Programm wie das Arrangement dieser Fest­lichkeit war in glänzendem Stile entworfen und durchgefiihrt. Die berufensten Redner der Stadt wurden als Sprecher und Dolmetscher der Ge­fühle der Bevölkerung aufgestellt; der Jnstru- mentalverein wie die Feuerwehrkapelle, die Ge­sangvereineFreundschaft" liehen ihre schätzens­werte Kräfte, um die Feier weihevoll zu ge­stalten. Den ersten Toast auf Kaiser und Reich brachte Landtagsabgeordneter Wittum dar und die eigentliche Festrede hielt Oberrealschul­direktor Müller. Gewaltiger Beifall bewies, wie sehr die sämtlichen Redner sich in die Herzen und aus den Herzen des Publikums zu sprechen verstanden hatten. Ein dramatisches kleines RestspielDie Huldigung für den Fürsten" ge­dichtet von Hoftheaterdirektor Hanke in Karls­ruhe und dargestellt vom hiesigen dramatischen VereinThalia", erregte durch seine geschmack­volle und glänzende Dekoration wie durch seine gewandte Aufführung allseitige Bewunderung.

Deutsches Meich.

Karlsruhe, 26. April. Am Samstag Morgen wartete eine festliche Menge am Bahn­hof und in der Karl-Friedrichstraße, um den Kaiser einfahren zu sehen. Die Gehwege und der Marktplatz waren dicht besetzt mit Menschen, darunter viele Landleute, die zum Jubiläum nach der Residenz gekommen waren. Die Fenster überall dicht besetzt. Auf der Freitreppe des Rathauses hatten die Gesangvereine der Stadt Aufstellung genommen. Fünf Minuten nach 10 Uhr fuhren der Kaiser und der Großherzog unter begeistertem Jubel der Bevölkerung in die Stadt ein und ohne Anhalten direkt zum Schloß. Der Erbgroßherzog saß mit dem Großfürsten Michael im 2. Wagen, in mehreren weiteren Wagen das hohe Gefolge. Um 10 Uhr mar­schierten die Männergesangvereine unter Voran­tritt der Böttgekapelle mit klingendem Spiel zum Schloß. Kurz nach 10 Uhr begann das Ständ­chen mit einem Vortrag der Grenadierkapelle, dann sangen die VereineDas ist der Tag des Herrn", dasBadnerland" und einige andere Stücke. Der Großherzog nahm inmitten der Fürstlichkeiten vom großen Balkon der Mittel­front die musikalische Huldigung entgegen; bei der Stelle im JüngstchorGrüß Gott, mein schönes Badnerland", winkte der Kaiser mit der Hand hinab zum lerugrünen Schloßplatz, den im weiten Rund die Menge der Zuschauer umsäumte. Zum Schluß brachte der Vorstand der Lieder­halle, Stadtrat Dr. Binz, ein Hoch auf den Großherzog aus, dem die vereinigten Männer­chöre den markigen Sängergruß folgen ließen. Dankend und grüßend winkte noch der Groß- herzog vom Balkon herab. Dann ging es unter klingendem Spiel zur Stadt zurück. Um 12 Uhr spielte sich alsdann auf dem Schloßplatz ein glänzendes militärisches Schauspiel ab: die Kaiserparade der Garnison Karlsruhe, zu der noch das Mannheimer Grenadierregiment des Kaisers beigezogen war. Zuerst kam vom Schloß her der Großherzog in großer Generalsuniform. General v. Bock und Polach forderte die Truppen Ms, als badische Landeskinder dem Landesfürsten ihre Treue, ihre Liebe und Verehrung zu be­kunden. Ein schneidiges, vieltausendstimmiges Hurrah folgte. Das wiederholte sich, als der den Marschallstab in der Hand, erschien. Lre Mannschaften Präsentierten, die Musikkorps !n und die Trommeln wirbelten. Den Mrmemarsch in Zügen nahmen der Kaiser und .^ffMerzog an der Schloßwache ab, während e lurstlichen Damen vom Balkon des Schlosses » Zujchauten. Der Kaiser war in sehr frischer, usgeraumter Stimmung und mit großer Freude allgemein bemerkt, mit welch herzlicher i levenswürdigkeit unser Kaiser Wilhelm und jer Großherzog Friedrich sich unterhielten.

