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könne, sie müsse aber noch etwas daran rücken; sie solle ihr, jetzt alles Geld, das sie im Hause habe, geben, dann werde schon am andern Tag alles Geld, auch das frühere, wieder zurückkommen; thue sie dies aber nicht, dann komme sie oder die Zigeunerin ins Zuchthaus. Die Feige! gab der Zigeunerin hierauf 10 worauf sich dieselbe entfernte. Nach ihrem Weggang bemerkte die Feigel, daß ihr die Zigeunerin außerdem ein 20 -/6-Stück gestohlen habe. Sofort angestellte Nachforschungen führten zur Verhaftung der Angeklagten. Sie leugnete die Thal und machte geltend, sie sei nur einmal bei der Feigel gewesen und habe bei ihr nach Mich gefragt; sonst sei nichts vorgekommen. Zeugen bekundeten, daß sie die Angeklagte am Georgiimarkt d. I. zweimal in das Feigelsche Haus habe gehen sehen, auch bemerkt haben, daß andere Zigeunerinnen ihr das Feigelsche Haus gezeigt haben. Bezüglich des Vorfalls vor 4 Jahren blieb die 70jährige Zeugin nicht mehr standhaft, der Gerichtshof erkannte deshalb gegen die Angeklagte wegen eines Betrugsdelikts auf 6 Wochen Gefängnis, wegen der andern Anklagepunkte aber auf Freisprechung.
HlnterHaltender Teil.
Um einen Widder.
Novelle von Karl Bienenstein.
9 ^Nachdruck verboten.)
Atemlos hatten alle zugehört. Der Hosbauer stand starr wie eine Bildsäule, nur in seinen Augen glühte eine namenlose Wut.
„Und ist das alles wahr?" stieß er hervor.
„Kann ich lügen, wenn ich selber dabei gewesen bin, oder ist 's vielleicht nicht möglich?" fragte Toni.
„Du Toni" sagte der Bauer nun mit Ernst, „die da alle haben 's gehört, die sind Zeugen. Wenn 's nicht wahr ist, geht alles an Dir aus!"
„Ich weiß, Bauer, und ich hält' es auch sonst nicht gesagt aber da- — das muß der Hofstetter zahlen und teuer, teuer!"
Er löste bei diesen Worten die Binde von der Stirn und zeigte aus die Wunde, die vom frischen Blut klebte. Dann ietzte er hinzu: „Der Hosstelter glaubt, daß die Knechte dazu da sind, daß man sie zu Schlechtigkeiten braucht und zuletzt noch schlägt. Das wöcht ich chm zeigen!"
„Ist recht," entschied der Hofbauer, „Du bleibst heut' bei uns und morgen fährst mit zum Gericht. — Wart, Hofstetter, jetzt kommt zahlender Tag!"
Toni war einverstanden und blieb. Er legte sich nach dem Essen im Schatten der Obstbäume nieder und schlief bis gegen Abend.-
Als der Hofstetter mit seinen Schnittern zum Mittagessen nach Hause kam, ließ er durch sein Weib den Toni zum Essen holen. Er war der festen Ueber- zeugung, daß der Knecht nur gedroht habe und im Schatten irgendwo seinen Rausch ausschlase.
Er erschrak nun doch ein wenig, als Toni nirgends zu finden war. Auch sein eigenes Nachsuchen blieb erfolglos; der Knecht war fort.
Was sollte er nun thun? Leugnen konnte er nicht was geschehen war, denn der Toni, der Schlaukops, der würde ihn sicher dahin bringen, daß er sich ver- schnappte. Er sann hin und her und kam immer wieder darauf, daß es doch das Beste sei, wenn er selbst zum Hofbauern hinüberginge, um sich mit ihm auseinander zu setzen. Auch die Hosstetterin war dafür wie immer, wenn ihr Mann etwas wollte.
Gegen Abend machte sich also der Hofstetter auf. Er war voll der frohesten Hoffnungen; schon das Gefühl, die drückende Gewissenlast für immer abwälzen zu können, stimmte ihn heiterer und zuversichtlicher. Er war überzeugt, daß der Hofbauer, der im Grunde doch immer ein gutherziger Mann war, die Hand zur Versöhnung reichen würde, wenn auch auf seine, des Hofstetters, Unkosten.
