vom militärischen Standpunkt aus deren Annahme dringend befürwortete. Vor etwa 1'fl Jahren schied General Budde aus der Preußischen Armee, um die Geschäfte des Generaldirektors der deut­schen Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin zu übernehmen. Finanziell bringt er durch die Annahme des Ministerpostens ein großes Opfer; denn seine Privatstellung war glänzend dotiert.

Württemberg.

Stuttgart, 25. Juni. Heute begann in der Kammer der Abgeordneten die Be­ratung der Steuerreform und zwar zunächst die Beratung der Einkommensteuer. Der Bericht­erstatter Gröber hatte hiezu einen außerordent­lich umfangreichen und erschöpfenden gedruckten Bericht vorgelegt, so daß er sich in der Haupt­sache auf denselben beziehen konnte und nur weniges zu den einzelnen Artikeln vorzutragen hatte. So war es denn auch möglich, nachdem der Berichterstatter und der Finanzminister einige einleitende Bemerkungen vorausgeschickt hatten, 17 Artikel in raschem Tempo großenteils ohne jegliche Debatte zu erledigen. Ein Antrag des Frhrn. v. Palm, nicht nur die staat­lichen Ertragssteuern, sondern auch diejenigen, welche für die Gemeinden und Amtskörperschaften zu entrichten sind, für abzugsfähig zu erklären, wurde abgelehnt, da dieser Antrag einen Ausfall von mehr als 300000 gebracht und sehr ungleich gewirkt hätte. Bei der Besteuerung des Einkommens der Ehefrau und der Kinder, wel­ches nach den Beschlüssen der Kommission mit dem des Ehemanns zusammengeworfen und als Gesamteinkommen versteuert werden soll, be­mängelte Keil, daß für die Arbeiterfrauen, welche in die Fabrik gehen müssen, hievon keine Aus­nahme gemacht sei. Er stellte aber, da seine Ausführungen von verschiedenen Seiten lebhaft bekämpft wurden, keinen Antrag. Bei diesem Anlaß kam es zum Teil zu scharfen Ausein­andersetzungen zwischen Gröber und Keil. Der Antrag Kraut, das steuerbare Einkommen der Versicherungs-Gesellschaften auf Gegenseitigkeit nur zu flz der Einkommensteuer zu unterstellen, wurde angenommen und sodann die Beratung abgebrochen und ihre Fortsetzung auf morgen vertagt. Morgen beginnt zunächst die Beratung des Tarifs.

Stuttgart, 26. Juni. In einem merk­würdig raschen Tempo wird Artikel um Artikel des Einkommensteuergesetzes erledigt. Zwar entspann sich eine längere Debatte über den Steuertarif und die Frage des Existenzminimums, wobei namentlich der Finanzminister, Frhr. von Ow und Kraut den Maximalsteuersatz von 6° o bei Einkommen über 200000 zu hoch fanden, während Betz, Binz und Keil das Existenz- Minimum von 500 ^ für unzureichend hielten und für ein solches von 650 eintraten. Ein diesbezüglicher Antrag wurde jedoch abgelehnt und die Kommissionsanträge angenommen. In rascher Folge wurden sodann die Artikel bis einschl. Art. 38 entsprechend den Beschlüssen der Kom­mission, meist ohne jede Debatte angenommen. Nur die Beratung über den Art. 19 (Vudgetrecht) wurde bis morgen ausgesetzt. Die Kommission wird hierüber einen mündlichen Bericht durch ihren Berichterstatter Gröber vortragen lassen. Unter den heute angenommenen Artikeln befindet sich auch der sogenannte Familien- und Kinder­paragraph, der in den untersten Steuerstufen steuerliche Erleichterungen für verheiratete Steuer­pflichtige, namentlich für solche mit zahlreichen Kindern, vorsieht.

Die bisherige BezeichnungUnterbedienstete" für das niedere Personal der Eisenbahn- und Postverwaltung ist in die BezeichnungUnter­beamte" umgeändert worden. Die Aenderung entspricht einem Wunsch des Verbands der württ. Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsbediensteten, der anläßlich der letzten Etatsberatung im Landtag geltend gemacht und dessen Erfüllung vom Mi­nister v. Soden zugesagt wurde.

