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Die Unsummen, welche der Burenkrieg bisher verschlungen hat, treten in dem Etat, den der Unterstaatssekretär Wyndham dem englischen Unterhause vorgelegt hat, in grelle Tagesbe­leuchtung. Die englischen Staatsmänner beab­sichtigen, aus den beiden südafrikanischen Republiken britische Militärkolonien zu machen. Die Soldaten, die sich dazu entschließen, in Transvaal und im Oranje-Freistaat den Dienst berittener Polizei­mannschaften zu versehen, werden gleichzeitig mit Landbesitz ausgestattet und sollen in ihrer land­wirtschaftlichen Thätigkeit die Anglifierung und Kolonisation Südafrikas fördern. Der Plan ist ganz fein ausgedacht und verspricht auch Erfolge, falls man bei der Auswahl der Mannschaften für diesen Kolonialdienst vorsichtig verfährt. Nicht Jeder eignet sich zum Landwirt in den felsigen Einöden Südafrikas, das beste Material für diesen Zweck liefern noch die an harte Arbeit gewöhnten Kolonisten aus Kanada und Australien. Wird diese Vorsicht bei der Auswahl außer Acht gelassen, so würde aller Wahrscheinlichkeit nach der Fall eintreten, daß die Kolonisten ihre leicht erworbenen Güter alsbald im Stich lassen, ver­kaufen und verschleudern, und in die Städte wandern, und daß in wenigen Jahren die Besitz­verhältnisse in Transvaal und im Oranje-Frei­staat dasselbe Bild gewähren wie in Bechuana- land: wenige Großgrundbesitzer und extensive Wirtschaft statt der intensiven, die allein der Hebung der Landeskultur in Südafrika förderlich sein könnte. Der Nachtragsetat von 11 ft. Millionen Pfund bemerkt, daß hierin die Ausgaben bis Ende Februar 1901 einge- schlofsen seien, und daß von der ganzen Summe auf China 3 Millionen fielen. Für den Krieg in Südafrika habe das Parlament bisher 53 fts Millionen 1070 Millionen Mark bewilligt. Zur Zeit ständen 223 500 Mann in Südafrika, von denen 189 500 Mann Reichstruppen seien. Nach dem Kriege gedenke man 45000 Mann in Südafrika zu belassen. Feldmarschall Roberts wünsche allerdings nur, daß Einrichtungen zur Unterbringung von 30000 Mann getroffen würden, aber die Regierung würde es gern sehen, wenn etwa 15000 von Kolonial- oder Reserve- Mannschaften in Südafrika ihren dauernden Wohnsitz nehmen würden. (Beifall.) Zu diesem Zwecke seien besondere Gratifikationen von 2 950000 Pfund ins Auge gefaßt, von welcher Summe jedem Mann 5 Pfund geschenkt und jedem Reservisten ein Anzug geliefert werden solle. Im Oberhause erklärte Lord Rosebery, die Lage der Dinge möge sich seit Salisburys Rede gebessert haben, aber nicht überall; denn Niemand könne den Fuß auf den Kontinent setzen, ohne zu bemerken, daß England von einer Atmosphäre von Feindschaft umgeben sei, wie sie die Geschichte des Landes niemals aufzuweisen gehabt habe. Der Nachtragsetat wurde mit 87 gegen 12 Stimmen angenommen.

Unterhaltender Heil.

Die Irre von Sankt Rochus.

Kriminalroman von Gustav Höcker.

(Nachdruck verboten.1 (Fortsetzung.^

Einige Tage vor diesem Besuche hatte All- ram einen Brief von Doktor Gerth erhalten. Alles ist aus und vorbei," schrieb der Irren­arzt.Alle Ihre Bemühungen und Erfolge sind vergebens gewesen, und mit schwerem Herzen bitte ich Sie, Ihre Thätigkeit in dieser Angelegenheit als abgeschlossen zu betrachten. Eine unübersteigliche Schranke ist es, welche dieses Halt gebietet. Nicht einmal Andeutungen kann ich Ihnen geben; es handelt sich um die Bewahrung eines Geheimnisses, an dem ich nicht zum Verräter werden darf. Nur soviel kann ich Ihnen sagen, daß nicht der geringste Flecken auf der Unglücklichen ruht, welche sich freiwillig eine fast beispiellose Märtyrerschaft auferlegt hat. Sie ergriff das einzige Mittel, das ihr noch verblieb, um den Knoten zu lösen, der sich so fest um dieses arme Opfer unseliger Schicksals­verkettungen ' geschlungen hat: sie machte einen Fluchtversuch. Nach drei Tagen brachte man sie im jammervollsten Zustande wieder zurück.