Je näher er aber dem Hosbauernhaus kam, desto mehr verläßt ihn seine Zuversicht; mit jedem Schritt stiegen neue Bedenken auf, ob sich doch die 2jährige Feindschaft aus so einfache Art beilegen ließe. Hatte es nicht unlängst dem Hofbauer, als er ihm begegnete, einen Ruck gegeben, als hätte sich eine giftige Schlange vor ihm aufgebäumt? Das ließ doch wahrlich nicht auf eine versöhnliche Stimmung schließen!
Der Hofstetter zitterte merklich, als er durch die geöffnete Hausthür beim Hofbauern eintrat. Ein siedheißer Strom lief ihm vom Nacken über den ganzen Körper. Er klopfte an die Stubenthür; aber es ließ sich kein „herein" hören. Nun trat er ein: Die Stube war leer.
Bald trat auch der Hofbauer ein
„Grüß Dich Gott, Hosbauer!" sagte der Hosstetter mutig und reichte jenem die Hand, der sie mit seiner leicht grüßend flüchtig berührte.
Der Hosstetter hatte erwartet, daß ihn der Hofbauer um sein Begehren fragen werde; da dieser es aber nicht that, sah er sich gezwungen, selbst wieder das Wort zu ergreifen.
„Du, Nachbar," sagte er, „ich Hab' mit Dir was zu reden, magst mir zuhören?"
„Warum denn nicht? war die kühle Antwort.
Beide setzten sich.
Der Hofstetter begann: „Weißt, es sind halt alte Geschichten, kann'st Dir's ohnehin denken, oder weißst Du's vielleicht so schon?" »
Er hoffte eine Antwort, die aber ausblieb. Er fuhr daher fort: „Es ist wegen Deines Schafwidders!"
Der Wahrheit gemäß erzählte er nun auch, wie alles gekommen war.
Er schilderte, wie der Toni frech und faul geworden sei, wie die Wirtschaft immer mehr zurückging, so daß sich die Schulden, mit denen er das Haus übernommen hatte, bedenklich vermehrt hatten, er malte dem Hofbauern das furchtbare Gefühl aus, das seither wie ein Alp auf seiner Brust lag.
„Siehst', Hosbauer," schloß er, „ich Hab' für das, was ich Dir angethan Hab'; viel, viel leiden müssen, daß Du mir verzeihen kannst. Dir ist's in dieser Zeit alleweil gut gegangen, mir nicht. Ich Hab büßen müssen."
Der Hofdauer saß regungslos da und schaute zu Boden. In die ihm dargebotene Rechte schlug er nicht ein.
Ein peinliches Schweigen herrschte in der dunklen Stube, in die nur ein' tiefes Abendrot mit einem schmalen Streifen hineinleuchtete. Von draußen kam das dumpfe Rollen eines schmerbeladenen Wagens.
„Hofbauer," Hub der Hosstetter wieder an, „seien wir gut. Ich verlang's nicht umsonst. Ich zahl Dir alles zurück, was Dich das Gericht dazumal gekostet hat, alles, bei einem Kreuzer, sogar noch mehr, wenn Du's verlangst."
Und wieder war cs für Augenblicke stille.
Dann stand der Hosbauer jäh auf und sagte kurz: „Weißt Du was, Hosstetter, wir machen's so, wie wir's vor zwei Jahren gemacht haben: Wir gleichen das Alles beim Gericht aus."
Auch der Hofstetter stand auf. „Hosbauer, Nachbar," ries er, „hast Du denn wirklich ein so hartes Herz!"
„Was Recht ist, ist recht!" lautete die kalte Entgegnung.
Der andere ließ aber mit dem Bitten nicht nach. Schau, ich bin herübergegangen, weil ich auf Dein gutes Herz vertraut Hab'. Glaubst Du, mir ist der Gang leicht angekommen?"
„Wärest Du auch herübergegangen, wenn Du nicht gewußt hättest, daß der Toni bei mir ist?" fragte der Hofbauer.