verlieh dem Prinzen Max von ven wn Schwarzen Adlerorden. Im weiteren zerlaufe des Vormittags empfing der Groß- yerzoq den Prinzen Friedrich von Sachsen- Attimngen, die Offizierdeputationen des 14. b^A^Ps. Um 3 Uhr nachmittags begab sich mit dem Erbgroßherzog, von d-n, m ^ ^ Menge freudig begrüßt, nach

dem Bahnhof, um den König von Württem­

berg abzuholen. Der König traf präzis 3 Uhr 9 Minuten ein und fuhr alsdann im offenen Wagen, an der rechten Seite des Großherzogs sitzend, nach dem Schloß, freundlich dankend für die stürmischen Begrüßungen durch Hoch- und Hurrahrufe, die ihm und dem Jubilar gewidmet wurden. Nachmittags empfing der Großherzog den Generaladjutanten General der Kavallerie z. D. v. Bülow. Um 5 Uhr begann in der oberen Gallerte und den anstoßenden Räumen des Schlosses das Paradediner. Die Tafeln waren mit roten Nelken geziert. Die Musik spielte erlesene Weisen, zuerst einen Publikums- Weihe-Gruß unter Benützung 2er Lieblings­melodien des GroßherzogsHeut singt diejliebe Christenheit" undSeht er kommt mit Preis gekrönt". Der Kaiser, welcher die Uniform seines badischen Regiments und badische Orden trug, saß zwischen der Großherzogin und der Prinzessin Wilhelm, ihm gegenüber saß in Ge- ueralsuniform mit dem Band des Schwarzen Adlerordens der Großherzog zwischen dem Prin­zen Albrecht von Preußen und dem General v. Bock und Polach. Links von Prinzessin Wilhelm folgten Großfürst Wilhelm und weitere Fürstlichkeiten. An der Innenseite der Tafel saßen zunächst dem Großherzog der Reichskanzler, der General v. Bülow, Generaloberst v. Loö die Höfe, Gefolge, die Spitzen der Behörden, die Generalität, die Offiziersdeputationen, der Oberbürgermeister von Karlsruhe u. a. Im Laufe des Mahles erhob sich der Großhcrzog zu einem Trinkspruch, der mit einem Hoch auf den Kaiser schloß. Die Musik spielte:Heil Dir im Siegeskranz". Der Kaiser antwortete mit einer Rede, die in einem dreifachen Hurrah auf den Großherzog endete. Die Auffahrt zum Paradediner, und vorher die Ankunft des Königs von Württemberg, hielt ein tausendköpfiges Publikum in den Hauptstraßen und auf dem Kchloßplatz gefesselt trotz eines leichten Regens. Zahlreiche und mannigfaltige Nationaltrachten, besonders aus dem Oberland, waren bemerkbar. Im Stadtgarten war ein großes Festkonzert veranstaltet.

Karlsruhe, 26. April. Der König von Württemberg ist heute nachmittag kurz nach 3 Uhr hier eingetroffen und vom Großherzog und Erb­großherzog am Bahnhof empfangen worden.

Die neue Garnisonordnung, die kürzlich vom Kaiser erlassen worden ist, wird sicherlich an allen mit Militär belegten Orten lebhafte Befriedigung Hervorrufen. Die seiner Zeit stark angegriffenen Vorschriften wegen der Wachen mit Munition sind neu geregelt worden und geben dem Publikum einen viel größeren Schutz. Es ist vom Kaiser angeordnet worden, daß Posten in belebten Stadtteilen nur dann mit Patronen zu versehen sind, wenn besondere Verhältnisse dies ausnahmsweise bedingen. Bei Auswahl der Mannschaften für derartige Posten soll mit besonderer Sorgfalt Verfahren werden. Posten, die dauernd oder zeitweise mit Patronen ausgerüstet sind, müssen für den Gebrauch der Schußwaffe mit einer L>ondervorschrift versehen sein. Die mit Patronen ausgerüsteten Posten stehen mit ungeladenem Gewehr und laden erst dann, wenn nach Lage der Verhältnisse der Gebrauch der Schußwaffe in Frage kommt oder wenn ihre persönliche Sicherheit gefährdet ist. Der Garnison-Wachtdienst bleibt, wie dem Rh. Kur. geschrieben wird, nach wie vor in erster Linie Sache der Fußtruppen.

Greiz, 26. April. Der 18. außerordentliche Landtag unseres Fürstentums nahm in geheimer Sitzung das ärztliche Gutachten entgegen, wonach die dauernde Regierungsunfähigkeit des Fürsten Heinrich XXIV. festgestellt wird und erklärt sich mit der Einsetzung einer Regentschaft einver­standen, die Fürst Heinrich XIV. jüngere Linie angenommen hat. Fürst Heinrich XIV. jüngere Linie steht im 70. Lebensjahre. Aus seiner ersten Ehe mit der Herzogin Agnes von Würt­temberg sind zwei Kinder hervorgegangen, ein Sohn, Erbprinz Heinrich XXVII., der die älteste Tochter des kaiserlichen Statthalters in Elsaß- Lothringen, Fürsten Hohenlohe-Langenburg, ge­heiratet hat und eine Tochter, Prinzessin Elisabeth, die Witwe des 1900 verstorbenen Prinzen Her­mann zu Solms-Braunfels.