Das Gesamtkollegium der Zentralstelle für die Landwirtschaft hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, beim Ministerium des Innern Une Erhöhung der staatlichen Beiträge zur Förderung der Rindviehzucht und des Mol­kereiwesens von 100000 -/E auf 140000 ^

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und des Staatsbeitrags zur Förderung des Weinbaus von 6000 auf 10000 ^ zu beantragen. Gleichzeitig soll die Regierung er­sucht werden, die bisherige Etatposition für Förderung des Handelsgewächsbaus auf Grund des thatsächlichen Aufwands pro 1901 in Höhe von 3701 ^ zu verdoppeln. Der Mehraufwand für die Rindviehzucht wird mit der Fortführung der Errichtung von Jungvieh­weiden, deren Württemberg jetzt 19 besitzt, be­gründet. Es wird darauf hingewiesen, daß die anderen süddeutschen Staaten erheblich größere Aufwendungen zur Förderung der Rindviehzucht machen, als Württemberg, so find im Etat von Hessen für die gleichen Zwecke 153 000 von Baden 357 480 und von Bayern 625000 ^ eingestellt.

Tübingen, 24. Juni. Unter dem Vorsitz des Landgerichtsrats Dr. Kap ff nahmen die Sitzungen des 2. Quartals heute ihren Anfang. Die Tagesordnung umfaßt bis jetzt 9 Fälle. Als 1. Gegenstand kam zur Verhandlung die Strafsache gegen den 39 Jahre alten verheirateten Malermeister Johann Georg Werner von Bleich­stetten, O.A. Urach, wohnhaft in Münsingen, wegen eines Verbrechens der vorsätzlichen Brand­stiftung. Dem Angeklagten war zur Last gelegt, er habe in der Nacht vom 27. zum 28. März d. I. das Anwesen der Witwe Schill in Bleich­stetten vorsätzlich in Brand gesetzt und dadurch bewirkt, daß das ganze Gebäude ein Raub der Flammen wurde. Den Geschworenen wurde eine Hauptfrage zur Entscheidung vorgelegt, dieselbe lautete auf vorsätzliche Inbrandsetzung des der Witwe Schill gehörenden Schuppens und in der Folge des derselben gehörigen Wohn- und Oekonomiegebäudes. Anschließlich folgte die Frage nach dem Vorhandensein mildernder Um­stände. Die Geschworenen sprachen ihn eines Verbrechens der Brandstiftung (des Schuppens) schuldig unter Verneinung der mildernden Um­stände, worauf der Gerichtshof den Angeklagten neben dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 6 Jahren zu der Zuchthaus­strafe von 6 Jahren verurteilte.

Ulm, 25. Juni. Der wegen verschiedener Vergehen des Bankerotts der Urkundenfälschung und des Betrugs angeklagte frühere Bankier Dompert aus Göppingen wurde heute von der hiesigen Strafkammer zu 4 Jahren Gefängnis und zu 5 Jahren Ehrverlust verurteilt. Der Staatsanwalt hatte 5 Jahre Zuchthaus beantragt.

Tuttlingen, 23. Juni. Daß das Offen­stehenlassen von Kellerfallthüren sehr unangenehme Dinge im Gefolge haben kann, zeigt ein hier vorgekommener und bei der Strafkammer Rott­weil verhandelter Fall. Am 17. November v. Js. stürzte der Instrumentenmacher Bai sch im Re­staurantBarbarossa" hier im Wirtschaftszimmer durch die offenstehende Kellerthüre hinunter in den Keller, wovon Baisch Verletzungen davon trug und einige Zeit arbeitsunfähig war. Die Strafkammer verurteilte nun den Wirt zu 60 die zu jener Zeit bedienende Kellnerin zu 20 ^ Geldstrafe, hiezu kommen noch die Entschädigungs­ansprüche des Verletzten.

Ausland.

Zur Einschränkung des Duell-Unwesens ist in Oesterreich-Ungarn eine Verfügung des Kaisers Franz Joseph ergangen, die vom Kriegs­minister Freiherrn v. Krieghammer der österreich­ischen Delegation mitgeteilt worden ist. Bemerkens­wert ist darin die Bestimmung, daß Offizieren, die sich Beschimpfungen, Schmähungen Thätlichkeiten zu Schulden kommen lassen, die Satisfaktions- Fähigkeit abgesprochen werden soll. Die Verordnung bezeichnet es als eine der vornehmsten Pflichten eines jeden Truppen-Kommandanten, den militär­ischen Geist sowie die ritterliche Denk- und Handels­weise des ihm anvertrauten Offizierkorps zu pflegen, die Auffassung des Ehrbegriffs zu läutern und ein reges Ehrgefühl zu entwickeln.

Genua, 25. Juni. An Bord des mit 700 Passagieren von Buenos-Ayres kommenden Dampfers Duca de Galliera sind zwei pestver­dächtige Fälle konstatiert worden. Das Schiff liegt in Quarantäne.

