. der Karlsruher Lebens-Vers. I. Vorsitzender K. W. Schneider, Gen.-Bevollm. der Schweiz.-Ilns.- Ges. Winterthur II. Vorsitzender, Paul Gerstel, Gen.- Agent der Pr. National Feuer-Vers. I. Schriftführer. Jobs. Pöllnitz, Gen.-Ngeni der Rhenania-Unsall-Vers. Schatzmeister.
Württemberg.
Die Gebührenordnung'für die Gemeindegerichte wird durch eine Kgl. Verordnung geregelt. Hienach werden vom I. Juli ab an Gerichtsgebühren für die Erledigung eines Rechtsstreites durch Entscheidung bei einem Streitgegenstand im Werte bis 30 einschließlich l -/tü, und von mehr als 30 ^ bis 50 einschließlich 2 erhoben. Die Schreibgebühren werden für Ausfertigungen und Abschriften erhoben. Die Schreibgebühr beträgt für die Seite, welche mindestens zwanzig Zeilen von durchschnittlich zwölf Silben enthält, 10 Pfennig.
Stuttgart. Den Beratungen des württ. Handelskammertags vom September 1901 über die Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens lag eine Denkschrift zu Grunde, welche die Gründe für den Anschluß Württembergs an die preußisch-hessiche Eisenbahngemeinschast kurz skizierte. Einem Beschluß des Handelskammertags entsprechend sind nun diese Gründe von dem Sekretär der Stuttgarter Handelskammer, Professor Dr. Huber, weiter ausgearbeitet worden und liegen in Form einer stattlichen Broschüre unter obigem Titel vor. (Verlag von Karl Grüninger sKlett und Hartmanns Stuttgart.) Man wird in nächster Zeit noch öfter auf die Schrift zurückzugreifen haben. Ihr Ziel ist, dafür zu sorgen, daß, wenn einmal die Stunde der Gemeinschaft gekommen, es nicht wie 1896 geschehe, daß die unklare Voreingenommenheit der Massen und die kurzsichtige Gleichgültigkeit der nächstbeteiligten Kreise, daß Mißverständnisse und Parteischlagworte dem unvermeidlichen Austrag der Angelegenheit den Weg versperren.
Freudenstadt, 1. Juli. Die Geistlichen der Diözese versammelten sich gestern hier in der „Post" zu einer Abschiedsfeier für ihren Kollegen, Pfarrer Bertsch von Oberiflingen, der nun nach 9jähriger Thätigkeit auf seiner jetzigen Stelle — die als Doppelpfarrei Oberiflingen- Schopfloch besonders im Winter sehr hohe Anforderungen an die Kraft und Gesundheit ihres Inhabers stellt — nach Calmbach verziehen wird. Der Diözesanvereinsvorstand, Stadtpfarrer Pfahler, drückte im Namen der Kollegen dem scheidenden Freund die Gefühle der Freundschaft, Anhänglichkeit und Liebe in herzlicher Weise aus. Danu folgte noch eine Reihe von weiteren Ansprachen, in denen der Scheidende, seine Gattin und Familie in Prosa und Poesie, in Scherz und Ernst gefeiert und manche Erinnerungen aus den gemeinsam verlebten und nun so rasch dahingeflossenen Jahren erneuert wurden. Pfarrer Bertsch hat auch in seinen beiden Gemeinden viel Liebe und Anhänglichkeit sich erworben, und es ist vielen in denselben recht schmerzlich, daß er von ihnen zieht, wie auch die Kollegen sein Fortgehen sehr bedauern. Seit einer Reihe von Jahren hat er das Amt eines „Diözesankäm- merers" innegehabt und als solcher sich oft als sachverständiger Mann in allerlei praktischen Fragen, betr. Haus und Wohnung. Garten und Felder rc. bewährt und seinen Kollegen gedient mit gutem Rat und freundlicher That. (S. M.)
