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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
-ü- Herrenalb, 5. Aug. Selten sah unser schöner Konversationssaal bei musikalischen Aufführungen ein so zahlreiches Publikum als gestern gelegentlich des Bene siz-Kon zerts, welches der Kapellmeister der städtischen Kurkapelle, E. Gumpert, unter Mitwirkung vorzüglicher Solisten veranstaltete. Die Kapelle führte sich mit dem Bortrage der herrlichen „Egmont"-Ouvertüre von Beethoven aufs beste ein. Wir sind zur Ueberzeugung gekommen, daß die Badverwaltung mit der Anstellung dieser gutgeschulten und trefflich geleiteten Kapelle einen besonders glücklichem Griff gethan hat. Fein abgetönte, maßvolle Klangwirkung, wohlerwogene Berteilung der Streich- und Blechinstrumente und tadelloses Zusammenspiel sind besonders hervorzuheben. Sehr interessant war die Vorführung des berühmten Adagios aus der L-moll-Sonate von Beethoven, mit liebevoller Kunst ausgezeichnet gesetzt von E. Gumpert, welch letzterer auch als Komponist besonders durch die „Barcarole" mit dem charakteristischen leicht bewegten Hauptthema volle Anerkennung verdient. Fräulein Adeline Hasenmaier hat sich unsres Wissens zum ersten Male als Sopranistin vor die Oeffentlichkeit im Konzertsaal gewagt, nachdem sie schon oft im engern Kreise mit ihren Prächtigen Liedergaben die Zuhörer erfreute. Sie darf mit ihrem Erfolg, der sich in duftenden Blumenspenden, anhaltendem Beifall und wiederholten Hervorrufen äußerte. Wohl zufrieden sein. Wir waren über die in den letzten Jahren gemachten Fortschritte aufs angenehmste überrascht und wünschen ihr für ihr zukünftiges Auftreten die gleiche warme Aufnahme. Konzsrt- meister Rud. Schumacher zeigte sich in der Ballade und Polonaise von Vieuxtemps als vollendeter Violinvirtuose, der über glänzende Technik verfügt. Durch den Regisseur des hiesigen Kurtheaters, Jean Nobel, kamen zwei mit feinem Kunstverständnis ausgewählte Re- citationen zu wohl gelungenem Vortrag. Die Solisten verdanken einen Teil ihres Erfolges der meisterhaften Klavierbegleitung, die Musikdirektor Traube mit großer Eleganz und Präzision zu übernehmen die Güte hatte. Möge der errungene Erfolg unfern rührigen Kapellmeister anspornen, auch in Zukunft solche hervorragenden musikalischen Kräfte mit demselben Glück auf der Bühne des Konversationshauses zu vereinigen!
Neusatz, 8. Aug. (Unlieb verspätet.) Am Sonntag, den 29. Tuli ds. Js. feierte der hiesige Militärverein das Fest seiner Fahnenweihe. Am Abend vorher schon brachte die Musikkapelle der Ettlinger Unterosfiziersschule den Zapfenstreich zu Gehör; dessen letzter Teil: „Ich bete an die Macht der Liebe" vor dem Hause des Herrn Ortsvorstehers erklang. Der eigentliche Festtag begann mit Tagwacht und Böllerschüssen. Nach dem Empfang der Festgäste und dem Mittagsmahl, das der festgebende Verein im Gasthaus zum Löwen einnahm und das dem Gastgeber alle Ehre machte, stellten sich die Vereine, 24 an der Zahl, bei genanntem Gasthause auf, worauf sich der imposante Zug durch die wirklich schön und geschmackvoll geschmückte Hauptstraße des Ortes und zurück auf den prächtigen Festplatz bewegte. Von der stattlichen Tribüne herab sprach der Vereinsvorstand Hr. Kull den Willkommgruß, den Dank für das zahlreiche Erscheinen der Kameraden und übrigen Festteilnehmer und schloß mit einem Hoch auf König und Kaiser. Nachdem der Männerchor: „Brüder reicht die Hand" verklungen war, hielt Herr Pfarrer Mayer von Dobel die von patriotischem Geiste getragene Festrede, worin er die Bedeutung der Bereins- fahne dem Militärvereine darlegte, bezugnehmend -auf die große Zeit von 1870/71, hindcutend auf den großen Schöpfer des deutschen Reichs, dessen Todestag in diese Tage falle und erinnernd an den Ernst der gegenwärtigen Weltlage. Die gehaltvolle Rede endigte mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland, in das die Festversammlung kräftig einstimmte. Hierauf wurde die Fahne enthüllt und von der Festjungfrau E. Günthner mit einem Weihespruch
dem Fahnenträger übergeben, der feierlich versprach: „Ich übernehme die Fahne mit der Verpflichtung, ihr allezeit ein treuer Hüter zu sein." Den Akt der Weihe schloß das Vaterlandslied: „Nimm Deine schönsten Melodien." Noch trat 'Herr Hotelier Hauber aus Herrenalb, Vorstand des dortigen Militärvereins, an die Rampe, feierte das deutsche Vaterland zu Wasser und zu Lande und forderte die Kameraden zu einem dreifachen Hurrah auf, das denn auch brausend erschallte. Lange Zeit noch blieben die Festteilnehmer fröhlich auf dem Festplatze und in den verschiedenen Wirtschaften beisammen, bis der Abend sie zur Heimkehr mahnte. Abends war im Löwen Festball. Die Nachfeier bildete am Montag ein fröhliches Kinderfest.