Paris, 24. Juni. Infolge des günstigen Ergebnisses, welches ein vor 3 Jahren vom

Generalgouverneur vonJndochina unternommener Versuch hatte, beschloß der Kriegsminister, auf Grund des Gesetzes betreffend die Kolonial­truppen in Jndochina ein aus Eingeborenen be­stehendes Bataillon chinesischer Schützen zu er­richten. Das Bataillon wird vorläufig aus zwei Compagnien bestehen.

London, 25. Juni. Bulletin von 6',- Uhr abends. Der König verbrachte den Tag ziemlich gut. Im allgemeinen halten die Kräfte in er- freulicher Weise an; auch sind keine Symptome vorhanden, die zu besonderer Beunruhigung An­laß geben.

London, 25. Juni. Bestürzung und Be­klommenheit liegt seit gestern nachmittag über der ganzen Hauptstadt. Obschon die ärztlichen Berichte über den Verlaus der Operation und das bisherige Befinden des Monarchen so günstig lauten, wie unter den obwaltenden Umständen nur erwartet werden konnte, verhehlt sich doch niemand die großen Gefahren jeder Blinddarm- Operation, die in diesem Falle durch das Alter des Königs und angeblich auch durch ein schon älteres Nierenleiden vermehrt werde. Wohj hat der König bisher bei allen Gelegenheiten eine ganz ungewöhnliche Lebenskraft bewährt, allein die Angabe des Krankheitsberichtes über die vorgenommene Entleerung eines größeren Ge­schwürs regt vielfach wieder die alten, oft mit großer Autorität bestrittenen und ebenso oft wieder aufgetauchten Krebsgerüchte an. Im Umkreise des Hofes verlautet, daß am Samstag vor 8 Tagen, als nach der verregneten Alders- hoter Parade der König einen schweren äußerst schmerzhaften Anfall gehabt hatte, die noch nachts entbotenen Aerzte zu einer sofortigen Operation schreiten wollten , der König aber erklärt habe: Nach der Krönung alles was Sie wollen und sobald sie es wollen. Vorher aber keine Oper­ation!" Auch erzählt man in der höheren Ge­sellschaft wieder das angebliche Wort einer alten Zigeunerin, daß der König bis an die Krönung, aber nicht dazu kommen werde, was in den letzten anderthalb Jahren in Augenblicken ge­drückter Stimmung manchmal das Herz des Königs beklemmt habe. Die in den Straßen gestern nachmittag wogenden Menschenmasfen waren sichtlich unter dem Einfluß der unerwarteten niederschmetternden Kunde; die etwas lärmend fröhliche Feststimmuug der letzten Tage war sofort geschwunden und hatte einer gedrückten Stille Platz gemacht. Ein großer Menschenstrom drängte fortwährend nach dem Schlosse zu, wo viele Tausende in einer lautlosen, nur durch Flüstern unterbrochenen Stille anhaltend auf Nachrichten harrten. Als das Thronfolgerpaar nach 5 Uhr aus dem Schlosse kam und durch den Greenpark und den Hydepark fuhr, anscheinend um bei den fremden Fürstlich­keiten Besuche zu machen, wurde die Miene der Prinzessin sorgfältig studiert und als ein günstiges Zeichen der Lage gedeutet. Das Prinzenpaar erntete allgemeine stille, aber ungewöhnlich herz­liche Grüße von der im Hydepark dicht gedrängten Menge und aus der eleganten Gesellschaft, die in Wagen oder auf langen Stuhlreiheu saß oder sich zu Fuß erging. Zahlreiche Hofwagen mit fremden Prinzen und indischen Fürsten fuhren umher. Alle Welt sprach nur von dem tragi­schen Ereignisse, das so Plötzlich dem Krönungs­jubel ein Ende bereitet hat. Daß im günstigsten Falle der König nicht vor zwei Monaten wieder hergestellt, daher an eine Krönung unter den besten Verhältnissen erst im Oktober zu denken sei, galt als feststehend. Hoch und niedrig war voll Mitgefühl für den bekanntlich in allen Kreisen herzlich beliebten Herrscher und die königliche Familie und niedergeschlagen wie über ein schmerzliches Ereignis in der eigenen Familie. Auch in den Artikeln der Blätter findet diese Stimmung einen bewegten und würdigen Wider­hall. Die fremden Fürstlichkeiten beginnen be­reits abzureisen und dürften, die Indier ausge­nommen, am Ende dieser Woche London sämtlich verlassen haben.

London, 25. Juni. Prinz Heinrich von Preußen reist vorläufig noch nicht ab, da der König den Wunsch ausgesprochen hat, daß alle seine nächsten Verwandten bis auf weiteres hier bleiben.