Freudenstadt, 4. Juli. Hohen Besuch hatte heute unsere bald mitten in der Hochsaison stehende Stadt und die seit Mitte November v. I. in Betrieb befindliche Murgbahn, zu deren nachträglicher Besichtigung gelegentlich des all- lährlichen Ausfluges die Generaldirektion die
Landstände eingeladen hatte. In Klosterreichen, bach, der Endstation der Murgbahn, trafen die 72 Teilnehmer, unter denen wir u. a. die Mi. nister von Breitling, von Soden und von Weizsäcker bemerkten, gegen 10 Uhr ein und verweilten dort bis gegen 11.40 Uhr vormittags um welche Zeit die Rückfahrt nach Freudenstadt j erfolgte. Nach der Besichtigung der Kloster- ' kirche in Klosterreichenbach wurde in dem Gasthof zur Sonne ein Frühstück eingenommen. Nach der Ankunft in Freudenstadt, dessen Häuser zum größten Teil festlich geschmückt waren, wurde die Stadt angesehen, der cv. Stadtkirche ein Besuch gemacht und dann versammelte man sich zu gemeinschaftlichem Mittagessen in dem Saale des Kurhauses Waldeck. Das Festessen, wäh- rend dessen die städtische Kapelle im Freien konzertierte, war durch eine ganze Reihe von Toasten ausgefüllt; als erster feierte Ministerpräsident von Breitling den Landcsvater als leuchtendes Vorbild treuester Pflichterfüllung, Minister des Auswärtigen, Frdr. v. Soden, dankte namens der Eisenbahnvcrwaltung für die zahlreiche Beteiligung. Graf von Rechberg- Rothenlöwen, Präsident der ersten Kammer, gedachte des vielseitig in Anspruch angenommenen Ministers des Verkehrswesens; Präsident der zweiten Kammer, Payer, toastete auf die Generaldirektion, die zwar den Ständen in den letzten Jahrzehnten über den Kopf gewachsen sei, aber sich doch noch des vollen Vertrauens derselben erfreuen dürfe. Staatsrat v. Balz dankte auf die launigen ! Worte des Vorredners und sprach die Hoffnung aus, ; daß auch in Zukunft das einmütige Vertrauen zwischen Ständen, Regierung und Generaldirektion ! fortbestehen möge. Konrad Haußmann sprach den beiden Kammerpräsidenten den Dank der , Anwesenden aus, daß sie die Standesmitglieder i aus der Hitze der Großstadt in die Gotteslust ! auf dem Schwarzwald geführt hätten, und bat den bei dem Essen anwesenden Stadtvorstand Hartranft von Freudenstadt, der Bürgerschaft ! gegenüber der Dolmetscher der Dankesgefühle ! für die Schmückung der Stadt zu sein. Nachdem Abg.Schön-Reutlingen das schöne Schwabenland besungen, ergriff noch Stadtschulthciß Hartranft das Wort, um den hohen Ständen Dank zu sagen für den heutigen Besuch, der für den Schwarzwald eine hohe Ehre und Auszeichnung gewesen sei. Al« Festangebinde bei der heute nachträglich vollzogenen Tauffeier der Murgbahn wünsche er für die mit 6°/, rentierende Bahnstrecke eine Ermäßigung der Zahnradgebühr. Bis ! zum Abgang des Zuges wurden zum Teil Wagenfahrten nach Kniebis, Rippoldsau oder kleinere > Fußtouren und Spaziergänge durch die Stadt gemacht. Wie man hören konnte, hat die mächtige Entwicklung der Stadt Freudenstadt mit den schönen Anlagen und großen Etablissements, die in den letzten Jahren allerorts entstanden sind, auf die hohen Besucher den besten Eindruck gemacht.
Weinsberg, 1. Juli. Der hiesige Frauenverein, gegründet im Jahre 1824 von Justünus Kerner zur Erhaltung unserer rühmlichst bekannten Burg Weibertreu, trat gestern mittag auf Veranlassung des hochbetagten Dichtersohns Hofrat Dr. Theobold Keruer nach längerer Pause im ^ Traubensaale wieder zusammen, um darüber zu ! beraten, wie dem drohenden Verfall des Burz- > gemäuers begegnet, überhaupt der ferneren Erhaltung des herrlichen Kleinods zweckmäßig gedient werden könne. Als Nachfolger im Vorsitz empfahl Hofrat Dr. Kerner den Herrn Privatier Erwin . Hildt dahier, dessen Haus seit nahezu 100 Jahren > dem Kernerhaus stets nahe stand. Die Ver- ! sammlung erklärte sich damit einverstanden und ! wählte nach längeren Erörterungen des neuen ! Vorsitzenden über die Geschichte, Zwecke und Ziele des Vereins einen aus 6 Frauen bestehenden Ausschuß, der sich in Verbindung mit den Frauen Weinsbergs die Aufgabe stellt, im Sinne des Dichters und seines greisen Sohnes zu wirken. Dem Verein stehen ca. 2000 ^ angesammelte Mittel zur Verfügung. ;
Heilbronn, 4. Juli. Ein 17 jähriger Bäcker- ; lehrlmg, der vom Baden zurückkehrte, bekam von seinem Meister ein Glas Bier vorgesetzt, wurde aber vom Schlag gerührt und war sofort tot.
Fortsetzung in der Beilage.
Redaktion. Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.