Calw, 8. August. Auf dem heute stattgehabten Bi eh markt waren zugeführt 391 St. Rindvieh, 69 Läufer- und 51 Körbe Milchschweine. Der Handel in Großvieh ging ziemlich lebhaft, namentlich war fette Ware gesucht. Auf dem Schweinemarkt zeigte sich weniger Kauflust, Milchschweine wurden zum Preis von 14. - bis 23.— und Läufer zu 36 -75 -/E per Paar abgesetzt.
Deutsches Weich.
Hannover, 8. Aug. Der „Hannoversche Kurier" meldet: Der Kaiser fragte am Montag abend beim Grafen Waldersee telegraphisch an, ob er, um die weiteren Differenzen zwischen den Verbündeten in China wegen des Oberbefehls zu beendigen, geneigt sei, nach China zu gehen, um dort den Oberbefehl über die Truppen aller Mächte zu übernehmen und ob der Kaiser ihn für diesen Posten bei den Mächten in Vorschlag bringen könne. Graf Waldersee stimmte zu. Er reiste heute Mittag nach Äilhelmshöhe zur Meldung u. Entgennahme weiterer Instruktionen.
Nicht nur für Deutschland und seine politische Leitung, sondern speziell auch für die deutsche Armee ist die eben vom Telegraphen gemeldete Ernennung des Generalfeldmarschalls Grafen Waldersee zum Höchstkommandierenden aller verbündeten Truppen in China eine hohe Ehre. Amerikaner und Japaner, Russen und Engländer, Franzosen und Deutsche, Oesterreicher und Italiener sind dort in größeren oder kleineren Truppenkontingenten teils schon vereint, teils noch in der Vereinigung begriffen, um den Chinesen im buchstäblichen Sinne moro8 zu lehren, d. h. ihnen die Gesetze der Moral und des Völkerrechtes so handgreiflich beizubringen, daß sie sich nicht mehr so leicht einfallen lassen, fremde Gesandte, Missionare u.s.w. zu ermorden oder auch nur an Gesundheit und Leben zu bedrohen. Unter den einzelnen Truppenkontingenten der verbündeten zivilisierten Mächte gab es bekanntlich seither verschiedene Eifersüchteleien, und namentlich die Frage, wer das Oberkommando führen soll, unter welchem alle nach einem bestimmten Ziel und klaren Willen zu kämpfen und an der Lösung der gemeinsamen Aufgabe mitzuarbeiten haben, hatte sich ganz besonders schwierig gestaltet. Es ist kein Zweifel, daß die diplomatischen Verhandlungen unter den einzelnen beteiligten Mächten endlich zu der Lösung geführt haben, daß Deutschland einen seiner berühmtesten Strategen als Höchstkommandierenden stellen soll. Die Ernennung des Betreffenden war von dem deutschen Kaiser Vorbehalten worden, und nach eingeholter Zustimmung des Grasen Waldersee, den s. Z. schon Graf Moltke als seinen würdigsten und fähigsten Nachfolger bezeichnet hat, hat dieser berühmte Heerführer den Auftrag vom Kaiser erhalten, das Oberkommando über die gegen China kämpfenden verbündeten Truppen zu übernehmen. In der Zustimmung aller beteiligten Mächte, sich unter einen deutschen Höchstkommandierenden zu stellen, liegt eine Anerkennung für die deutsche Armee, auf welche unsere Nation stolz sein kann. Mit dieser Zustimmung bekundeten aber auch alle Mächte das Vertrauen auf die völlige Unparteilichkeit und diplomatische Gewandtheit des deutschen Höchstkommandierenden; sie bekundeten ihr völliges Vertrauen auf die Loyalität der deutschen Politik, und indem sie dem deutschen Kaiser es überließen, den ihm als den geeignetsten erscheinenden Mann an die Spitze der verbündeten Truppenkontingente in China zu stellen, erwiesen
sie unserem Kaiser eine bedingungslose Hochachtung, die das Herz jedes deutschen Patrioten mit Freude erfüllen, aber auch jeden öden Nörgler an derr Worten und Thaten unseres Kaisers beschämen muß. Daß Graf Waldersee das in ihn gesetzte Vertrauen glänzend rechtfertigen und die ihm gestellte Aufgabe, die vielleicht in ihrem Politischen und diplomatischen Teil noch schwieriger sein mag, als in ihrem strategischen, in unübertrefflicher Weise lösen wird, unterliegt wie in Deutschland, so auch bei allen fremden Nationen nicht dem leisesten Zweifel. Freilich, die Ernennung ist sehr spät erfolgt und es sind mittlerweile durch das Zaudern und Zögern Schwierigkeiten entstanden, welche nur schwer werden überwunden werden können. Und diese Schwierigkeiten werden sich noch häufen bis zur Ankunft des Oberbefehlshabers auf dem Kriegsschauplatz, die kürzestens in 3- 4 Wochen erfolgen kann.
