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Mädchen ist schwer verletzt und wurde in die Klinik nach Tübingen verbracht, während der Knabe hier sich in ärztlicher Behandlung befindet. Der Thäter scheint ein 20 jähriger Mensch zu sein und hat, nachdem Leute dazukamen, die Flucht ergriffen. Beide Kinder gehören einem hiesigen Korbmacher, namens Sperr. Da die That ganz nahe bei der Stadt geschah, ist die ganze Einwohnerschaft in begreiflicher Aufregung.
Ausland
Prag, 13. Juli. In Mauth äscherte ein großer Brand 37 Anwesen ein; vierhundert Personen sind obdachlos. Das Feuer griff auf den Nachbarort Kirez über und äscherte auch dort mehrere Häuser ein.
Rußland in Nord-China. Es war ein großer Irrtum, anzunehmen, daß die Besetzung Kiautschaus durch Deutschland die Boxer- Erhebung entfacht habe. Das politische Ehrgefühl des Chinesen ist nicht hinreichend entwickelt, um ihn eine geringfügige „Landverpachtung" schmerzlich empfinden zu lassen. Erst die europäischen Eisenbahn - Unternehmungen, welche die frommen Empfindungen der starr am Alten Hängenden verletzten und die Interessen der Kameltreiber und Lastträger schädigten, riefen eine tiefgehende Erregung hervor, die sich schließlich zu offener Empörung steigerte. Bis dicht vor die Thore Pekings, wenn auch kläglicherweise nicht in die Mauern der Nordhauptstadt hinein, führten die Weißen ihren Schienenstrang. Dazu kamen dann noch die ausgedehnten Eisenbahnbauten der Russen in der Mandschurei und der Mongolei, die den ganzen Norden des himmlischen Reiches wie mit stählernen Banden umspannten und in den Chinesen die Befürchtung wachriefen, bald in völlige Abhängigkeit von diesem rührigen, mächtigen Nachbar zu geraten. Wenn die russischen Blätter die gegenwärtige Anarchie in China auf das Vorgehen Deutschlands in Kiautschau rurückführen, so wollen sie damit nur ihr eigenes schlechtes Gewissen beschwichtigen. Auch die amtliche russische Auffassung ging lange Zeit dahin, daß der Aufruhr sich nicht gegen Rußland richte. Man trieb an der Newa Wider besseres Wissen Vogelstrauß- Politik, um die Möglichkeit, sich in einem geeigneten Augenblicke zur Schutzmacht Chinas aufzuwerfen, nicht aus der Hand zu geben. Ein rasches und entscheidendes Vorgehen Japans wurde durch russischen Einspruch vereitelt. Jetzt, da die Boxer russische Kirchen und Kapellen zerstört haben und ihre Hauptangriffe gerade gegen die russischen Eisenbahnbauten nördlich von Peking richten, kann Rußland natürlich nicht mehr die Hände in den Schoß legen. Der Sache der Kultur würde es aber einen größeren Dienst geleistet haben, wenn es gleich für ein energisches Vorgehen eingetreteu wäre, und statt 3—4000 Mann sofort 10—12000 Mann nach Taku und Tientsin geworfen oder Japan dazu ermächtigt hätte. Dann wäre heute vermutlich das Leben keines einzigen in Peking befindlichen Weißen zu beklagen.
Aus Petersburg verlautet jetzt, die russisch Regierung wäre angesichts des Umsichgreifen des Aufruhrs in den chinesischen Nordprovinzei sogar geneigt, den Transport deutscher Trupps bls zu zwei Armeekorps auf den mittelasiatischer swnffchm Eisenbahnlinien zu gestatten. Wi glauben erstens nicht recht an eine solche Ge Ukigtheit und meinen im Uebrigen, daß unser Heeresverwaltung das Leben deutscher Soldatei gar nicht der sibirischen Bahn anvertrauen wird bisherige Leistungen wenig vertrauen zweckend sind. Tatsächlich aber soll die sibirisch -vahn demnächst ausschließlich großen Truppen lrailsfforten dienen und für den Privaten Berkeh gänzlich gesperrt werden. Die Russen werdei Asiug damit zu thun haben, ihre eigenen Soldatei sch und sicher auf dieser neuen Linie zu befördern .Petersburg, 14. Juli. Das Rund R"i " deutschen Staatssekretärs Grafei utow hat, wie wir erfahren, in hiesigen maß gefunden ^ierungskreifen rückhaltlosen Versal
Amberg, 13. Juli. Die Flüsse Dnieste Strhr sind ausgetreten und haben das an
liegende Land überschwemmt. In Halicz wurden 10 Häuser vom Wasser zerstört, 100 stehen unter Wasser. Mehr als 500 Menschen sind obdachlos. Die Stadt Stryi ist überschwemmt; alle Bahnverbindungen mit Stryi sind unterbrochen.
