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* Calw, 4. Juni. Gestern verschied nach kurzem Leiden Herr Schullehrer Gärtner in einem Alter von 74 Jahren. Der Verstorbene war früher in Altensteig und Gaugenwald angestellt: die Hälfte seiner Lebenszeit verbrachteer aber in Altbulach. Hier wirkte er beinahe 35 Jahre. In dieser Gemeinde entwickelte er eine reiche und überaus gesegnete Thätigkeit. Er war ein tüchtiger Schulmann und bekleidete die sehr schwere Schulstelle mit vorzüg­lichem Erfolg. Aber auch in anderer Beziehung war er ungemein thätig. Er betrieb neben seinem Schulamt noch eine große Oekonomie. Auf diesem Gebiet war er geradezu bahnbrechend; er führte den rationellen Futterbau ein und wirkte durch Beispiel und Belehrung auf seine Mitbürger ununterbrochen ein. Der Betrieb seiner Landwirtschaft fand bald Nachahmer und der Verstorbene erwies sich in jeder Beziehung als ein eifriger Freund und Berater der bäuerlichen Bevölkerung. Er stand in seiner Ge­meinde in einem patriarchalischen Ansehen und war von jedermann hochgeachtet. Er war einer der Begründer des landwirtschaftlichen Konsumvereins, dessen Vorstand er seit dem letzten Jahre wurde. Ein Schulmeister von echtem Schrot und Korn, ein wackerer, gerader und aufrichtiger Charakter, ein warmer Freund des Volkes und ein einfacher, be­scheidener und liebenswürdiger Mann ist in dem Verstorbenen dahingegangcn. Seine Verdienste fanden bei seiner Pensionierung die gebührende Würdigung. Seit 3'/- Jahren lebte er hier im Ruhestande. Es war ihm noch vergönnt, im Kreise seiner Kinder nach einem arbeitsreichen Leben einen heiteren Le­bensabend genießen zu dürfen. Sein Andenken wird bei allen, die ihn kannten und besonders in der Gemeinde Altbulach, noch lange im Gedächtnis sein.

* Calw, 4. Juni. Infolge des prächtigen Wetters haben sich die Obstaussichten wesentlich gebessert. Zur richtigen Zeit trat noch ein Umschlag in der Witterung ein und die spät blühenden Bäume konnten sich vorzüglich entfalten, zumal das Ungeziefer in den kalten Nächten erfroren war. Soweit sich der Stand deS ObsteS jetzt übersehen läßt, so kann konstatiert werden, daß die Apfelbäume einen reichen Ertrag versprechen. Auf den Waldorten und in geschützten Lagen haben sich die Bäume erst später entwickelt und wurden von den Frostnächten weniger oder gar nicht betroffen. Die härteren und unempfind­licheren Sorten haben sich sehr widerstandsfähig gezeigt. Da die Aepfel ausschlaggebend sind, so kann man mit den Obstaussichten also noch sehr zufrieden sein. Die Frühbirnen und Zwetschgen sind leider vernichtet und es steht in diesen Sorten fast gar kein Ertrag in Aussicht. Ebenso schlecht steht es mit den Heidelbeeren; sie wurden durch die kalten Nächte hart mitgenommen; der reiche Blüten­ansatz ist erfroren. Ter Ausfall wird für manche Leute sehr empfindlich sein. Die Feldgewächse haben sich vorzüglich erholt; die Früchte zeigen ein üppiges Wachstum und besonders haben auch die Futter­kräuter die gute Witterung verspürt. Auf den Wiesen ist noch viel Bodengras gewachsen, so daß auch die Heuernte quantitativ besser ausfallen wird als man erwartet und befürchtet hatte. In der nächsten Woche wird teilweise mit dem Schnitt der Wiesen begonnen werden.

Böblingen, 31. Mai. Heute morgen wurde auf dem Galgenberg der verheiratete Maurer Saile erhängt aufgefunden.

Stuttgart, 2. Juni. Die Strike der Straßenbahner dauert fort. Auch heute früh ver­kehrte kein einziger Wagen. Es wäre dringend zu wünschen, daß der Straßenbahnverkehr, ohne den Stuttgart einfach nicht sein kann, bald wieder aus­genommen wird. Die Anschauung ist jedenfalls nicht unbegründet, daß, wenn die Straßenbahnen, wie in manchen anderen Städten, von der Stadt selbst betrieben würden, eine solche Kalamität nicht gezeitigt wor­den wäre.

Uhingen, 1. Juni. Etwa 25 Arbeiter des Kübler'schen Baugeschäftes in Göppingen sind seit einigen Tagen mit dem Tieferlegen des Kanalbeckens beschäftigt. Gestern abend um '/«6 Uhr, kurz vor Feierabend, stürzte nun plötzlich eine der Seiten­wände des Kanals in einer Länge von etwa 30 Meter und in einer Höhe von 3 Meter ein. Hiebei wurden zweiJtaliener getötet und ein anderer

Arbeiter schwer verletzt. Würde die Katastrophe fünf Minuten früher eingetreten sein, als noch sämtliche Arbeiter an Ort und Stelle waren, so wäre das Unglück ein weit schwereres gewesen.