Dadurch hat sich ihr Los noch verschlimmert und sie der wenigen Vergünstigungen beraubt, die ich ihr zu erwirken vermochte. Ich werde bleiben, bis das schwach flackernde Licht, welches mich hier noch festhält, erlischt, dann will ich zum Wanderstabe greifen nnd in die Welt hinausziehen, denn in diesen Mauern müßte ich vor Schmerz vergehen!"

Mit fast überströmenden Danksagungen für den Eifer, womit Allram sich der Sache des unglücklichen Mädchens gewidmet hatte, schloß der Brief, ohne jeden Hinweis auf den beigefügten Check, dessen stumme Ziffern beredter als alle Worte aussprachen, wie hoch der junge Arzt die Dienste des Detektivs zu schätzen wußte. . . .

Seit Allram Privatdetektiv geworden, hatte er schon manches Mal dicht vor einem glänzen­den Erfolge gestanden, auf den er noch im letzten Augenblick verzichten mußte, weil Rück­sichten, die sich seinen Auftraggebern plötzlich auf­zwangen, dazwischen getreten waren. Er wurde bezahlt, ja, und sogar sehr gut bezahlt; am Mammon hing jedoch das Herz dieses verein­samt dastehenden Mannes nicht. Er besaß voll­auf, was er brauchte, und für seine alten Tage war gesorgt; aber es war ihm Bedürfnis, immer auf irgend einer Fährte zu sein; ohne diese Aufregungen erschien ihm das Leben leer, und hierin ähnelte er dem schaffenden Künstler, der sich stets mit Ideen trägt und ohne diesen Nervenreiz nicht leben kann.

Die Gläubiger des verschwundenen Banke­rotteurs Sexauer hatten den Detektiv wiederholt angegangen, die Verfolgung des Flüchtlings auf­zunehmen, zumal sich das Gerücht, er sei in Kairo, hartnäckig aufrecht erhielt, und Allram dafür berühmt war, schon manchen Verbrecher aus einem sicheren Asyle herausgelockt zu haben, So beschloß er denn, jener an ihn ergangenen Aufforderung nachzukommen, nachdem seine Thätigkeit für die Irre von St. Rochus einen so unerwarteten Abschluß gefunden hatte, und traf seine Vorbereitungen zur Reise nach der Hauptstadt Aegyptens, wie der vollgepackte große Reisekorb bewies. . . .

Als ihn die Baronin verlassen hatte, er­schien Frau Schubert wieder mit Ausklopfer und Teppichen.

Nun will ich die Droschke bestellen," be­merkte sie, als die Teppiche ihre Plätze wieder erhalten hatten;auf morgen früh vier Uhr sagten Sie, nicht wahr?"

Der Detektiv räusperte sich verlegen. Lassen Sies vorläufig noch sein, Frau Schubert. Es ist möglich, daß ich nicht reise."

Was sagte ich?!" frohlockte die Alte. Sagte ich nicht, Sie hättens benießt? Nun lachen Sie mich nur nicht mehr aus, Herr All­ram, weil ich an Vorzeichen glaube. Das Be­niesen ist ein Prophet, der niemals trügt, mit oder ohne Seife in der Nase!" . . .

-t-

In seinem mit ländlicher Einfachheit aus­gestattetem Wohnzimmer saß am Spätnachmittage der Sägemüller einsam beim Vespermahle, wo­bei das Rauschen des Wasserrads und das Kreischen der Säge die Tafelmusik bildeten. Je weniger Bequemlichkeit die gelb getünchte Stube mit ihren wenigen rohen Möbeln darbot, desto mehr schien ihr Bewohner für kulinarische Ge­nüsse eingenommen zu sein. Obwohl das Vespern nur ein bescheidenes Mittelglied zwischen Mittag- und Abendessen bildet, so wies der mit einem nicht sehr sauberen Tuche bedeckte Tisch doch außer Brot, Butter und Speck auch noch Eier, Schinken und kalten Braten auf, und neben den beiden Flaschen Bier, von denen die eine bereits geleert war, prangte eine etwas kleinere, aber desto vornehmere Mitschwester, deren bunte Etikette den Namen eines feinen Likörs verriet. Das behäbige Embonpoint, das fleischige Doppel­kinn und das schwammige Gesicht, wodurch sich das Wohlleben äußerlich am Menschen zu kenn­zeichnen Pflegt, suchte man jedoch bei dem Mühlenbesitzer vergeblich; dazu war er noch zu jung und vielleicht auch erst zu kurze Zeit im Genüsse des behaglichen Wohlstandes, der eine so üppige Halbabendmahlzeit gestattet. Seine mittelgroße Figur zeigte ein Ebenmaß, welches

Redaktion, Druck und Verlag Ion C. Meeh in Neuenbürg.

angenehm ins Auge fiel; sein etwas bleiches bartloses Gesicht konnte hübsch genannt werden und hätte für ihn eingenommen, wäre nicht ein gewisser Zug um den Mund gewesen, der auf Heimtücke oder Verbissenheit oder auf sonst eine gefährliche Charaktereigenschaft schließen ließ welche unter diesem glatten Gesicht lauerte. '

Während er sichs eben noch schmecken ließ knarrten Schritte auf der aus dem Hofe herauf­führenden morschen Holztreppe. Ein kurzes Pochen an der Thür ertönte und fast zugleich öffnete sich diese.