Berlin. Mit der Vernichtung der alten Postwertzeichen hatte man am 4. April be­gonnen. Die von den Postanstalten eingelieferten Postwertzeichen mußten zuerst nach ihrem Be­stand geprüft werden. Nach Beendigung dieses umfangreichen Geschäfts wurden sie in der Zentralheizung des Hauptpostgebäudes in der Spandauerstraße verbrannt. Mit der Abnahme und Vernichtung waren 810 Beamte vom Morgen bis zum Abend beschäftigt. Vernichtet wurden 455 Beutel mit einem Gesamtgewicht von 11 000 Der Gesamtwert der ver­

nichteten Wertzeichen betrug 3 752 000 ^ Es sind dies lediglich die im Berliner Bezirk von den Postanstalten nicht abgesetzten Wertzeichen der alten Ausgabe. Die umgetauschten Wert­zeichen, die schon in den Händen des Publikums gewesen sind, werden später vernichtet.

Das schnelle Wachsen des Hamburger Seeschiff-Verkehrs ist auch im laufenden Jahre in keiner Weise unterbrochen. Vom Januar bis zum März kamen in Hamburg 2640 See­schiffe mit 1,96 Millionen Netto-Registertons an, gegenüber derselben Zeit des Vorjahres 175 000,.gegenüber dem Verkehr vor 5 Jahren sogar 576 000 Tons mehr. Fast ebenso wuchsen Zahl und Tonnen Gehalt der von Hamburg abgehenden Fahrzeuge.

Straßburg, 21. April. Eine Warnung vor der Wahl des ärztlichen Berufes veröffentlicht dieCorresp. d. Verb. d. Aerzte Deutschlands." Die Ueberfüllung der Gelehrten Berufe bewegt sich in auf- und absteigenden Wellenlinien und auf einer Wellenhöhe hält sich augenblicklich und auf geraume Zeit hinaus der Andrang zum medizinischen Studium. Und dabei ist für den Bedarf nur allzu reichlich gesorgt. Es Praktizierten 1901 in Deutschland 28174 Aerzte, 800 mehr als im Vorjahre, von denen 6°/o staatlich beamtete, die übrigen 94 Proz. Privat­ärzte sind, von denen sicher feststeht, daß weit mehr als die Hälfte ein Einkommen unter 3000 versteuert. Das Studium dauert 6 */2 Jahre, meist länger und kostet etwa 12 000 Da bis zum Jahre 1906 jährlich 500 Aerzte sterben, dagegen von den Universitäten ein Zu­wachs von 1350 kommt, so nimmt die Zahl der Aerzte jährlich um 850 zu. Es kommen im deutschen Reiche auf 10 000 Einwohner 5,00 in Preußen 4,94, in Bayern 5,00, in Sachsen 5,04, in Württemberg 4,14, in Baden 6,03, in Hessen 0,24, in Mecklenburg-Schwerin 4,59, in Elsaß-Lothringen 4,59, in Hamburg 7,90, in Bremen 6,23, in Lübeck 7,34 Aerzte zahlen­mäßig ausgedrückt.

Württemberg.

Stuttgart, 26. April. Als Vertreter des Königs reist Herzog Albrecht mit einem General­adjutanten zu den Krönungsfeierlichkelten nach London.

Bei der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 wurden in Württemberg 21 Personen ermittelt, die das Alter von 95 Jahren über­schritten halten; 3 davon haben mittlerweile das 100. Lebensjahr zurückgelegt. Von den 21 Personen waren 17 weiblichen und nur 4 männ­lichen Geschlechts, eine Bestätigung der längst festgesetzten größeren Lebenszähigkeit des weib­lichen Geschlechts in den höheren Altersschichten. In Stuttgart befanden sich nur 2 über 95 Jahre alte Personen, in den übrigen größeren Städten kein, wie denn überhaupt die alten Leute Würt­tembergs sich fast ausschließlich auf dem Lande befinden. Erwähnt mag werden, daß unter den 21 ältesten Personen des Landes sich kein ein­ziger Junggeselle befindet wohl aber4 alte Jungfern.

Tübingen, 25. April. Eine harte, aber nicht unverdiente Strafe ist dem beim hiesigen Oberamt angestellten D. zu teil geworden. Der­selbe war auch Bewerber um die in den letzten Monaten wieder neu besetzte Stelle des hiesigen Universitätsaktuars. Hiebei verfiel er auf die wenig loyale Idee, den damaligen Verweser und jetzigen Inhaber der erwähnten Stelle, in welchem er seinen hauptsächlichen Konkurrenten erblickte, mittels gemeiner anonymer Schreiben bei der Universitätsbehörde in grundloser Weise anzu­schwärzen. Seitens der Strafkammer wurden ihm hiefür 3 Monate Gefängnis zudiktiert und was von Rechts wegen!