Rottweil, 31. Mai. Dem heutigen Schweinemarkt würben 422 Stück Milch­schweine und 9 Läufer zugeführt. Der Handel ging sehr lebhaft, so daß in kurzer Zeit die ganze Zufuhr verkauft wurde. Bezahlt wurde für Milch­schweine 2646 für Läufer 5678 per Paar. Im Kaufhaus war es auch sehr belebt und wurde bezahlt pro Kilo Schweineschmalz 1 80 A,

Rindschmalz 2 30 A süße Butter 2 saure

Butter 1 85 A 10 Stück Eier 50 A"

Pforzheim. Die Vorbereitungen für das 8. Kreisturnfest des 10. deutschen Turnkreises (Baden, Elsaß-Lothringen, Bayer. Pfalz), welches in den Tagen vom 9.11. August d. I. dahier abgehalten wird, sind im vollen Gange und die Organisationen, wie jede einzelne Arbeitsabteilung funktionieren vortrefflich. Schon rechnet man auf einen Besuch von 8000 Turnern allein aus dem Kreis 10, die alle gastfreundliche Aufnahme finden werden. Der vorerst aufgestellte Festplan enthält für den ersten Tag: Empfang der Gäste, abends Fackelzug und Reigen auf dem Festplatz, Festbankett im städtischen Saalbau; für Sonntag: Vereins­wettturnen, Freiübungen und Festzug, abends tur­nerische Aufführungen sowohl im Saalbau wie auf dem Festplatz; für Montag: Einzelwettturnen und für Dienstag: Turnfahrten in die so herrliche Um­gebung der Feststadt.

Baden weil er, 2. Juni. Die Kaiserin hat heute nachmittag Schloß Hausbaden verlassen und ist nach Berlin zurückgereist. In Hausbaden verbleiben noch Prinzessin Viktoria Louise, Prinz Joachim und Prinzessin Feodora von Schleswig- Holstein.

Wiesbaden, 2. Juni. Der König von Dänemark ist gestern abend in Begleitung seines Bruders hier eingetroffen. Der König weilt hier zum 20. Mal zur Kur.

Leipzig, 2. Juni. Am 16. Juli beginnt der Prozeß gegen die vormaligen Direktoren und Aufsichtsratsmitglieder der Leipziger Bank. Die Verhandlungen werden mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen.

Wildparkstation, 2. Juni. Heute nachmittag 2'/- Uhr ist der Schah von Persien von hier abgereist. Ter Kaiser gab ihm das Geleite zum Bahnhof, woselbst auch Prinz Eitel Friedrich und Prinz Friedrich Leopold sich einge­funden hatten. Nach herzlicher Verabschiedung er­folgte die Abreise. Vormittags waren dem Schah noch auf der Terrasse vor dem Orangeriegebäude verschiedene Geschütze vorgeführt worden.

Berlin, 2. Juni. Dem Lokalanzeiger zu­folge lag eine Mitteilung der englischen Regierung oder eine amtliche Meldung über den Inhalt der nunmehr angenommenen Friedensbedingungen nicht vor. An Kaiser Wilhelm wurde gestern abend in der 9. Stunde telegraphisch die Nachricht von dem Abschluß des Friedens nach Potsdam gesandt, eben­so wurde Reichskanzler Graf Bülow verständigt. Alle maßgebenden Stellen waren von der Nachricht auf das angenehmste überrascht, obwohl die leiten­den Persönlichkeiten unserer Politik seit den letzten Wochen den Friedensschluß in unbedingt sicherer Aussicht wußten.

Berlin, 2. Juni. Dem Berliner Tage­blatt zufolge traf das erste Glückwunschtelegramm bei König Eduard noch spät abends vom deutschen Kaiser ein.

Berlin, 2. Juni. Nach einem Telegramm des Lokalanzeigers aus Paris verlautet dort, daß eine vollständig neue Verfassung für ganz Süd­afrika ausgearbeitet wird, deren Hauptlinien die Buren zufrieden stellen werden. In Brüssel rief die Nachricht um so größeres Erstaunen hervor, als das dortige Buren-Zentrum noch am Samstag an dem Zustandekommen des Friedens zweifelte. All­gemein waltete die Ueberzeugung vor, daß England in letzter Stunde Zugeständnisse machen werde.

Lemberg, 2. Juni. Amtlicher Mitteilung zufolge fand in den Erdwachsgruben der Borys- lawer Aktiengesellschaft eine Gasexplosion statt,

wobei 16 Bergleute getötet und 4 schwer verwundet wurden.

Rom, 3. Juni. Auf dem Dampfer Mon­tenegro, welcher italienische China-Truppen heim befördert, ist die Cholera ausgebrochen. Es sind bereits mehrere Todesfälle zu verzeichnen.

Amsterda m, 3. Juni. Einem Diaman­tenhändler wurden gestern, während er sich zur Börse begab, 95 000 Frs. gestohlen.

Pretoria, 1. Juni. In einer hier ver­öffentlichten Bekanntmachung wird angeordnet, daß die Zahlung der Zinsen der Transvaalbonds, die während der Dauer des Kriegs eingestellt war, vom 1. Juni ab wieder ausgenommen wird.