Hamburg, 8. Aug. Wie die „Hamburger Börsenhalle" hört, hat der Kaiser von Rußland an Graf Waldersee ein Telegramm gerichtet, in dem er ihm seine Freude über Waldersees Ernennung zum Oberbefehlshaber ausspcicht.
Dem Führer, der Anfang Juli nach China abgegangenen Seebrigade, die bekanntlich ans den an Bord der Dampfer „Frankfurt" und „Wittekind" eingeschifften beiden Seebataillonen besieht, Generalmajor v. Höpfner, wurde der kaiserliche Befehl übermittelt, die Fahrt nach Taku möglichst zu beschleunigen. Offenbar wünscht der Kaiser, daß die beiden Seebataillone bei dem Vormarsch der verbündeten Truppen von Tientsin noch Mitwirken möchten, wozu auch alle Aussicht vorhanden ist, denn mit dem Vorstoße der internationalen Streitkräfte auf die chinesische Hauptstadt hapert's augenscheinlich bedenklich. Da „Frankfurt" und „Wittekind" am 4. August, spätestens am 5. in Hongkong eingetroffen sein dürften, so ist es durchaus nicht unmöglich, daß sich Generalmajor v. Höpfner mit seinen Truppen an den Operationen gegen Peking noch beteiligen kann.
Von den zehn Dampfern, welche das aus etwa 13 000 Mann bestehende deutsch-ostasiatische Expeditions-Korps befördern in den Tagen vom 27. Juli bis 4. August von Bremerhaven abgegangen sind, haben die ersten Schiffe bereits Gibraltar hinter sich. Sechs Dampfer können 12 und mehr Seemeilen in der Stunde lausen, während die übrigen vier eine Fahrt von II und 11 ', 2 Seemeilen machen. Mithin werden die schnellem Schiffe die langsamer fahrenden überholen. Während die aus den Dampfern „Frankfurt" und „Wittekind" eingeschifften beiden Seebataillone Taku etwa am 17. August erreichen werden, dürfte von den in den letzten Tagen abgelassenen Schiffen der erste Dampfer am 1. September in Taku anlangen. Die letzten Dampfer dürften am 19. September vor Takn eintreffen, sodaß an diesem Tage alle deutschen Truppen auf chinesischem Boden eintreffen werden.
Berlin, 7. Aug. Gegenüber den in der deutschen Presse noch immer auftretenden Befürchtungen, die chinesische Flotte möchte die vielleicht die nach Taku fahrenden deutschen Truppentransportdampfer zu überfallen versuchen, weist die „Post" darauf hin, daß die chinesische Flotte zum Teil auf dem Jangtse, zum Teil bei Kanton liegt und scharf bewacht wird, so daß nicht im Mindesten zu befürchten steht, sie könnte vielleicht die deutschen Truppentransporte überfaüem.
Ueber den Vormarsch nach Peking, oder wie man richtig sagen muß, über den Cutsatz von Peking liegen andauernd widersprechende Nachrichten vor. Zeit wäre es, daß seitens der verbündeten Mächten den Chinesen endlich der Ernst gezeigt würde. Es wird in einer vorerst noch nicht beglaubigten Form über Uneinigkeiten berichtet, die namentlich durch die Schuld Englands unter den Mächten, d. h. unter den führenden Militärs entstanden sein soll. Englands Politik scheint auch hier ein schon früher von ihr beliebtes Doppelspiel zu treiben und von Chma unter der Hand Begünstigungen zu erschwindeln, auf welche es nach der Beilegung der gegenwärtigen Differenzen vielleicht pochen wird; jedenfalls dürfte die offizielle Meldung über den Abschluß emes englisch-chinesischen Sonderabkommens berechtigtes