Darauf war der Hoistetter nicht gefaßt. Er gab auch keine Antwort darauf, sondern sprach bittend: „Hofbauer, denk' nach, was ich gelitten Hab'."
Dieser hatte aber schon bereits wieder eine andere Frage: „Wärst Du vielleicht auch zu mir gekommen, wenn's Dir gut gegangen wär?"
„Nachbar, sei kein Stein!" flehte der andere.
Und jener wieder: „Hosstetter, ich werde Dir was sagen, warum Du zu mir gekommen bist. „Weil Dir's schlecht geht, weil Du nicht mehr anders kannst. Jetzt denkst Du auf einmal dran, daß ich ein gutes Herz hält'. Vor zwei Jahren, da hast Du's nicht gewußt, hast es nicht einmal wissen mögen! Mein Herz ist aber derweil steinhart geworden, steinhart. Ich kann nichts dafür. Aber Du hast die Schuld, Hofstetter! Und Du hast die Schuld wenn's Dir vielleicht noch schlechter geht, als Dir's ohnehin schon gegangen ist."
Bebend stand der Hofstetter vor seinem Nachbarn in der finstern Stube; in seinen Augen brannte eine fieberhafte Glut, sein Herz hämmerte gegen die Rippen.
„Hofbauer" schrie er verzweiflungsvoll auf „ist das wirklich Dein letztes Wort?"
Dieser sprach ernst: „So hast Du schon einmal gekragt. Und weißt, wie wir dazumal auseinander-
gcgangen sind, weißt, was Du da gesagt hast?-
Du weißt es nicht mehr, aber ich Hab mir's gemerkt und gar gut! Du hast gesagt: — und auf demselben Platzl bist gestanden, wo Du jetzt stehst — Werden seh'n, wer Recht behält! Und heut sag ich so. Und das ist mein letztes Wort.
„Hofbauer!" schrie der Hosstetter aus tiefster, qual- durchwühlter Brust, während er in die Knie brach und die Hände bittend erhob.
„Ich Hab' geredet!" war die eisige Antwort.
Der Hofstetter erhob sich zittert am ganzen Körper und taumelte hinaus.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes
Aus derReichshauptstadt. Im großen Armeejagdrennen zu Hoppegarten wurde Oberst!, v. Heyden-Linden, der schneidige Kommandeur des Hanov. Königs-Ulanenregiments (Nr. 13) und Flügeladjutant des Kaisers, Sieger. Die Begeisterung des Publikums fand ihren Ausdruck in nicht enden wollendem Beifall. Hatte doch von Heyden-Linden im Jahre 1877, also genau vor 25 Jahren, zum erstenmale die Hoppegartener Armee gewonnen. Die Kaiserin überreichte dem Sieger den Preis, der Kaiser beglückwünschte ihn persönlich und verlieh ihm den Hohenzollernschen Hausorden. Im Laufe des Gesprächs stellte der Kaiser dann, wie ein Blatt wissen will, die Frage ob Frau v. Heyden-Linden den schönen Sieg ihres Gatten mit angesehen habe. Hw- v. Heyden erwiderte: „Majestät, ich fragte meine Frau, ob sie mit nach Berlin kommen wolle. Sie sagte das nur für den Fall zu, daß ich sicher gewänne. Das konnte ich ihr aber nicht versprechen und so ist sie in Hannover geblieben." Der Kaiser
lachte herzlich und erzählte ein scherzhaftes Erlebnis, das er selbst kurz zuvor gehabt hatte. Ein Herr sprach den Monarchen mit Exzellenz an worauf der Kaiser entgegnete: Exellenz war ich nie, ich bin gleich nach dem Generalmajor König geworden.
Exzellenz und König. Obige Notiz erinnert an ein ähnliches Vorkommnis, das vor Jahren bei der Hoftafel in Friedrichshafen vor sich ging. Ein höherer Beamter, der sich kurz vorher mit Exzellenz von Mittnacht unterhalten hatte, redete, von König Karl angesprochen, diesen mehrfach mit Exzellenz an; darauf sagte der König: „Sie erweisen mir eine ganz besondere Ehre, daß Sie mich immer als Exzellenz ansprechen: das Prädikat Exzellenz (leichte Verbeugung an den nebenstehenden Ministerpräsidenten v. Mitt- nacht) wird nur durch eigenes besonderes Verdienst erworben."