Aus der Schwelle erschien die ,Baroniw. Es lag etwas Geheimnisvolles in der Art ihres Eintretens. Sie zog sorgfältig die Thüre hinter sich wieder zu und sagte mit leiser Stimme:

Heute endlich habe ich ihn wieder zu Hause angetroffen. Hätte ich den Gang nur um einen Tag verschoben, so wäre es zu spät gewesen."

Der Müller legte Messer und Gabel bei­seite, eher mit einer Miene, als wäre ihm der Appetit vergangen, als aus Respekt vor seinem vornehmen Besuche, denn er blieb ruhig sitzen und überließ es auch der Dame, sich selbst nach einer Sitzgelegenheit umzusehen.

Du hast ihn also getroffen," erwiderte er ebenso leise und blickte sie gespannt an.

Dabei habe ich mich von neuem über­zeugt," flüsterte sie,daß man ihm in seiner Wohnung nicht beikommen kann. Wie ich Dir schon mitteilte, herrscht ein zu lebhafter Verkehr in dem verwünschten Hause; der Revolver, der auch heute an seinem alten Flecke lag, beweist, daß er stets auf seiner Hut ist. Mein Pülver- chen, das Cyankali, bin ich auch diesmal nicht los geworden, nicht ein armseliges Glas Wasser stand da, in das ich es hätte schütten können." (Fortsetzung folgt).

(Anzüglich.) Sie rufen, Sie doch mal Ihren miserabeln Köter!"Was, miserabler Köter? ... Sind Sie vielleicht schon viermal prämiiert worden?!"

Mutmaßliches Wetter am 9. u. 10. August.

l Nachdruck verboten.;

Der neue Luftwirbel von 745 mm ist nunmehr von der Westküste Irlands nach der mittleren Nordsee ge­wandert , wird aber von da aus voraussichtlich nord­wärts, wenn auch langsam, abziehen, weil im nord­westlichen Rußland sich wieder ein vorerst noch mäßiger Hochdruck zeigt, der aber bald Verstärkungen erhalten dürfte. Ueber Spanien, Südwestfrankreich, Italien, Oberbayern, fast ganz Oesterreich-Ungarn, ferner über Russisch-Polen behauptet sich ein Barometerstand von wenig über Mittel. Dieser schwache Hochdruck dürste indes gleichfalls bald Verstärkungen erhalten. Für Donnerstag und Freitag ist nur noch zeitweilig be­wölktes und fast ausnahmslos trockenes Wetter bei weiterhin steigender Temperatur zu erwarten.

Telegramme.

Köln, 8. Aug. DieKöln. Ztg." meldet aus zuverlässiger Quelle, daß Generalfeld­marschall Graf Waldersee zum Oberbefehls­haber der verbündeten Truppen in China ernannt worden ist.

Berlin, 7. Aug. DieBerliner Kor­respondenz" meldet, die preußischen Staatseisen­bahnen und die Reichseisenbahnen in Elsaß- Lothringen seien ermächtigt, freiwillige Gaben für das ostasiatische Expeditionskorps, die in Frachtbriefen ausdrücklich als solche bezeichnet und an die kgl. Bahnhofkommandantur Bremen oder an die bei dieser errichteten Hauptsammel­stelle gerichtet sind, frachtfrei zu befördern. Eine gleiche Ermächtigung wird durch die zuständigen Eisenbahnkommissare den preußischen Privat­bahnen erteilt werden.

Kapstadt, 7. August. (Reutermeldung.) Harrysmith ergab sich General Macdonald. Da­durch ist die Eisenbahnverbindung nach Natal wieder hergestellt. Ein heftiges Gefecht begann am 5. ds. Mts. am Elandsriver. Dasselbe dauerte am 6. ds. Mts. noch fort. Einzelheiten fehlen. Jedoch glaubt man, daß es den Generalen Carrington und Hamilton gelungen ist, die Garnison von Rustenburg zu entsetzen und daß sich die Garnison nach Zeeruft zurückzog,