Zwei neue Siege der Buren! Der tapfere General de Wet hat einen heiligen Eid geleistet, daß er sich nie ergeben werde. Mit welch verzweifelter Tapferkeit er und seine Gesinnungsgenossen sich noch heute gegen die englische Üebermacht schlagen, geht daraus hervor, daß es den Buren neuerdings gelungen ist, der rechten Flanke des Lord Roberts an zwei entscheidenden Punkten schwere Niederlagen beizubringen. Bei Nitrals Nek und Derdepoort, westlich von Pretoria, wurden die Engländer gleichzeitig geworfen.
Die Meldung überden Sieg der Buren bei Nitralsnek beweist, wie wenig man auf den südafrikanischen Kriegsschauplatz vor Ueber- raschungen sicher ist. Nitralsnek, etwa 18 Meilen von Pretoria an der Linie gegen Westen nach Rustenburg, war von einer Schwadron der grauen Schotten, zwei Geschützen und 5 Kompagnien des Linkoln-Regiments besetzt. Die Buren griffen bei Tagesanbruch am 12. Juli mit überlegenen Streitkräften an. Sie nahmen den Hügel, welche den Paß beherrschen, und eröffneten ein mörderisches Gewehrfeuer auf die kleine Besatzung. Der Kampf dauerte den ganzen Tag. Roberts sandte Verstärkungen. Aber bevor dieselben eintrafen, war die Besatzung geschlagen. Die beiden Geschütze und ein großer Teil der schottischen Schwadron fielen in die Hände der Buren, weil die Pferde erschöpft waren. Auch machten die Buren 90 Gefangene vom Linkoln-Regiment. Roberts selbst meldet, er fürchte, daß die Verlustliste bedeutend sei. — Zur selben Zeit wurden die englischen Vorposten bei Derdepoort angegriffen. Auch dorr gab es für die Engländer herbe Verluste, denn eine englische Abteilung hielt Burentruppen, die in einem Gehölz versteckt waren, für eigene Leute und fiel so in einen Hinterhalt. Bei Krügersdorp hat dagegen General Smith-Dorrien den Buren starke Verluste beigebracht.
Prätoria, 14. Juli. Die Buren halten noch immer die Berge, 5 Meilen nördlich der Forts Wonderboom und Dasport, besetzt. Sie haben bei Nitrals Nek infolge des Widerstandes des Lincolnshire-Regiments ebenfalls schwere Verluste gehabt.
Ein neues Goldland. Große Aufregung herrscht, wie aus San Frankisko berichtet wird, dort infolge der Berichte von einem „neuen Klondyke", das in Nieder-Kalifornien entdeckt worden ist. Drei Goldgräber sind soeben mit Goldstaub im Werte von 800000 angekommen, die sie in wenigen Monaten auf den Goldfeldern gefunden haben. Ein Mexikaner, Josö Jbarro brachte Gold im Werte von 400000 -/A. mit, das er im Laufe eines Jahres gewonnen hat. Die Goldfelder umfassen ein Gebiet von 250000 Acres. Es giebt bisher nur wenige Goldgräber am Platze, und alle erwerben sich in kürzester Zeit ein Vermögen.
Auteryattender Teil.
Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Der Detektiv lächelte. „Also Herrn Wip- pach hat es in Amerika nicht gefallen, wie es scheint," nahm er das Gesprächsthema wieder auf. „Wo und wann haben Sie ihn denn getroffen?"
Therese nannte die Straße. Es sei vor acht oder zehn Tagen gewesen. „Er sah so verkommen aus, daß er mich dauerte," fuhr sie fort. „Und denken Sie nur, er frug mich, ob ich nicht eine Kleinigkeit Geld bei mir hätte. Er, ein Mann, der studirt hat. Ich gab ihm, was ich gerade im Portemonnaie trug."
„Haben Sie ihn nicht gefragt, wo er wohnt und was er jetzt treibt?"
„Nein; er mochte sich wohl seines herabgekommenen Zustandes schämen und ging gleich
weiter, sowie er das Geld hatte. Ganz nüchtern schien er auch nicht zu sein, denn er roch nach Fusel."