Paris, 20. Juni. Von einem neuen recht zeitgemäßen Hazardspiel berichtet die Pariser „Fronde", Organ der Frauenbewegung. Das aus Indien stammende Spiel „Barsat Ka Satta" besteht darin, daß man am Morgen eines Tages wettet, wie groß die Regenmenge sein wird, die im Laufe dieses Tages vom Himmel fallen wird. Auf den Terrassen der meisten Häuser befindet sich nämlich ein Wasserbehälter und nun handelt es sich darum, zu „tippen, bis zu welcher Höhe er am Abend gefüllt sein wird. Wie man sieht, gehört zu dem Spiele kein großer Apparat: nur ein Wasserbehälter und Regen nun, an dieser wertvollen Flüssigkeit leidet ja die Welt gegenwärtig nicht Mangel.
Paris, 20. Juni. Eine Halbweltlerin gab in den jüngst vergangenen vier Jahren bei einem berühmten Damenschneider 310 000 Franken aus. Nun prozessirt sie wegen einer Ueberforderung von 20000 Franken gegen besagten Schneider. Ihr Anwalt behauptet, man habe einmal für Annähen eines Knopfes hundert Franken auf die Rechnung gesetzt, und ähnliche Kleinigkeiten mehr. Eine Untersuchung ist im Gange.
(Ein Schlangendiner.) Die Eßbarkeit der Schlangen wurde bei einem Schlangendiner in Rochester in den Vereinigten Staaten bewiesen. Es wurde von einem dortigen Schlangenkenner gegeben. Zuerst wollte er zu dem Diner eine Klapperschlange auf verschiedene schmackhafte Arten bereiten, aber bei der Ausführung erwärmte er sich immer leidenschaftlicher für die Idee, sodaß schließlich folgendes Menu zustande kam: „Geschmorte Wasserschlangen, Oliven, Rettiche, Gurken. Gebratene Klapperschlange mit Buttersauce. Gekochte Tigerschlange mit Eiersauce. Kalter Truthahn, kalte Zunge. Gebratene Riesenschlange. Brötchen, belegte Butterbrote. Neue Kartoffeln, grüne Schoten, junge Zwiebeln. Hühnchensalat. Eiscreme. Phantasiekuchen, Champagner, Kaffee, Cigarren." Das Diner wurde zu Ehren des Professors Henry Davies aus Denver gegeben, der auch ein berühmter Freund der Klapperschlangen ist. An dem Festmahl nahmen achtzehn Gäste teil. Sie sollten die Schlangen in allen Formen kennen nnd würdigen lernen. Aber der Wirt hatte auch für andere Leckerbissen gesorgt. Als Tafelaufsatz diente ganz passend eine große Klapperschlange im Glaskäfig und ausgestopfte Reptilien in verschiedenen Stellungen waren statt der gewöhnlichen Blumen-Dekorationen hingestellt. Die Wände des Zimmers waren mit Schlangenhäuten, Klapperschlangen-Klappern und andern Kuriositäten bedeckt. Die Gäste waren ohne Ausnahme von dem Schlangenfleisch entzückt, und ihre Meinung war geteilt, ob es mehr dem Hühneroder Kalbfleisch im Geschmacke gleicht. Sollte dieses Schlangendiner nicht etwa eine neue Art der Servierung von — Seeschlangen sein, die einigermaßen in Mißkredit gekommen sind?
(Boshaft, j A. (bei seinem Freund, einem Schriftsteller, zu Besuch): „Warum schlugst Du denn Deinen Jungen vorhin?" — „Weil er in der Schule einen Tadel wegen Abschreibens bekommen hat." — A.: „Darum solltest Du den Jungen aber nicht schlagen, das arme Kind kann ja erblich belastet sein."
(Der Optimist.j Rekrut (nach Haus schreibend): „Der Herr Unteroffizier hat mich sehr gern, jeden Tag läßt er mich eine Stunde nachexerzieren."
Redaktion, Druck und Versag von C. Meeh in Neuenbürg.
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