Der FkicdenssWß i» Mxstika,

London, 2. Juni. König Eduard richtet an sein Volk eine Botschaft, in welcher es heißt: Die frohe Nachricht von der Einstellung der Feind­seligkeiten habe ihn mit hoher Freude erfüllt. Er habe die Hoffnung, daß dem Frieden bald die Wiederherstellung des Wohlstandes in seinen neuen Staaten folgen werde, und daß die erbitterten Gefühle, welche durch den Krieg herbeigeführt worden sind, einem aufrichtigen Zusammenwirken sämtlicher Ein­wohner Südafrikas Platz machen werde, um das Wohl des gemeinschaftlichen Landes zu fördern.

London, 2. Juni. (Unterhaus.) Das Haus ist überfüllt. Brodrick, Balfour und Chamberlain werden mit lautem Beifall be­grüßt. Balfour verliest das Unterzeichnete Abkom­men über die Uebergabe der Burenstreitkräfte, das von der britischen Regierung gebilligt ist.

Art. 1 lautet: Die Burghers im Felde legen sofort die Waffen nieder, übergeben alle Kanonen, Waffen und Kriegsmunition, die in ihrem Besitze oder unter ihrer Kontrolle sind, und liehen von weiterem Widerstand gegen die Autorität des Königs ab, den sie als gesetz­lichen Souverän anerkennen.

Art. 2. Alle Burghers im Felde außerhalb der Grenzen Transvaals und der Oranjekolonie, alle Kriegs­gefangenen, die sich jetzt außerhalb Südafrikas befinden und Burghers sind, werden, sobald sie die Annahme der St Lung als Unte-.thanen des Königs Eduard erklärt haben, zurückgebracht, sobald die notwendigen Beför- derungs- und Subsistenzmittel beschafft und gesichert sind.

Art. 8. Die auf diese Weise sich ergebenden und zurückkehrenden Burghers werden ihrer persönlichen Frei­heit und des Eigentums nicht beraubt.

Art. 4. Weder ein Zivil- noch ein Strafverfahren wird gegen sich ergebende oder zurückkehrende Burghers eingeleitet für Handlungen die im Zusammenhang mit dem Kriege stehen. Diese Klausel bezieht sich jedoch nicht auf gewisse Handlungen, die den Kriegsgebräuchen wider­sprechen. Diese sollen sofort nach Schluß der Feind­seligkeiten vor einem Kriegsgericht verhandelt werden.

Art. 5. Die holländische Sprache (Vaaldialekt) wird in den öffentlichen Schulen von Transvaal und der Oranjekolonie gelehrt wo die Eltern dies wünschen, und ist auch vor den Gerichtshöfen gestattet, wenn es für eine wirksame Ausübung der Rechtspflege notwendig ist.

Art. 6. Der Besitz von Gewehren ist in Transvaal und in der Oranjekolonie den Personen gestattet, die ihrer zu ihrem Schutze bedürfen, wenn sie einen gesetzmäßigen Erlaubnisschein dafür haben.

Art. 7. Tie militärische Verwaltung soll sobald als möglich durch die Zivilverwalturig ersetzt werden und sobald die Umstände es gestatten, solle« repräsentative Institutionen, die zur Selbstverwaltung führen, eingeführt werden.

Art. 8. Die Frage, ob den Eingeborenen das Wahlrecht zu gewähren ist, soll erst nach der Ein­führung der Selbstverwaltung entschieden werden.

Art. 9. Eine spezielle Steuer zur Zahlung der Kriegs kosten soll auf den Grundbesitz in Transvaal und der Oranjekolonie nicht gelegt werden.

Art. 10. Sobald die Verhältnisse es gestatten, soll in jedem Distrikt eine Kommission ernannt werden, in der ein Beamter den Vorsitz hat und in der die Ein­wohner des Distrikts vertreten sind, um den Leuten ber der Wiedereinsetzung in ihre Heimstätten Beistand zu leisten und denen, die infolge von Kriegsverlusten außer stände sind, sich damit zu versehen, Nahrung, Ob­dach, Saatgut u. a., was zur Wiederaufnahme normaler Beschäftigung notwendig ist, zu liefern.

Art. 11. Die englische Regierung wird der Kom­mission 3 Millionen Pfund Sterling zur Ver­fügung stellen und gestatten, daß alle Noten, die unter dem Gesetze 1 von 1900 in der südafrikanischen Republik emittiert wurden, und alle von Offizieren oder auf ihre Ordre gegebenen Empfangsscheine einer juridischen von der Regierung ernannten Kommission eingehändigt werden, und wenn solche Noten und Empfangsscheine von der Kommission als berechtigt zum Ersatz und als für eine wertvolle Gegenleistung ausgegeben befunden werden, sollen sie als Beweise der Kriegsverluste gelten, welche die Personen erlitten haben, denen sie ursprünglich gegeben worden sind.

Art. 12. Außer der oben erwähnten freien Do­tation von 3 Millionen Pfund Sterling wird die Re­gierung bereit sein, Vorschüsse als Darlehen für denselben