„Wie sieht er denn eigentlich aus?" frug Allram obenhin. „Ich habe ihn damals gar nicht gesehen, da sein Onkel sich begreiflicherweise nicht angeregt fühlte, ihn mir vorzustellen."
Frau Thorbeck entwarf nun das Portrait eines jungen Mannes, der mit seinen sechs- oder siebenundzwanzig Jahren, seinem hellbraunen Haar, seinen graublauen Augen und feiner „mittleren Figur" genau so aussah, wie tausend andere. Dabei wußte sie sich nicht einmal zu erinnern, ob er einen Kinn- oder Backenbart oder einen Vollbart trug.
„Daß sich Gott erbarm! Sein Glück, seine ganze Zukunft durch leichtsinnige Streiche so zu verscherzen!" beklagte sie das Schicksal des Gesunkenen. „Welche Lammsgeduld hat sein gutherziger Onkel mit ihm gehabt, welche Unsumme von Schulden hat er für ihn bezahlt, ehe er ihn enterbte. Aber daß der Undankbare zuletzt gar zum Diebe wurde, das schlug dem Fasse den Boden aus. Uebrigens wäre er ganz der Mann dazu gewesen, das schöne Vermögen seines Onkels in ein paar Jahren durchzubringen."
„Da ist es in der Hand der Frau Bru- scher jedenfalls besser aufgehoben," warf Allram hin.
„Ei, das will ich meinen! Die hälts zusammen!" versicherte Therese, „Das Geld hatte sie immer ein bischen lieb. Sie mochte wohl schon als Wirthschafterin einiges erspart haben und hatte Geld auf Grundstücken stehen; denn Wenns Vierteljahr um war, kamen Leute zu ihr und brachten Zinsen."
„Was war sie sonst für eine Frau?"
„Eine ganz gute Frau; es kamen ihr immer gleich die Thränen, wenn es etwas gab. Sie las sehr gern, besonders in den Zeitungen; die studierte sie von Anfang bis zu Ende durch."
„Wie stand sie sich mit dem unglücklichen Fräulein?"
„Mit Fräulein Konstanze?" frug die junge Frau, und nun kamen ihr plötzlich selbst die Thränen und rannen ihr wie angeschwollene Bäche über die roten runden Wangen. „Oh, sehr gut stand sie sich mit dem armen Fräulein. Sie hat sie ja auch eigentlich gerettet, wenigstens vor dem Schlimmsten."
„Von wegen der Epilepsie, nicht wahr?"
„Das wars ja!" nickte Therese, noch immer beschäftigt, ihre Thränen zu trocknen. „Niemand hat um die schreckliche Krankheit gewußt, als Frau Bruscher und der Herr Professor."
„Trug sich der Professor nicht mit Heiratsgedanken, hm?" frug Allram, indem er Plötzlich sehr leise sprach und einen vertraulichen Ton anschlug.
Frau Thorbeck blickte sinnend nach der Decke und dann auf ihre Schürze, die sie sich glatt strich.
„Nun, ein Gewohnheitsmensch war er ja," sagte sie; „er sah nicht gern fremde Gesichter um sich und fürchtete sich vor jeder Störung seiner Ordnung. Sie hat ihn gut verpflegt — man kann mit einem Kinde nicht sorgsamer umgehen — und sie ist ja auch keine üble Frau. Aber um sie zu heiraten, war er ihr doch an Bildung zu sehr über. Es muß freilich einmal so etwas in der Luft gelegen haben. Vor zwei oder drei Jahren gab es nämlich zwischen ihnen eine arge Verstimmung; sie sprachen nur das nötigste miteinander; sie ging mit verweinten Augen herum und ließ gegen mich Worte fallen, als ob sie nächstens ihre Stelle aufgeben würde. Dann war aber Plötzlich alles wieder gut zwischen den beiden. So ganz klug bin ich aus der Geschichte ja nicht geworden. Ob sie nun auf eine Heirat gedrungen und mit ihrem Abgänge gedroht hatte, das weiß ich nicht. Doch mag es damals wohl gewesen sein, wo er sie zu seiner Erbin eingesetzt hat, und damit konnte sie ja zufrieden sein, und er konnte wohl auch nichts besseres thun, als sich eine so zuverlässige Frau zu erhalten; denn er war sehr leidend, und wer weiß, ob er wieder eine Wirtschafterin gefunden hätte, bei der er so gut aufgehoben wäre."